Bayerischer VGH, Beschluss vom 14.05.2021 - 10 CS 21.1385
Fundstelle
openJur 2021, 19775
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerden werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragstellerin verpflichtet wird, über die zur Bewerbung der Versammlung genutzten Kommunikationswege, insbesondere die sozialen Medien, unverzüglich auf die Maßgaben des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses (nur ortsfeste Versammlung auf dem V* ...platz, Teilnehmerbegrenzung auf 3.500, Geltung des Ordner- und Hygienekonzepts, Beschränkung der Kundgabemittel) hinzuweisen bzw. hinweisen zu lassen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegnerin und der Vertreter des öffentlichen Interesses je zur Hälfte.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I. 

Mit ihren Beschwerden begehren die Antragsgegnerin und der Vertreter des öffentlichen Interesses die Abänderung eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts, soweit damit die aufschiebende Wirkung der (noch zu erhebenden) Klage der Antragstellerin gegen ein Versammlungsverbot durch Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2021 angeordnet wurde.

Am 24. März 2021 zeigte die Antragstellerin für den 16. Mai 2021 eine Demonstration mit einer Teilnehmerzahl von 3.500 Personen in N* ... an. Nachfolgend wurde der geplante Tag der Versammlung auf den 15. Mai 2021 abgeändert. Von 14:30 Uhr bis 18:00 Uhr solle auf der W* ... W* ... eine stationäre Kundgebung stattfinden, an die sich ein Aufzug (W* ... W* ..., B* ...straße, S* ... Straße, R* ...platz, L* ...graben, B* ...platz - W* ... W* ...*) anschließen solle.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2021 hat die Antragsgegnerin die Versammlung verboten. Nach Einschätzungen der Polizei werde im gesamten süddeutschen Raum für die Veranstaltung mobilisiert. Die Versammlung sei in einen bundesweiten Aktionstag der Querdenken-Bewegung eingebunden, wobei in Süddeutschland - soweit ersichtlich - keine weiteren größeren Versammlungen geplant seien. Deshalb und angesichts der angekündigten Redner sei von mehr als den von der Antragstellerin erwarteten maximal 3.500 Teilnehmer auszugehen. Angesichts der zu erwartenden Teilnehmerzahl und den Erfahrungen mit Versammlungen der Querdenken-Bewegung, etwa in Kassel oder München, sei davon auszugehen, dass die Versammlung infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar sei. Auch die bisherigen Erfahrungen mit der Antragstellerin als Versammlungsleiterin böten keine Gewähr für die Einhaltung von Masken- und Abstandsvorgaben. Eine Versammlung mit 2.800 Teilnahmen im Oktober 2020 liege zu lange zurück, um als Maßstab zu dienen, da sich seitdem der Widerstand gegen die staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen erheblich verstärkt habe. Die geordnet verlaufenen Versammlungen der Antragstellerin in jüngerer Vergangenheit hätten eine deutlich geringere Teilnehmerzahl (300 bzw. 900) aufgewiesen.

Am 12. Mai 2021 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht (sinngemäß), die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen Ziffer I. des Bescheids vom 12. Mai 2021 mit der gerichtlichen Maßgabe anzuordnen, dass eine stationäre Versammlung am 15. Mai 2021 auf der W* ... W* ... oder auf dem V* ...platz gestattet wird, und die Antragsgegnerin zu verpflichten, für den nichtstationären Teil der Versammlung eine Ausnahme nach Ziffer II. der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 7. Mai 2021 für 1.000 Teilnehmer in je fünf Blöcken zu 200 Teilnehmer zu erteilen. Die Annahme der Antragsgegnerin, dass mehrere tausend Teilnehmer zu erwarten seien, sei nicht nachvollziehbar und beruhe auf Spekulationen. Bereits in der Vergangenheit seien vergleichbare Prognosen zu Versammlungen der Antragstellerin nicht eingetreten. So seien zu einer Versammlung am 27. März 2021 statt der von der Antragsgegnerin befürchteten 5.000 lediglich 550 Teilnehmer gekommen. Darüber hinaus habe sich die Antragstellerin bei früheren Versammlungen als zuverlässig erwiesen, sodass die Versammlungen stets geordnet und ruhig verlaufen seien.

