VG Schwerin, Urteil vom 22.04.2021 - 2 A 100/17 SN
Fundstelle
openJur 2021, 19253
  • Rkr:

Zum Genehmigungserfordernis und zu Genehmigungsvoraussetzungen eines Kahlhiebs nach dem Landeswaldgesetz Mecklenburg-Vorpommern

Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erteilung der waldrechtlichen Genehmigung eines Kahlschlags.

Er beantragte unter dem 25. Juli 2016 beim Forstamt G. die Genehmigung eines Kahlhiebs für zwei Teilflächen des ca. 60.000 m2 großen Flurstücks .../2 Flur 1 Gemarkung B. Gemeinde C., Forstabteilung 1023 a3. Die Teilflächen sollten mit Kiefern (12.000 Stück pro Hektar) neu bestockt werden. Die gesamte Waldfläche solle in einen in zehn Jahren wertschöpfenden Wirtschaftswald umgebaut werden. Es sei ein Abtrieb von nicht produktiver Bestockung gegeben, der aus einem Unterbestand resultiere. Der Stand der Baumarten sei nicht optimal standortgerecht. Es seien ca. 40% Linde, 35% Rotbuche, 5% Esskastanie, 10% Weißbuche, 5% Robinie und 5% Roteiche vorhanden, dabei wenig gute Qualitäten in Bezug auf die Schaftformen, es bestehe eine nur geringe Erfolgsaussicht in kommerzieller Hinsicht. Die beiden - zur Genehmigung gestellten - Teilflächen seien jeweils nicht größer als zwei Hektar, hätten einen Abstand von ca. 100 m zueinander und seien jeweils 10 m von bereits realisierten Endnutzungen entfernt.

Das Forstamt lehnte für den Beklagten den Antrag mit Bescheid vom 27. Juli 2016 ab. Bei Ausführung der beantragten und der bereits in der unmittelbaren Nachbarschaft realisierten Kahlhiebe komme es zu einer wesentlichen Überschreitung der Flächengröße von 2 ha, da angrenzende Kahlflächen und noch nicht gesicherte Verjüngungen des gleichen Forstbetriebes mit einzurechnen seien. Nach gängiger Verwaltungspraxis bedeute "angrenzend" i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 2 des Landeswaldgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (LWaldG M-V) sowohl die unmittelbare Nachbarschaft, aber auch alle Flächen, die in einem Abstand bis zu einer doppelten Baumlänge - hier 60 m - zur Kahlfläche lägen. Ein Abstand von 10 m zwischen den Kahlhieben unterbreche nicht den Zusammenhang zwischen diesen. Das Vorhaben widerspreche dem Gesetzeszweck, ein walduntypisches Offenlandklima zu vermeiden. Es sei zu erwarten, dass nach § 13 Abs. 4 LWaldG M-V erhebliche Nachteile für den Waldschutz, die Waldbewirtschaftung, oder die Tier- und Pflanzenwelt zu befürchten seien. Im Rahmen einer Abwägung zwischen den Forderungen des Landeswaldgesetzes zum Schutz, zur Erhaltung und zur Mehrung des Waldes und den betriebswirtschaftlichen Interessen des Klägers werde der Antrag abgelehnt.

Der Kläger widersprach am 1. August 2016. Die Antragstellung sei vorsorglich erfolgt, der Kahlhieb nicht genehmigungspflichtig. "Angrenzende" Kahlflächen und noch nicht gesicherte Verjüngungsflächen seien nur solche, die - anders als hier - eine unmittelbare Grenze zur beantragten Kahlhiebsfläche hätten. Ein über den tatsächlichen Bedeutungsgehalt des Wortes "angrenzend" hinausgehender Anwendungsbereich verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Die - ihm nicht bekannte und bestrittene - Verwaltungspraxis könne nur über eine Ermessensregelung auf Rechtsfolgenseite oder einen unbestimmten Rechtsbegriff auf Tatsachenebene zur Anwendung gelangen. Beides liege nicht vor, es handele sich um ein Verwaltungsinternum, das weder Anspruchsgrundlage noch Ermächtigungsgrundlage sein könne. Seine Flächen seien nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützt.

