LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.04.2021 - 12 Sa 1122/20
Fundstelle
openJur 2021, 19943
  • Rkr:

Eine Rückzahlungsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wegen gewährter Sondervergütungen, die dort unter den Vorbehalt bei Beendigung bestehender anderslautender betrieblicher Regelungen gestellt ist, verstößt gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer unüberschaubare Unklarheiten begründet, welche Festlegungen aus welchen Quellen die vereinbarte Rückzahlungspflicht nach ihren Voraussetzungen verändern und auch verschlechtern können.

Eine solche Rückzahlungsklausel ist daher in Anwendung von §§ 306 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB insgesamt unwirksam.

Die Teilstreichung allein des Vorbehalts liefe auf eine verbotene geltungserhaltende Reduktion hinaus, da der Vorbehalt mit der Vereinbarung über die Rückzahlungspflicht eine Sinneinheit bildet und gerade deren Inhalt ungewiss macht.

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Juli 2020 - 55 Ca 11672/19 - abgeändert und die Beklagte unter Zurückweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 789,50 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. September 2019 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte auf der Grundlage eines arbeitsvertraglich vereinbarten Rückzahlungsvorbehalts ein zuvor von ihr geleistetes Urlaubsgeld von dem Gehalt der Klägerin Abzug bringen durfte.

Die Beklagte beschäftigte die Klägerin seit dem 1. Februar 2018.

In dem in der Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) zwischen den Parteien vereinbarten schriftlichen Arbeitsvertrag vom 26. November 2018 ist unter § 3 geregelt, dass die Bezüge nachträglich am Ende des betriebsüblichen Entgeltzahlungszeitraums gezahlt würden.

Weiter heißt es dort unter "§ 5 SonderzahlungenEtwaige Sonderzahlungen zu Weihnachten, zum Urlaub oder aus anderen Anlässen sind jeweils einmalige, jederzeit widerrufliche freiwillige Leistungen des Arbeitgebers; ein Anspruch des Arbeitnehmers auf solche Leistungen oder auf eine bestimmte Höhe dieser Leistungen besteht auch im Falle wiederholter Gewährung nicht. ...Etwaige Sonderzahlungen von mehr als EUR 150,00 sind in voller Höhe als Vorschuss sofort zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis durch Kündigung seitens des Arbeitnehmers oder durch eine von dem Arbeitnehmer veranlasste Kündigung des Arbeitgebers vor dem Ablauf des dritten auf die Zahlung der Sondervergütung folgenden Kalendermonats endet, sofern nicht anderslautende betriebliche Regelungen bestehen."

Mit dem Entgelt für Juni 2019 rechnete die Beklagte gegenüber der Klägerin ein Urlaubsgeld i.H.v. 789,75 EUR brutto ab und zahlte es an die Klägerin aus.

Das Arbeitsverhältnis endete infolge ordentlicher Kündigung der Klägerin zum 15. August 2019.

Die Beklagte erteilte der Klägerin Abrechnung für den August 2019. Neben dem monatlichen Entgelt gewährte sie eine Prämie an die Klägerin im Hinblick darauf, dass die Beschäftigungsfiliale über einen dreimonatigen Zeitraum ihr Umsatzziel erreicht hatte. Zugleich nahm sie einen Einbehalt wegen "Urlaubsgeld" in Höhe der für Juni als Urlaubsgeld gewährten Bruttozahlung vor.

Mit der Klage hat die Klägerin die Auszahlung dieses Einbehalts geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, die Klausel in § 5 des Arbeitsvertrags sei im Hinblick auf die Verknüpfung von freiwilligen und widerruflichen Leistungen unzulässig. § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag sei deshalb unklar, weil er auch andere Sonderzahlungen als solche nach Abs. 1 erfassen würde und damit in unzulässiger Weise solche, die wie die für August gewährte Prämie reinen Entgeltcharakter hätten. Außerdem hat die Klägerin sich auf Entreicherung und die Pfändungsfreigrenzen berufen. Sie hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 789,75 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.08.2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, § 5 Arbeitsvertrag sei keine Anspruchsgrundlage, sondern sehe lediglich generelle Regelungen für alle Arten von tatsächlichen über das Gehalt hinausgehenden Sonderzahlungen vor. Selbst wenn ein Urlaubsgeldanspruch bestünde, wäre dieser mit dem Rückzahlungsvorbehalt aus § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag belastet, dessen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Da das Urlaubsgeld nicht der Vergütung geleisteter Arbeit diene und die Bindungsfrist die von der Rechtsprechung aufgestellten Grenzen beachte, sei die Klausel insoweit wirksam. Da die Vereinbarung sprachlich abteilbar sei, bliebe sie von einer etwaigen Unwirksamkeit des § 5 Abs. 1 Arbeitsvertrag unberührt.

