LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.11.2020 - L 8 AS 497/16
Fundstelle
openJur 2021, 18876
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wege eines Überprüfungsverfahrens darüber, ob den Klägern für das Jahr 2012 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren sind.

Der 1957 geborene Kläger zu 1) steht gemeinsam mit der 1972 geborenen Klägerin zu 2) und der 2007 geborenen Klägerin zu 3) seit längerer Zeit im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Die Kläger bewohnen ein im Eigentum des Klägers zu 1) stehendes Haus in der A-Straße in A-Stadt. Der Kläger zu 1) arbeitet als selbständiger Taxifahrer ("Taxi & Kurierdienst" bzw. "Taxi- und Gütertransport A."). Am 1. Juni 2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers zu 1) eröffnet. Der Insolvenzverwalter des Klägers zu 1) gab nach § 35 Abs. 2 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) eine Erklärung des Inhalts ab, dass das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 1) "Taxi- und Gütertransport" nicht zur Insolvenzmasse gehöre und Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden könnten.

Im Juni 2011 beantragten die Kläger die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II. Der Anlage EKS, die den Zeitraum von 04/11 bis 10/11 als voraussichtlichen Bewilligungszeitraum benannte, fügten die Kläger eine Übersicht über das voraussichtliche Einkommen des Klägers zu 1) aus selbständiger Tätigkeit für die Monate Mai bis Oktober 2011 bei.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab und führte aus, dass die Kläger unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Einkommensverhältnisse nicht hilfebedürftig seien. Als Berechnungsgrundlage zog der Beklagte die in der Anlage EKS gemachten Angaben zum voraussichtlichen Einkommen des Klägers zu 1) aus seiner selbständigen Tätigkeit im Zeitraum von April bis September 2011 heran. Nach dem dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogen gilt die Leistungsberechnung für den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2011.

Hiergegen legten die Kläger am 22. August 2011 Widerspruch ein. Es seien bei der Leistungsberechnung erhebliche Ausgaben nicht bzw. teilweise zu Unrecht berücksichtigt worden.

Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 2. November 2011 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Kläger seien nicht hilfebedürftig. Für die Zeit vom 1. April 2011 bis 30. September 2011 stünde dem monatlichen Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 994,55 EUR nach Abzug der Freibeträge ein monatliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit des Klägers zu 1) in Höhe von 905,67 EUR und 184,00 EUR Kindergeld für die Klägerin zu 3) gegenüber.

Ausweislich des Verbis-Vermerkes vom 20. März 2012 sprach der Kläger zu 1) an diesem Tag beim Beklagten persönlich vor und beantragte die Prüfung des Leistungsanspruches für den Zeitraum von April bis September 2011. Der Beklagte forderte den Kläger zu 1) daraufhin auf, eine betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) zum Stichtag 30. September 2011 sowie einen Nachweis über die Krankenversicherungsbeiträge und den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorzulegen. Mit Bescheid vom 28. März 2012 teilte der Beklagte mit, die Überprüfung des Bescheides vom 20. Juli 2011 habe ergeben, dass selbiger nicht zu beanstanden sei. Es sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden. Unter Berücksichtigung der eingereichten Summen- und Saldenliste für den Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis 30. September 2011 bestehe keine Hilfebedürftigkeit.

Unter dem 28. Januar 2013 beantragten die Kläger Leistungen nach dem SGB II. Daraufhin gewährte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 11. Februar 2013 und Änderungsbescheid vom 19. Februar 2013 für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2013 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in monatlich unterschiedlicher Höhe.

Am 27. Februar 2013 beantragten die Kläger eine Überprüfung für das gesamte Jahr 2012, da der Beklagte von einem zu hohen Einkommen ausgegangen sei. Dem fügten sie eine Summen- und Saldenliste zum 31. Dezember 2012 aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 1) sowie eine BWA für das Jahr 2012 bei. Der Beklagte sandte den Klägern die eingereichten Unterlagen mit Schreiben vom 14. März 2013 zurück und teilte mit, dass eine Überprüfung der Leistungsgewährung für das Jahr 2012 nicht erfolgen könne, da ein Antrag auf Leistungen in diesem Jahr nicht gestellt worden sei.

