KG, Urteil vom 10.11.2020 - 7 U 125/19
Fundstelle
openJur 2021, 19950
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Juli 2019 verkündete Urteil der Zivilkammer 33 des Landgerichts Berlin - 33 O 156/18 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der aus den Urteilen vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 18. August 2014 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der C GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Er verlangt als Restwerklohn von der Beklagten die Zahlung eines Umsatzsteuerbetrages in Höhe von 38.000,00 €.

Wegen des Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit seinem am 11. Juli 2019 verkündeten Urteil die Beklagte verurteilt, an den Kläger 38.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2018 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der geltend gemachte Anspruch zur Insolvenzmasse gehöre, über welche der Kläger verfügen dürfe. Der Rechtsgrund für die Zahlung des restlichen Werklohnes in Höhe des Umsatzsteuerbetrages sei bereits mit dem Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 (V R 37/10) gelegt worden. Der Anspruch auf Zahlung des restlichen Werklohns in Höhe des Umsatzsteuerbetrages ergebe sich aus den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung. Es sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass einem Bauunternehmen bei einem vor dem Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 (V R 37/10) abgeschlossenen Bauvertrag mit einem Bauträger aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung von Restwerklohn in Höhe des Umsatzsatzsteuerbetrages gegen den Vertragspartner zustehe, wenn beide Vertragspartner übereinstimmend von der Steuerschuld des Bauträgers gemäß § 13 b Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2011 ausgegangen seien, der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt habe und wegen eines Erstattungsverlangens des Bauträgers gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen müsse. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben. Dass die Vertragsparteien bereits bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Steuerschuldnerschaft der Beklagten entsprechend der früheren Praxis der Finanzverwaltung gemäß § 13 b Abs. 5 Satz 2 HS1 UStG 2011 ausgegangen seien, ergebe sich bereits aus der erteilten Rechnung, in der die Schuldnerin nur ein Entgelt ohne Steuerbetrag abgerechnet und dabei ausdrücklich auf die Steuerschuldnerschaft der Beklagten hingewiesen habe. Dies habe deren Verständnis entsprochen, da sie die auf die Leistung der Schuldnerin entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt habe. Die Beklagte sei dem Vorbringen des Klägers, dass sie und die Schuldnerin übereinstimmend von einer Steuerschuldnerschaft der Beklagten gemäß § 13 b UStG ausgegangen seien, auch nicht weiter entgegengetreten. Einen Verzicht der Schuldnerin auf die Nachberechnung der Umsatzsteuer habe die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen. Mangels substanziierten Vorbringens liefe eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugen auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus. Auch der Umstand, dass eine entsprechende Korrekturrechnung durch die Schuldnerin in der Folgezeit nicht gestellt worden sei, deute nicht darauf hin, dass die Parteien übereingekommen seien, von der Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs abzusehen. Dieser sei nicht verjährt. Unerheblich sei, ob der Steuerberater R. die Schuldnerin und die Beklagte noch im Jahr 2013 über die Rechtsprechung des BFH gemäß Urteil vom 22. August 2013 informiert habe. Der Anspruch auf Vergütung in Höhe des Umsatzsteuerbetrages sei erst mit Eintritt der Gefahr entstanden, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner die Umsatzsteuer abführen zu müssen. Diese Gefahr sei vorliegend erst mit dem seitens der Beklagten am 26. November 2014 gestellten Antrag auf Rückerstattung der gezahlten Steuer eingetreten. Durch die Einreichung des Antrages auf Erlass des Mahnbescheids vom 28. Dezember 2017 sei die Verjährungsfrist wirksam gehemmt worden.

Gegen das am 19. Juli 2019 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Beklagte am 13. August 2019 Berufung eingelegt und diese nach einer am 6. September 2019 erfolgten antragsgemäßen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. Oktober 2019 am gleichen Tag begründet.

Die Beklagte trägt vor, dass das Urteil des Landgerichts bereits auf fehlerhaften Tatsachenfeststellungen beruhe. So habe es im Tatbestand auf Seite 3 als unstreitig festgestellt, dass eine Abtretung an das Finanzamt nicht erfolgt sei. Dies sei falsch. Im Schriftsatz vom 18. April 2019 habe sie vorgetragen, § 27 Abs. 19 S. 3 UStG sehe vor, dass der Kläger den Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abtrete. Dies habe er im Schriftsatz vom 29. April 2019 ohne Beweisantritt bestritten. Hier obliege es dem Kläger zu beweisen, dass die Ansprüche nicht abgetreten worden seien.