Mit Urteil vom 29. Juli 2020 hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es - zusammengefasst - ausgeführt: Der Abzug des Urlaubsgeldes vom Augustentgelt sei zulässig. Die Klägerin habe sich in Kenntnis der aus dem Vertrag folgenden Rückzahlungspflicht zur Kündigung entschlossen und damit die Rückforderung in Kauf genommen. Die Vereinbarung in § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag sei wirksam. Eine aus den Vorschriften zur AGB-Kontrolle folgende Unwirksamkeit der Vereinbarung zu Freiwilligkeit und zugleich Widerruflichkeit von Sonderzahlungen wirke sich insoweit nicht aus, weil die Regelung zur Zurückzahlungspflicht sprachlich und inhaltlich abtrennbar sei. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung sei die Zahlung des Urlaubsgeldes als Vorschuss erfolgt. Die Beklagte sei zu dessen Verrechnung berechtigt, da die Urlaubsgeldforderung mangels Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen nicht entstanden sei. Die Verrechnung von Vorschüssen unterliege nicht den einschränkenden Bestimmungen zur Pfändbarkeit von Arbeitsvergütung. Auf Entreicherung könne sich die Klägerin nicht berufen. Anspruchsgrundlage sei die Vorschussvereinbarung, nicht Bereicherungsrecht.

Gegen das ihr am 15. August 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. September 2020 Berufung eingelegt, die sie - nach Fristverlängerung auf den 16. November 2020 - an diesem Tag begründet hat. Sie macht geltend: Ein rechtmäßiger Rückforderungsanspruch bestünde nicht. In Anwendung der einschlägigen Vorschriften aus dem AGB-Recht sei die Rückforderungsregelung als unangemessen hoher Ersatz von Aufwendungen und wegen Intransparenz unwirksam. Welche betrieblichen Regelungen sich hinter der Formulierung verbergen würden, ergebe sich weder aus der Vertragsklausel noch sei der Klägerin mittgeteilt worden, welche konkreten betrieblichen Regelungen bestehen oder gar, inwiefern anderslautende betriebliche Regelungen bestehen würden, um der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Allein wegen der Formulierung zur Zurückzahlung im Arbeitsvertrag könne die bereits erfolgte Urlaubsgeldzahlung für den Fall ihrer Rückforderung nicht als Vorschuss gewertet werden. Infolgedessen seien Pfändungsfreigrenzen und die Berufung auf Entreicherung sehr wohl zu beachten. Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.07.2020 - 55 Ca 11672/19 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr 789,75 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.08.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat die Berufung beantwortet. Sie hält die Berufung für unzulässig. Es fehle an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen, insbesondere zur Teilbarkeit der Vereinbarung zu Sonderzahlungen und ihrer Rückforderbarkeit. Aus der ausdrücklichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag ergebe sich eindeutig, dass das Urlaubsgeld lediglich als Vorschuss ausgezahlt worden sei. Gegen das Verbot unangemessenen Aufwendungsersatzes werde nicht verstoßen. Die Zahlung des Urlaubsgeldes stelle keine Aufwendung im Sinne der einschlägigen Vorschrift dar. Die Rückzahlungsklausel sei nicht intransparent. Vielmehr sei in § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag die Rückzahlbarkeit von Sonderzahlungen, die ausschließlich der Honorierung der Betriebstreue und der Arbeitnehmerbindung an den Betrieb dienten, eindeutig, überschaubar und nachvollziehbar geregelt. Die genaue Intention der seit langem verwandten Einschränkung zu den anderslautenden betrieblichen Regelungen sei nicht mehr nachvollziehbar. Gemeint sein könnten Betriebsvereinbarungen oder auch Gesamtzusagen. Eine anderweitige betriebliche Regelung, die zu Lasten des Arbeitnehmers über die im ersten Halbsatz geregelte Rückzahlungspflicht hinausgehen oder diese verschärfen könnte, sei nicht vorstellbar. Die Formulierung habe nur deklaratorische Bedeutung, da günstigere Regelungen stets möglich seien. Überdies begründe eine Intransparenz der Einschränkung nicht die Unwirksamkeit der transparent und zweifelsfrei formulierten Vereinbarung zur Rückzahlungspflicht. Dies folge aus dem Zweck des Transparenzgebots und unter dem Gesichtspunkt der üblicherweise anzunehmenden Betriebsvereinbarungsoffenheit von Regelungen in Arbeitsverträgen.

