SG Nürnberg, Urteil vom 16.10.2019 - S 15 VU 7/17
Fundstelle
openJur 2021, 18558
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die vollständige Übernahme der Kosten einer bei ihm geplanten Zahnbehandlung.

Der im Jahre 1958 geborene Kläger befand sich in der Zeit vom 10.04.1986 bis 20.05.1987 in der DDR in Strafhaft.

Mit Teilabhilfe- und Feststellungsbescheid vom 31.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2017 erkannte der Beklagte bei dem Kläger folgende infolge der Freiheitsentziehung erlittenen gesundheitlichen Schädigungsfolgen im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (StRehaG) an: "Posttraumatische Belastungsstörung (im Sinne der Entstehung). Verlust von sechs Zähnen bei erheblicher Zahnvorschädigung (im Sinne der Verschlimmerung)". Der Grad der Schädigungsfolgen würde insgesamt 50 betragen. Für die anerkannten Schädigungsfolgen hätte der Kläger ab 01.11.2009 Anspruch auf Heilbehandlung. In der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 30.02.2017 wurde ausgeführt, dass bei größtmöglicher und wohlwollender Auslegung der Verlust von maximal sechs Zähnen als schädigungsbedingt anerkannt werden könnte. Hierbei müsste Berücksichtigung finden, dass bereits vor Antritt der Haft eine erhebliche Zahnvorschädigung vorgelegen hätte. Leider wäre eine nähere Spezifizierung, welche Zähne haftbedingt bei dem Kläger verloren gegangen sind, aufgrund der dürftigen Dokumentationslage nicht möglich.

Bereits im April 2016 hatte die Betreuerin des Klägers einen Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. O. M. vom 02.02.2016 vorgelegt. Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des Zahnarztes Dr. B. vom 06.07.2016 erließ der Beklagte am 12.10.2016 einen Bescheid, mit dem er dem Kläger Zahnersatz nach § 10 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) für Schwerbeschädigte laut dem Heil- und Kostenplan vom 02.02.2016 bewilligte. Die Versorgung mit Zahnersatz erfolge als Sachleistung (100% der jeweiligen Regelversorgung) gemäß § 18 Abs. 1 BVG. Wähle der Kläger gleichartigen oder andersartigen Zahnersatz, so begrenze sich die Sachleistungspflicht nach dem BVG auf den doppelten Festzuschuss für die befundbezogene Regelversorgung und der Kläger hätte die darüber hinausgehenden Kosten selbst zu tragen.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, dass die genehmigte Regelversorgung völlig ungeeignet sei. Die geplante prothetische Versorgung sei die einzig sinnvolle und fachlich richtige Lösung.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2017 zurückgewiesen.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 11.04.2017 Klage.

Im April 2017 legte der Kläger bei dem Beklagten einen aktuellen Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. M. vom 15.04.2017 vor.

Mit Bescheid vom 29.06.2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger Zahnersatz nach § 10 Abs. 2 BVG für Schwerbeschädigte laut Heil- und Kostenplan vom 15.04.2017. Eine vollständige Kostenübernahme darüber hinaus, einschließlich der Implantat-Versorgung für die Zähne 17, 15, 13, 23, 25 und 27, wurde abgelehnt. Die Versorgung mit Zahnersatz erfolge als Sachleistung (100% der jeweiligen Regelversorgung) gemäß § 18 Abs. 1 BVG. Wähle der Kläger gleichartigen oder andersartigen Zahnersatz, so begrenze sich die Sachleistungspflicht nach dem BVG auf den doppelten Festzuschuss für die befundbezogene Regelversorgung und der Kläger hätte die darüber hinausgehenden Kosten selbst zu tragen.

In der Folge erging am 20.12.2018 noch ein weiterer Bescheid des Beklagten, mit dem dem Kläger Zahnersatz nach § 10 Abs. 2 BVG für Schwerbeschädigte laut Heil- und Kostenplan vom 15.04.2017 bewilligt wurde. Auch hier wurde wortgleich ausgeführt, dass die Versorgung mit Zahnersatz als Sachleistung (100% der jeweiligen Regelversorgung) gemäß § 18 Abs. 1 BVG erfolge. Wähle der Kläger gleichartigen oder andersartigen Zahnersatz, so begrenze sich die Sachleistungspflicht nach dem BVG auf den doppelten Festzuschuss für die befundbezogene Regelversorgung und der Kläger hätte die darüber hinausgehenden Kosten selbst zu tragen.

Der Kläger macht mit seiner Klage insbesondere geltend, dass eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate bei ihm nicht möglich sei. Eine Implantat-Versorgung sei medizinisch notwendig und von dem Beklagten in voller Höhe zu übernehmen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12.10.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2017 und in Gestalt der Bescheide vom 29.06.2017 und 20.12.2018 zu verurteilen, die Kosten der von Dr. O. M. geplanten Behandlung des Klägers gemäß Heil- und Kostenplan vom 15.04.2017 in voller Höhe zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten, insbesondere auf das Vorbringen der Parteien in den eingereichten Schriftsätzen, Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig.

Sie erweist sich jedoch als unbegründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme von Behandlungskosten, welche den doppelten Festzuschuss für die befundbezogene Regelversorgung überschreiten.

Der Umfang der Heilbehandlung nach dem BVG folgt gemäß § 11 Absatz 1 Satz 2 BVG den Vorgaben des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit nicht im BVG Abweichendes geregelt ist.

Bei einer Implantat-Versorgung handelt es sich grundsätzlich um keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch um keine Leistung der Heilbehandlung nach dem BVG, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt (§ 29 Abs. 2 Satz 9 SGB V). Als Ausnahmeindikationen für implantologische Leistungen wurden festgelegt:

a) Größere Kiefer- oder Gesichtsdefekte, die ihre Ursachen haben nach Tumoroperationen, Entzündungen des Kiefers, Operationen infolge von großen Zysten, Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantation vorliegt, angeborene Fehlbildungen des Kiefers oder in Unfällen.

b) Dauerhaft bestehende extreme Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung.

c) Generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen

d) Nicht willentlich beeinflussbare muskuläre Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z. B. Spastiken).

Im Falle des Vorliegens einer solchen Ausnahmeindikation, muss weiterhin die implantanologische Leistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung anfallen und eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate darf nicht möglich sein.

Im Falle des Klägers liegt bereits keine der genannten Ausnahmeindikationen vor.

Auch sieht das Gericht hier keinen Fall einer besonderen Härte im Sinne des § 89 BVG. Die Begrenzung der dem Kläger zu gewährenden Leistungen auf solche Leistungen, welche krankenversicherte Menschen von ihrer gesetzlichen Krankenversicherung maximal erhalten können, stellt auch unter Beachtung der Umstände des Falles des Klägers keine besondere Härte dar.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

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