Hiergegen legten die Kläger am 19. März 2013 Widerspruch ein. Sie trugen vor, dass der Antrag der Kläger auf Leistungen nach dem SGB II durch Bescheid vom 20. Juli 2011 ohne zeitliche Einschränkung abgelehnt worden sei. Dieser Bescheid gelte deshalb für den gesamten Zeitraum bis zum Erlass eines neuen Bescheides.

Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2013 als unzulässig zurück. Ein Widerspruch sei nur gegen Verwaltungsakte gemäß § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) statthaft. Mit dem angefochtenen Schreiben würden Rechte der Kläger weder begründet noch geändert, entzogen oder festgestellt. Im Übrigen seien mit dem Bescheid vom 20. Juli 2011, der nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011 bestandskräftig geworden sei, Leistungen für den Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. September 2011 abgelehnt worden.

Dagegen haben die Kläger am 26. Juni 2013 Klage vor dem Sozialgericht Neubrandenburg erhoben. Zur Begründung haben sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, dass der Ablehnungsbescheid vom 20. Juli 2011 zeitlich unbefristet gelte und damit auch das Jahr 2012 erfasse, da ein neuer Antrag nicht gestellt worden sei. Mithin gebe es einen der Überprüfung zugänglichen Bescheid für das Jahr 2012. Der Beklagte habe allerdings dessen Überprüfung abgelehnt, wogegen der Widerspruch das zulässige Rechtsmittel gewesen sei. Das vom Beklagten in Ansatz gebrachte Einkommen sei zu hoch, da Betriebsausausgaben (betriebliche notwendige Kredite) nicht einkommensmindernd berücksichtigt worden seien. Danach ergebe sich ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Sofern das Schreiben vom 14. März 2013 nicht als Verwaltungsakt anzusehen sei, habe der Beklagte jedenfalls den Antrag der Kläger auf Überprüfung noch nicht beschieden. Die dem Beklagten insoweit zustehende Bearbeitungsfrist von sechs Monaten sei zwischenzeitlich abgelaufen, so dass der Beklagte in diesem Fall jedenfalls untätig gewesen sei.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern im Zeitraum Januar bis Dezember 2012 Leistungen nach dem SGB II in der gesetzlichen Höhe zu gewähren, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, über den Überprüfungsantrag vom 26. Februar 2013 zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen. Ergänzend hat er vorgetragen, dass der Überprüfungsantrag der Kläger durch Bescheid vom 14. März 2013 beschieden worden sei. Dem Begehren der Kläger habe jedoch nicht stattgegeben werden können, da es für das Jahr 2012 an einem Leistungsantrag fehle. Aus dem Bescheid vom 20. Juli 2011 ergebe sich keine Leistungsablehnung für das Jahr 2012. Dieser sei zeitlich befristet gewesen und habe sich nur auf den Zeitraum vom 1. April 2011 bis 30. September 2011 bezogen. Dies ergebe sich daraus, dass jener Zeitraum als Berechnungsgrundlage für das anzurechnende Einkommen aus selbständiger Tätigkeit herangezogen und genannt worden sei. Zudem werde dieser Zeitraum auch in dem dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogen genannt.

