OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.05.2021 - 6 W 31/21
Fundstelle
openJur 2021, 19959
  • Rkr:
Verfahrensgang

1. Setzt der Markeninhaber seine unbenutzte Marke umfangreich zur Rechtsverfolgung ein, lässt sich daraus unter Umständen auf eine vorrangige Einnahmeerzielungsabsicht über erzwungene Lizenzverträge schließen. Dies kann dafür sprechen, dass die Marke nicht mit dem Ziel angemeldet wurde, sie in lauterer Weise als Kennzeichen für Waren und Dienstleistungen zu benutzen, sondern sie zweckfremd als Hinterhaltsmarke einzusetzen.

2. Der mutmaßlichen Behinderungsabsicht steht nicht entgegen, dass sich die Marke noch in der Benutzungsschonfrist nach § 25 Abs. 1 MarkenG befindet.

3. Zwischen der Marke "ASCOLI" und der Bezeichung "Ascona" für eine Damen-Wanderhose besteht keine Zeichenähnlichkeit.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Beschwerdewert: 10.000,- €

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Eilantrag zu Recht zurückgewiesen.

1. Hinsichtlich der angeblichen Verletzung der Marke "ASCONI" des Antragstellers fehlt es an einem Verfügungsgrund.

a) Der Verfügungsgrund wird grundsätzlich vermutet (§ 140 Abs. 3 MarkenG). Dies gilt auch dann, wenn die Verfügungsmarke mit einem Löschungsantrag angegriffen wird. Das Verletzungsgericht muss im Regelfall von dem Rechtsbestand einer eingetragenen Marke ausgehen. Am Verfügungsgrund kann es jedoch fehlen, wenn der Löschungsantrag auf neue tatsächliche oder rechtliche Argumente gestützt ist, die bei der Eintragungsentscheidung voraussichtlich nicht berücksichtigt worden sind und die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zur Löschung der Marke führen dürften (OLG Frankfurt am Main, WRP 2016, 521 - Multi Star - m.w.N.). In einem solchen Fall kann ein auf die Marke gestütztes Verbot im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr ausgesprochen werden. Denn anders als im Hauptsacheverfahren kommt eine Aussetzung bis zum Abschluss des Löschungsverfahrens nicht in Betracht. Aus Art. 2, 9 Abs. 1 lit. a der sog. Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EG) kann nach Ansicht des Senats nicht abgeleitet werden, dass ein Eilantrag auch auf wahrscheinlich löschungsreife Marken gestützt werden kann (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.3.2014 - 6 U 243/13, juris Rn 27).

Auf die kürzlich vom Landgericht München aufgeworfene Vorlagefrage, ob es mit Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie vereinbar ist, wenn der Erlass einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung von Patenten grundsätzlich verweigert wird, solange das Streitpatent kein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat, kommt es im Streitfall nicht an (vgl. LG München I, Beschluss vom 19.1.2021 - 21 O 16782/20 = GRUR 2021, 466 mit Anmerkung Kühnen).

b) Es spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Verfügungsmarke "ASCONI", soweit sie für Bekleidung (Klasse 25) eingetragen ist, wegen bösgläubiger Anmeldung nach §§ 8 Abs. 2 Nr. 10, 53 Abs. 2 MarkenG löschungsreif ist. Unstreitig hat die Herstellerin (Schöffel) der von der Antragsgegnerin mit "Ascona" gekennzeichneten Waren unter dem 25.2.2021 einen entsprechenden Löschungsantrag beim Amt gestellt.

aa) Von einer Bösgläubigkeit des Anmelders im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG ist dann auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt ist. Ein sittenwidriger Markenerwerb kann darin liegen, dass ein Anmelder die mit der Eintragung einer Marke entstehende Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (BGH GRUR 2006, 1032, 1033 - E2; BGH GRUR 2000, 1032, 1034 - EQUI 2000). Dies ist dann anzunehmen, wenn die Anmeldung offensichtlich auch zu dem Zweck erfolgt, ein anderes Unternehmen unter Druck zu setzen und von diesem (finanzielle) Gegenleistungen zu erzwingen (BPatG ZUM-RD 2010, 652). Maßgeblich ist die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung, die anhand der objektiven Umstände zu bestimmen ist (BGH GRUR 2015, 1214, Rn 58 - Goldbären).

