LG Berlin, Beschluss vom 17.03.2021 - 84 T 45/21
Fundstelle
openJur 2021, 18487
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 4, 6 Abs. 1, 21 Abs. 1 Satz 2 InsO, 569 ZPO zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Das Insolvenzgericht hat mit Recht gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, Verfügungen der Schuldnerin von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig gemacht und die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin untersagt sowie etwaige laufende Vollstreckungsmaßnahmen einstweilen eingestellt.

In einem Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann das Insolvenzgericht nach § 21 InsO vorläufige Maßnahmen treffen, um bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag nachteilige Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Die Anordnung einer vorläufigen Maßnahme setzt voraus, dass ein zulässiger Insolvenzantrag anhängig ist (vgl. BGH, NZI 2007, 344 [344]; BGH, NZI 2008, 550 [550]). Dazu ist erforderlich, dass der Insolvenzantrag von einem Antragsberechtigten gestellt worden ist und die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen wie die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts und die Insolvenzverfahrensfähigkeit vorliegen. Hat ein Gläubiger den Antrag gestellt, muss nach § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO zusätzlich ein rechtliches Interesse an der Verfahrenseröffnung bestehen und die Forderung des Gläubigers glaubhaft gemacht worden sein.

Nach diesen Maßstäben ist der Insolvenzantrag der Beteiligten zu 2) und 3) zulässig. Insbesondere haben die Antragsteller mit vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. November 2020 - 64 S 74/19 - eine Forderung über 26.400,- € nebst Zinsen glaubhaft gemacht. Die Zulässigkeit des Insolvenzantrags wird gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht dadurch berührt, dass die Gesellschafterin der Schuldnerin diese Forderung nach der Antragstellung ausgeglichen hat. Der Insolvenzgrund des § 17 Abs. 1 InsO ist ebenfalls hinreichend glaubhaft gemacht. Die Antragsteller haben eine Vielzahl von Forderungen dargelegt, die die Schuldnerin selbst nicht beglichen hatte und auf die allenfalls von ihrer Gesellschafterin Zahlungen geleistet wurden. Auf die Frage des Sachverständigen, ob die Schuldnerin rechtskräftig titulierte Ordnungsgelder in Höhe von 300.000,- € zu zahlen habe, hat sich die Schuldnerin bisher nur ausweichend geäußert. Für die weiteren Einzelheiten wird jeweils auf die zutreffenden Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss des Insolvenzgerichts vom 17. Februar 2021 Bezug genommen.

Der Antrag ist auch nicht mangels eines rechtlichen Interesses an der Antragstellung unzulässig. Grundsätzlich hat jeder Gläubiger, der eine Forderung und einen Eröffnungsgrund glaubhaft machen kann, ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05 -, NZI 2006, 588 [589]). Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob der Gläubiger mit einer Befriedigung rechnen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 23. September 2010 - IX ZB 282/09 -, NZI 2011, 58 [59]). Das berechtigte Interesse entfällt nur dann, wenn der Gläubiger mit dem Antrag ausschließlich insolvenzfremde Zwecke verfolgt. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Gläubiger mit dem Antrag einen Konkurrenten vom Markt verdrängen will oder wenn er kein gemeinschaftliches Befriedigungsverfahren, sondern nur die bevorzugte Befriedigung seiner eigenen Forderung anstrebt und den Antrag dafür als Druckmittel einsetzen will (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Mai 2011 - IX ZB 214/10 -, NZI 2011, 540 [540]; BGH, Beschl. v. 24. September 2020 - IX ZB 71/19 -, NZI 2020, 1043 [1044]).