Durch Gerichtsbescheid vom 27. Juni 2016 hat das Sozialgericht Neubrandenburg die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Entscheidung des Beklagten im Ergebnis nicht zu beanstanden sei. Eine zu Unrecht nicht erfolgte Leistungserbringung im Sinne von § 44 Abs. 1 SGB X liege mangels Antragstellung nicht vor. Zwar stelle das Schreiben vom 14. März 2013 einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X dar. Dem Schreiben sei zu entnehmen, dass eine Überprüfung nicht erfolgen könne, was inhaltlich einer Ablehnung der Überprüfung entspreche. Mithin liege eine Einzelfallentscheidung des Beklagten vor, die der Durchführung eines Vorverfahrens zugänglich sei. Folglich sei die Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig rechtswidrig. Allerdings stehe einer Leistungsgewährung für das Jahr 2012 entgegen, dass die Kläger einen Leistungsantrag nicht gestellt hätten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gelte das Antragserfordernis nicht nur für die erstmalige Antragstellung auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), sondern auch im Fall der Fortzahlung von Leistungen. § 37 SGB II stelle insoweit ohne jede Differenzierung zwischen Erst- und Fortzahlungsbegehren auf eine Antragstellung als Voraussetzung für den Leistungsbeginn ab, dem Antrag komme konstitutive Wirkung zu. Der Antrag habe eine "Türöffnerfunktion" für den Bewilligungszeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr, die gewährleisten soll, dass Änderungen der Verhältnisse wie wechselndes Einkommen oder Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft verwaltungstechnisch zeitnah erfasst und bearbeitet werden können. Die Wirkung eines Antrages erschöpfe sich allerdings mit seiner Bescheidung. Zwar sei ein Antrag nach dem Prinzip der Meistbegünstigung so weit auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst umfassend zum Tragen komme. Deshalb seien regelmäßig alle Leistungen als beantragt anzusehen, die nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kämen. Dies umfasse unter Berücksichtigung von § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II im Regelfall jedoch nur Leistungen bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten. Dem Bescheid vom 20. Juli 2011 sei nach diesen Maßstäben eine Leistungsablehnung für die Zeit von April bis September 2011 zu entnehmen. Dies ergebe sich aus der Begründung der ablehnenden Entscheidung, die auf bedarfsdeckendes Einkommen während des genannten Zeitraumes abgestellt habe. Zudem sei schon der Anlage EKS zum Leistungsantrag zu entnehmen gewesen, dass sich der voraussichtliche Bewilligungszeitraum von April bis September 2011 erstrecke und Daten für den Monat der Antragstellung zuzüglich weiterer 6 Monate eingetragen werden sollten. Dies spiegele sich denn auch in den Angaben des Klägers zu 1) wieder, der in der Anlage EKS Angaben zu seinem prognostizierten Einkommen von Mai bis Oktober 2011 machte. Dementsprechend könne nach objektiven Kriterien der ablehnende Bescheid nur so verstanden werden, dass dieser sich auf den Zeitraum von April bis September 2011 beziehe. Hiervon gehe auch der Widerspruchsbescheid aus, der in seinem "Betreff" und der Begründung auf eine zeitlich befristete Ablehnung abstelle. Eine Verwaltungsentscheidung über diesen Zeitraum hinaus sei nicht getroffen worden und auch nicht zu treffen gewesen, da insoweit ein Leistungsantrag nicht gestellt worden sei. Mangels Antragstellung bestehe für das Jahr 2012 kein Leistungsanspruch, so dass ein diesbezüglicher Überprüfungsantrag in Leere gehe.

Gegen den am 1. Juli 2016 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 25. Juli 2016 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, dass für das Jahr 2012 ein Leistungsantrag gestellt worden sei. Mangels zeitlicher Begrenzung wirke der am 26. April 2011 gestellte Antrag fort, bis ein neuer Antrag gestellt werde. Aus der Regelung des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II lasse sich nicht ableiten, dass ein Antrag nur für einen Zeitraum von sechs Monaten wirkt. Auch habe der Kläger am 20. März 2012 mündlich vorgesprochen und um die Bewilligung von Leistungen gebeten. Hierin sei jedenfalls eine Antragstellung zu erblikken. Schließlich träfen den Beklagten auf der Grundlage von §§ 13, 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) umfassende Informationspflichten, weshalb er die Kläger anlässlich der persönliche Vorsprache auf die Notwendigkeit einer Antragstellung hätte hinweisen müssen. Da der Beklagte dies unterlassen habe, seien die Kläger so zu stellen, wie sie bei ordnungsgemäßer Beratung stünden.

