KG, Beschluss vom 25.03.2021 - 12 AktG 1/21
Fundstelle
openJur 2021, 18195
  • Rkr:

1. Es ist auch im Freigabeverfahren gemäß § 246a AktG Aufgabe des klagenden Aktionärs, die Voraussetzungen für einen Stimmrechtsverlust gemäß § 44 WpHG darzulegen und zu beweisen. Es ist nicht ausgeschlossen, insoweit die Grundsätze der sog. sekundären Darlegungslast heranzuziehen. Dafür bedarf es jedoch des Vortrags von hinreichenden Anknüpfungstatsachen (s. BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 - I ZR 150/15, Rn. 28, juris).

2. Der Beschluss über eine Herabsetzung des Grundkapitals im vereinfachten Verfahren gemäß § 237 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AktG bedarf grundsätzlich keiner sachlichen Rechtfertigung. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Kapitalherabsetzung in Folge eines Delisting beschlossen werden soll, um der Aktiengesellschaft zu ermöglichen, selbst die von ihr emittierten Wertpapiere zu erwerben.

3. Bei der Abwägung gemäß § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG haben die Interessen der Aktiengesellschaft grundsätzlich Vorrang, sofern kein besonders schwerer Rechtsverstoß in Betracht kommt. Für die Annahme eines solchen kann die fehlerhafte Nichtberücksichtigung von Aktionärsstimmen genügen, in der Regel jedoch nicht die fehlerhaft zugunsten eines Aktionärs gewerteten Stimmen.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die von den Antragsgegnern erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen zu dem verbundenen Aktenzeichen des Landgerichts Berlin 100 O 68/20 der Eintragung des auf der Hauptversammlung der Antragstellerin am 24. September 2020 unter Tagesordnungspunkt 1 gefassten Beschlusses über die Herabsetzung des Grundkapitals der Antragstellerin durch Einziehung von Aktien nach Erwerb durch die Antragstellerin und der Eintragung der Durchführung der Kapitalherabsetzung im Handelsregister nicht entgegenstehen und dass etwaige Mängel des Beschlusses die Wirkung seiner Eintragung unberührt lassen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegner zu 1, 2 und 3 zu je einem Drittel. Die Antragsgegner und der Streithelfer tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, eine Societas Europaea mit Sitz in Berlin, begehrt die Freigabe eines auf ihrer außerordentlichen Hauptversammlung am 24. September 2020 gefassten Beschlusses über eine Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien nach deren Erwerb in Folge eines Delisting-Verfahrens, in dem sie selbst als Bieterin aufgetreten ist.

Die Antragstellerin ist weltweit tätig und entwickelt internetbasierte Geschäftsmodelle, indem sie Technologie-Unternehmen gründet und finanziert. Das Grundkapital der Antragstellerin betrug im September 2020 ca. 135,69 Mio. € und ist eingeteilt in Stückaktien mit einem Anteil am Grundkapital von jeweils 1,00 €. An der Antragstellerin waren der Vorstand S1... mit 4,53 % und als Großaktionärin mit 45,11 % die G... GmbH beteiligt. Letztere wird beherrscht durch die Mehrheitsgesellschafterin R... GmbH, diese wiederum durch die Mehrheitsgesellschafterin Z... GmbH. Deren Gesellschafter zu jeweils 50 % sind die S1... Familienstiftung einerseits und die A... Stiftung andererseits, beide jeweils in Liechtenstein ansässig.

Vorstand und Aufsichtsrat der Antragstellerin gaben gemäß ad hoc-Meldung vom 1. September 2020 bekannt, den Handel der R...-Aktien am Regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse und an der Luxemburger Wertpapierbörse zu beenden. Zur Ermöglichung des Börsenrückzugs gab der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates ein Rückerwerbsangebot der Antragstellerin gegenüber ihren Aktionären auf der Grundlage des durchschnittlichen Börsenkurses der letzten sechs Monate in Höhe von 18,57 € je Aktie ab, das von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit Bescheid vom 9. September 2020 gebilligt und nach Durchführung der Hauptversammlung veröffentlicht wurde. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2020 widerrief die Frankfurter Wertpapierbörse auf Antrag der Antragstellerin deren Zulassung im regulierten Markt; dagegen wendet sich der Antragsgegner zu 2 mit einem Widerspruch vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, das die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit Beschluss vom 30. Oktober 2020 abgelehnt hat. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Februar 2021 zurückgewiesen.