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

Die Statthaftigkeit folgt aus § 64 Abs. 2 Buchst. b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 Euro. Die Klägerin hat die Berufung innerhalb der Fristen aus § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG und in einer den Anforderungen aus § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519f Zivilprozessordnung (ZPO) genügenden Weise eingelegt und begründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein hinreichender Berufungsgrund vorgebracht. Als solcher ist der Hinweis auf das Verbot unangemessen hohen Aufwendungsersatzes in allgemeinen Geschäftsbedingungen zu werten, wie er in Anwendung von § 308 Ziff. 7b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel und damit zum Klageerfolg führen soll. Bereits hierin liegt ein auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnittener Berufungsangriff i.S.v. § 520 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, ohne dass es insoweit auf die Schlüssigkeit oder rechtliche Haltbarkeit ankäme (vgl. BAG, 3. Juli 2019 - 4 AZR 456/18, juris Rn 30; BAG, 20. August 2019 - 3 AZR 251/17, juris Rn 44).

II.

Die Berufung ist ganz überwiegend begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist - abgesehen vom Verzinsungsbeginn - die Klage begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die eingeklagte Zahlung als weiteres Entgelt für August 2019 beanspruchen. Der von der Beklagten insoweit vorgenommene Einbehalt hat die für diesen Monat entstandene Entgeltforderung nicht zum Erlöschen gebracht. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Rückzahlung von Sonderzahlungen als Vorschuss ist nicht klar und verständlich und deshalb wegen Verletzung des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

1. Die Klage ist vorliegend auf die Auszahlung weiteren Entgelts für den Monat August gerichtet. Wie aus der Klagebegründung ersichtlich, wendet sich die Klägerin dagegen, dass die Beklagte ihr das Entgelt für diesen Monat bestehend aus dem Gehalt und der zusätzlich gewährten Prämie nur gekürzt um den Einbehalt wegen des zuvor ausbezahlten Urlaubsgeldes ausgezahlt hat.

2. Der Klägerin ist für August 2019 ein Entgeltanspruch bestehend aus dem Gehalt für den Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15. August 2019 und der zusätzlich gewährten Prämie entstanden. Dies hat die Beklagte mit Erteilung der Abrechnung bestätigt und im Rechtsstreit nicht in Abrede gestellt. Ebenfalls aus der Abrechnung ersichtlich und zwischen den Parteien unstreitig ist Erfüllung durch Nettozahlung und Abführung von Steuer und Sozialversicherungsbeiträgen nur hinsichtlich eines Teilbetrags des Augustentgelts eingetreten, der nicht Gegenstand der Klage ist.

3. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung mit einem zuvor als Vorschuss gewährten Urlaubsgeld muss die Klägerin nicht hinnehmen. Die Beklagte konnte keine wirksame Verrechnung mit einer im Juni als Vorschuss auf die noch nicht endgültig geschuldete Urlaubsgeldforderung geleisteten Urlaubsgeldzahlung vornehmen. Die hierfür von ihr herangezogene Vereinbarung in § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag ist wegen Verletzung des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