bb) Die Antragsgegnerin hat in ihrer Schutzschrift dargelegt, dass der Antragsteller gestützt auf seine Ende 2018 eingetragene Marke bereits zahlreiche Berechtigungsanfragen und Abmahnungen ausgesprochen hat, ohne eine nennenswerte Benutzung im Bereich der Bekleidung aufgenommen zu haben. In seiner an die Herstellerin Schöffel gerichteten E-Mail vom 25.1.2021 weist er auf zahlreiche rechtliche Kontakte mit Modefirmen hin (z.B. Max Mara, Zalando, Breuninger), die daraufhin Unterlassungserklärungen abgegeben, Lizenzvereinbarungen geschlossen oder Schadensersatz geleistet haben (Anlage AG8). Soweit der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 28.4.2021 die Auffassung vertritt, ihm könnten keine "massenweisen" Abmahnungen vorgeworfen werden, da er vorrangig mit Berechtigungsanfragen eine "schnelle Lösung" anstrebe und auch keine Abmahnkosten verlange, mag dies richtig sein. Unabhängig von der Wahl der rechtlichen Mittel ist jedoch unstreitig, dass der Antragsteller seine im Bereich Bekleidung praktisch unbenutzte Marke umfangreich zur Rechtsverfolgung einsetzt.

cc) Dabei bedient er sich in der Korrespondenz mit den verwarnten Unternehmen Formulierungen, die auf eine vorrangige Einnahmeerzielungsabsicht schließen lassen (z.B. "Sofern Schöffel sich weigert den Umsatz zu benennen, müsste ... eine solche Einmalzahlung im sechsstelligen Bereich liegen", Anlage 11, Bl. 143; oder: "Ich würde Sie daher bitten, sich bis zum 4.2.2021 zu äußern ... was das Unternehmen bereit wäre, für die bisherige Nutzung oder zukünftige Nutzung zu blechen", Anlage AG 16, Bl. 153 d.A.). Offenbar hat der Antragsteller mit mehreren kontaktierten Unternehmen bereits Lizenzverträge geschlossen, andere haben Schadensersatz gezahlt (vgl. Anlage AG 11, Bl. 140 d.A.). Ferner baut er gezielt Druck auf, um die Abgemahnten zu Zahlungen zu bewegen (z.B. "Sofern es nicht zu einer Einigung käme, müsste ich dann die einzelnen Abnehmer anschreiben", Anlage 11, Bl. 134 d.A.). Er droht auch damit, Angebote bei Amazon sperren zu lassen und zeigt unverhohlen die Konsequenzen auf ("Amazon sanktioniert darüber hinaus auch etwaige Markenverletzungen mit Vernichtung des Lagerbestandes etc.", Anlage AG 11, Bl. 139 d.A.). Diese Umstände lassen darauf schließen, dass der Antragsteller die Marke nicht vorrangig dazu einsetzen möchte, um Kleidungsstücke zu kennzeichnen oder dafür auf lauterem Weg Lizenznehmer zu finden, sondern sich durch erzwungene Lizenzverträge und Vergleichsregelungen mit den Verwarnten eine Einnahmequelle zu verschaffen. Diese Absicht dürfte schon zum Zeitpunkt der Anmeldung bestanden haben. Der mutmaßlichen Behinderungsabsicht steht nicht entgegen, dass sich die Marke noch in der Benutzungsschonfrist befindet. Die fünfjährige Benutzungsschonfrist nach § 25 Abs. 1 MarkenG befreit den Markenanmelder nicht von der Notwendigkeit, einen generellen Benutzungswillen zu haben. Sie begründet lediglich eine entsprechende Vermutung, die widerleglich ist (BGH GRUR 2001, 242, 244, 245 - E-Classe).

dd) Ohne Erfolg beruft sich der Antragssteller auf ernsthafte Benutzungsabsichten für die Marke im Bereich "Schmuck". Insoweit verweist er auf Online-Umsätze in Höhe von 4.000 €. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese - ohnehin nur mäßig beeindruckenden - Umsätze hinreichend glaubhaft gemacht sind. Die vorgelegten Rechnungskopien sind sämtlich geschwärzt und lassen die Rechnungsempfänger nicht erkennen. Im Streitfall kommt es jedenfalls allein auf die im Register eingetragenen Bekleidungswaren an. Für eine Benutzungsabsicht im Bekleidungsbereich streitet nicht der Umstand, dass "Schmuck" und "Bekleidung" bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr im Warenähnlichkeitsbereich liegen. Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller ernsthafte Planungen oder Bemühungen entfaltet hat, die Marke im Bekleidungsbereich einzusetzen. In seiner E-Mail vom 21.2.2021 an die Fa. Schöffel heißt es insoweit: "Ich bin zu 100% Importeur und vielleicht importiere ich bald ja auch mal was aus dem Bereich Textilien aus China mit einem schönen Marken-Schriftzug drauf, wenn ihnen das wichtig ist." Diese Äußerung spricht gegen ernsthafte Planungen zur Benutzung der Marke. Der Umstand, dass der Antragsteller nunmehr ein einzelnes Angebot einer mit der Marke gekennzeichneten Jogginghose vorlegen kann (Anlage B3) und vorträgt, er habe vorgehabt mit der Marke T-Shirts und Hosen in Auftragsproduktion in Fernost bedrucken zu lassen, genügt nicht, um die gegen eine redliche Benutzungsabsicht sprechenden Indizien zu widerlegen.