Mit am 13. Dezember 2016 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Vertiefend führt er aus, nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung seien auch mittelbar angrenzende Flächen erfasst. Denn auch für zwischen den einzelnen Kahlflächen liegende Waldbestände gehe ein Teil der Waldfunktionen verloren, so dass ein Offenlandcharakter auf der Gesamtfläche der kumulierenden Kahlhiebe entstehen könne, wenn sich die Randwirkungen in den unmittelbar angrenzenden bestockten Flächen überschnitten. Aufgrund der durch den Kahlhieb entstehenden Freifläche komme es zu einer erhöhten, walduntypischen Sonneneinstrahlung in den angrenzenden Waldbeständen, mehrere Meter in die benachbarten Bestände hinein. Dies führe im Ergebnis zu einem Nährstoffverlust, einer Aushagerung in Folge einer erhöhten Temperatur, geringere Boden- und Luftfeuchtigkeit und einer höheren Evaporation, was zu einer schnelleren Humusumsetzung in der Bodenstreu und somit zu einer Nährstoffdegradierung des Oberbodens sowie Auswaschung in das Grundwasser führe und durch die erhöhten Niederschlagsmengen, die den Waldboden direkt erreichten, verstärkt werde. Durch diese Zerstörung des waldtypischen Innenklimas gehe Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten längerfristig verloren. Vorliegend sei dies besonders gravierend, da es sich bei der Bestockung um eine relativ lichtundurchlässige Laubholzbestockung handele. Weiterhin werde durch Auflösung des Bestandsschlusses die windberuhigende Wirkung und somit ein Teil der Schutzfunktion des Waldes unterbrochen. Auch weise der Bereich des Baumbestandes, der unmittelbar an die kahlen, offenen Flächen angrenze, noch kein typisches Waldinnenklima auf, dieses stelle sich erst mit zunehmendem Abstand ein. Daraus folge, dass zur Unterbrechung des Offenlandcharakters zwischen den Kahlflächen intakter Wald erforderlich sei. Zur Verwaltungsvereinfachung und Vereinheitlichung sei die geübte Verwaltungspraxis etabliert worden, einen Streifen von einer doppelten Baumlänge zwischen den offenen, kahlen Bereichen zu fordern.

Die damit erforderliche Genehmigung sei nach § 13 Abs. 4 Nr. 3 LWaldG M-V zu versagen, weil erhebliche Nachteile für den Waldschutz, die Waldbewirtschaftung oder die Tier- und Pflanzenwelt zu befürchten seien. Das charakteristische Innenklima des vorhandenen Laubmischwaldes, an das sich eine Vielzahl waldtypischer Tier- und Pflanzenarten angepasst habe, würde durch den beantragten Kahlhieb innerhalb kürzester Zeit auf großer Fläche verloren gehen. Nach Realisierung würde sich eine deutlich veränderte Tier- und Pflanzenwelt einstellen, was durch die geplante, in der Regel artenärmere Kiefermonokultur noch verstärkt würde. Durch zu erwartende Sekundärschäden am angrenzenden Bestand aufgrund stärkerer Besonnung der kronenfreien Stammteile und gestiegenen Windwurfrisikos könne sich die Kahlhiebsfläche sukzessive vergrößern. Auch seien infolge einer Wiederaufforstung mit reiner Kiefer in Zukunft weitere typische Waldschutzprobleme, wie Schneebruch, Waldbrand und Insektenkalamitäten, durch großflächige, gleichaltrige Nadelholzreinbestände nicht auszuschließen. Der ausschließlich der Intensivierung der Nutzfunktion, ohne ausreichende Beachtung der anderen Waldfunktionen vordergründig betriebswirtschaftlichen Aspekten dienende Kahlhieb sei nicht zu genehmigen. Auch sei für die Überführung in eine andere Bestockung nicht zwingend ein Kahlhieb erforderlich. Der Laubmischbestand sei standortgerecht und sollte verantwortungsbewusst und ökonomisch mittels Naturverjüngung schrittweise in die nächste Bestandsgeneration überführt werden. Die schematisch angelegten und großflächigen Kahlhiebe würden das gewohnte Waldbild längerfristig verändern und somit den Wert für Erholungssuchende mindern. Das widerspreche dem Zweck der Landesverordnung zur Festsetzung des Naturparks "Sternberger Land". Zudem sei nach § 5 Abs. 3 BNatSchG bei der forstwirtschaftlichen Nutzung des Waldes das Ziel zu verfolgen, naturnahe Wälder aufzubauen und diese ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 LWaldG M-V habe der Waldbesitzer Kahlhiebe zu vermeiden. Nach § 13 LWaldG M-V seien für den Waldbesitzer Voraussetzungen geschaffen, um dennoch kleinere Kahlhiebe vor allem zur Verjüngung von Lichtbaumarten und zur Kalamitätsvorsorge durchführen zu können.