a. Ein Vorschuss ist eine vorweggenommene Vergütungstilgung. Diese kann in der Form vereinbart werden, dass Vorschussgeber und Vorschussnehmer sich darüber einig sind, dass letzterer Geld für eine Forderung erhält, die nur aufschiebend bedingt entstanden oder zwar entstanden, aber noch nicht fällig ist. Beide Teile sind sich weiterhin darüber einig, dass der Vorschuss auf die Forderung zu verrechnen ist, wenn die Forderung unbedingt entsteht oder fällig wird. Entsteht die Forderung nicht oder nicht zeitgerecht, ist der Vorschussnehmer verpflichtet, den erhaltenen Vorschuss dem Vorschussgeber zurück zu gewähren (BAG, 21. Januar 2015 - 10 AZR 84/14, Rn 21). Wird der Vertrag beendet, ist der Vorschuss auszugleichen; er kann mit dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers verrechnet werden (BAG, 25. September 2002 - 10 AZR 7/02, juris Rn. 31).

b. Danach würde eine Verrechnungsmöglichkeit mit dem Augustentgelt für die Beklagte voraussetzen, dass in Anwendung von § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag die Forderung wegen des Urlaubsgeldes nicht unbedingt entstanden ist. Dies ist aber nicht der Fall. Die diesbezügliche Rückzahlungsklausel ist unwirksam. Wie bereits vom Arbeitsgericht zu Grunde gelegt und im Berufungsverfahren nicht in Abrede gestellt, ist die Vereinbarung in § 5 Arbeitsvertrag in Form allgemeiner Geschäftsbedingungen erfolgt, so dass die besonderen Vorschriften zur Wirksamkeitskontrolle in § 307 ff BGB anwendbar sind. In Anwendung von § 307 Abs. 1 BGB ist die Rückzahlungsklausel unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist und deshalb die Klägerin als Vertragspartnerin der Beklagten als Verwenderin allgemeiner Geschäftsbedingungen unangemessen benachteiligt.

aa. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Dem hieraus folgenden Transparenzgebot unterliegen auch Vereinbarungen in AGB, die Sondervergütungen mit Bindungsfristen verknüpfen und unter Rückzahlungsvorbehalte stellen. Solche Klausel müssen eindeutige und damit für den Arbeitnehmer überschaubare und klare Regelungen enthalten (Roloff in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020, ABC der Klauseltypen, Rn. 40). Die Unwirksamkeit von Rückzahlungsklauseln kann daraus folgen, dass sie die Voraussetzungen für die Rückzahlungspflicht nicht festlegen (vgl. ErfK/Preis, 21. Aufl. 2021, BGB § 611a Rn. 547).

bb. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners klar und verständlich darzustellen (BAG, 3. Dezember 2019 - 9 AZR 44/19, juris Rn. 16). Dabei ist zu differenzieren zwischen dem Gebot der Abschlusstransparenz und dem der Abwicklungstransparenz. Erstere soll die zutreffende Information des Arbeitnehmers über die Umstände sicherstellen, die es ihm ermöglichen, die Vor- und Nachteile der beabsichtigten vertraglichen Abreden für den Vertragsabschluss zu beurteilen. Letztere soll die Wahrung seiner Rechte während der Vertragsdurchführung gewährleisten (BAG, 24. Mai 2018 - 6 AZR 308/17, juris Rn. 34). Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG, 30. Januar 2019 - 5 AZR 442/17, Rn. 71). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (BAG, 21. August 2012 - 3 AZR 698/10, juris Rn. 18). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB (BAG, 22. Juli 2014 - 9 AZR 981/12, juris Rn 31).

cc. In Anwendung dieser Grundsätze genügt die Vereinbarung unter § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag im Hinblick auf die weitgehende und unbestimmte Formulierung zur Einschränkung durch anderslautende betriebliche Regelungen nicht dem Transparenzgebot. Eine Rückzahlungsklausel in AGB wegen gewährter Sondervergütungen, die dort unter den Vorbehalt bei Beendigung bestehender anderslautender betrieblicher Regelungen gestellt ist, begründet für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer unüberschaubare Unklarheiten, welche Festlegungen aus welchen Quellen die vereinbarte Rückzahlungspflicht nach ihren Voraussetzungen verändern und auch verschlechtern können. Eine solche Rückzahlungsklausel ist daher insgesamt wegen Verletzung des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