Es sei falsch, wenn das Landgericht behaupte, die Parteien seien übereinstimmend von einer Steuerschuldnerschaft der Beklagten ausgegangen. Zwar sei der Kläger mit der Rechnung, die Bestandteil der Anlage K 7 sei, hiervon ausgegangen. Hieraus auf eine übereinstimmende Vorstellung bei Abschluss des Bauvertrages zu schließen, sei aber fernliegend. Die Rechnungsstellung sei durch den Kläger erfolgt. Zudem sei sie der Annahme einer übereinstimmenden Vorstellung hinsichtlich der Steuerschuld ihrerseits entgegengetreten, indem sie explizit vorgetragen habe, die Parteien seien noch 2013 übereingekommen, dass sie die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückfordere und die Schuldnerin diese Umsatzsteuer abführe.

Das Landgericht habe sich in verfahrensfehlerhafter Weise über ihren Beweisantritt bezüglich des Vortrages, die Parteien seien im Jahr 2013 übereingekommen, von der Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs abzusehen, hinweggesetzt. Die Feststellung, dass ausgehend von den strengen Anforderungen an eine Verzichtserklärung eine Beweiserhebung nicht erforderlich sei, sei falsch. Die Feststellung einer tatsächlichen Abrede hätte die ergänzende Vertragsauslegung gesperrt. Das Landgericht habe die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung fehlerhaft angewendet. Die Parteien hätten sich über die Umsatzsteuerschuld geeinigt. Deshalb fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke.

Der klägerische Anspruch sei auch verjährt, da er im Jahr 2013 entstanden sei. Es sei widersprüchlich, wenn das Landgericht einen Vergütungsanspruch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zuerkenne, dessen Entstehungszeitpunkt aber nicht auf den Vertragsschluss zurückdatiere. Hinzukomme, dass das Landgericht bei der Frage der Aktivlegitimation des Klägers sehr wohl auf den Vertragsschluss zurückdatiere. Dies führe zu einer systemwidrigen Doppelnatur des streitgegenständlichen Anspruchs. Einerseits solle er erst mit der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ihrerseits gegenüber dem Finanzamt entstanden sein, andererseits sei der Rechtsgrund schon durch den Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 gelegt worden. Im ersten Fall wäre der gegenständliche Anspruch bereits 2013 entstanden und deshalb verjährt. Im letzteren Fall gehöre er nicht zur Insolvenzmasse und der Kläger hätte keine Verfügungsmacht über ihn und wäre deshalb nicht aktivlegitimiert.

Die Beklagte beantragt,

das am 11. Juli 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin zum Az. 33 O 156/18 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und weist entsprechend seinem erstinstanzlichen Vorbringen nochmals darauf hin, dass im Jahr 2013 noch kein Anspruch existent gewesen sei, auf welchen hätte verzichtet werden können. Erst durch das Inkrafttreten von § 27 Abs. 19 UStG am 30. Juli 2014 sei ein Anspruch des Finanzamtes gegenüber dem Bauunternehmer begründet worden. Gleichzeitig habe sich damit auch ein Anspruch gegenüber dem Bauträger auf nachträglicher Erstattung der Umsatzsteuer auf die Werkleistung ergeben.

II

Die gemäß §§ 511 ff ZPO form- und fristgerecht eingelegte und mithin zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

1. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers richtet sich nach § § 80 Abs. 1 InsO. Als Insolvenzverwalter ist er berechtigt, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen. Das Insolvenzverfahren erfasst nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Nach dem Wortlaut des § 35 InsO bildet das "gesamte Vermögen" des Schuldners die Insolvenzmasse. Rechtsobjekt ist aber nicht das Vermögen in seiner Gesamtheit, sondern als Ausfluss des sachenrechtlichen Spezialitätsprinzips die Summe einzelner geldwerter (körperlicher und unkörperlicher) Rechtsgegenstände. Die Rechtsgegenstände der Insolvenzmasse bilden vielmehr ein sog. Sondervermögen, das mit Verfahrenseröffnung entsteht. Für dieses Sondervermögen ist kennzeichnend, dass der Schuldner als Rechtsinhaber von der Ausschlusswirkung der Rechte betroffen ist, die zum Aktivsondervermögen gehören. Obwohl das Recht also weder erloschen oder auf einen anderen Rechtsträger übergegangen ist, verliert der Rechtsinhaber Teile seiner mit seinem (subjektiven) Recht verbundenen Verhaltensberechtigung. Diese wird im Regelinsolvenzverfahren mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter als besonderen Funktionsträger ausgeübt (vgl. Hirte/Praß in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., 2019, § 35 Rn. 1 m.w.N.)

Dieses Sondervermögen umfasst auch den geltend gemachten Werklohnanspruch der Schuldnerin gegenüber der Beklagten. Inwieweit der Rechtsgrund für diesen Anspruch auf restlichen Werklohn in Form des Umsatzsteuerbetrages von 38.000,00 € entsprechend den Ausführungen im angefochtenen Urteil bereits im Jahr 2013 vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden war oder erst danach im Jahr 2014, kann dahinstehen, da es sich in beiden Fällen um einen Bestandteil des vom Kläger zu verwaltenden Sondervermögens der Schuldnerin handelt.

Für die Frage der Massenzugehörigkeit des streitgegenständlichen Anspruches ist es ferner unerheblich, ob es sich hierbei um eine nach der Behauptung der Beklagten sog. masseneutrale Forderung handelt. Neben der Verfügungsbefugnis in Bezug auf die Geltendmachung von Forderungen umschließt die Verwaltungsbefugnis des Klägers gemäß § 80 Abs. 1 InsO auch die Verteilung der Insolvenzmasse. Hierbei obliegt allein ihm die für den vorliegenden Rechtsstreit unerhebliche Bewertung, ob es sich bei der Umsatzsteuerforderung des Finanzamtes um eine Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO oder um eine Masseforderung im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO handelt.

Gemäß den tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, welche im Rahmen der Berufung nach § 529 Nr. 1 ZPO zugrunde zu legen sind, erfolgte keine Abtretung der streitgegenständlichen Forderung an das Finanzamt, so dass der Kläger diesbezüglich nach wie vor verfügungsbefugt ist. Konkrete Anhaltspunkte an der Richtigkeit dieser Tatsachenfeststellungen, bezüglich welcher die Beklagte im Übrigen keine Tatbestandsberichtigung beantragt hat, bestehen nicht. Sie wies im Rahmen ihres Schriftsatzes vom 18.4.2019 lediglich darauf hin, dass § 27 Abs. 19 S. 3 UStG eine Abtretung des Anspruches auf Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt vorsehe und bestritt die Aktivlegitimation des Klägers. Daraufhin hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 29.4.2019 vorgetragen, dass er von der Möglichkeit der Abtretung keinen Gebrauch gemacht habe. Dies ist von der Beklagten im Rahmen des nachgelassenen Schriftsatzes vom 6.6.2019 nicht bestritten worden.

2. Es besteht aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils ein Anspruch der Schuldnerin gegenüber der Beklagten auf Zahlung restlichen Werklohns in Höhe des Umsatzsteuerbetrages von 38.000 € nach den Grundsätzen einer ergänzenden Vertragsauslegung. Diesen restlichen Werklohn berechnete der Kläger ursprünglich mit dem Schreiben vom 13. Dezember 2017 auf einen Betrag von 45.220 € und korrigierte diesen nach Erteilung der Auskunft seitens der Beklagten über die gelegten Rechnungen mit Schreiben vom 11. Juli 2018 auf einen Betrag von 38.000 €, welcher von ihr zu zahlen ist.

a) Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in seinen Urteilen vom 17. Mai 2018 - VII ZR 157/17 - (NJW 2018, 2469), vom 10. Januar 2019 - VII ZR 6/18 (NJW 2019, 1145) und vom 16. Juli 2020 - VII ZR 204/18 (NJW-RR 2020, 1144), welcher sich der Senat anschließt, ist anerkannt, dass einem Bauunternehmer bei einem vor Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofes vom 22. August 2013 (V R 37/10) abgeschlossenen Bauvertrag mit einem Bauträger aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung von Restwerklohn in Höhe des Umsatzsteuerbetrags gegen seinen Vertragspartner zusteht, wenn beide Vertragsparteien übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers gemäß § 13 Abs. 5 Satz 2 HS 1 UStG ausgegangen sind, der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat und wegen eines Erstattungsverlangens des Bauträgers für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG Umsatzsteuer abführen zu müssen.

Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke, das heißt eine planwidrige Unvollständigkeit, aufweist. Das ist dann der Fall, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dabei kann von einer planwidrigen Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (vgl. BGH, NJW 2017, 2025; BGH, NZM 2015, 211; BGH, NJW-RR 2013, 494).

Eine solche Regelungslücke ist unter Zugrundelegung des substanziierten Vortrages des Klägers vorliegend gegeben. Die Parteien haben keine Regelung für den Fall getroffen, dass für die Schuldnerin die Gefahr besteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldnerin die Umsatzsteuer abführen zu müssen. Diese Gefahr beruht auf dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 und der Reaktion der Beklagten hierauf. Der von ihr gestellte Erstattungsantrag begründet gemäß § 27 Abs. 19 S. 1 UStG die Befugnis des Finanzamts, die gegen die Schuldnerin wirkende Steuerfestsetzung zu ändern. Die Vertragsparteien gingen bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Steuerschuldnerschaft der Beklagten aus. Dies zeigt sich an der von der Schuldnerin zunächst erteilten Rechnung vom 13. Dezember 2013, mit der sie nur über ein Entgelt ohne Steuerbetrag abrechnete und dabei ausdrücklich auf die Steuerschuldnerschaft der Beklagten gemäß § 13 b UStG hinwies. Das entsprach offensichtlich auch dem Verständnis der Beklagten als Bauträgerin, da sie nachfolgend die auf die Leistung der Insolvenzschuldnerin entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abführte. Die Vereinbarung der Vertragsparteien orientierte sich an der damaligen Praxis der Finanzverwaltung. Bis zum Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofes vom 22. August 2013 entsprach es auf Grundlage der einschlägigen Umsatzsteuer-Richtlinie der bundesweiten Praxis der Finanzverwaltung, bei Bauträgern deren Steuerschuldnerschaft gemäß § 13 b UStG a.F. anzunehmen. Daran haben sich die Vertragsparteien bei derartigen Verträgen mit Bauträgern vielfach orientiert. Diese Verwaltungspraxis hat der Bundesfinanzhof jedoch verworfen und einschränkend dahin ausgelegt, dass es für den Übergang der Steuerschuldnerschaft darauf ankomme, dass der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte bauwerksbezogene Werklieferung oder sonstige Leistung selbst zur Erbringung einer derartigen Leistung verwende. Dies treffe auf Bauträger nicht zu, welche die erbrachten Bauleistungen für die Bebauung eigener, zur Veräußerung vorgesehener Grundstücke verwenden. Danach war die Beklagte nicht Steuerschuldnerin (vgl. hierzu: BGH, NJW 2018, 2469).

Ein substanziiertes Vorbringen der Beklagten, dass die Vertragsparteien bereits vor der Beendigung der Werkleistungen seitens der Schuldnerin Kenntnis von dem Urteil des Bundesfinanzhofes hatten und die Schussrechnung vom 13. Dezember 2013 trotz der ihnen bekannten Verpflichtung der Schuldnerin zur Abführung der Umsatzsteuer an das Finanzamt nur einen Nettobetrag auswies, erfolgte nicht. Im Schriftsatz vom 11. September 2018 hat sie ohne nähere zeitliche Angabenbehauptet, der gemeinsame Steuerberater habe sie noch im Jahr 2013 über die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes vom 22. August 2013 informiert und man sei übereingekommen, dass sie - die Beklagte - die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückfordere und die Schuldnerin diese Umsatzsteuer abführe. Mit dem Schriftsatz vom 6. Juni 2019 hat sie die behauptete Vereinbarung der Vertragsparteien auf einen Zeitpunkt nach dem 13. Dezember 2013 (und vor dem 31. Dezember 2013) konkretisiert. Dieses Vorbringen lässt allein den Schluss zu, dass die Vertragsparteien bei Schlussrechnungslegung am 13. Dezember 2013 und anschließender Abführung der Umsatzsteuer durch die Beklagte ursprünglich von deren Verpflichtung gemäß § 13 b UStG ausgegangen sind. Welcher Grund für die Zahlung der Umsatzsteuer seitens der Beklagten nach Erhalt der Schlussrechnung im Dezember 2013 ansonsten bestanden hätte, trägt sie nicht vor.