Der Kläger hat am 6. Januar 2017 Klage erhoben. Der Begriff "angrenzen" sei eindeutig. Eine Auslegung über den Wortlaut hinaus, dass zwei Flächen nur bei einem Abstand von zwei Baumlängen nicht angrenzten, widerspreche dem Bestimmtheitsgebot. Der Normadressat könne dies nicht erkennen. Zwei Kahlschlagflächen könnten zudem nicht benachbart sein, wenn zwischen ihnen Wald i.S.v. § 2 Abs. 1 LWaldG M-V liege. Hier grenzten die geplanten Kahlhiebflächen nicht an bereits realisierte Kahlhiebe an. Zwischen den geplanten Endnutzungen seien gut 10 m breite Flächen vorgesehen, die eine gewisse Substanz aufwiesen, in einer ausreichenden Relation zu den geplanten Kahlschlägen stünden und als Wald einzustufen seien. Zweck der Flächenbegrenzung sei der Erhalt der Schutzfunktionen des Waldes, insbesondere sollten keine klimatischen Verhältnisse wie im Freiland durch fehlenden Schattenwurf und Windschutz durch die Bäume entstehen. Dies sei im Einzelfall festzustellen. Vorliegend seien in Bezug zur Gesamtfläche nur geringfügige Kahlschläge geplant, die verbleibenden Abstände von 10 m und die verbleibenden umliegenden Waldflächen seien in der Lage die Schutzfunktionen zu gewährleisten.

Letztlich lägen auch bei Genehmigungsbedürftigkeit keine Versagungsgründe vor. Die vom Beklagten dargestellten erheblichen Nachteile für den Waldschutz, die Waldbewirtschaftung oder die Tier- und Pflanzenwelt seien nicht zu befürchten. Der geplante Kahlhieb sei flächenmäßig zu gering, die Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten. Eine andere Betrachtung würde einer - unverhältnismäßig in die Eigentumsgarantie eingreifenden - Unveränderlichkeitssperre für die Ausgestaltung des Waldes gleichkommen. Jeder Kahlschlag habe schließlich zunächst einen tendenziell negativen Einfluss auf die bestehende Vegetation. Darüber hinaus erschöpften sich die Ausführungen des Beklagten zu den vermeintlichen Auswirkungen des beantragten Kahlhiebs in Spekulationen.

Nachdem der Kläger ursprünglich begehrt hatte, den Bescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den beantragten Kahlschlag entsprechend seines Antrags vom 25. Juli 2016 zu genehmigen, hat er im Ortstermin am 1. März 2021 erklärt, seinen Antrag nur noch hinsichtlich der östlichen der beiden beantragten Kahlhiebsflächen weiterzuverfolgen.