(1) Der Transparenzkontrolle vorgelagert sind die Fragen nach der Auslegung der zu prüfenden Klausel und der Bestimmung der zu Grunde legenden Verständnismöglichkeiten auf Seiten des Vertragspartners des Verwenders. Das BAG hat bei der Durchführung der Transparenzkontrolle auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Arbeitnehmers der Branche abgestellt (BAG, 26. Oktober 2016 - 5 AZR 456/15, juris Rn. 23). Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen, wonach sich die hinreichende Transparenz nach der Verständnismöglichkeit des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden beurteilt (Roloff/ Looschelders in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 307 BGB, Rn. 21 mwN). Ebenso bestehen Übereinstimmungen mit den einschlägigen Auslegungsgrundsätzen. Für die Auslegung von AGB ist ausgehend von einem objektiv-generalisierenden Maßstab darauf abzustellen, wie die Klausel von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (vgl. BAG, 3. Dezember 2019 - 9 AZR 44/19, juris Rn 15 mwN). Dabei dürfen vorformulierte Klauseln auf der einen Seite nicht von vornherein AGB-rechtskonform interpretiert werden, also in einer Weise, die den Anforderungen der Inhaltskontrolle gerade noch standhält. Hierdurch würde das auf der Rechtsfolgenseite aus Gründen der Prävention und der Transparenz entwickelte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unterlaufen werden. Auf der anderen Seite dürfen nicht völlig fernliegende Interpretationsmöglichkeiten einer Vertragsbedingung mit dem Ziel zugrunde gelegt werden, die Klausel auf diese Weise zu Fall zu bringen (Staudinger/Krause (2019), Anh. zu §§ 305-310, Rn. K 169).

(2) Zuzugestehen ist der Beklagten, dass die ersten Teilsätze von § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag bezüglich Sonderzahlungen klar und verständlich eine Rückzahlungspflicht als Vorschuss regeln. Deutlich wird, dass Sonderzahlungen erfasst sein sollen, dass diese vollständig zur Rückzahlung kommen sollen und dass die Rückzahlungspflicht durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist nach Zahlung der Sondervergütung ausgelöst wird, wenn die Beendigung auf näher bestimmte Gründe zurückgeht.

(3) Anders als die Beklagte meint, wird aber durch die im letzten Halbsatz formulierte Einschränkung "sofern nicht anderslautende betriebliche Regelungen bestehen" diese Klarheit weitgehend beseitigt. Ausgehend von den Verständnismöglichkeiten einer durchschnittlichen Arbeitnehmerin oder eines durchschnittlichen Arbeitnehmers wird nicht hinreichend klar, durch welche Festlegungen aus welchen Quellen in welchen Grenzen eine ggf. verschlechternde Änderung der Rückzahlungspflicht erfolgen kann.

(a) Zunächst ist die Umschreibung für abweichende Regelungen denkbar weit. Nach dem Wortlaut kommen alle Regelungen in Betracht, die nach ihrem Urheber oder ihrem Anwendungsbereich auf den Betrieb zurückzuführen sind. Betriebliche Regelungen ist kein Rechtsbegriff, für dessen Präzisierung auf gesetzliche Bestimmungen zurückgegriffen werden könnte. Zwar wird der Begriff in ganz unterschiedlichen Vorschriften - insbesondere Ausbildungsordnungen - verwandt, eine eingrenzende einheitliche Begriffsbestimmung wird aus diesen Verwendungen aber nicht ersichtlich.

(b) Erfasst sind somit zunächst die von der Beklagten in den Vordergrund gestellten Betriebsvereinbarungen, aber auch sonstige Vereinbarungen zwischen den Betriebsparteien (zu letzterem vgl. BAG, 22. Oktober 2019 - 1 AZR 217/18, juris Rn 18) und außerdem im Betrieb geltende Tarifverträge. Erfasst sich aber auch solche Regelungsinstrumente wie Gesamtzusagen und betriebliche Übung.

Dabei ist die Formulierung keineswegs auf die deklaratorische Anerkennung des Vorrangs etwa geltender wirkmächtigerer Regelungen aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen beschränkt. Vielmehr ist die Klausel uneingeschränkt als Öffnung der vertraglichen Vereinbarung für betriebliche Regelungen formuliert. Somit kann sie als Geltungsgrund für entsprechende Festlegungen verstanden werden, die ohne die Klausel keine Geltung beanspruchen könnten.

