ArbG Düsseldorf, Urteil vom 23.04.2021 - 11 Ca 6310/20
Fundstelle
openJur 2021, 19788
  • Rkr:
Tenor

1.Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 26.09.2020 noch durch die Kündigung vom 30.12.2020 aufgelöst wird.

2.Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits als "(...)" weiter zu beschäftigen.

3.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4.Streitwert: 10.495,05 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist sowie die Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die Beklagte betreibt ein internationales Luftfahrtunternehmen mit Drehkreuzen (sogenannte HUBs) in Frankfurt und München, sowie acht dezentralen Stationen, unter anderem in Düsseldorf. Für die dezentrale Station und weitere Teilbereiche des Unternehmens der Beklagten in Düsseldorf ist ein einheitlicher Betriebsrat gebildet. Bei der Beklagten handelt es sich um die Konzernobergesellschaft der M. mit Sitz in Frankfurt. Die Beklagte ist tarifgebunden. In Düsseldorf werden regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. An den dezentralen Stationen - so auch in Düsseldorf - führt die Beklagte flugvorbereitender Abfertigungstätigkeiten aus. In der dezentralen Station in Düsseldorf wird ein Stationsmanager (so von der Klägerin bezeichnet; von der Beklagten als Stationsleiter bezeichnet) beschäftigt.

Die Klägerin ist seit dem 01.03.1986 auf der Station in Düsseldorf beschäftigt, zuletzt als "(...)" mit 18,75 Wochenstunden. Die Bruttomonatsvergütung der Klägerin belief sich zuletzt auf etwa 2.099,01 €. Sie hat einen Grad der Behinderung von 40 und führt derzeit ein Verfahren auf Anerkennung einer Schwerbehinderung.

Bei der Beklagten kommen - soweit für den vorliegenden Rechtsstreit relevant - unter anderem folgende kollektivrechtliche Regelungen zur Anwendung:

- Manteltarifvertrag für das Bodenpersonal Nr. 14 vom 01.10.2015 - MTV Nr.14 - (Anlage B1)

- Tarifvertrag Schutzabkommen Boden vom 18.04.1980 idF vom 01.10.1995 - TV-S Boden - (Anlage B2)

- Konzernbetriebsvereinbarung Interessenausgleich und Sozialplan vom 20.11.1992 idF vom 01.01.2001 - KBV IA SP - (Anlage B4)

- Betriebsvereinbarung Konzern-Vermittlungsprozess (Clearingverfahren) vom 27.09.2012 - KBV Clearing - (Anlage B5)

- Betriebsvereinbarung Soziale Auswahlrichtlinien vom 20.11.1992 (Anlage B6)

- Interessenausgleich und Sozialplan vom 23.10.2015 (Anlagen B9 und B10)

Nach § 41 Abs. 3 MTV Nr.14 ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ordentlich unkündbar. Der TV-S Boden beinhaltet soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung folgende Regelungen:

"§ 2 Zielsetzung

Die Tarifvertragsparteien stimmen überein, dass die Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse eine vorrangige Bedeutung hat. Die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses mit einem von einer Maßnahme nach §§ 3 und 4 betroffenen Mitarbeiter zu geänderten angemessenen Bedingungen im E.-Konzern ist daher vornehmliches Ziel der nachfolgenden Vorschriften.

§ 3 Betriebliche Veränderungen für erhebliche Teile der Belegschaft

Als Maßnahme im Sinne des Tarifvertrages gelten Betriebsänderungen gemäß § 111 BetrVG, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können.

[...]

§ 6 Einschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts

(1) Bewirkt eine Maßnahme nach § 3, dass die bisherige Tätigkeit eines Mitarbeiters in Quantität und/oder Qualität ganz oder überwiegend entfällt, ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber gleichwohl nicht zulässig, wenn die Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters unter geänderten angemessenen Vertragsbedingungen auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Konzern (E.) möglich ist und der Mitarbeiter dazu sein Einverständnis erklärt hat, insbesondere

a) wenn der Mitarbeiter auf einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb innerhalb des Konzerns am gleichen oder einem anderen Ort in seiner bisherigen Tätigkeit oder in einer anderen zumutbaren Tätigkeit weiterbeschäftigt werden kann,

b) wenn eine Weiterbeschäftigung im Sinne des Buchstaben a) nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen möglich ist und ein Mitarbeiter sein Einverständnis zu Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen erklärt hat.

[...]

(3) Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit im Sinne der Vorschriften der Absätze (1) und (2) sind neben beruflichen und wirtschaftlichen Umständen auch die sozialen Belange des Betroffenen im Verhältnis zu den sozialen Belangen anderer Beteiligter ausreichend zu berücksichtigen. Die Zumutbarkeit des Einsatzes auf einem anderen Arbeitsplatz wird für jeden Fall unterstellt, wenn sie nach den Maßstäben des Arbeitsförderungsgesetzes (einschließlich ergänzender Regelungen) bzw. der Reichsversicherungsordnung (Verweisungsberufe) gegeben ist.

[...]

(5) Bewirkt eine Maßnahme nach §§ 3 und 4, dass der bisherige Arbeitsplatz eines Mitarbeiters, der eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren vollendet hat, entfällt, bleibt dessen Kündigung gleichwohl ausgeschlossen. E. sind zur Übertragung anderer angemessener Aufgaben verpflichtet.

[...]

§ 11 Wiedereinstellung

(1) Werden für Arbeitsplätze im Konzern Einstellungen vorgenommen, sind ehemalige Mitarbeiter des Konzerns, die aufgrund einer Maßnahme im Sinne des § 3 entlassen worden sind, anderen (externen) Bewerbern bei gleicher Qualifikation und Eignung vorzuziehen, wenn seit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als 36 Monate vergangen sind."

Die Regelungen im TV-S Boden werden durch die KBV IA SP konkretisiert. Gemäß § 3 KBV IA SP werden durch Personalabbau freiwerdende Stellen nur dann neu besetzt, wenn dies zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Betriebs unerlässlich ist. § 4 KBV IA SP lautet auszugsweise:

"§ 4 Vermittlung freier Arbeitsplätze

Gemäß § 3 zu besetzende, freie Arbeitsplätze werden auf der Grundlage der BetrVbgen "Stellenausschreibung” und "Auswahlrichtlinien” ausgeschrieben, sofern sie nicht durch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter besetzt werden können, deren Arbeitsplatz entfallen ist. Vorrangig sollen Arbeitsplätze am gleichen Ort, im selben Betrieb, einem anderen Unternehmensbetrieb oder bei anderen Konzerngesellschaften, nachrangig überörtlich im Unternehmens- und Konzernbereich angeboten und vermittelt werden."