Er beantragt nunmehr,

festzustellen, dass für den nunmehr beantragten Kahlhieb (Fläche II) eine Genehmigung nach § 13 Landeswaldgesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht erforderlich ist

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, den vom Kläger beantragten Kahlschlag für das Flurstück .../2, Flur 1 der Gemarkung B. der Gemeinde C., Abteilung 1021 a3 konkretisiert auf die in der Anlage mit II bezeichneten, östlichen Fläche zu genehmigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beantragte Maßnahme entspreche nicht dem, was allgemein unter der Errichtung widerstandsfähiger und anpassungsfähiger Bestände, insbesondere hinsichtlich sich verändernder klimatischer Gegebenheiten, verstanden werde. Das Vorhaben schaffe große Flächen, auf denen offenlandähnliche Verhältnisse vorherrschten. Dort ginge das für den Walderhalt und die Sicherung der Waldfunktionen (§ 1 Abs. 2 LWaldG M-V) maßgebliche Waldinnenklima verloren. Derartigen Verhältnissen versuche der Gesetzgeber seit langem dadurch entgegenzuwirken, dass die in § 12 LWaldG M-V formulierten Zielvorgaben für die Waldbewirtschaftung unter anderem vorgäben, Kahlhiebe auf größeren Flächen zu vermeiden (Absatz 1 Nr. 6). Dieses Ziel erfahre durch § 13 Abs. 3 Satz 2 LWaldG M-V - der im Lichte der gesetzgeberischen Zielstellung, offenlandähnliche Zustände im Wald zu vermeiden auszulegen sei - für den Waldbesitzer eine verbindliche Konkretisierung.

Das Vorhaben sei genehmigungsbedürftig, auch wenn der Argumentation des Klägers insoweit gefolgt werden könne, als zwei Kahlhiebsflächen dann nicht im Sinne der Regelung angrenzten, wenn zwischen diesen eine Waldfläche liege. Jedoch dürfe es sich nicht nur de jure, sondern müsse sich auch de facto um Wald handeln, damit von einem waldtypischen Innenklima ausgegangen werden könne. Ein 10 m breiter Streifen, der mit Kiefern bestockt sei und an zwei Seiten an offene Flächen anschließe, nehme an den dort vorherrschenden Witterungsverhältnissen teil, ohne nennenswerten Einfluss auf das "örtliche Klima" zu haben. Dieser Bestand weise keine höhere Luftfeuchtigkeit als die unmittelbare Umgebung auf, weil die Sonne kaum gehindert hineinscheine, der Wind nahezu ungehindert hindurchwehe und die Temperatur sich nicht von der Umgebungstemperatur unterscheide. Hierbei komme der konkreten Beschaffenheit des Bestandes erhebliche Bedeutung zu, weil ein älterer Bestand aus gleichaltrigen Bäumen häufig keinen Unterstand - d.h. Bewuchs unterhalb des Kronenbereichs der Altbäume (Oberstand) - aufweise. Man könne dann ohne weiteres durch den Bestand hindurchsehen. Hier könne sich ein Waldinnenklima erst auf größeren Flächen entwickeln. Mehrschichtige und blickdichte Bestände könnten dagegen bereits ab 30 m Tiefe ein eigenständiges Binnenklima entwickeln. "Angrenzend" meine nicht nur die Flächen, die mit ihrer Flurstücksgrenze unmittelbar an das für den Kahlhieb vorgesehene Flurstück angrenzten, sondern wolle etwa auch die ungesicherte Kultur auf der anderen Seite eines die offenen Flächen verbindenden Forstwirtschaftsweges erfassen. In diesem Sinne grenzten offene Flächen dann aneinander an, wenn eine Verbindung zwischen den Offenlandklimabereichen im Wald durch den weiteren Kahlhieb hergestellt würde. Eine andere Auslegung, die sich an Flurstücksgrenzen orientiere, erreiche den Zweck der Regelung, nämlich in der Sache kumulierende offene Flächen ohne Waldinnenklima als Ganzes zu betrachten, nicht.

Hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, sei der vom Kläger angestrebte Umbau seiner Bestände auch ohne Kahlhieb möglich. Einer schrittweisen Umgestaltung des Bestandes stehe nichts entgegen.

Der Berichterstatter hat am 1. März 2021 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses des Ortstermins wird auf die entsprechende Niederschrift nebst Fotos Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierauf verzichtet haben, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Soweit der Kläger seinen Antrag auf eine der ursprünglichen zwei Kahlhiebsflächen begrenzt und damit die andere Kahlhiebsfläche außer Streit gestellt hat, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Der Kläger hat insoweit die Klage (teilweise) zurückgenommen. Er hat im Ortstermin erklärt, mit Blick auf zwischenzeitlich vollzogene weitere Abholzungen kein Interesse mehr an dem westlichen der beiden beantragten Kahlhiebe (vgl. die Anlage zum Genehmigungsantrag, Bl. 1 BA 2 bzw. Anlage K3 zur Klagebegründung, Bl. 48 GA) zu haben.

Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Sie hat weder mit dem Hauptantrag noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag nach § 43 VwGO die Feststellung begehrt, der von ihm noch begehrte Kahlschlag sei genehmigungsfrei, ist die Klage unbegründet. Sein (zuletzt) beantragtes Vorhaben unterliegt der Genehmigungspflicht nach § 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 LWaldG M-V.

Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 LWaldG M-V bedürfen Kahlhiebe mit einer Flächengröße über zwei Hektar, Ausnahmen zur Pflege hiebsunreifer Bestände nach Absatz 5 und Kahlhiebe im Wald, der sich in einem Abstand von bis zu 300 Metern zur Mittelwasserlinie an Küstengewässern nach § 1 Abs. 1 des Wassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern befindet, der vorherigen Genehmigung der Forstbehörde. Angrenzende Kahlflächen und noch nicht gesicherte Verjüngungsflächen des gleichen Forstbetriebes werden dabei mit eingerechnet (§ 13 Abs. 3 Satz 2 LWaldG M-V).

Da die beiden Ausnahmen für den beantragten - als solchen unstreitigen und kleiner als zwei Hektar großen - Kahlhieb der östlichen der beiden ursprünglich beantragten Kahlhiebsflächen (in der Anlage 1 zum Antrag vom 25. Juli 2016 handschriftlich mit II bezeichneten Fläche, Bl. 1 BA 2, Bl. 48 GA) auf dem Flurstück .../2 Flur 1 Gemarkung B. Gemeinde C., Forstabteilung 1023 a3 nicht einschlägig sind, kommt es für die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit des Vorhabens allein darauf an, ob die um die beantragte Teilfläche umliegenden, bereits vorhandenen Kahlflächen als "angrenzende Kahlflächen" oder "nicht gesicherte Verjüngungsflächen des gleichen Forstbetriebes" im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen sind. Denn dann wäre die genannte Flächengröße insgesamt überschritten.

Das ist vorliegend auch der Fall. An die beantragte Kahlhiebsfläche grenzt im Südosten eine noch nicht gesicherte Verjüngungsfläche des klägerischen Forstbetriebs an, so dass diese mit einzurechnen ist und die Gesamtfläche 2 Hektar überschreitet.

In den Blick zu nehmen sind nach der Begrenzung des Antrags auf die östliche der beiden ursprünglich beantragen Kahlhiebsflächen (in der Anlage 1 zum Antrag vom 25. Juli 2016 mit II bezeichnete Fläche, Bl. 1 BA 2, Bl. 48 GA), deren südöstliche Nachbarfläche auf dem o.g. Flurstück des Klägers sowie die südwestlich gelegene, mittlere der 2016/2017 realisierten Kahlhiebsfläche, zu der ausweislich des Antrags vom 25. Juli 2016 von der südwestlichen Ecke der beantragten Kahlhiebsfläche ein Abstand von 10 m eingehalten werden soll.