Letztlich ist es nach dem Wortsinn nicht ausgeschlossen, sogar vom Arbeitgeber einseitig für den Betrieb getroffene Festlegungen unter die abweichungsberechtigten betrieblichen Regelungen einzuordnen. Auch mit solchen einseitigen Festlegungen würden im Hinblick auf den vom Arbeitgeber behaupteten Geltungsanspruch Regeln für den Betrieb aufgestellt Die Einschränkung lässt sich somit so lesen, dass für den Arbeitgeber eine einseitige Abänderungsbefugnis begründet wird, sofern er nur Festlegungen trifft, die den Betrieb insgesamt betreffen oder denen jedenfalls eine betriebliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukommt. Eine solche Auslegung erscheint für die Kammer jedenfalls als nicht völlig fernliegend. Nach ihrer Einschätzung können juristische Unterscheidungen nach der jeweiligen Rechtsquelle von der durchschnittlichen Arbeitnehmerin oder dem durchschnittlichen Arbeitnehmer der Einzelhandelsbranche nicht erwartet werden. Deshalb erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Vertragspartnerin oder der Vertragspartner des Arbeitgebers dessen einseitige Festlegungen als von der Vertragsklausel gedeckt ansieht.

Die Einschränkung ist nicht auf betriebliche Regelungen beschränkt, die bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abweichen. Vielmehr ist sie so formuliert, dass es für das Bestehen abweichender betrieblicher Regelungen auf den Anwendungszeitpunkt ankommt. Nach § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag hat die Rückzahlung zu erfolgen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird. Dies ist nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern der Zeitpunkt der Kündigung, der im Hinblick auf die Nähe zum Auszahlungszeitpunkt der Sonderzahlung die Rückzahlungspflicht auslösen soll.

(c) Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus dem Sinnzusammenhang keine Einschränkung auf für die Vertragspartnerin oder den Vertragspartner günstigere betriebliche Regelungen. Theoretisch möglich sind Verschlechterungen hinsichtlich der Bindungsdauer und der Mindesthöhe, ab welcher Sonderzahlungen von der Rückzahlungspflicht erfasst sein sollen. Für die Kammer ist nicht erkennbar geworden, weshalb solche Verschlechterungen vorliegend ausgeschlossen sein sollten. So erscheint es nach dem Wortlaut der Klausel durchaus möglich, dass durch betriebliche Regelungen i.S.d. Klausel eine Bindungsdauer von vier Monaten oder die Erfassung einer Sonderzahlung von nur 100,00 Euro oder 50,00 Euro festgelegt würde.

Solche Verschlechterungen können nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil die Formulierung nicht im Sinne einer rechtlich unzulässigen späteren Handhabung auszulegen sein würde. Nach den durch die Rechtsprechung aus der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG hergeleiteten Grenzwerten, wonach für Sonderzahlungen zwischen 100 Euro und einem Bruttomonatsverdienst eine dreimonatige Bindung zulässig ist (vgl. BAG, 21. Mai 2003 - 10 AZR 390/02, juris Rn. 25), würde beispielsweise die verschlechternde Einbeziehung von Sonderzahlungen ab 100 Euro zulässig sein. Jedenfalls aber sind die durch die Klausel eingeräumten Abweichungsbefugnisse weder aus Wortlaut noch Sinnzusammenhang erkennbar an die richterrechtlich entwickelten Grenzen gebunden.

