VG Weimar, Beschluss vom 02.03.2021 - 3 E 209/21
Fundstelle
openJur 2021, 19991
  • Rkr:

Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bezüglich der Fertigung und Übersendung einer elektronischen Abschrift einer selbst ausgestellten Urkunde aus § 33 Abs. 7 ThürVwVfG

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, eine elektronische Abschrift der Approbationsurkunde des Antragstellers zu fertigen und diese an eine vom Antragsteller zu benennende E-Mail-Adresse der D... zu versenden. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller zu 1/3 und der Antragsgegner zu 2/3 zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der am 19. Februar 2021 bei Gericht eingegangene Eilantrag des Antragstellers,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Approbationsurkunde des Antragstellers über den Auftragsdatenverarbeiter D... zu verifizieren und elektronisch zu übermitteln,

hat teilweise Erfolg.

Der Antrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig und in dem tenorierten Umfang begründet.

Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung nötig erscheint, um vom Antragsteller wesentliche Nachteile abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO - hat der Antragsteller sowohl das Bestehen des umstrittenen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Geht der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung - wie vorliegend - mit einer Vorwegnahme der Hauptsache einher, sind an das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hohe Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist danach nur dann geboten, wenn der Antragsteller in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich anzustellenden summarischen Prüfung bei Anlegung eines strengen Maßstabes erkennbar Erfolg haben wird und dem Antragsteller ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. OVG Weimar, Beschluss vom 18. Dezember 2020, Az.: 2 EO 727/20, Rn. 22 mit weiteren Nachweisen - zitiert nach juris). Ausgehend hiervon fehlt es vorliegend an einem Anordnungsanspruch, soweit der Antragsteller vom Antragsgegner eine elektronische Verifizierung seiner Approbationsurkunde begehrt (hierzu unter 1.). Ein Anordnungsanspruch ist jedoch zu bejahen im Hinblick auf das bloße Anfertigen und Versenden einer elektronischen Abschrift der Approbationsurkunde des Antragstellers (hierzu unter 2.). Diesbezüglich hat der Antragsteller auch einen entsprechenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (hierzu unter 3.)

1.

Soweit der Antragsteller eine elektronische Verifizierung seiner Approbationsurkunde begehrt, fehlt es bereits am notwendigen Anordnungsanspruch. Bei summarischer Prüfung besteht im Hauptsacheverfahren kein Anspruch auf eine solche Verifizierung.

a.

Der Anspruch lässt sich insbesondere nicht auf die vom Antragsteller benannte Vorschrift des Art. 20 Abs. 1 und 2 der Datenschutzgrundverordnung - DSGVO - stützen, nach der eine betroffene Person das Recht hat, die sie betreffenden personenbezogenen Daten, die sie einem Verantwortlichen bereitgestellt hat, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten oder direkt von diesem Verantwortlichen an einen anderen Verantwortlichen übermitteln zu lassen, sofern sie hierzu ihre Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a) oder Art. 9 Abs. 2 lit a) DSGVO erteilt hat und die Verarbeitung mithilfe automatisierter Verfahren erfolgt.

Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit die begehrte Verifizierung der Approbationsurkunde überhaupt vom Anspruchsinhalt des Art. 20 Abs. 1 und 2 DSGVO umfasst ist. Es fehlt in jedem Fall an Daten im Sinne der Vorschrift. Hierzu zählen nur diejenigen Daten, die die betroffene Person zuvor dem Verantwortlichen übermittelt hat. Von vornherein nicht erfasst sind Daten, die erst das Ergebnis einer Auswertung durch den Verantwortlichen darstellen (vgl. Paal in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2021, Art. 20 DS-GVO, Rn. 17; Herbst in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 20 DS-GVO, Rn. 11; Pilz in: Gola, Datenschutzgrundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 20 DS-GVO, Rn. 16). Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass zwar die vom Antragsteller im Rahmen seines Antrags auf Approbation an das Thüringer Landesverwaltungsamt übermittelten Daten wie Name und Geburtsdatum, in keinem Fall jedoch die vom Thüringer Landesverwaltungsamt nach Prüfung der Daten gemäß § 39 Abs. 1 der Approbationsordnung für Ärzte - ÄApprO - i. V. m. § 2 Abs. 1 der Thüringer Verordnung über die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Berufsrechts der akademischen Heilberufe - ThürHeilBerZustV- erteilte Approbation zur Ausübung des ärztlichen Berufes vom Anwendungsbereich des Art. 20 DSGVO umfasst sind.

Abgesehen davon regelt Art. 20 Abs. 3 S. 2 DSGVO einen ausdrücklichen Ausschluss des Rechts auf Datenübermittlung im Falle einer Datenverarbeitung in Ausübung öffentlicher Gewalt. Eine öffentlich-rechtlich handelnde Behörde - wie hier das nach den zuvor benannten Vorschriften für die Approbation zuständige Thüringer Landesverwaltungsamt - ist damit nicht zur Gewährleistung der Datenübertragbarkeit nach Art. 20 DSGVO verpflichtet (siehe hierzu Herbst a.a.O., Rn. 14).

b.