Die Beklagte fasste am 07.07.2015 den Beschluss, alle dezentralen Stationen und damit auch die Station in Düsseldorf zu schließen. Hierzu schloss die Beklagte am 08.07.2015 mit allen lokalen Betriebsräten eine Rahmenvereinbarung. Zur Umsetzung dieser unternehmerischen Entscheidung und Betriebsänderung schloss die Beklagte mit dem lokalen Betriebsrat in Düsseldorf unter dem 23.10.2015 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Die Betriebsparteien einigten sich auf den 31.05.2021 als Termin für die Schließung der Station in Düsseldorf.

Soweit für den hiesigen Rechtsstreit relevant enthält der Sozialplan unter anderem folgende Regelungen:

"2. Geltung der Konzernbetriebsvereinbarung "Interessenausgleich und Sozialplan"

Die Konzernbetriebsvereinbarung Interessenausgleich und Sozialplan vom 20.11.1992 in der Fassung vom 01.01.2001 findet grundsätzlich Anwendung, soweit in diesem Sozialplan keine abweichenden Regelungen und Vereinbarungen getroffen worden

3. Sozialverträgliche HR-Maßnahmen zur Unterstützung der Fluktuation:

Die Betriebspartner sind sich einig, dass dieser Sozialplan das Ziel hat, betriebsbedingte Beendigungskündigung zu vermeiden und den notwendigen Personalabbau möglichst sozial verträglich zu gestalten.

a) HR-Maßnahmen

(6) HUB Wechsel

E. bietet allen Mitarbeitern der Station DUS ST im Rahmen ihrer betrieblichen Möglichkeiten gleichwertige Arbeitsplätze an den HUBs Frankfurt und München an und unterstützt sie bei einem Wechselwunsch.

Mitarbeiter, die bis zum 31.05.2016 verbindlich ihren Wechselwunsch gegenüber dem zuständigen Personalmanagement anzeigen und bis zum 30.06.2016 den Wechsel nach München oder Frankfurt vollziehen haben einen Anspruch auf den Wechsel in eine vergleichbare Funktion. [...]

[...]

(7) Boden-Bord Wechsel

Den Mitarbeitern der Station Düsseldorf wird außerdem ein Wechsel in die Kabine zu den dort geltenden Tarifbedingungen angeboten. Ein Wechsel in die Kabine kann nur dann erfolgen, wenn der Mitarbeiter die erforderlichen Einstellungsvoraussetzungen der Kabine (...) erfüllt.

[...]

4. Clearing

Das Mitarbeiterclearing wird zum 01.06.2020 eröffnet. Dem Clearingverfahren unterliegen alle Mitarbeiter, die keine zum Zeitpunkt der Schließung der Station das aktive Arbeitsverhältnis beendende HR-Maßnahme gemäß Ziffer 3 a) [...] in Anspruch genommen haben und die damit aufgrund des Entfalls des Arbeitsplatzes zum Schließungszeitpunkt von einer betriebsbedingten Kündigung bedroht sind. Dem Clearingverfahren unterliegen außerdem alle Mitarbeiter, die nicht zum Schließungszeitpunkt aus dem Unternehmen ausscheiden werden oder bereits ausgeschieden sind.

Die Umsetzung des Clearingverfahrens erfolgt gemäß der Betriebsvereinbarung Konzern-Vermittlungsprozess (Clearingverfahren) vom 27.09.2012.

Ziel des Clearingverfahrens ist es, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden und Mitarbeitern alternative Beschäftigungsangebote innerhalb des Konzerns zu unterbreiten.

[...]

Sollte eine Vermittlung im Rahmen des Clearingverfahrens auf einen zumutbaren Arbeitsplatz nicht möglich sein oder ein Mitarbeiter einen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnen, so kann E. als Ultima Ratio das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigen."

Die Klägerin zeigte bis zum 31.05.2016 keinen Wechselwunsch an.

Die in Ziffer 4 des Sozialplans in Bezug genommene KBV Clearing bestimmt u.a.:

"§ 3 Ablauf des Vermittlungsprozesses

Als Vorbereitung des Vermittlungsprozesses ist für den konkret vom Arbeitsplatzverlust bedrohten Mitarbeiterkreis der von der Betriebsänderung betroffenen Gesellschaft mit dem Betriebspartner abgestimmte, anonymisierte Qualifikationsliste zu erstellen. Hierin sind Informationen über dessen Qualifikationsprofil einzutragen:

1. Mitarbeiterclearing

Sobald der konkrete vom Arbeitsplatzverlust bedrohten Mitarbeiterkreis feststeht und die Qualifikationsliste vorliegt, wird durch Eröffnung des Mitarbeiterclearings die Vermittlungstätigkeit aufgenommen. Die zentrale Clearingstelle stellt dem Personalnetzwerk der Konzerngesellschaften konkrete Informationen über den zu vermittelnden Mitarbeiterkreis (Informationsliste) sowie Kontaktdaten der lokalen Vermittlungsstelle zur Verfügung. Ab sofort sind die betroffenen Mitarbeiter bevorzugt auf geeignete und zumutbare freie Stellen in den Konzerngesellschaften zu vermitteln. Mit Beginn des Mitarbeiterclearing werden alle freien Stellen der Konzerngesellschaften vor Ausschreibung oder Besetzung unter Ausschreibungsverzicht der ZZCS und LVS zur Überprüfung auf Besetzbarkeit zur Verfügung gestellt. Dies gilt für intern und/oder extern auszuschreiben Stellen.

Die LVS hat max. 5 Arbeitstage (Mo-Fr) Zeit, die Stelle auf Besitzzeit mit einem am Vermittlungsverfahren teilnehmenden Mitarbeiter zu überprüfen. Besteht die Möglichkeit einer Besetzung, benennt die LVS dem Mitarbeiter die Stelle. Kann für die Stelle kein Besetzungsvorschlag gemacht werden, gibt die LVS die Stelle für den Stellenausschreibung bzw. Besetzungsprozess wieder frei. Näheres zum Arbeitsplatzangebot regelt § 4 dieser Vereinbarung.

2. Notarielles Clearing

Vor Beendigung des Vermittlungsprozesses erfolgt bei den vorgenannten Konzerngesellschaften eine durch die ZCS initiierte letztmalige unverbindliche Abfrage geeigneter Beschäftigungsmöglichkeiten für die nicht vermittelten Mitarbeiter. Kann nach Abschluss des notariellen Clearings keine geeignete und zumutbare Weiterbeschäftigung angeboten werden, wird der Vermittlungsprozess beendet.