Mit Beschluss vom 14. Mai 2021 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der (noch zu erhebenden Klage) hinsichtlich des Versammlungsverbots unter gerichtlichen Maßgaben (ortsfeste Durchführung auf dem V* ...platz, Teilnehmerbeschränkung auf 3.500, Einhaltung des Hygienekonzepts der Antragstellerin, Einsatz einer ausreichenden Zahl von Ordnern, Beschränkung der Kundgabemittel) angeordnet und den Antrag im Übrigen abgelehnt.

Gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung richten sich die Antragsgegnerin und der Vertreter des öffentlichen Interesses mit ihren Beschwerden.

Die Antragsgegnerin führt zur Begründung aus, es sei widersprüchlich, wenn das Verwaltungsgericht einerseits annehme, dass zu der Versammlung mehr als 3.500 Menschen anreisen könnten, andererseits eine Begrenzung auf 3.500 Teilnehmer für ein milderes Mittel halte. Gerade der dann nicht kontrollierbare Zustrom und zu erwartende zahlreiche Eil- und Spontanversammlungen im Umfeld ließen (auch von der Polizei) schwer bis nicht mehr handhabbare Situationen erwarten. So seien beispielweise in Kassel die eigentlichen Probleme von im Umfeld der zulässigen Versammlung entstandenen Menschenmengen ausgegangen. Entsprechendes sei auch bei den verbotenen Versammlungen in Stein und Fürth am 17. Januar 2021 zu beobachten gewesen. Dort sei es auch zu zahlreichen Verstößen gegen versammlungs- und infektionsschutzrechtliche Bestimmungen gekommen.

Im Beschwerdeverfahren beantragt die Antragsgegnerin (sinngemäß):

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Mai 2021 wird, soweit dort in Ziffer 1. die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen das Verbot der Versammlung am 15. Mai 2021 mit Bescheid vom 12. Mai 2021 unter den aufgeführten Beschränkungen angeordnet wurde, aufgehoben und der Antrag auch insofern abgelehnt.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses beantragt ebenfalls (sinngemäß):

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Mai 2021 wird insoweit abgeändert, als die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. Mai 2021 unter den im Tenor unter Ziffer 1 ausgeführten Maßgaben angeordnet wurde, und der Antrag insgesamt abgelehnt.

Seine Beschwerdebegründung entspricht weitestgehend der der Antragsgegnerin. Es sei zu erwarten, dass die Versammlung im Wesentlichen das gleiche Publikum anziehen werde, wie die Versammlung in Stuttgart. Daher sei von einer Überschreitung der geplanten Teilnehmerzahl in erheblichem Maße und daher von deutlich mehr als 3.500 Personen auszugehen.

Die Antragstellerin tritt den Beschwerden entgegen.

Ergänzend wird auf die Behördenakten und die in den gerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. 

Die zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und des Vertreters des öffentlichen Interesses (vgl. dazu Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 36 Rn. 2) sind unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die von den Beschwerdeführern begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zu treffende Abwägungsentscheidung führt nicht zu dem Ergebnis, dass das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin in weitergehendem Umfang hätte ablehnen müssen. Vielmehr wird sich nach nicht zu beanstandender Bewertung des Erstgerichts die noch zu erhebende Anfechtungsklage gegen den streitbefangenen Bescheid im Hauptsacheverfahren voraussichtlich im Hinblick auf das Versammlungsverbot als begründet erweisen.