Die in dem Vertrag zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestehende Lücke hinsichtlich der Umsatzsteuer ist im Rahmen der ergänzenden Auslegung dahin zu schließen, dass der Werklohnanspruch um den Umsatzsteuerbetrag von 38.000,00 € zu erhöhen ist.

Liegt eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vor, ist zu ermitteln, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten.Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist der hypothetische Parteiwille Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts, so dass darauf abzustellen ist, was die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (vgl. BGH, NJW-RR 2013, 494; BGH, NJW 2012, 526; BGH, NJW 2009, 679).

Nach diesen Maßstäben hätten die Vertragsparteien, wenn sie vorhergesehen hätten, dass die Steuerschuldnerschaft bezüglich der Umsatzsteuer nicht bei der Beklagten, sondern bei der (späteren) Schuldnerin liegt und dass für diese aufgrund des von der Beklagten gestellten Erstattungsantrags die Gefahr bestehen würde, wegen der Heranziehung als Steuerschuldnerin die Umsatzsteuer abführen zu müssen, eine um den Umsatzsteuerbetrag von 38.000,00 € erhöhte Vergütung vereinbart (vgl. hierzu: BGH, NJW 2018, 2469).

Die Beklagte hat nicht substanziiert vorgetragen, dass eine solche ergänzende Vertragsauslegung nicht mit dem Willen der Vertragsparteien in Einklang gestanden habe und es konkrete abweichende Vereinbarungen gegeben habe. Sowohl die Schuldnerin als auch die Beklagte gingen jedenfalls ursprünglich übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte die auf die Werkleistung entfallende Umsatzsteuer zu tragen hatte, welche von dieser auch entsprechend abgeführt worden ist. Soweit sie vorträgt, die Vertragsparteien seien im Jahr 2013 übereingekommen, von der Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruches abzusehen, steht dies der ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen. Den Anspruch auf eine ergänzende Werklohnforderung in Form der Umsatzsteuer hat die Beklagte erst durch ihr Verhalten in Form der Geltendmachung eines Rückerstattungsanspruches gegenüber dem Finanzamt vom 26. November 2014 ausgelöst. Denn allein durch dieses Verhalten begründete die Beklagte eine Verpflichtung der Schuldnerin zur Zahlung von Umsatzsteuer gemäß § 27 Abs. 19 S. 1 UStG auf die erbrachten Werkleistungen. Eine Absprache der Vertragsparteien dahingehend, dass die Umsatzsteuer auf die von der Schuldnerin erbrachten Werkleistungen allein von ihr zu tragen seien ohne Möglichkeit, diese gegenüber der Beklagten nachträglich zu berechnen, lässt sich ihrem pauschalen Vorbringen nicht entnehmen. Mit einer solchen Regelung hätte die Schuldnerin nachträglich auf einen Teil ihrer Werklohnforderung im Sinne von § 397 Abs. 1 BGB verzichtet. Wie bereits durch das Landgericht zutreffend ausgeführt worden ist, setzt ein Erlassvertrag im Sinne von § 397 Abs. 1 BGB den unmissverständlichen rechtsgeschäftlichen Willen voraus, auf die Forderung zu verzichten. An die Feststellung eines solchen Willens sind strenge Anforderungen zu stellen. Auch bei scheinbar eindeutigen Erklärungen darf ein Erlass erst angenommen werden, wenn sämtliche relevanten Begleitumstände berücksichtigt worden sind (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 79. Aufl., § 397 BGB Rn. 5 m.w.N.). Ein solcher unbedingter Wille der Schuldnerin, der Beklagten die angefallene Umsatzsteuer für die erbrachten Werkleistungen nicht nachträglich in Rechnung zu stellen, falls diese entsprechende Rückforderungsansprüche gegenüber dem