An dem Clearingverfahren nehmen folgende Konzerngesellschaften teil: Die M., die M., die M., die M., M., die D. (Bekanntgemacht am 23. Februar 2009 im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main: Neue Firma (M.), die E., die E. (Bekannt gemacht am: 7. Oktober 2016 im Handelsregister des Amtsgerichts Köln: Die Gesellschaft ist als übertragender Rechtsträger nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrages vom 02.05.2016 mit der E. mit Sitz in Köln (Amtsgericht Köln, HRB 7.) verschmolzen. Die Gesellschaft ist in der Folge erloschen), die B., die M., die M., die M. (die Gesellschaft ist im Jahr 2005 aus dem Konzern der beklagten Partei ausgeschieden und wurde Teil des I. Konzerns), die M. (Bekannt gemacht am: 19. Februar 2002 im Handelsregister des Amtsgerichts Köln: Firma: M.; Bekannt gemacht am: 23. August 2012 (ebenda): Firma: M.; Bekannt gemacht am: 31. August 2012 (ebenda): Die Gesellschaft ist als übertragender Rechtsträger nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrages vom 18.07.2013 sowie der Zustimmungsbeschlüsse ihrer Gesellschafterversammlung vom 18.07.2013 und der Gesellschafterversammlung des übernehmenden Rechtsträgers vom 18.07.2013 mit der M. mit beschränkter Haftung mit Sitz in Köln (Amtsgericht Köln, HRB 7.) verschmolzen. Die Gesellschaft ist in der Folge erloschen.), die D. (die Gesellschaft ist im Jahr 2009 aus dem Konzern der beklagten Partei ausgeschieden und wurde als Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwischenzeitlich aufgelöst.), die M., die M. (Bekannt gemacht am: 25. März 2013 im Handelsregister des Amtsgerichts Offenbach am Main: Neue Firma: T..), die M. (Die Gesellschaft ist durch Aufspaltung zur Aufnahme am 13. Oktober 2016 erloschen.), die M. (Bekannt gemacht am: 2. Januar 2018 im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main neue Firma: M..), die M. (Bekannt gemacht am: 2. Januar 2017 im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg: Firma: M.), die M. (Die Gesellschaft wurde 2004 in M. umfirmiert und ist 2011 durch Verschmelzung erloschen.), die M., die M. (Die Gesellschaft wurde in die M. und sodann in die M. und zuletzt in die M. umfirmiert und ist am 1. Juli 2011 durch Verschmelzung erloschen.), die M., die M. (Die Gesellschaft ist durch Verschmelzung erloschen.), die M., die M. (Die Gesellschaft ist im Jahr 2013 aus dem Konzern der beklagten Partei ausgeschieden und wurde Teil des U. Konzerns.), die M., die M., die D. (Die Gesellschaft ist im Jahr 2009 aus dem Konzern der beklagten Partei ausgeschieden und wurde als Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwischenzeitlich aufgelöst.) sowie die M..

Im Januar 2019 informierte die Beklagte über den Ablauf des Clearingverfahrens mittels einer Präsentation. Bereits im Oktober 2019 informierte die Beklagte die betroffenen Mitarbeiter über die Überführung in das Clearingverfahren im Zeitraum zwischen dem 31.05. und dem 30.06.2020. Die Beklagte fragte Anfang 2020 bei der Klägerin an, auf welchen HUB sie wechseln wollte um das Arbeitsverhältnis ab dem 01.06.2021 fortzusetzen. In einem Protokoll vom 15.04.2020 über ein Update dezentrale Stationen zwischen Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats und der Geschäftsleitung heißt es unter Ziffer 1:

"Es wurde seitens M. wiederholt, dass die Zusage, nach der die Mitarbeiter/ -innen der dezentralen Stationen die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung an einem der Hubs erhalten sollen, auch in der aktuellen Situation Bestand hat. Auch wenn die Krise länger andauern sollte, besteht der Wille zur Aufnahme der Mitarbeiter/ -innen der dezentralen Stationen an den Hubs."

Mit weiterem Schreiben vom 22.05.2020 teilte die Beklagte durch Frau N. - Head of M. HR Management - erneut mit, dass weiterhin geplant sei, Arbeitsplatzangebote in Frankfurt oder München zu unterbreiten.

Mit Schreiben vom 15.05.2020 teilte die Beklagte der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Hessen mit, dass sie in Bezug auf die Schließung der dezentralen Standorte zum 31.05.2021 mit den örtlich zuständigen Mitbestimmungsgremien Interessenausgleich und Sozialpläne abgeschlossen habe. Den Mitarbeitern stünden verschiedene Maßnahmen aus dem Interessenausgleich und Sozialplan zu. Hieraus leiteten sie zum einen - so die Beklagte - den Anspruch auf einen HUB-Wechsel an eines der Drehkreuze Frankfurt oder München ab. Zum anderen gebe es einen Anspruch auf Durchführung eines konzerninternen Stellenvermittlungsverfahrens (sog. Clearing). In Erfüllung der sich aus dem Clearingverfahren ergebenden Verpflichtungen sei angedacht, die Mitarbeiter auf entsprechende Arbeitsplätze an den Stationen in Frankfurt bzw. München zu versetzen. Vor diesem Hintergrund fragte die Beklagte bei der Regionaldirektion Hessen an, ob und inwiefern sich die Versetzung und Weiterbeschäftigung auf Basis der vereinbarten Interessenausgleiche und Sozialpläne von Mitarbeitern der dezentralen Stationen ab dem 01.06.2021 in anderen Betriebsteilen (Frankfurt, München) auf die Gewährung von Kurzarbeitergeld auswirke.

Die Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion Hessen - teilte hierauf mit Schreiben vom 27.05.2020 folgendes mit:

"Durch den bereits im Jahr 2015 abgeschlossenen Sozialplan, exemplarisch liegen die Unterlagen für den Standort Düsseldorf vor, hat sich die M. vertraglich gebunden, den zum 01.06.2020 noch an den genannten Standorten beschäftigten Arbeitnehmer*innen ein Arbeitsangebot innerhalb des Konzerns anzubieten.

Grundlage der betrieblichen Restrukturierung ist die Rahmenvereinbarung zur Beendigung der Eigenproduktion an allen dezentralen Standorten vom 08.07.2015.

Für die im Rahmen des Clearingverfahrens nach Ziffer 4 des Sozialplans aufgenommenen Beschäftigungen kann ein zwingender Grund gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 1b Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) anerkannt werden, da die Übernahme aufgrund einer bereits weit vor Beginn der Kurzarbeit getroffenen vertraglichen Bindung ihrerseits erfolgt.

Es bestehen aus leistungsrechtlicher Sicht keine Bedenken, insbesondere die Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalles (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) wird hierdurch nicht tangiert."

Mit Schreiben vom 16.06.2020 teilte die Beklagte den Beschäftigten der dezentralen Stationen dann mit, dass sie keine Möglichkeit sehe, Angebote zum Wechsel auf gleichwertige Arbeitsplätze an den HUBs Frankfurt und München zu unterbreiten und daher betriebsbedingte Beendigungskündigung nicht ausgeschlossen seien. Mit Schreiben vom 06.07.2020 teilte die Beklagte dann mit, dass das Clearingverfahren gescheitert sei und für die betroffenen Arbeitnehmer nur die Option des Ausscheidens gegen Zahlung einer Abfindung und als letztes Mittel der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen bestehe.