Den Ausnahmefall des insolvenzzweckwidrigen Verhaltens hat der Schuldner darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05 -, NZI 2006, 588 [590]). Dafür reicht das Vorbringen der Schuldnerin hier nicht aus. Insbesondere kann die Verfahrensverzögerung, die mit einer Unterbrechung des Räumungsrechtsstreits nach § 240 Satz 1 ZPO einherginge, nicht als allein tragender Beweggrund für den Insolvenzantrag angesehen werden. Der Rechtsstreit könnte durch den Insolvenzverwalter jederzeit nach den Vorschriften des Insolvenzverfahrens wieder aufgenommen werden. Die Antragsteller könnten auch nicht ernsthaft damit rechnen, dass der Insolvenzverwalter den Rechtsstreit mit geringerem Nachdruck als die Schuldnerin selbst führen würde.

Ein insolvenzfremdes Motiv der Antragsteller lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass sie mit der Stellung des Insolvenzantrages gedroht hatten, wenn die Schuldnerin weiterhin ihre Forderungen aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen gegen sie geltend mache. Die Drohung mit einem Insolvenzantrag mag von den Antragstellern als Druckmittel gegen die Schuldnerin benutzt worden sein. Nachdem aber die Drohung selbst ihr Ziel verfehlt hatte, kann die Ausführung der Drohung nicht ebenfalls als Druckmittel angesehen werden; denn nunmehr fehlt es an einer Verknüpfung zwischen dem Handeln oder Unterlassen der Antragsteller und dem erstrebten Forderungsverzicht.

Ebenso wenig deutet es zwingend auf eine Schädigungsabsicht der Antragsteller hin, dass sie versuchten, einen Ausgleich ihrer Forderungen durch die Schuldnerin zu verhindern. Es ist einem Gläubiger schon nicht vorzuwerfen, wenn er von einem insolvenzreifen Schuldner keine Zahlungen entgegennehmen will, mit deren Anfechtung er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechnen muss. Ob den schließlich doch entgegengenommenen Zahlungen Erfüllungswirkung zukommt, ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO für das rechtliche Interesse an der Antragstellung nicht von Belang.

Auch die Unterstützung des weiteren Insolvenzantrages, der durch den Gläubiger Dr. ... gestellt wurde, lässt sich nicht ohne weiteres auf insolvenzfremde Motive zurückführen. Der Beteiligte zu 3) hat zwar in seiner E-Mail vom 20. September 2020 (Anlage A 41) diesen Gläubiger zu einem eigenen Insolvenzantrag mit dem Argument zu überzeugen versucht, die Bauträgerin (Schuldnerin) müsse endlich zu Fall gebracht werden, weil ihre Ankündigungen von Zahlungen auch in Zukunft ins Leere gehen würden und das Haus, vor allem das Gemeinschaftseigentum, daher immer mehr vergammeln werde. Dieses Argument zielt aber genau darauf ab, dass die Gläubiger der Schuldnerin eine geordnete Befriedigung ihrer Forderungen nur durch eine Abwicklung der Schuldnerin in einem Insolvenzverfahren erreichen können und andernfalls mit immer größeren Schäden an ihrem Vermögen zu rechnen haben. Im Insolvenzeröffnungsverfahren lässt sich nicht abschließend entscheiden, ob der Beteiligte zu 3) das Argument möglicherweise nur vorgeschoben und tatsächlich eine Schädigung der Schuldnerin durch ein ungerechtfertigtes Insolvenzverfahren beabsichtigt hat. Darauf kommt es aber auch nicht an, weil diese Möglichkeit jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich und damit gemäß §§ 4 InsO, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht worden ist.

Die nach § 21 Abs. 2 InsO getroffenen Sicherungsmaßnahmen sind erforderlich und verhältnismäßig. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die Schuldnerin nach den Angaben im Zwischenbericht des Beteiligten zu 1) vom 11. Januar 2021 über frei veräußerbares Liegenschaftsvermögen sowie über - sei es auch noch nicht fällige - Forderungen von 1.700.000,- € verfügen soll. Angesichts dessen sind die Maßnahmen geboten, um bis zur möglichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Schmälerung der künftigen Insolvenzmasse zu verhindern, und belasten die Schuldnerin auch nicht über Gebühr. Für die Einzelheiten wird wiederum auf die zutreffenden Ausführungen des Insolvenzgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 17. Februar 2021 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.

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