Im Hinblick auf den beabsichtigten Erwerb eigener Aktien im Rahmen des Delisting-Angebotes durch die Antragstellerin sollte eine Kapitalherabsetzung mit anschließender Einziehung der erworbenen Aktien stattfinden. Zu diesem Zweck lud die Antragstellerin mit am 1. September 2020 im Bundesanzeiger veröffentlichter Einladung zu einer außerordentlichen Hauptversammlung am 24. September 2020 ein. Auf dieser wurden folgende Beschlüsse gefasst: zu TOP 1 a) über die Herabsetzung des Grundkapitals der Antragstellerin gemäß § 237 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 und Abs. 5 AktG um bis zu 69.447.991,00 € in Form der Einziehung der von der Antragstellerin noch zu erwerbenden Aktien, zu TOP 1 b) über die Ermächtigung des Vorstands, eigene Aktien gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG zu erwerben, zu TOP 1 c) über die Ermächtigung des Aufsichtsrates, die Satzung entsprechend zu ändern, sowie zu TOP 2 über die Ermächtigung des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien und zu deren Verwendung einschließlich der Ermächtigung zur Einziehung erworbener eigener Aktien und Kapitalherabsetzung; wegen der Einzelheiten der Beschlussfassungen wird auf die Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung und die dort vorgeschlagenen vollständigen Beschlussfassungen (Anlage AS 8, dort Seite 3-12) sowie auf die Niederschrift über die virtuelle außerordentliche Hauptversammlung (Anlage AS 14, Seite 13-15) Bezug genommen. Die Antragsgegner zu 1 und 2 haben Widerspruch gegen die gefassten Beschlüsse erklärt; der Antragsgegner zu 3 hat seinen Widerspruch ohne nähere Konkretisierung über das Hauptversammlungsportal übermittelt. Gegen sämtliche Beschlüsse haben die Antragsgegner Klage vor dem Landgericht Berlin erhoben, und zwar der Antragsgegner zu 1 zum Aktenzeichen 100 O 68/20; die Klage ist den Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern der Antragstellerin an unterschiedlichen Tagen, dem letzten Mitglied am 11. November 2020, zugestellt worden. Die von dem Antragsgegner zu 2 zum Aktenzeichen 27 O 153/20 und die von dem Antragsgegner zu 3 zum Aktenzeichen 105 O 147/20 erhobenen Klagen sind zu dem führenden Aktenzeichen 100 O 68/20 verbunden worden.

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag die Freigabe des Beschlusses ihrer Hauptversammlung vom 24. September 2020 zu TOP 1 a und b, dessen Zustandekommen der Vorstand der Antragstellerin nach Erörterung, Diskussion und Abstimmung mit 81,0871 % bzw. 80.808.575 Ja-Stimmen der abgegebenen gültigen Stimmen bei 18.847.914 Nein-Stimmen festgestellt hat.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Hauptsacheklagen seien offensichtlich unbegründet und deshalb der Antrag gemäß § 246 a Absatz 2 Nr. 1 AktG erfolgreich. Die Anfechtungsklagen seien zwar formal gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse gerichtet; tatsächlich würden sich die Antragsgegner jedoch gegen den Börsenrückzug der Antragstellerin wenden. Dieses Rechtsschutzbegehren sei nicht statthaft. Zudem seien sowohl der Entschluss zum Börsenrückzug wie auch das Rückerwerbsangebot rechtmäßig; die von der Antragstellerin angebotene und gezahlte Gegenleistung liege über dem von der BaFin gemäß den Vorgaben des Börsengesetzes (BörsG) ermittelten gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der Gesellschaft in den sechs Monaten vor Veröffentlichung des Rückerwerbsangebotes. Der Kapitalherabsetzungsbeschluss, dessen Freigabe allein begehrt werde, sei in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht gefasst worden und sei auch nicht gemäß § 243 Abs. 2 AktG anfechtbar, da er weder der Großaktionärin einen ungerechtfertigten Sondervorteil zu Lasten der Mitgesellschafter verschaffe noch in sonstiger Weise gegen die Treuepflichten verstoße.