Die letztgenannte Fläche scheidet allerdings als "angrenzende" Fläche im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 2 LWaldG M-V aus, weil es sich nicht (mehr) um eine Kahlfläche oder eine nicht gesicherte Verjüngungsfläche handelt. Denn nach dem Ergebnis des Ortstermins vom 1. März 2021 handelt es sich bei dieser - zur Zeit der Antragstellung noch als Kahlfläche betrachteten - Fläche inzwischen aufgrund der Wiederaufforstung mit Kiefern durch den Kläger um eine gesicherte Verjüngungsfläche. Auf die Frage, ob insoweit trotz des geplanten und beantragen 10 m Abstands gleichwohl noch von einer "angrenzenden" Kahlfläche im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 2 LWaldG M-V auszugehen ist, kommt es mithin nicht mehr an.

Hinsichtlich der erstgenannten auf dem Flurstück des Klägers südöstlich der beantragten Kahlhiebsfläche gelegenen Nachbarfläche hat der Ortstermin ergeben, dass diese Fläche vom Kläger im Jahr 2019 abgeholzt und mit Kiefern neu bepflanzt wurde, während es sich bei der hieran südlich (weiter) anschließenden Fläche - d.h. die in der Anlage 1 zum Antrag des Klägers schräg schraffiert dargestellte, östlichste der drei 2016/2017 realisierten Kahlflächen - aufgrund der seinerzeitigen Wiederaufforstung mit Kiefern inzwischen nicht mehr um eine Kahlfläche oder eine nicht gesicherte Verjüngungsfläche, sondern um eine gesicherte Verjüngungsfläche handelt. Ferner hat der Ortstermin ergeben, dass die südöstlich der beantragten Kahlhiebsfläche gelegene, im Jahr 2019 abgeholzte und neubepflanzte Fläche - nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten und auch nach dem Eindruck des Ortstermins - eine "Punktverbindung" ihrer nordwestlichen Ecke mit der südöstlichen Ecke des beantragten Kahlhiebs aufweist, d.h. beide Flächen sich in diesem Eckpunkt berühren. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten im Ortstermin ist der dort neugepflanzte Kiefernbestand zudem noch keine gesicherte Verjüngung.

Hiervon ausgehend handelt es sich um eine an den beantragten Kahlhieb "angrenzende" noch nicht gesicherte Verjüngungsfläche und ist mit einzurechnen. Nach Auffassung der Kammer grenzt diese noch nicht gesicherte Verjüngungsfläche auch im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 2 LWaldG M-V an den beantragten Kahlhieb an, weil sich beide Flächen mit der Punktverbindung in einer gemeinsamen Ecke bereits dem Wortlaut nach - "angrenzend", d.h. im Sinne von: eine gemeinsame Grenze habend - berühren. Auf die ursprünglich zwischen den Beteiligten diskutierte Frage, ob die Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 2 LWaldG M-V angesichts des Wortlauts auslegungsfähig ist und zu welchem Ergebnis eine solche Auslegung mit Blick auf den vom Kläger geplanten Abstand von 10 m führt, kommt es nicht an. Denn der Kläger hat einen solchen Abstand zwischen den hier in Rede stehenden Flächen gerade nicht geplant und beantragt.

Auch der Hilfsantrag des Klägers ist unbegründet.

Der die beantragte Kahlhiebsgenehmigung versagende Bescheid des Beklagten vom 27. Juli 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2016 ist - soweit er hier noch in Rede steht, d.h. hinsichtlich der östlichen der beiden beantragten Kahlhiebsflächen - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Genehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Einer Erteilung der beantragten Kahlhiebsgenehmigung steht entgegen, dass nach § 13 Abs. 4 Nr. 3 LWaldG M-V (Nr. 1 und 2 sind nicht einschlägig) "erhebliche Nachteile für den Waldschutz, die Waldbewirtschaftung oder die Tier- und Pflanzenwelt zu befürchten sind."