Die Kläger beantragen schriftsätzlich,

den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 27. Juni 2016 zu verpflichten, den Klägern Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts sei nicht zu beanstanden. Im Übrigen werde bestritten, dass der Kläger zu 1) bei der persönlichen Vorsprache am 20. März 2012 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt habe. Aus dem hierzu erstellten Gesprächsvermerk gehe eindeutig hervor, dass es nur um die Prüfung des Leistungsanspruchs für die Zeit von April bis September 2011 gegangen sei. Deshalb sei der Kläger zu 1) auch aufgefordert worden, seine BWA per 30. September 2011 einzureichen. Eine Verletzung von Beratungs- und Informationspflichten durch den Beklagten liege nicht vor. Aus dem der Leistungsablehnung vom 20. Juli 2011 beigefügten Berechnungsbogen gehe eindeutig eine Prüfung des Leistungsanspruchs für den Zeitraum April bis November 2011 hervor. Auch aus dem Widerspruchsbescheid vom 2. November 2011 ergebe sich unzweifelhaft, dass eine Prüfung und Leistungsablehnung nur für den bereits genannten Zeitraum erfolgt sei.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Gerichtsakte und die die Kläger betreffende Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Ihr Inhalt ist Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

Gründe

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Prozessbevollmächtigten der Kläger in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 SGG).

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie ist jedoch nicht be-gründet. Das Sozialgericht hat die Klage der Kläger zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Verfahrens ist das Schreiben des Beklagten vom 14. März 2013, das als Verwaltungsakt gemäß § 31 Satz 1 SGB X zu werten ist, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2013. Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 31 Satz 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. In dem maßgeblichen Schreiben führte der Beklagte aus, dass eine Überprüfung nicht erfolgen kann, weil ein Leistungsantrag im Jahr 2012 nicht gestellt worden sei. Mit der hierin liegenden Ablehnung des von den Klägern gestellten Antrags, das Jahr 2012 einer Prüfung zu unterziehen, hat der Beklagte bezogen auf einen Einzelfall eine Regelung getroffen. Auch die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes sind unzweifelhaft erfüllt.