1. Versammlungsverbote dürfen als tiefgreifendste Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG auch in Ansehung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für das demokratische und freiheitliche Gemeinwesen allerdings nur verfügt werden, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und der hierdurch bewirkte Grundrechtseingriff insgesamt nicht außer Verhältnis steht zu den jeweils zu bekämpfenden Gefahren und dem Beitrag, den ein Verbot zur Gefahrenabwehr beizutragen vermag (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 30.8.2020 - 1 BvQ 94/20 - juris Rn. 16; vgl. auch BayVGH, B.v. 29.4.2010 - 10 CS 10.1040 - juris Rn. 12 m.w.N.). Ein Versammlungsverbot scheidet nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit demnach aus, solange mildere Mittel und Methoden der Rechtsgüterkonfliktbewältigung wie versammlungsrechtliche Beschränkungen und der verstärkte Einsatz polizeilicher Kontrollen nicht ausgeschöpft oder mit tragfähiger Begründung ausgeschieden sind (BayVGH a.a.O. unter Verweis auf BVerfG, B.v. 4.9.2009 - 1 BvR 2147/09 - juris Rn. 17 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit dürfen beim Erlass von versammlungsrechtlichen Beschränkungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose gestellt werden. Sie ist auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu stützen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben (vgl. BVerfG, B. v. 6.6.2007 - 1 BvR 1423/07 - juris Rn. 17). Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (vgl. BVerfG, B. v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 6.6.2015 - 10 CS 15.1210 - juris Rn. 22; U.v. 10.7.2018 - 10 B 17.1996 - juris Rn. 26; BVerwG, B.v. 24.8.2020 - 6 B 18.20 - juris Rn. 6). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Beschränkung liegt grundsätzlich bei der Behörde (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 19 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.12.2017 - 10 C 17.2156 - juris Rn. 16 m.w.N.). Für diese Gefahrenprognose können durchaus Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (stRspr des BVerfG, vgl. zuletzt B.v. 22.11.2020 - 1 BvQ 135/20 - juris Rn. 11; vgl. auch BVerwG a.a.O. Rn. 6). Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes berücksichtigt das Gericht, ob die für die Beurteilung der Gefahrenlage herangezogenen Tatsachen unter Berücksichtigung des Schutzgehalts des Art. 8 GG in nachvollziehbarer Weise auf eine unmittelbare Gefahr hindeuten; gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde oder den Gerichten zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, so haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen (vgl. BVerfG, B.v. 4.9.2009 - 1 BvR 2147/09 - juris Rn. 9 m.w.N.). Speziell für die infektionsschutzrechtliche Gefahrenprognose verlangt § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 12. BayIfSMV, dass die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren insgesamt auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt bleiben. Dabei verlangt infektionsschutzrechtliche "Vertretbarkeit" gerade keine völlige Risikofreiheit im Sinne einer absoluten infektionsschutzrechtlichen "Unbedenklichkeit". Vielmehr muss die Behörde bei ihrer Prüfung eigene Überlegungen zur Minimierung von Infektionsrisiken anstellen und vor dem Erlass einer Beschränkung der Versammlungsfreiheit sich zunächst um eine kooperative, einvernehmliche Lösung mit dem Versammlungsveranstalter bemühen (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.2020 - 1 BvQ 37/20 - juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 30.4.2020 - 10 CS 20.999 - juris Rn. 24).

2. Ausgehend davon erweist sich die angefochtene Verbotsverfügung der Antragsgegnerin im noch streitbefangenen Umfang auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Antragsgegnerin und des Vertreters des öffentlichen Interesses voraussichtlich als rechtswidrig und mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG unvereinbar.

Insofern verweist der Senat zunächst auf die zutreffende Begründung des Verwaltungsgerichts (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, das Versammlungsverbot erweise sich als voraussichtlich unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, da die Antragsgegnerin nicht dargelegt habe, dass die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit der stationären Versammlung durch Beschränkungen als mildere Mittel nicht sichergestellt werden könne. Insbesondere sei nicht dargelegt, warum die Beschränkung der Teilnehmerzahl und die Beschränkung auf eine ortsfeste Durchführung nicht ausreichen, um die Einhaltung der notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen, insbesondere Masken- und Abstandspflicht, zu gewährleisten. Die Antragsgegnerin selbst bescheinige der Antragstellerin, dass deren Versammlungen zuletzt von ihr gut geleitet gewesen seien und die Antragstellerin sich sehr kooperativ gezeigt habe. Auch die Personen, die zuletzt an den von der Antragstellerin durchgeführten Versammlungen im Gebiet der Antragstellerin teilgenommen haben, hätten sich überwiegend an die Masken- und Abstandspflicht gehalten.

Die Beschwerdevorbringen rechtfertigen letztlich keine andere Beurteilung.