Der Beklagte hat bereits im Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2016 ausführlich - zunächst im Rahmen der Frage, wann andere Kahlflächen bzw. noch nicht gesicherte Verjüngungsflächen des gleichen Forstbetriebes im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 2 LWaldG M-V "angrenzen" - dargestellt, welche Folgen Kahlhiebe und die entstehenden Freiflächen haben. Er hat ferner ausgeführt, warum dieser Freiflächeneffekt - d.h. die Zerstörung des waldtypischen Innenklimas - der zu einem längerfristigen Verlust von Lebensraum für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten führt, auch im vorliegenden Fall besonders gravierend wäre. Denn es handelt sich bei der aktuellen Bestockung um eine relativ lichtundurchlässige Laubholzbestockung. Dass sich eine sodann ungehinderte (walduntypische) direkte Sonneneinstrahlung auf den (entstandenen) Kahlflächen ebenso wie im (nach dem Kahlhieb ungeschützten) angrenzenden Waldbestand negativ auswirkt, ist für die Kammer angesichts dieser Begründung ohne Weiteres nachvollziehbar, plausibel und überzeugend. Gleiches gilt für die - vom Beklagten beschriebene - daraus folgende höhere Temperatur, die geringere Boden- und Luftfeuchtigkeit sowie die höhere Evaporation, was wiederum zu einer schnelleren Humusumsetzung in der Bodenstreu und somit zu einer Nährstoffdegradierung des Oberbodens sowie Auswaschung in das Grundwasser führt und durch die den Boden direkt erreichenden erhöhten Niederschlagsmengen weiter verstärkt wird und insgesamt zu einer Aushagerung führt. Der Beklagte hat ferner - für die Kammer ebenso überzeugend - ausgeführt, dass mit Blick auf die wegfallende windberuhigende Wirkung ebenfalls ein weiterer Teil der Waldfunktionen unterbrochen wird.

Anhand dieser Folgen der für den vorhandenen Laubmischwald beantragten Maßnahme hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid sodann im Rahmen des Versagungstatbestandes des § 14 Abs. 4 Nr. 3 LWaldG M-V - wie oben beschrieben - näher ausgeführt, dass das charakteristische Innenklima, an das sich eine Vielzahl waldtypischer Tier- und Pflanzenarten angepasst habe, innerhalb kürzester Zeit stark verändert würde, diese waldtypische Flora und Fauna gehe auf großer Fläche verloren.

Das ist für die Kammer nachvollziehbar, plausibel und überzeugend begründet, insbesondere auch, weil vom Kläger geplant ist, die Kiefernkultur gleichaltrig anzulegen, so dass bei Realisierung kein mehrschichtiger Bestand, sondern ein Bestand mit gleicher Höhe und dann fehlendem Unterstand entstehen dürfte. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass dem Kläger angesichts der ihm in § 14 LWaldG M-V freigestellten Art der Wiederbestockung nicht zum Nachteil gereichen kann, statt des jetzt vorhandenen Laubmischwaldes die Fläche mit Kiefern wieder aufzuforsten. Die Befürchtung der in § 13 Abs. 4 Nr. 3 LWaldG M-V beschriebenen erheblichen Nachteile resultiert aus dem - wegen der einzubeziehenden südöstlichen nicht gesicherten Verjüngungsfläche - flächenhaften Kahlhieb als solchem und nicht im Blick auf den vom Kläger geplanten Kiefernwald.

Allerdings hat der Beklagte auch darauf hingewiesen, dass der Bestand laut Standortskartierung auf vorwiegend mäßig nährstoffversorgten bis kräftigen, mäßig frischen, terrestrischen Standorten stockt und nach dem Bestockungszieltypenerlass auf diesen Standorten neben Nadelholzmischwäldern auch Buchen- und Eichenmischwälder standortgerecht sind; ebenso ist die potentielle natürliche Vegetation in diesem Gebiet durch Laubholz (Waldmeister-Buchenwald) geprägt. Dieser standortgerechte Laubmischbestand solle verantwortungsbewusst und ökonomisch mittel Naturverjüngung schrittweise in die nächste Generation überführt werden.