Die danach als Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, 56 SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben bezogen auf das Kalenderjahr 2012 keinen Anspruch auf Überprüfung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ein hiernach überprüfbarer Bescheid des Beklagten, der das Kalenderjahr 2012 bzw. Teile hiervon betrifft, existiert nicht. Weder haben die Kläger bezogen auf den genannten Zeitraum einen Leistungsantrag gestellt, der durch den Beklagten beschieden wurde, noch wirkt der Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011 in dem begehrten Leistungszeitraum fort. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte es abgelehnt, Leistungen nach dem SGB II an die Kläger zu erbringen. Durch diese Bescheidung des Leistungsantrages hat sich die Wirkung desselben zum einen erschöpft; er ist also verbraucht. Der Beklagte ist hierdurch - im Sinne der Funktion des Antrags - tätig geworden und hat ab dem Zeitpunkt der Antragstellung das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen geprüft, Leistungen abgelehnt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Januar 2011, Az.: B 4 AS 99/10 R). Zum anderen hat der Beklagte mit diesem Bescheid keine auch das Jahr 2012 betreffende Regelung getroffen. Zwar führt nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2007, Az.: B 14/11b AS 59/06 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. März 2012, Az.: B 4 AS 99/11 R; Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Mai 2007, Az.: B 11b AS 37/06 R) eine vollständige Leistungsablehnung grundsätzlich dazu, dass der einmal gestellte Leistungsantrag fortwirkt und deshalb in einem Klagverfahren gegen die Leistungsablehnung der Zeitraum von der Antragstellung bis zur letzten mündlichen Verhandlung streitgegenständlich ist, sofern nicht der Leistungsberechtigte selbst sein Begehren auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt, die Wirkungsdauer der Leistungsablehnung durch eine andere, die ursprüngliche Entscheidung erledigende und überholende Regelung i.S.v. § 31 SGB X begrenzt wird oder der Leistungsträger die Leistungsablehnung ausdrücklich auf einen bestimmten Zeitraum bezieht (vgl. Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 37 Rdnr. 34). Indes gilt dies nur für den Fall, dass die Leistungsablehnung mittels Widerspruch und Klage angegriffen wurde, also nicht bestandskräftig geworden ist, nicht aber, wenn - wie hier - die Leistungsablehnung in Bestandskraft erwachsen ist. Vorliegend haben die Kläger nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens keine Klage gegen die erfolgte Leistungsablehnung erhoben mit der Folge, dass die ablehnende Leistungsentscheidung des Beklagten vom 20. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011 in Bestandskraft erwachsen ist. Die Regelungswirkung dieser ablehnenden Leistungsentscheidung erstreckt sich allerdings allenfalls auf den Zeitraum bis zum Eintritt der Bestandskraft derselben. Die materielle Bestandskraft eines Bescheides ist auf seinen Verfügungssatz beschränkt (vgl. B. in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 77 Rdnr. 5b). Der Beklagte hat eine Leistungsablehnung verfügt, ohne diese im Verfügungssatz zeitlich einzugrenzen. Nachdem über den Widerspruch der Kläger durch Widerspruchsbescheid vom 2. November 2011 entschieden wurde und dieser am 3. November 2011 abgesandt wurde, trat Bestandskraft noch vor Beginn des Jahres 2012 ein. Unabhängig davon hat der Beklagte selbst, wenn auch nicht im Verfügungssatz, die Wirkung der Leistungsablehnung zeitlich begrenzt auf die Zeit vom 1. April 2011 bis 30. September 2011. Dies ergibt sich aus der Auslegung des Bescheides vom 20. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011, für die auf den gesamten Inhalt des Bescheides einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden kann. Die Auslegung erfolgt dabei nach den Grundsätzen für die Auslegung von Willenserklärungen gemäß §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und hat vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der alle Begleitumstände und Zusammenhänge berücksichtigt, die die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat, auszugehen (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Oktober 2017, Az.: B 14 AS 9/17; Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. Februar 2017, Az.: B 4 AS 57/15 R). Über den bloßen Wortlaut hinaus kommt es auf den objektiven Sinngehalt des Verwaltungsakts an, also darauf, wie der Empfänger dessen Inhalt (Verfügungssatz und Begründung) bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen konnte und musste (objektiver Empfängerhorizont). Nach diesen Maßstäben ist der Ablehnungsentscheidung hinreichend deutlich eine für einen bestimmten Zeitraum (April bis September 2011) geltende Leistungsablehnung zu entnehmen. In der Begründung der Leistungsablehnung vom 20. Juli 2011 nimmt der Beklagte Bezug auf die Anlage EKS, in der der Kläger zu 1) für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2011 Angaben zu seinem voraussichtlichen Einkommen gemacht hat. Der Beklagte zieht diese heran, um das monatlich anrechenbare Einkommen zu ermitteln und führt dann aus, dass unter Berücksichtigung der sich darstellenden Einkommensverhältnisse eine Bedürftigkeit für den Zeitraum von April bis September 2011 nicht bestehe. Auch im beigefügten Berechnungsbogen wird ausgeführt: "Die Berechnung der Leistung gilt für einen Zeitraum vom 01.04.2011 bis 30.09.2011". Damit hat der Beklagte hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Gegenstand der Prüfung wie auch der Leistungsablehnung nur der Zeitraum von April bis September 2011 gewesen ist. Nichts anderes ergibt sich, wenn noch der Widerspruchsbescheid herangezogen wird. Hier hat der Beklagte bereits im Betreff des Widerspruchsbescheides ausgeführt: "... Ablehnung von Arbeitslosengeld II wegen Einkommen für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.09.2011". In der gesamten Begründung des Widerspruchsbescheides nimmt der Beklagte für die Rechtfertigung der erfolgten Leistungsablehnung ausschließlich Bezug auf diesen Zeitraum. Auch aus der Perspektive des Empfängers stellt es sich durch die mehrfache ausdrückliche Bezugnahme auf den Zeitraum von April bis September 2011 ohne Weiteres so dar, dass der Beklagte eine Prüfung der Leistungsvoraussetzungen lediglich für den Zeitraum von April bis September 2011 vorgenommen und deshalb nur diesen Zeitraum beschieden hat. Zudem erging auch eine Aufforderung des Beklagten an den Kläger zu 1), in der Anlage EKS das prognostische Einkommen für die Zeit von April 2011 zuzüglich weiterer 6 Monate einzutragen, so dass auch hieraus erkennbar war, dass eine Prüfung der Leistungsberechtigung nur für einen bestimmten Zeitraum erfolgen sollte. Angaben über die mutmaßlichen Einkommensverhältnisse über diesen Zeitraum hinaus wurden durch die Kläger denn auch nicht gemacht. Ist danach mit dem Ablehnungsbescheid vom 20. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011 eine Regelung für das Jahr 2012 bzw. Zeiträume hiervon nicht ergangen, ist eine an § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu messende Überprüfung des Bescheides bezogen auf diesen Zeitraum nicht möglich. Andere das Jahr 2012 betreffende Bescheide hat der Beklagte nicht erlassen.