Ein Anspruch auf Verifizierung der Approbationsurkunde folgt auch nicht aus der vom Antragsteller im Weiteren angeführten Vorschrift des § 25 Abs. 2 Nr. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes - BDSG -, nach der eine Übermittlung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen an nichtöffentliche Stellen zulässig ist, wenn der Dritte, an den die Daten übermittelt werden, ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat.

Dabei kann offenbleiben, ob die benannte Vorschrift nach Inkrafttreten der DSGVO überhaupt noch angewandt werden kann (vgl. hierzu das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. September 2018, Az.: 7 C 5/17, Juris, zu einer Parallelvorschrift in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG). In jedem Fall ist § 25 Abs. 2 Nr. 2 BDSG eine ausschließlich im öffentlichen Interesse liegende Norm, die abseits der in den §§ 32 bis 37 BDSG aufgeführten Betroffenenrechte keine subjektiven Rechte des Betroffenen regelt.

c.

Schließlich ergibt sich auch kein Anspruch auf Verifizierung der Approbationsurkunde des Antragstellers aus der Vorschrift zur Fertigung und Beglaubigung elektronischer Dokumente und Abschriften in § 33 Abs. 7 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes - ThürVwVfG -.

Mit dieser Vorschrift hat der Landesgesetzgeber die Befugnis einer Behörde, selbst ausgestellte Urkunden in Papierform zu beglaubigen, um die Befugnis zur Fertigung und Beglaubigung elektronischer Dokumente und Abschriften erweitert. Soweit ein Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht hat und durch das Verlangen kein unverhältnismäßiger Aufwand entsteht, "soll", also muss die Behörde im Regelfall ein elektronisches Dokument nach § 33 Abs. 4 Nr. 4 lit. a) ThürVwVfG oder eine elektronische Abschrift fertigen sowie entsprechend § 33 Abs. 4 Nr. 4 und Abs. 5 ThürVwVfG elektronisch beglaubigen. Herkömmliche Papierdokumente müssen insofern im Regelfall in elektronische Dokumente umgewandelt und mit einem Beglaubigungsvermerk versehen werden, der zusätzlich zu den Angaben nach § 33 Abs. 3 ThürVwVfG den Namen des für die Beglaubigung zuständigen Bediensteten und die Bezeichnung der Behörde, die die Beglaubigung vornimmt, enthält. Die Unterschrift des für die Beglaubigung zuständigen Bediensteten und das Dienstsiegel gemäß Absatz 3 sind zudem durch eine dauerhaft überprüfbare qualifizierte elektronische Signatur zu ersetzen.

Ausgehend hiervon ist vorliegend ein Anspruch auf Beglaubigung der Approbationsurkunde des Antragstellers aller Voraussicht nach abzulehnen. Bei summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner dem Begehren des Antragstellers auf elektronische Beglaubigung seiner Approbationsurkunde nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand nachkommen kann. Nach Erkenntnissen des Gerichts (telefonische Auskünfte vom 2. März 2021, siehe den Aktenvermerk vom 2. März 2021) verfügt weder das zuständige Referat noch das allgemeine Referat für Beglaubigungen im Thüringer Landesverwaltungsamt über die technischen Voraussetzungen für eine Beglaubigung im Sinne der oben genannten Vorschriften.

2.

Dem Antragsteller steht jedoch gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Umwandlung seiner Approbationsurkunde in ein elektronisches Dokument und Übersendung dieses Dokuments an die D... zu.

Anspruchsgrundlage hierfür ist § 33 Abs. 7 ThürVwVfG. Als Minus zum vollständigen Regelungsinhalt ist dieser Vorschrift ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bezüglich der Fertigung einer elektronischen Abschrift einer selbst ausgestellten Urkunde zu entnehmen, soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wurde und durch das Verlangen kein unverhältnismäßiger Aufwand entsteht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Bei der Approbationsurkunde des Antragstellers handelt es sich um eine vom Thüringer Landesverwaltungsamt gemäß § 39 Abs. 1 ÄApprO i. V. m. § 2 Abs. 1 ThürHeilBerZustV selbst ausgestellte Urkunde. Der Antragsteller hat zudem glaubhaft dargelegt, eine Bestätigung dieser Urkunde für seine Bewerbung in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu benötigen. Die Fertigung einer elektronischen Abschrift der Approbationsurkunde zum Beispiel in Gestalt eines Portable Document Format - PDF - sollte für das Thüringer Landesverwaltungsamt schließlich auch nicht mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden sein. Dazu ist heute praktisch jedes Multifunktionsgerät (Kopierer/Drucker/Scanner) in der Lage.