Den - verfügbaren - Gesetzesmaterialien im Land M-V ist zum Versagungstatbestand wenig zu entnehmen. Der Regierungsentwurf der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern zum Landeswaldgesetz 1992 (Drucksache 1/2321, Seite 46) geht grundsätzlich davon aus, dass bei Kahlhiebsflächen, die größer als 2 ha sind, die Nachteile eines Kahlhiebes die Vorteile überwiegen und unterwirft einen solchen deshalb der Genehmigungspflicht. Dass im vorliegenden Fall die Vorteile eines Kahlhiebes dessen - vom Beklagten ausführlich geschilderten - Nachteile überwiegen würden, ist dem Vorbringen des Klägers, der einen forstwirtschaftlichen Betrieb betreibt, mithin "vom Fach" ist, mangels Substantiierung nicht zu entnehmen. Dies ist aber auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger plant - das dürften seine bisherigen Wiederaufforstungen nahelegen - vielmehr offenbar auf nahezu dem gesamten ca. 60 ha großen Flurstück aus wirtschaftlichen Gründen die Anlage einer reinen Kiefernkultur. Dafür, dass neben den mit dem beantragten Kahlhieb zunächst zwingend einhergehenden Folgen eine solche reine Kiefernkultur, gleichaltrig und in gleicher Höhe angelegt, positive Effekte hätte, die die vom Beklagten genannten negativen Folgen ausgleichen oder gar überwiegen könnten, spricht nichts.

Der Kläger beschränkt sich vielmehr allein darauf, die Schilderungen des Beklagten zu negieren. Anders als der Kläger meint, ist der geplante Kahlhieb auch nicht von der Größe der Fläche als gering einzustufen. Zwar dürfte die im Klageverfahren noch in Rede stehende, beantragte Kahlhiebsfläche etwa 1,5 ha betragen, zu dieser wird indes die südöstlich angrenzende, noch nicht gesicherte Verjüngungsfläche des klägerischen Forstbetriebs nach § 13 Abs. 3 Satz 2 LWaldG M-V mit eingerechnet (vgl.o.). Diese Fläche dürfte etwa 2,3 ha groß sein, insgesamt wäre nach der beantragten Maßnahme dann eine Fläche mit 3,8 ha betroffen.

Soweit der Kläger den Ausführungen des Beklagten entgegenhält, es handele sich um Spekulationen, dringt er ebenfalls nicht durch. Denn der Beklagte geht im Rahmen der Prüfung des Versagungstatbestandes - also der Prüfung, ob erhebliche Nachteile für den Waldschutz, die Waldbewirtschaftung oder die Tier- und Pflanzenwelt zu befürchten sind, von den - von ihm mit wissenschaftlichen Quellen belegten - Erfahrungen aus und legt diese seiner sachkundigen forstbehördlichen Folgenbetrachtung an Hand der geplanten Maßnahme des Klägers für die Situation vor Ort zu Grunde. Das dürfte für die vom Gesetz geforderte Prüfung, ob die genannten erheblichen Nachteile zu befürchten sind, genügen. Die vom Kläger wohl geforderte Gewissheit des Eintritts der genannten Nachteile ist dagegen nicht erforderlich.

Die vom Kläger befürchtete - nach seiner Auffassung Art 14 GG widersprechende - "Unveränderlichkeitssperre für die Ausgestaltung des Waldes" liegt schon deshalb nicht vor, weil es ihm zum einen freigestellt ist, seinen Waldbestand mit (vom Gesetzgeber als unbedenklich angesehenen) Kahlhieben bis zu 2 Hektar umzugestalten. Zum anderen kann er - auch hierauf weist der Beklagte zutreffend hin - schrittweise die Baumartenzusammensetzung ändern. Letztlich schützt Art 14 Abs. 1 GG nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums. Vielmehr handelt es sich bei der Regelung zur Kahlhiebsgenehmigung um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

B e s c h l u s s

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

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