ee) Die Gesamtwürdigung der genannten Indizien spricht nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller die Marke nicht mit dem Ziel angemeldet hat, sie in lauterer Weise als Kennzeichen für Waren und Dienstleistungen zu benutzen, sondern sie zweckfremd als Hinterhaltsmarke einzusetzen. Der Antragsteller versucht unter Berufung auf die Marke Unternehmen im Bekleidungssektor, die den mit der Marke ähnlichen Ortsname "Ascona" verwenden, zu Zahlungen zu bewegen.

2. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus §§ 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auf Unterlassung der Benutzung der Marke "ASCOLI", auf die der Eilantrag hilfsweise gestützt ist. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass es an der Verwechslungsgefahr fehlt.

a) Der Antragsteller wendet sich gegen Online-Bekleidungsangebote der Antragsgegnerin, die aus den Anlagen AB 4 und AB 5 ersichtlich sind. In der Angebotsüberschrift heißt es wie folgt: "Schöffel Damen Zipp-Off-Hose "Ascona" bzw. "Schöffel Damen Wanderhose "Ascona". Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bezeichnung "Ascona" in diesem Zusammenhang markenmäßig verwendet wird. Es handelt sich um eine Modellbezeichnung, die neben der Dachmarke "Schöffel" das konkrete Kleidungsmodell bezeichnet. Für die markenmäßige Verwendung von Modellbezeichnungen im Bekleidungssektor gelten nach der Rechtsprechung des BGH besondere Grundsätze (BGH GRUR 2019, 522 - SAM). Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der Verkehr die Angabe "Ascona" als Zweitmarke auffasst.

b) Es besteht keine Verwechslungsgefahr. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke.

aa) Es besteht eine durchschnittliche Warenähnlichkeit. Die Verfügungsmarke ist für Lederwaren, Taschen und Rucksäcke eingetragen, die aus Sicht des Verkehrs häufig von den gleichen Herstellern wie Sportbekleidung angeboten werden. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Marke über einen durchschnittlichen Grad an Kennzeichnungskraft verfügt.

bb) Es fehlt jedoch an der Zeichenähnlichkeit. Für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen abzustellen. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass die Marke "ASCOLI" und das angegriffene Zeichen "Ascona" klanglich und schriftbildlich ähnlich sind, muss die Zeichenähnlichkeit vorliegend verneint werden. Für die Annahme einer Zeichenähnlichkeit genügt es zwar grundsätzlich, wenn in einem der relevanten Wahrnehmungsbereiche (klanglich, bildlich und/oder begrifflich) eine Ähnlichkeit besteht (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 28.4.2016 - I ZR 254/14 - Kinderstube, juris, Rn 59; BGH GRUR 2011, 824Rn 26 - Kappa m.w.N.). Eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen kann jedoch zu verneinen sein, wenn einem Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukommt, den das andere Zeichen nicht hat (EuGH GRUR 2006, 237Tz 20 - PICASSO/PICARO; EuGH GRUR 2006, 413 Tz 35 - ZIRH/SIR; BGH GRUR 2010, 235Rn 19 - AIDA/AIDU). So liegt es im Streitfall. Der von dem Internetangebot angesprochene Durchschnittsverbraucher, der sich für Wander- und Outdoor-Kleidung interessiert, erkennt in dem angegriffenen Zeichen "Ascona" einen Hinweis auf den gleichnamigen Ort in der Schweiz. Dem steht entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht entgegen, dass nur ein kleiner Teil der Deutschen in diesem Ort Urlaub macht. Der Ortsname ist gleichwohl hinlänglich bekannt. Die Verbraucher verbinden mit ihm einen Urlaubsort in der Schweiz und stellen eine entsprechende Assoziation zu der angebotenen Wanderbekleidung her. Die Marke "ASCOLI" hat keine entsprechende Begriffsbedeutung. Sie erinnert den Verkehr nicht an den Ort "Ascona". Ein Verbraucher, der die angegriffenen Internetangebote liest, hat daher keinen Anlass, einen Bezug zur Verfügungsmarke herzustellen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen (§ 97 ZPO).

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