Zuvor hatte die Beklagte das Clearingverfahren vorbereitet, indem sie mit Schreiben vom 06.02.2020 die betroffenen Arbeitnehmer zur Aktualisierung ihrer Qualifikationsdaten aufgefordert hatte und das Clearingverfahren zum 01.06.2020 formell eröffnete. Das abschließende sogenannte "notarielle Clearing" eröffnete die Beklagte durch E-Mailabfrage vom 27.08.2020. Hierzu wurde mit E-Mail vom 28.08.2020 eine aktualisierte Qualifikationsliste übersendet. Nach Rückmeldung der Konzerngesellschaften wurde das Clearingverfahren durch die Beklagte am 10.09.2020 abgeschlossen.

Gleichzeitig mit dem Clearing nach der KBV Clearing führte die Beklagte das Clearing nach § 6 TV-S Boden durch. Hiernach ist vor Kündigungsausspruch zu prüfen, ob bei diversen Konzerngesellschaften eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zumindest in Form einer zumutbaren Tätigkeit besteht. Da der TV-S Boden keine Vorschriften über das Procedere des Clearings enthält, führte die Beklagte das Clearing nach Maßgabe von § 6 TV-S Boden gemeinsam mit dem Clearing nach Maßgabe der KBV Clearing durch.

Vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung wurden bei der Beklagten am HUB München im Frühjahr 2020 diverse Stellen entfristet bzw. verlängert.

Am 10.09.2020 leitete die Beklagte gegenüber dem Gesamtbetriebsrat das Konsultationsverfahren gemäß § 17 KSchG ein. Eine erste Beratung mit dem Gesamtbetriebsrat und Vertretern der Beklagten fand am 15.09.2020 statt. Am 16.09.2020 übersandte der Gesamtbetriebsrat eine Fragenliste an die Beklagte, welche die Beklagte mit E-Mail vom 22.09.2020 beantwortete. Mit E-Mail vom 24.09.2020 schrieb der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats an die Beklagte:

"Folgende konkrete Vorschläge zur Verhinderung von Kündigungen bzw. Abmilderung durch soziale Maßnahmen haben wir ihnen bereits vor und auch im Rahmen des Konsultationsverfahren § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG unterbreitet:

1. An Ihrer Zusage festzuhalten und die betroffenen Mitarbeiter an die HUBs zu versetzen und sie dort - wie viele andere Mitarbeiter - in Kurzarbeit zu entsenden. Dies haben sie nach eigenen Aussagen im Vorfeld bereits mit der Bundesagentur für Arbeit geprüft und es ist ihnen positiv beschieden worden."

Mit E-Mail vom gleichen Tage antwortete Herr I. für die Beklagte an den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats folgendes:

"Wir haben geprüft, ob eine Versetzung der Mitarbeiter an die HUBs stattfinden kann, sehen hierzu aber keine Möglichkeiten. Unzutreffend ist, dass wir eine Bestätigung der Bundesagentur für Arbeit haben, dass genau dieses konkrete Vorhaben, das Kurzarbeitergeld nicht gefährden würde und auch für die versetzten Mitarbeiter ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld bestünde."

Nach diversen weiteren Vorschlägen und Beratungen gab der Gesamtbetriebsrat noch am 24.09.2020 eine als "abschließende Stellungnahme" bezeichnete Stellungnahme zu den geplanten Kündigungen ab.

Am 25.09.2020 erstattete die Beklagte die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf für die dezentrale Station in Düsseldorf. Die Agentur für Düsseldorf bestätigte den Eingang der Massenentlassungsanzeige noch am 25.09.2020. Vorsorglich erstattete die Beklagte eine weitere Massenentlassungsanzeige für die dezentrale Station in Düsseldorf unter Einbeziehung der Unternehmenseinheiten vor Ort.

Mit Schreiben vom 16.09.2020 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung des mit der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses an. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 26.09.2021 außerordentlich mit Auslauffrist zum 31.05.2021. Die von Herrn D. und Frau B. unterzeichnete Kündigungserklärung wurde an das Botenunternehmen T. übergeben und der Klägerin zugestellt.

Mit Schreiben vom 30.12.2020 erklärte die Beklagte eine weitere außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.06.2021.

Die Beklagte sprach in Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung insgesamt mindestens 144 Kündigungen aus. In Düsseldorf wurden 27 Kündigungen ausgesprochen. In ca. 140 Fällen wurde Kündigungsschutzklage erhoben. In diversen Fällen, in denen die Beklagte Kündigungen gegenüber Mitarbeitern in Altersteilzeit ausgesprochen hatte, wurden Vergleiche abgeschlossen oder die Beklagte nahm die Kündigungen zurück und führt die Altersteilzeitverträge fort.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung, die sie in Ermangelung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB für unwirksam hält.

Die dezentrale Station in Düsseldorf werde nicht zum 31.05.2021 vollständig geschlossen, da jedenfalls der Stationsmanager über den Schließungszeitpunkt hinaus weiterbeschäftigt werde. Bei dem Stationsmanager handele es sich nicht um einen leitenden Angestellten, der selbstständig über Einstellungen und Entlassungen entscheiden dürfe. Vielmehr sei der Stationsmanager - insoweit unstreitig - bei Betriebsratswahlen wahlberechtigt gewesen und er werde als weisungsgebundener Arbeitnehmer in Form eines Referenten für die Beklagte tätig. Das HR Management werde auch nicht dezentral an den einzelnen Stationen ausgeübt, sondern zentral und einheitlich von der Beklagten vorgegeben. Bei der dezentralen Station in Düsseldorf handelte es sich schon nicht um einen eigenständigen Betrieb im Sinne des § 1 KSchG. Es fehle an einem eigenständigen Leitungsapparat.

Die Beklagte sei nach den Regelungen des Sozialplans verpflichtet, einen Arbeitsplatz in Frankfurt oder München anzubieten. Der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung sei als Ultima Ratio erst zulässig, nachdem die Beklagte ihren Mitarbeitern im Rahmen ihrer betrieblichen Möglichkeiten einen anderen Arbeitsplatz angeboten habe, was aber nicht geschehen sei. Entsprechende betriebliche Möglichkeiten bestünden auch bei der Beklagten. Die Klägerin habe ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung an einem HUB der Beklagten in Frankfurt oder München.

Die Beklagte sei zudem verpflichtet gewesen, das Clearingverfahren vor Ausspruch einer Kündigung vollständig durchzuführen. Die Beklagte habe das Clearingverfahrens zwar zum 01.06.2020 formell eröffnet, es jedoch vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß abgeschlossen. Im Rahmen des Clearingverfahrens wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, der Klägerin zumutbare freie Arbeitsplätze auch bei anderen Konzernunternehmen der Beklagten anzubieten. Das Clearingverfahren sei zudem mindestens über einen Zeitraum von 36 Monaten durchzuführen gewesen und sei somit zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin und anderen Mitarbeitern kommuniziert, dass das Clearingverfahren gegenüber ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern mindestens 36 Monate andauerte. Die Beklagte habe zudem gegenüber den Mitarbeitern verbindlich kommuniziert, dass diesen ein Arbeitsplatzangebot in Frankfurt oder München gemacht würde.