Sind die Voraussetzungen des § 33 Abs. 7 ThürVwVfG erfüllt, "soll" die Behörde eine elektronische Abschrift fertigen. Dem gesetzlichen Regelfall nach besteht daher bei Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich ein Anspruch auf Fertigung der elektronischen Abschrift. Dieser umfasst - vergleichbar der Rückgabe des nach § 33 Abs. 1 bis 3 ThürVwVfG beglaubigten Papierdokuments - auch die Herausgabe der elektronischen Abschrift. Dem Antragsteller steht es dabei frei, eine elektronische Adresse für den Erhalt der elektronischen Abschrift zu benennen. Insoweit ist es auch möglich, einen Dritten zum Empfänger der elektronischen Abschrift zu ermächtigten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn besondere Umstände gegeben sind, die eine atypische Fallgestaltung begründen (vgl. Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 40 VwVfG mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

Ausgehend hiervon hat das Thüringer Landesverwaltungsamt eine elektronische Abschrift der Approbationsurkunde des Antragstellers zu fertigen und diese an eine vom Antragsteller zu benennende Adresse der D... elektronisch zu übermitteln. Ein dem entgegenstehender atypischer Sachverhalt liegt nicht vor.

Insbesondere kann sich der Antragsgegner nach der mehrfach erklärten Einwilligung des Antragstellers in eine Übermittlung seiner Approbationsdaten an die D... im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit a) i. V. m. Art. 49 Abs. 1 lit. a) DSGVO nicht mit Erfolg auf eine unzulässige Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer berufen.

Darüber hinaus greifen bei summarischer Prüfung aber auch die vom Antragsgegner vorgebrachten IT-Sicherheitsbedenken nicht durch. Nach den Recherchen des Gerichts handelt es sich bei der D... um ein international tätiges Unternehmen, das unter anderem von der D..., einem staatlichen Beliehenen im Gesundheitssektor der Vereinigten Arabischen Emirate (vgl. hierzu der Internetauftritt der D... unter https://www...., abgerufen am 2. März 2021), mit der Aufgabe betraut wurde, im Rahmen der Fachkräftegewinnung im Gesundheitssektor die ausschließlich online stattfindende Zulassung der jeweiligen Fachkräfte vorzubereiten und vorzunehmen. Hierzu gehört unter anderem auch die Echtheitsüberprüfung vorgelegter Unterlagen (vgl. https://www...., abgerufen am 2. März 2021). In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Arzt beabsichtigt, seinen Beruf demnächst in den Vereinigten Arabischen Emiraten auszuüben und hierfür der D... bereits seine Approbationsurkunde vorgelegt hat, erscheint es dementsprechend nicht atypisch, dass der Antragsteller selbst oder die D... das Thüringer Landesverwaltungsamt um Bestätigung der Echtheit der in der Urkunde aufgeführten Daten gegenüber D... bitten. Bei einem international tätigen Unternehmen der IT-Branche wie der D... ist es zudem nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, dass verschiedene Mitarbeiter verschiedener Standorte mit der Aufgabe betraut werden. Soweit hierfür von D... parallel zu einer Kopie der Originalurkunde in Deutsch auch eine Ausfertigung der Urkunde in Englisch und ein erweiterter Fragebogen vorgelegt wurden, ist dies wohl lediglich auf den Wunsch eines erleichterten Verständnisses des Inhalts der deutschen Urkunde zurückzuführen. Das Begehren nach Verifizierung bezog sich jedenfalls ausdrücklich auf die vom Thüringer Landesverwaltungsamt ausgestellte deutsche Approbationsurkunde. Soweit schließlich Bedenken bezüglich einer fehlenden Kostenübernahmeerklärung der D... bestehen, bleibt es dem Antragsgegner unbenommen, die hierfür vorgesehenen Gebühren gegenüber dem Antragsteller geltend zu machen.

3.

Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.

Ausweislich seiner eidesstaatlichen Versicherung und des mit Übermittlung seiner Approbationsurkunde an die D... bereits begonnenen Bewerbungsprozesses strebt der Antragsteller ab Sommer dieses Jahres eine Fortsetzung seiner beruflichen Betätigung in den Vereinigten Arabischen Emiraten an. Hierfür ist es nach den Erkenntnissen des Gerichts unabdingbar, dass das Thüringer Landesverwaltungsamt als ausstellende Behörde die elektronische Abschrift an die D... übersendet. Sollte hier auf den Abschluss eines Hauptsacheverfahrens gewartet werden, droht dem Antragsteller eine nicht mehr wiedergutzumachende Beschränkung seiner Berufsausübung.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus den § 155 Abs. 1 S. 1 Var. 2 VwGO. Entsprechend seinem Unterliegen im Hinblick auf die begehrte Verifizierung seiner Approbationsurkunde war der Antragsteller anteilig an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Das Gericht folgt hierbei den Angaben des Antragstellers über sein wirtschaftliches Interesse an der Sache. Vor dem Hintergrund der Vorwegnahme der Hauptsache besteht kein Anlass, den Streitwert im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu verringern.

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