Finanzamt machen sollte, lässt sich den Behauptungen der Beklagten nicht entnehmen. Ursprünglich hat sie in ihrem Schriftsatz vom 11. September 2019 dargelegt, man sei übereingekommen, dass sie die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückfordere und die Schuldnerin diese Umsatzsteuer abführe. Eine Einigung der Vertragsparteien dahingehend, dass die Schuldnerin ausdrücklich auf eine nachträgliche Berechnung der Umsatzsteuer verzichtet habe, lässt sich diesem Vorbringen nicht entnehmen. Im Schriftsatz vom 18. April 2019 führte die Beklagte nachfolgend aus, die Vertragsparteien seien übereingekommen, von der Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruches abzusehen. Diese Vereinbarung stehe im Einklang mit der späteren Regelung des § 27 Abs. 19 S. 3 UStG. Diese Norm entspricht jedoch dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Soll danach der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden, so geschieht dies unter den besonderen Bedingungen des § 27 Abs. 19 UStG mit der Abtretung. Der Leistende steht dann so, wie er stünde, wenn alles von vornherein richtig beurteilt worden wäre (vgl. BFH, Urteil vom 23. Februar 2017, V R 16/16, DStR 2017, 777). In § 27 Abs. 19 S. 3 UStG ist ausdrücklich die Ausstellung einer geänderten Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer vorgesehen und zwar für den Fall einer Abtretung des Leistungsanspruches des leistenden Unternehmers auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegenüber dem Leistungsempfänger an das Finanzamt. Eine solche Rechnung erstellte der Kläger im Einklang mit der Regelung des § 27 Abs. 19 UStG nachfolgend, nachdem die Beklagte die gezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückgefordert hatte. Das Verhalten der Beklagten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 18. August 2014 spricht im Übrigen dafür, dass die Vertragsparteien es ursprünglich bei der vorgenommenen Abrechnungsweise belassen wollten. Dies stand auch im Einklang mit der Praxis der Finanzbehörden. So hatte das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 5. Februar 2014 (BStBl. I 2014, 233 = DStR 2014, 334) und vom 8. Mai 2014 (BStBl. I 2014, 823 = DStR 2014, 1005) als Reaktion auf das genannte Urteil des Bundesfinanzhofs eine Vereinfachungs-/ Nichtbeanstandungsregelung vorgesehen, nach der die Betroffenen es einvernehmlich bei der ursprünglichen steuerlichen Beurteilung belassen können. Nachvollziehbare Darlegungen seitens der Beklagten, aus welchem Grund sie nicht sogleich nach der Kenntniserlangung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die gezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückforderte, sondern erst fast ein knappes Jahr später, nämlich am 26. November 2014, einen entsprechenden Antrag stellte, fehlen. Für die Schuldnerin bestand insoweit kein Anlass, die Umsatzsteuer nachzuberechnen. Von dem Rückforderungsbegehren der Beklagten die gezahlte Umsatzsteuer betreffend erhielt der Kläger erst am 4. September 2015 Kenntnis und versuchte nachfolgend, von der Beklagten die seitens der Schuldnerin erstellten Rechnungen zu erhalten, um den Vorgang einer Überprüfung zuzuführen. Auf mehrere Schreiben im Jahr 2016 reagierte diese nicht. Erst nach Zustellung des Mahnbescheides vom 13. Januar 2018 teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 26. Januar 2018 mit, dass die Pauschalleistungsrechnung lediglich 200.000 € netto betragen habe, so dass am 11. Juli 2018 eine korrigierte Rechnung über die zu zahlende Umsatzsteuer erstellt werden konnte.