Freie Stellen, die der Klägerin hätten angeboten werden können und müssen, seien verfügbar gewesen. Dabei hätte die Beklagte auch freie Stellen anderer Konzerngesellschaften berücksichtigen müssen. Soweit erforderlich hätten der Klägerin für freie Stellen Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden müssen. Darüber hinaus wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, zumutbare Umorganisationsmaßnahmen zu prüfen. Gegebenenfalls hätten der Klägerin auch höherwertige Positionen angeboten werden. Die Klägerin ist weiter der Meinung, dass die Beklagte der Klägerin auch die Stellen am HUB in München hätte vorrangig anbieten müssen, welche sie im Jahr 2020 entfristet bzw. verlängert habe. Die Tätigkeiten in Düsseldorf würden nunmehr von der B., einer 100%igen Tochtergesellschaft der Beklagten, durchgeführt. Diese suche bereits nach neuen Mitarbeiter/innen. Auch diese Stellen hätte man der Klägerin anbieten müssen.

Schließlich habe die Beklagte eine überörtliche Sozialauswahl durchführen müssen und die HUBs in Frankfurt und München mit einbeziehen müssen. Die Station in Düsseldorf stelle keinen eigenständigen Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetz dar, sodass eine übergreifenden Sozialauswahl mit den Stationsbetrieben Frankfurt und München und sämtlichen dort beschäftigten Mitarbeitern hätte durchgeführt werden müssen. Gegebenenfalls wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, der Klägerin einen zumutbaren Arbeitsplatz frei zu kündigen.

Soweit die Beklagte sich auf eine verheerende wirtschaftliche Situation der Beklagten Berufe ist die Klägerin der Auffassung, dass die pandemiebedingten Einschränkungen einerseits nicht Grundlage einer etwaigen unternehmerischen Entscheidung seien und andererseits nur vorübergehender Natur seien und durch Kurzarbeit abgedeckt werden könnten.

Die Beklagte habe auch das nach § 17 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt und keine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige erstattet. Im Rahmen der Durchführung des Konsultationsverfahren hätte die Beklagte den örtlichen Betriebsrat in Düsseldorf, nicht aber den Gesamtbetriebsrat beteiligen müssen. Die Verhandlungen seien zudem nicht ergebnisoffen geführt worden. Jedenfalls habe die Beklagte ihren Betriebsrat unzulässigerweise bereits zur beabsichtigten Kündigung angehört, bevor das Konsultationsverfahren abgeschlossen gewesen sei. Hinsichtlich der Massenentlassungsanzeige rügt die Klägerin insbesondere, dass in der Berufsgruppe "(...)" in der Regel 96 Personen beschäftigt seien. Davon sollen jedoch nur 70 entlassen werden. Auch Aufhebungsverträge seien Entlassungen im Sinne des § 17 KSchG und daher anzuzeigen.

Den Kündigungsschreiben sei zudem keine Originalvollmacht beigefügt worden. Auch enthalte die Kündigungserklärung keine Originalunterschrift. Die Klägerin geht zudem davon aus, dass die Kündigungserklärung bereits einem Boten übergeben worden sei, bevor die Frist zur Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG abgelaufen sei. Schließlich rügt die Klägerin die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung.

Der Klägerin stehe sowohl nach den Grundsätzen des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts als auch nach § 102 Abs. 5 BetrVG ein Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten unter Einhalt der sozialen Auslauffrist vom 26.09.2020 zum 31.05.2021 sein Ende finden wird;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.12.2020 unter Einhaltung der sozialen Auslauffrist zum 30.06.2021 sein Ende finden wird;

3. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als "(...)" weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Kündigung für wirksam. Aufgrund der unternehmerischen Entscheidung, die dezentralen Stationen zu schließen, sei der Arbeitsplatz der Klägerin in Wegfall geraten. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestünden für die Klägerin nicht, da die Stellen entweder nicht frei, nicht vergleichbar, die Klägerin hierfür nicht geeignet sei, die Stelle bereits vor Beginn des Clearingverfahrens besetzt worden sei oder es sich bei den Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten um Stellen bei Konzernunternehmen handele, die auch bei Geltung der kollektivrechtlichen Regelungen nicht zu berücksichtigen seien. Eine Verpflichtung zur Prüfung konzernweiter Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestehe außerhalb der kollektivrechtlichen Verpflichtungen nicht. Eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses ohne Beschäftigungsmöglichkeit sei der Beklagten nicht zumutbar. Eine Freikündigungspflicht zugunsten der Klägerin bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ebenso wenig wie die Verpflichtung, der Klägerin einen höherwertigen Arbeitsplatz anzubieten. Die Beklagte habe umfassend geprüft, ob anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden. Dies sei ohne Erfolg geblieben. Eine Sozialauswahl sei infolge der Schließung des kompletten Betriebs in Düsseldorf entbehrlich gewesen.

Die Beklagte habe insbesondere auch das Clearingverfahren für die Klägerin gemäß den anwendbaren kollektivrechtlichen Bestimmungen ordnungsgemäß durchgeführt. Die Beklagte habe in mehreren Schreiben die Klägerin zur Aktualisierung ihrer Sozialdaten aufgefordert und auf Basis der übermittelten Informationen die anonymisierte Qualifikationsliste erstellt. Anschließend habe die lokale Vermittlungsstelle die Stelle auf Besetzung mit einem Mitarbeiter im Clearing unter Abgleich des Profils des Mitarbeiters mit dem Anforderungsprofil der Stellenbeschreibung überprüft. Soweit kein Besetzungsvorschlag gemacht werden konnte, sei die Stelle dann für den regulären Bewerbungsprozess freigegeben worden. Das Clearingverfahren sei am 10.09.2020 abgeschlossen worden. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, das Clearing für einen bestimmten Zeitraum, insbesondere nicht für eine Dauer von 36 Monaten durchzuführen. Der Sozialplan treffe keine Regelung zur Dauer des Clearings. Auch die Konzernbetriebsvereinbarung vom 20.11.1992 enthalte keine Regelung zu einer Mindestdauer des Clearings. Eine 36-monatige Dauer des Clearingverfahrens wäre für die Beklagte wirtschaftlich nicht darstellbar und mit Mehrkosten i.H.v. 38 Mio € allein in Ansehung der Schließung der dezentralen Stationen verbunden.