Soweit die Antragsgegnerin und der Vertreter des öffentlichen Interesses übereinstimmend rügen, das Verwaltungsgericht widerspreche sich selbst, wenn es einerseits davon ausgehe, dass mehr als 3.500 Teilnehmer zu der streitgegenständlichen Entscheidung anreisen würden und andererseits eine Teilnehmerbeschränkung auf 3.500 Teilenehmer als milderes Mittel ansehe, zieht dies die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Frage. Das Verwaltungsgericht ist erkennbar davon ausgegangen, dass mehr als 3.500 Personen kommen könnten. Es hat aber auf der Grundlage der von der Antragsgegnerin vorgetragen Umstände angenommen, dass dem mittels einer Teilnehmerbegrenzung wirksam entgegengewirkt werden könne. Davon, dass das Verwaltungsgericht eine "erkannt unwirksame" Maßnahme als geeignete, mildere Beschränkung angesehen hätte, kann demnach nicht die Rede sein.

Darüber hinaus zeigen die Beschwerden auch nicht auf, dass die dem Verbot zu Grunde liegenden polizeilichen Gefahrenprognosen vom 11. Mai 2021 (PP Mittelfranken, Sachgebiet E3) und vom 14. Mai 2021 (PP Mittelfranken, Sachgebiet E2) entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ein vollständiges Versammlungsverbot rechtfertigen würden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es bei Durchführung der Versammlung unter entsprechenden Auflagen zu infektionsschutzrechtlich unvertretbaren Zuständen kommen wird, haben weder die Antragstellerin selbst noch die Polizeibehörden substantiiert aufgezeigt.

Bereits die Prognose, dass zu der Versammlung deutlich mehr oder in erheblichem Maße mehr als die von der Antragstellerin erwarteten rund 3.500 Teilnehmer kommen werden, stützt sich nicht auf konkrete Anhaltspunkte oder Erfahrungen aus der Vergangenheit, sondern letztlich auf bloße Mutmaßungen. Insofern geht die Gefahrenprognose vom 11. Mai 2021 schon im Ansatz unzutreffend davon aus, dass eine Versammlung mit "mehr als 3500 Teilnehmern" angezeigt worden sei. Die weitere Gefahrenprognose stützt sich auf Vorkommnisse bei Versammlungen in Kempten, Rosenheim, Schweinfurt und München, ohne auch nur im Ansatz darzulegen, inwiefern diese Versammlungen hinsichtlich der konkreten Umstände, insbesondere der konkreten Versammlungsleitung, mit der streitgegenständlichen Versammlung vergleichbar wären. Auch der Verweis der Polizei in der Gefahrenprognose vom 14. Mai 2021 auf die Absage einer Versammlung in Stuttgart am 15. Mai 2021 und die Mobilisierungswirkung der geplanten Redner rechtfertigt nicht ohne weitere konkrete Anhaltspunkte (etwa Hinweise auf eine "Umleitung" der Teilnehmer nach N* ...*) den Schluss auf eine - vom Vertreter des öffentlichen Interesses befürchtete - "erhebliche" Überschreitung der von der Antragstellerin avisierten Teilnehmerzahl, zumal die Teilnehmerzahlen in N* ... zuletzt rückläufig waren. Auch die Gefahrenprognose vom 14. Mai 2021 enthält - wie die Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin und der Vertreterin des öffentlichen Interesses - im Wesentlichen eher pauschale Verweise auf die Versammlungen in Kassel, Stuttgart, Fürth und Stein, ohne anhand tatsächlicher Anhaltspunkte konkret aufzuzeigen, dass diese Versammlungen mit der vorliegenden hinsichtlich des Gefährdungspotentials vergleichbar wären. Eine nicht näher konkretisierte "Bezugnahme auf 4. OSINT (Open Source Intelligence)-Recherche vom 13.05.2021" des Polizeipräsidiums Mittelfranken ohne Angabe der dabei aktualisiert verwerteten Quellen und Inhalte sowie der daraus (analytisch) gewonnenen Erkenntnisse und behauptete "signifikante Hinweise auf eine breite Mobilisierung aus der deutschlandweiten Querdenkerszene" genügen insbesondere vor dem Hintergrund der von Antragstellerinnenseite in der Begründung des Eilantrags dazu ausführlich vorgetragenen Gegenindizien nicht, die von der Versammlungsbehörde angestellte Gefahrenprognose eines polizeilich nicht mehr beherrschbaren sehr großen Teilnehmerkreises hinreichend nachvollziehbar zu machen.