Nachdem das Landgericht die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2019 auf die mangelnde Substanz der behaupteten Übereinkommen im Jahr 2013 hingewiesen hatte, substanziierte sie ihr Vorbringen auch nicht im Rahmen des nachfolgenden Schriftsatzes vom 6. Juni 2019. Sie wies lediglich darauf hin, dass das Risiko zur Abführung der Umsatzsteuer seitens der Schuldnerin allein von dieser habe getragen werden sollen. Hiermit legt die Beklagte indes allein die Rechtslage auf der Grundlage des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 22. August 2013 dar. Schuldner gegenüber den Finanzbehörden hinsichtlich der Abführung von Umsatzsteuer bei Verträgen mit einem Bauträger sind allein die Leistungserbringer. Sie tragen das finanzielle Risiko, dass ihnen die Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger nicht erstattet wird.

b) Das Finanzamt für Körperschaften I ist mit Schreiben vom 4. September 2015 an den Kläger herangetreten, um ihn über die Antragstellung der Beklagten auf Rückzahlung der Umsatzsteuer in Kenntnis zu setzen. Hierdurch ist konkret die Gefahr eintreten, dass nunmehr die Schuldnerin als Werkunternehmerin gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abzuführen hat. Dass diese Steuerschuld bereits erloschen ist, wurde seitens der Beklagten nicht dargelegt. Eine Rücknahme ihres geltend gemachten Erstattungsanspruches gegenüber dem Finanzamt hat sie nicht vorgetragen.

3. Dem geltend gemachten Anspruch steht ferner nicht die Einrede der Verjährung gemäß § 214 Abs. 1 BGB entgegen. Die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können. Der Anspruch des Klägers ist erst mit Eintritt der Gefahr entstanden, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner die Umsatzsteuer abführen zu müssen. Im Streitfall ist diese Gefahr erst mit dem nach Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofes vom 22. August 2013 gestellten Erstattungsantrag der Beklagten vom 26. November 2014 eingetreten (vgl. hierzu: BGH, NJW 2018, 2469). Kenntnis hiervon erlangte der Kläger jedoch erst am 4. September 2015 und war in der Lage, die Umsatzsteuer gegenüber der Beklagten zu berechnen. Die dreijährige Verjährungsfrist begann mithin am 1. Januar 2016 und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2018. Wie das Landgericht im Rahmen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, wurde die Verjährungsfrist durch die Einreichung des Antrages auf Erlass des Mahnbescheids vom 28. Dezember 2017 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i. V. m. § 167 ZPO wirksam gehemmt. Da zwischen dem Nichtbetrieb des gerichtlichen Mahnverfahrens nach Mitteilung über den Widerspruch gegen den Mahnbescheid am 17. Januar 2018 und der Zahlung der weiteren Gerichtskosten durch den Kläger am 6. Juli 2018 ein Zeitraum von unter sechs Monaten gelegen hat, trat keine zwischenzeitliche Beendigung der Hemmung im Sinne von § 204 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB ein.

Soweit die Beklagte meint, dass die Ausführungen im angefochtenen Urteil zum Entstehungszeitpunkt des streitgegenständlichen Anspruchs widersprüchlich seien, verhilft ihr dies im Rahmen der erhobenen Verjährungseinrede nicht zum Erfolg. Sie übersieht hierbei, dass der Zeitpunkt, zu welchem ein Anspruch zur Insolvenzmasse gemäß § 35 Abs. 1 InsO gelangt ist, nicht mit dem Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 BGB deckungsgleich ist. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es hinsichtlich der Zugehörigkeit von Ansprüchen zur Insolvenzmasse nicht auf den Zeitpunkt der Vollrechtsentstehung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt worden ist (BGH, Urteil vom 28. Februar 2012 - V II R 36/11; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2006 - IX ZB 239/04, jeweils zitiert nach juris). Eine Fälligkeit des Anspruchs ist demnach nicht erforderlich. Eine solche setzt jedoch der Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 BGB voraus. Hinzukommen muss ferner noch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von dem Anspruch. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des bereits zitierten Urteils des Bundesgerichtshofes vom 17. Mai 2018 in einem Parallelrechtsstreit zum Aktenzeichen VII ZR 157/17, in welchem gleichfalls ein Insolvenzverwalter gegenüber dem Bauträger einen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer geltend gemacht hatte, beginnt die Fälligkeit einer solchen ergänzenden Werklohnforderung erst mit dem seitens des Bauträgers beim Finanzamt gestellten Erstattungsantrag. Dieser Ansicht schließt sich der Senat an.

4. Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 229 § 34 Satz 1 EGBGB, § 291 BGB.

5 .Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, bestehen nicht.

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