Das Clearingverfahren habe ergeben, dass die Klägerin für keine der Positionen als geeignet eingestuft wurde. Etwaige freie Stellen, für die die Klägerin potentiell geeignet gewesen wäre, hätten daher im Rahmen einer umgekehrten Sozialauswahl vorrangig sozial schutzwürdigeren Mitarbeitern angeboten werden müssen. In Bezug auf etwaige entfristet Stellen in München sei anzumerken, dass die Stellen zum Teil schon vor Beginn des Clearingverfahrens entfristet bzw. verlängert worden seien und die Klägerin zudem für diese Stellen entweder schon nicht geeignet gewesen sei oder aber die Stellen vorrangig anderen, sozial schutzwürdigeren Mitarbeitern hätten angeboten werden müssen. Hinzu komme, dass zwischen dem Betriebsrat des HUBs in München und der Beklagten eine Regelungsabsprache zu Förderstellen dergestalt bestehe, dass bereits am HUB beschäftigte Mitarbeiter bei erfolgreicher Bewerbung auf eine in der Regel höherwertige (teils auch nur besonders begehrte) Position auf dieser zunächst nur im Rahmen einer Befristung einzelner Arbeitsbedingungen von zwei Jahren beschäftigt würden. Die Regelungsabsprache regele weiter, dass bei Bewährung des Mitarbeiters dieser nach Ablauf der zwei Jahre weiter zu beschäftigen sei. Abweichungen hiervon bedürften der Abstimmung mit dem Betriebsrat des HUBs München.

Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt verbindliche Zusagen gegenüber Mitarbeitern getroffen, ein Clearingverfahren für einen bestimmten Mindestzeitraum durchzuführen. Mitarbeiter hätten auch keine Zusage erhalten, trotz Fristversäumung am HUB-Wechsel teilnehmen zu können. Die Beklagte habe überdies ihre Mitarbeiter stets über den aktuellen Planungsstand informiert. Aus den kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergebe sich kein zwingender Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung an einem anderen HUB der Beklagten.

Die Beklagte habe umfassend geprüft, ob und inwieweit Umorganisationsmaßnahmen in Betracht gekommen seien, welche den Erhalt des Arbeitsplatzes betroffener Mitarbeiter erreicht hätte, ohne dass dies für die Klägerin zum Erfolg geführt hätte. Die Beklagte habe somit alle realistisch in Betracht kommenden Umorganisationsmaßnahmen geprüft, um eine Weiterbeschäftigung der Mitarbeiter der dezentralen Stationen zu ermöglichen. Bei der Beklagten bestehe derzeit ein Personalüberhang von rund 8.400 Vollzeitstellen. Bei der gesamten M.-Group belaufe sich der Personalüberhang auf 27.000 Vollzeitstellen. Die Beklagte habe im September/Oktober 2020 die Personalplanung für das Kalenderjahr 2022 finalisiert. Die Prognose sei basierend auf den zu erwartenden Zusteigern berechnet worden. Für die beiden HUBs in Frankfurt und München ergebe sich aufgrund der Prognose für das Kalenderjahr 2022 alleine im engeren operativen Bereich ein Personalüberhang von gut 1.000 Vollzeitstellen. Der globale Passagierverkehr werde das Vorkrisenniveau aller Voraussicht nach nicht vor 2024 erreichen. Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang u.a. auf eine Pressemitteilung der IATA als Dachverband der weltweiten Fluggesellschaften vom 28.07.2020.

Das Antwortschreiben der Bundesagentur für Arbeit zur Frage der Gewährung von Kurzarbeitergeld beziehe sich ausdrücklich auf das Clearing Verfahren nach Ziffer 4 des Sozialplans. Die Bundesagentur für Arbeit habe damit lediglich ausgeführt, dass dann, wenn ein Anspruch des Mitarbeiters auf Weiterbeschäftigung bei der Beklagten im Rahmen des Clearingverfahrens nach Ziffer 4 des Sozialplans bestehe, eine darauf beruhende Weiterbeschäftigung der Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht entgegenstehe.

Es handele sich bei den dezentralen Stationen auch um eigenständige Betriebe im Sinne des Kündigungsschutzgesetz, die jeweils von einem selbst ständigen Leitungsapparat in Form eines Stationsleiters individuell geleitet würden. Der Stationsleiter sei befugt, personelle Einzelmaßnahmen eigenständig durchzuführen. Hilfsweise beruft sich die Beklagte darauf, dass die acht dezentralen Stationen ohne die HUBs in München und Frankfurt als Betrieb im kündigungsrechtlichen Sinne anzusehen seien, mit der Folge, dass weiterhin eine Betriebsschließung anzunehmen wäre.

Der Weiterbeschäftigungsantrag sei bereits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da der Beklagten aufgrund der Betriebsstilllegung eine Weiterbeschäftigung unmöglich sei. Maßgeblicher Bezugspunkt sei der Betrieb und nicht das Unternehmen, sodass es insoweit nicht darauf ankomme, ob eine Weiterbeschäftigung in anderen Betrieben der Beklagten möglich wäre. Aber auch in den anderen Betrieben - etwa an den HUBs - sei eine Weiterbeschäftigung über den Schließungszeitpunkt der dezentralen Stationen hinaus nicht möglich. Dort bestehe im operativen Bodenbereich ein eklatanter Personalüberhang von 1.500 Vollzeitstellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Sowohl die Kündigung vom 26.09.2020 also auch die Kündigung vom 30.12.2020 ist in Ermangelung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

Die 10. Kammer des Arbeitsgerichts hat in einem Urteil vom 15.04.2021 (10 Ca 6308/20) bereits zutreffend ausgeführt:

"1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 27.06.2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 12; BAG 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 15).

2. Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber gezwungen wäre, ein sinnloses Arbeitsverhältnis über viele Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine entsprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Dabei ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen (BAG 27.06.2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 13; BAG 24.09.2015 - 2 AZR 562/14 - Rn. 29; BAG 20.06.2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 13; BAG 22.11.2012 -AZR 673/11 - Rn. 14). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall in besonderem Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzuführen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn sämtliche denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 27.06.2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 13; BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 30). Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers. Dieser hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum "wichtigen Grund" (BAG 27.06.2019 - 2 AZR 50/19 - Rn. 14; BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 31).