Der Senat war nicht gehalten, dem Vortrag der Kläger, dass ein Leistungsanspruch jedenfalls aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch folge, weiter nachzugehen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind die Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Dies erfordert, dass der den Anspruch begründende Sachverhalt detailliert dargelegt und hierfür Beweis angeboten wird. Daran fehlt es. Der klägerische Vortrag erschöpft sich darin, dass der Beklagte die Kläger anlässlich der persönlichen Vorsprache am 20. März 2012 darauf hätte hinweisen müssen, dass die Kläger einen Leistungsantrag stellen müssen. Gleichzeitig tragen die Kläger vor, dass sie bei der persönlichen Vorsprache einen Leistungsantrag gestellt hätten. Eine Darstellung des erinnerten Gesprächsverlaufs einschließlich des konkreten Inhalts des Gesprächs vom 20. März 2012 erfolgt nicht. Es wird anhand dessen nicht erkennbar, was tatsächlich Gegenstand der persönlichen Vorsprache des Klägers zu 1) gewesen sein soll. Denn die von den Klägern vorgetragenen Inhalte der persönlichen Vorsprache am 20. März 2012 schließen sich gegenseitig aus. Darüber hinaus wurde Beweis für das Vorgetragene ebenfalls nicht angeboten. Der Beklagte hat bezüglich der Vorsprache vom 20. März 2012 ausweislich des Verbis-Vermerkes vom selben Tag festgehalten, dass dieses sich auf den Zeitraum von April bis September 2011 bezog und vom Kläger zu 1) die Vorlage der BWA zum 30. September 2011, Krankenkassenbeiträge und den Insolvenzbeschluss erbeten wurde, damit eine Prüfung erfolgen könne. Nach Vorliegen der benötigten Unterlagen hat der Beklagte eine Überprüfung vorgenommen und am 28. März 2012 einen Überprüfungsbescheid erteilt. Der sich dem Senat darstellende Sachverhalt lässt mithin - ungeachtet der übrigen Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs - bereits keine Anhaltspunkte für die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten des Beklagten erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.

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