Bei dieser Bewertung ist maßgeblich mit zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin erstinstanzlich substantiiert und konkret (z.B. unter Angabe der Flyeraufrufe im Internet) dargelegt hat, dass beispielsweise eine vergleichbar hohe Prognose zur Teilnehmerzahl einer von ihr durchgeführten Versammlung am 27. März 2021 nicht eingetroffen war, weil statt der von den Behörden erwarteten 5.000 Teilnehmern - trotz der Absage einer Versammlung in Chemnitz - lediglich rund 550 erschienen seien. Im Übrigen hätte es angesichts der von der Antragsgegnerin eingeräumten Zuverlässigkeit der Antragstellerin (dazu sogleich) aus Gründen der versammlungsfreundlichen Kooperation nahegelegen, diese bereits im Rahmen der Kooperation zu bitten, bei der Bewerbung der Versammlung auf eine entsprechende Teilnehmerbegrenzung hinzuweisen und auf diese Weise auf die Einhaltung der Teilnehmerzahl hinzuwirken. Dies hat der Senat (aus Zeitgründen, vgl. Art. 15 Abs. 3 BayVersG) nun mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe nachgeholt.

Haben Versammlungsbehörde und Polizei demnach keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass mit einer erheblichen Überschreitung der geplanten Teilnehmerzahl von 3.500 zu rechnen ist, ist auch nicht erkennbar, dass es bei Durchführung einer stationären Versammlung dieser Größenordnung unter Leitung der Antragstellerin und bei Beachtung des von dieser vorgelegten Ordner- und Hygienekonzepts zu infektionsschutzrechtlich unvertretbaren Zuständen kommen wird, die durch versammlungsbehördliche und polizeiliche Maßnahmen nicht verhindert werden können. Die Antragsgegnerin räumt selbst ein, dass die bisherigen Versammlungen der Antragstellerin "ordentlich abgelaufen" bzw. "ordentlich und gut geleitet durchgeführt worden sind" und die Antragstellerin eine große Kooperationsbereitschaft zeige. Angesicht der dargestellten Verteilung der Beweis- und Darlegungslast genügt der bloße Verweis auf die deutlich geringere Größe der jüngsten Versammlungen der Antragstellerin nicht für die Darlegung einer unmittelbaren, konkreten Gefahr im dargelegten Sinn. Warum das Ordner- und Hygienekonzept der Antragstellerin, das nach Angaben der Antragsgegnerin auf 3.500 Teilnehmer ausgelegt ist, grundsätzlich nicht geeignet sein sollte, die Einhaltung von Beschränkungen zu gewährleisten, zeigen weder die Antragsgegnerin noch der Vertreter des öffentlichen Interesses auf. Die Antragstellerin hat offenbar auch im Oktober 2020 eine ähnlich große Versammlung geleitet, zu der die Antragsgegnerin keine nennenswerten Verstöße vorgetragen hat. Auch hier war es erstinstanzlich die Antragstellerin, die auf die eher allgemeinen und pauschalen Angaben der Antragsgegnerin zu Auflagenverstößen substantiiert und konkret zu dieser und einer ganzen Reihe von ihr in N* ... geleiteten Versammlungen dargelegt hat, dass und warum sie gemeinsam mit der Polizei in der Lage war, auf ihren Versammlungen insgesamt infektionsschutzrechtlich vertretbare Zustände zu gewährleisten. Auch mit diesen gegen das Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr sprechenden Indizien haben sich weder die Antragsgegnerin noch der Vertreter des öffentlichen Interesses im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung hinreichend auseinandergesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Da die Entscheidung die Hauptsache im Wesentlichen vorwegnimmt, sieht der Senat keinen Anlass, den Streitwert gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu mindern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).