3. In Anwendung dieser Grundsätze fehlt es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB.

a) Der Beklagten ist zunächst zuzugeben, dass vieles dafürspricht, dass bei dem vorliegenden Sachverhalt eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG wäre. Die Beklagte hat indes keinerlei hinreichenden Tatsachenvortrag dahingehend gehalten, welche Umstände, die über das normale Prüfprogramm einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung (Wegfall des Arbeitsplatzes, Entbehrlichkeit der Sozialauswahl und das Fehlen freier Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten) hinausgehen, gerade einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bedingen sollen, der dazu führt, dass von einem "sinnentleerten Arbeitsverhältnis" auszugehen ist und die Beklagte verpflichtet wäre, die Klägerin bis zum Renteneintrittsalter zu vergüten, ohne eine nennenswerte Gegenleistung zu erhalten. Würde man aber das normale Prüfprogramm einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung für einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ausreichen lassen, würde der Ausschluss der ordentlichen Kündigung im Ergebnis leerlaufen. Alleine die Prüfung konzernweiter Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten stellt insoweit keine durch die Beklagte durchgeführte überobligationsmäßige Maßnahme dar, da sie zu einer derartigen Prüfung aufgrund kollektivrechtlicher Verpflichtungen auch gegenüber ordentlich kündbaren Arbeitnehmern verpflichtet war.

b) Die Kammer hat zugunsten der Beklagten unterstellt, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei der Beklagten oder konzernverbundenen Unternehmen, bei denen die Beklagte zur Prüfung freier Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten kollektivrechtlich verpflichtet ist, bestehen. Nicht zu folgen vermochte die Kammer indes der Auffassung der Beklagten, dass aufgrund einer sicheren Prognose davon auszugehen sei, dass auch in einer der Beklagten zumutbaren Zeitspanne nicht damit zu rechnen sei, dass derartige freie Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entstehen werden. Selbst wenn diese erst ab 2024 wieder entstehen sollten, wäre der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

aa) Die Beklagte behauptet unter Berufung auf eine Pressemitteilung der IATA als Dachverband der weltweiten Fluggesellschaften vom 28.07.2020, dass der globale Passagierverkehr das Vorkrisenniveau aller Voraussicht nach nicht vor 2024 erreichen werde. Diese Prognose ist durch keinerlei belastbaren Tatsachenvortrag bedingt. Die Kammer verkennt nicht, dass der Eintritt dieser Prognose durchaus möglich ist. Letztlich ist die künftige Entwicklung des Flugverkehrs ebenso wie die künftige Entwicklung der Corona-Pandemie insgesamt aber derzeit völlig offen und von zahlreichen Unbekannten abhängig (z.B. Entwicklung der Inzidenz, Impftempo, Teststrategien, Ausbreitung von Mutationen, Wirksamkeit des Impfstoffes gegen diese Mutationen etc.). Hinzu kommt, dass die Beklagte noch mit Schreiben vom 22.05.2020 durch Frau O. - Head of M. HR Management - hatte mitteilen lassen, dass die Beklagte weiterhin plane, den Mitarbeitern wie angekündigt im Rahmen des Vermittlungsprozesses Arbeitsplatzangebote an den HUBs in Frankfurt und München zu unterbreiten. Gut drei Wochen später teilt sie sodann mit Schreiben vom 16.06.2020 mit, dass aufgrund aller bisher bekannten Prognosen (Unterstreichung durch das Gericht) in den kommenden Jahren keine Aussicht auf freie Stellen an den HUBs bestünden. Der Kammer ist gänzlich unverständlich, was sich in diesen gut drei Wochen bei der Beklagten verändert haben soll. Geht man Ende Mai noch davon aus sämtlichen Mitarbeitern der dezentralen Stationen Arbeitsplätze in Frankfurt und München anbieten zu können, soll dies gut drei Wochen später nicht nur kurzfristig in der aktuellen Situation nicht möglich sein, sondern auf Jahre hinaus. Die Beklagte legt in keiner Weise dar, aufgrund welcher konkreten Tatsachen, die sich in diesen gut drei Wochen ergeben haben müssten, sie zu dieser Prognose kommt. Ein wichtiger Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses läge nur dann vor, wenn nicht nur unsicher ist, ob in absehbarer Zeit freie Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entstehen, sondern wenn dies aufgrund einer auf konkreten Tatsachen basierenden Prognose mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht.

bb) Alleine die Tatsache, dass auch nach Ausspruch der Corona-Pandemie und dem vollständigen Einbruch des Flugverkehrs im März 2020 noch zahlreiche Stellen im Konzern der Beklagten ausgeschrieben waren (die mit der Klageschrift eingereichten Stellenausschreibungen sind am 18.09.2020 abgerufen worden und sehen überwiegend eine Besetzung ab sofort vor) - wenn auch die Klägerin nach dem Vorbringen der Beklagten für diese konkreten Arbeitsplätze nicht geeignet gewesen sein soll - zeigt, dass aufgrund der Größe des Konzerns trotz der Corona-Krise immer wieder - wenn möglicherweise auch nur vereinzelt - freie Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entstehen. Die Beklagte macht es sich insoweit zu einfach, wenn sie meint, dass es für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung nur darauf ankomme, ob zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung freie Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestanden. Denn dies bezieht sich auf das Prüfprogramm einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung. So hätte die Beklagte darüber hinaus auch weit vor Ausspruch der Kündigung freie Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in Betracht ziehen müssen. Schließlich ist der Beklagten der Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin bereits seit dem Jahr 2015 bekannt. Dies gilt insbesondere auch für die in Bezug auf die unstreitig am HUB in München verlängerten Stellen - jedenfalls soweit es sich um solche als Professional Service 1 handelt. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass es sich um Stellen handele, bei denen aufgrund einer Regelungsabrede mit dem Betriebsrat bei Bewährung des Mitarbeiters dieser nach Ablauf der zwei Jahre weiter zu beschäftigen sei und Abweichungen hiervon der Abstimmung mit dem Betriebsrat des HUBs München bedürfe, hat die Beklagte nicht dargelegt, dass sie versucht hätte, mit dem Betriebsrat in München eine derartige Abweichung zu vereinbaren um die Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern zu ermöglichen, die von der Schließung der dezentralen Stationen betroffen waren.

cc) Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin werden die Tätigkeiten an den dezentralen Stationen von der B., einer 100%igen Tochtergesellschaft der Beklagten, fortgeführt. Die Möglichkeit, die Klägerin an dieses Unternehmen vorübergehend auszuleihen, bis sich eine endgültige Beschäftigungsmöglichkeit findet, hat sie offenbar überhaupt nicht geprüft. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass ein Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich nur unternehmensbezogen nach freien Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu suchen hat. Eine Ausleihe an ein verbundenes Konzernunternehmen ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist, bei der dem Arbeitgeber eben noch höhere Anstrengungen abverlangt werden, vom Arbeitgeber durchaus in Betracht zu ziehen (vgl. BAG 10.05.2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 35 a. E.).

dd) Selbst, wenn man davon ausginge, dass der Flugverkehr erst im Jahre 2024 das Vorkrisenniveau erreichen würde (legt man in etwa die Mitte des Jahres zugrunde, wären dies drei Jahre nach dem streitgegenständlichen Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses) und erst ab diesem Zeitpunkt wieder konzernweite Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entstehen würden, wäre der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

(1) Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.05.2007 (2 AZR 626/05 - Rn. 35) ausgeführt, dass ein wichtiger Grund an sich zur betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist nicht bereits dann anzunehmen sei, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für eine derartige, verhältnismäßig kurze Übergangszeit von höchstens 36 Monaten weiterbezahlen müsste, ohne dass sich in dieser Zeit konzernweit für ihn Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben würden. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass selbst im Falle des Erreichens des Vorkrisenniveaus keine freien Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten entstehen würden, weil der Personalbedarf weitaus geringer sei, als vor Ausbruch der Krise, bleibt der Vortrag der Beklagten unsubstantiiert. So legt die Beklagte nicht dar, welche konkreten Arbeitsplätze aufgrund welcher konkreten unternehmerischen Entscheidung in Wegfall geraten sollen, wenn doch im Falle des Erreichens des Vorkrisenniveaus mathematisch grundsätzlich davon auszugehen ist, dass dann auch wieder der gleiche Arbeitsanfall besteht, wie vor Ausbruch der Krise. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass aufgrund der Vielzahl der Beschäftigten im Konzern etliche Mitarbeiter in den nächsten drei Jahren das Renteneintrittsalter erreichen werden und somit Arbeitsplätze freimachen.