(d) Im Hinblick hierauf ist die Klausel als nicht hinreichend transparent anzusehen. Sie wahrt weder Abschluss- noch Abwicklungstransparenz. Die Vertragspartnerin oder der Vertragspartner des Verwenders können nicht vorhersehen, welche (späteren) betrieblichen Regelungen aus welchen Quellen die Formularvereinbarung ergänzen und möglicherweise verschlechtern. Sie sind nicht davor geschützt, dass bis zum Zeitpunkt einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses verschlechternde betriebliche Regelungen ergehen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses können sie nicht die Vor- und Nachteile der Abrede über die Rückzahlungspflicht beurteilen. Es besteht die Gefahr, dass sie bei der späteren Ausübung ihres Kündigungsrechts in Ungewissheit sind, ob sie damit die Verpflichtung zur Rückzahlung eines zuvor erhaltenen Urlaubsgeldes auslösen. Möglich erscheint es, dass auf der Grundlage der von der Beklagten gewählten Formulierung eine Vertragspartnerin oder ein Vertragspartner weitergehend als zulässig von einer Kündigung abgehalten wird. Für den hypothetischen Fall, dass der Verwender sich über die vertraglichen Festlegungen hinausgehend einer Rückzahlungspflicht berühmen würde, könnte nicht ausgeschlossen werden, dass infolge der verunklarenden Formulierung zu den Abweichungsmöglichkeiten die Vertragspartnerin oder der Vertragspartner von der Abwehr einer entsprechenden Forderung abgehalten würde.

(e) Die Einschränkung wäre unschwer präziser formulierbar gewesen. Die Beklagte als Verwenderin hätte die von ihr im Berufungsverfahren diskutierten Verdeutlichungen in der Klausel zum Ausdruck bringen können. So hätte sie dort aufnehmen können, dass allein günstigere Regelungen als betriebliche Festlegungen Geltung beanspruchen können. Sie hätte klarstellen können, dass ausschließlich Regelungen aus normativ wirkenden Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) erfasst sein sollen. In diesem Fall hätte sie überzeugend für sich in Anspruch nehmen können, allein die Folgen einer grundsätzlichen Betriebsvereinbarungsoffenheit der Vereinbarung zur Rückzahlungspflicht zu verdeutlichen.

(4) In Anwendung von §§ 306 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB ist die gesamte Klausel als unwirksam anzusehen. Zwar ist mit der einschränkenden Formulierung die Ursache der Unbestimmtheit sprachlich abtrennbar. Dies bedeutet aber nicht, dass der übrige Teil aufrechterhalten werden könnte. Die Einschränkung bildet mit den einleitenden Satzteilen von § 5 Abs. 3 Arbeitsvertrag eine Sinneinheit. Die Einschränkung macht gerade deren Inhalt ungewiss. Eine Teilstreichung liefe auf eine verbotene geltungserhaltende Reduktion hinaus. Sie vertrüge sich nicht mit dem Ziel der AGB-Kontrolle und insbesondere des Transparenzgebotes, auf einen von vornherein angemessenem Inhalt der in der Praxis verwendeten AGB hinzuwirken und dem Kunden die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus den vorformulierten Vertragsbedingungen erwachsenden Rechte und Pflichten zu verschaffen. Das mit unangemessenen AGB-Bestimmungen verbundene Risiko der Gesamtunwirksamkeit der Klausel hat beim Verwender zu verbleiben, damit er nicht der Aufgabe enthoben wird, selbst für die vom Gesetz angestrebte Bereinigung der AGB-Praxis zu sorgen (vgl. Schmidt in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 306 BGB Rn 14 mwN).

4. Das Urlaubsgeld ist nicht aus anderen Gründen rückforderbar. An ihrem erstinstanzlichen Vorbringen, die vertragliche Vereinbarung sei keine Grundlage für die Urlaubsgeldzahlung, hat die Beklagte im Berufungsverfahren nicht festgehalten. Wie es das Arbeitsgericht ausgeführt hat, führt die Verknüpfung von Freiwilligkeit und Widerruflichkeit zur Unwirksamkeit entsprechender Vorbehalte. Deshalb ist davon auszugehen, dass das deshalb vorbehaltlos an die Klägerin geleistete Urlaubsgeld von der Beklagten nicht zurückgefordert werden kann.

5. Zinsen in der geltend gemachten Höhe kann die Klägerin in Anwendung von §§ 286 Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 BGB beanspruchen. Zinsbeginn ist allerdings erst der 3. September 2019. Im Hinblick auf die vertragliche Vereinbarung zu Fälligkeit nachträglich folgend auf den monatlichen Bezugszeitraum wäre vorliegend eine Zahlung am Montag, den 2. September 2019 noch rechtzeitig gewesen.

III.

Von den Nebenentscheidungen beruht die Entscheidung zur Kostenpflicht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Das Teilunterliegen der Klägerin ist geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.

Die Revision ist für die Beklagte wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

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