(2) In die gleiche Richtung zeigt ein Vergleich zur außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist wegen häufiger Kurzerkrankungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit Blick auf die Entgeltfortzahlungskosten erst dann als unzumutbar angesehen wird, wenn der Arbeitgeber an mehr als einem Drittel der Arbeitstage zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist (BAG 25.04.2018 - 2 AZR 6/18). Die wirtschaftliche Belastung beträgt hier also nach drei Jahren schon mehr als ein Jahresgehalt.

(3) Die die wirtschaftlichen Belastungen der Beklagten im Falle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sind darüber hinaus auch weit geringer als von ihr behauptet. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im Falle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die Klägerin bereits aufgrund der derzeit geltenden Rechtslage bis zum 31.12.2021 in Kurzarbeit hätte "geschickt" werden können, ungeachtet der Frage, ob diese Möglichkeit von der Bundesregierung bei andauernder Pandemie nochmals verlängert wird. Die Beklagte hätte die Klägerin auch in der Zeit vom Ausspruch der Kündigung bis zum Beendigungszeitpunkt in Kurzarbeit "schicken" können, was nur aufgrund der ausgesprochenen Kündigung nicht mehr möglich war. Hierdurch hätte die Beklagte insgesamt mehr als ein Jahresgehalt gespart. Dass dies in rechtlicher Hinsicht nicht möglich gewesen sein soll, ergibt sich jedenfalls nicht aus dem Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 27.05.2020. Im Gegenteil: Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass die Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld weiterhin gegeben sind, da sich die Beklagte bereits vor Eintritt der Kurzarbeit vertraglich gebunden hat, die Arbeitnehmer - soweit wie möglich konzernweit weiter zu beschäftigen. Die Ausführungen der Beklagten hierzu sind widersprüchlich. Kann dem Arbeitnehmer im Rahmen des Clearings eine tatsächliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit angeboten werden, kommt es auf die Gewährung von Kurzarbeitergeld nicht mehr an. Denn wer tatsächlich arbeitet hat keinen Anspruch auf Gewährung von Kurzarbeitergeld. Dieser Fall kann daher erkennbar nicht gemeint sein. Im Rahmen der Korrespondenz mit der Bundesagentur für Arbeit kann mithin nur der Fall gemeint sein, dass der Arbeitnehmer auf einen Arbeitsplatz versetzt wird, der grundsätzlich vorhanden ist, zurzeit aufgrund der Corona Pandemie aber auch von der Kurzarbeit erfasst ist. Auch kann es keinen Unterschied machen, ob es sich hierbei um Stellen an den HUBs in Frankfurt und München handelt oder um sonstige Stellen die im Rahmen des Clearingverfahrens konzernweit anzubieten wären. Jedenfalls ist die Antwort der Bundesagentur für Arbeit aber nicht derart eindeutig im Sinne des Verständnisses der Beklagten zu verstehen, als dass es der Beklagten nicht zumutbar gewesen wäre, bei der Bundesagentur für Arbeit nochmals nachzufragen, ob es zum Erhalt der Arbeitsplätze möglich wäre, Arbeitnehmer, die formal nach Frankfurt oder München versetzt werden oder auf andere konzernweite Stellen versetzt werden, dort zunächst weiterhin in Kurzarbeit zu belassen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Falle der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sich die Zahlung der nicht unerheblichen Sozialplanabfindung erspart hätte. Da die ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer alle mindestens 15 Jahre beschäftigt sind und sich die Abfindung aus dem Sozialplan mindestens nach dem Faktor 1,0 berechnet und auf maximal 12 bzw. je nach Alter auf 13,4 Bruttomonatsvergütungen gedeckelt ist, beträgt die Sozialplanabfindung für jeden ordentlich unkündbaren Mitarbeiter im Minimum ein Bruttojahresgehalt. Bei der Darlegung ihrer wirtschaftlichen Belastungen verkennt die Beklagte zudem, dass sie zu einem gesteigerten Prüfprogramm freier Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nur bei den ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern verpflichtet ist, nicht hingegen bei den ordentlich kündbaren. Angesichts der Anzahl der von den Schließungen der dezentralen Stationen betroffenen Arbeitnehmer (und hierbei geht es nur um die ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer) im Verhältnis zur Gesamtbeschäftigtenanzahl im Konzern der M. erscheinen die wirtschaftlichen Belastungen der Beklagten der Kammer im Ergebnis damit nicht unzumutbar."

Diese zutreffende Begründung gilt auch hier und führt zu der Unwirksamkeit beider Kündigungen.

II.

Auch der Antrag auf Weiterbeschäftigung ist zulässig und begründet.

1. Zunächst bestehen keine Bedenken an der Zulässigkeit, insbesondere an der Bestimmtheit des Antrags und der Berufsbezeichnung. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist im Kammertermin erörtert worden. Es ist zwischen den Parteien nicht streitig, was unter der angegebenen Bezeichnung zu verstehen ist, es handelt sich zudem um eine aus einem Tarifvertrag stammende Bezeichnung.

2. Der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin ist auch begründet.

a) Obsiegt der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess in erster Instanz, so überwiegt sein Beschäftigungsinteresse in der Regel gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers, ihn nicht zu beschäftigen (vgl. BAG GS vom 27.02.1985 - GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 Beschäftigungspflicht; vgl. auch LAG Düsseldorf vom 15.03.2007 - 11 Sa 1273/06, juris). Hier hat der Kläger mit dem Kündigungsschutzverfahren obsiegt. Überwiegende Interessen der Beklagten bestehen nicht.

b) Der Anspruch zudem auch aus § 102 Abs. 5 BetrVG. Der Betriebsrat hat der Kündigung widersprochen. Die Beklagte hat nicht bestritten, dass ein ordnungsgemäßer Widerspruch vorliegt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO. Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt. Er gilt zugleich als Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im Sinne des § 63 Abs. 2 GKG.

E.

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