Zudem hätten die Antragsgegner zu 2 und 3 nicht das erforderliche Quorum gemäß § 246 a Abs. 2 Nr. 2 AktG erreicht.

Ferner entstünden der Antragstellerin und ihren Aktionären durch die mit der Hauptsacheklage verhinderte Eintragung der Kapitalherabsetzung wesentliche wirtschaftliche Nachteile im Sinne von § 246a Absatz 2 Nr. 3 AktG. Denn der Beschluss gemäß Tagesordnungspunkt 1 werde gemäß dem dortigen letzten Absatz ungültig, wenn er nicht spätestens bis zum 30. Juni 2021 durchgeführt und im Handelsregister eingetragen worden sei. Dies hätte zur Folge, dass sie gemäß § 71c AktG gezwungen sei, die im Rahmen des Rückerwerbsangebotes erworbenen 27.596.228 Aktien zu veräußern, und dafür das Marktrisiko trage, das sich insbesondere dann verwirkliche, wenn der Aktienwert unter den Betrag der Angebotsgegenleistung sinken würde. Demgegenüber beeinträchtige die Eintragung der Kapitalherabsetzung in das Handelsregister die Antragsgegner in keinen rechtlichen Belangen.

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass die Erhebung der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen der Antragsgegner zu dem verbundenen Aktenzeichen des Landgerichts Berlin 100 O 68/20 der Eintragung des auf der Hauptversammlung der Antragstellerin am 24. September 2020 unter Tagesordnungspunkt 1 gefassten Beschlusses über die Herabsetzung des Grundkapitals der Antragstellerin durch Einziehung von Aktien nach Erwerb durch die Antragstellerin und der Eintragung der Durchführung der Kapitalherabsetzung im Handelsregister nicht entgegenstehen und dass etwaige Mängel des Beschlusses die Wirkung seiner Eintragung unberührt lassen.

Die Antragsgegner und der Streithelfer beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

Dem Antragsgegner zu 1 ist die Antragsschrift am 25. Januar 2021, dem Antragsgegner zu 2 am 26. Januar 2021 und dem Antragsgegner zu 3 am 22. Januar 2021 zugestellt worden. Der Antragsgegner zu 1 hat mit bei dem Kammergericht am 1. Februar 2021 eingegangenem Schriftsatz eine Bankbestätigung im Original vorgelegt, wonach er schon vor dem 1. September 2020 und seitdem bis zum 29. Januar 2021 fortbestehend insgesamt 92.365 Aktien der Antragstellerin halte.

Der Antragsgegner zu 2 hat mit am 2. Februar 2021 bei dem Kammergericht eingegangenem Schriftsatz eine Bankbestätigung vom 25. Januar 2021 vorgelegt, wonach er schon vor dem 1. September 2020 und danach unverändert insgesamt sechs Aktien halte. Der Antragsgegner zu 3 und der Streithelfer, der dem Rechtsstreit auf Seiten des Antragsgegners zu 1 beigetreten ist, haben keine Bestätigung eingereicht.

Der Antragsgegner zu 1 ist der Auffassung, seine Anfechtungsklage sei nicht offensichtlich unbegründet. Aufgrund der erforderlichen vollständigen Rechtsprüfung seines Vortrages in der Klagebegründung lasse sich keine eindeutige Rechtslage, die unzweifelhaft gegen die Erfolgsaussicht spreche, erkennen. So würde die Antragstellerin zu Unrecht zwischen dem Delisting-Rückerwerbsangebot und den angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüssen künstlich trennen, obwohl sie zugestanden habe, dass der "wahre" innere Wert der Aktie im Sinne von § 39 Abs. 3 Satz 3 BörsG weit oberhalb des angebotenen Rückerwerbspreises von 18,57 € je Aktie liege, wie sich auch aus einem Gutachten von Professor Dr. Sch... (Anlage AG 3: wahrer Wert von mindestens 29,21 € pro Aktie; inklusive stiller Reserven 34,29 € pro Aktie) ergebe, und obwohl das Delisting-Rückerwerbsangebot nur durchgeführt werden solle, wenn ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss gefasst werde. Beides sei damit untrennbar miteinander verknüpft. Das Delisting-Angebot sei jedoch fehlerhaft, da die "gemeinsam handelnden Personen" im Sinne von § 2 Abs. 5 Satz 1 WpÜG nicht zutreffend benannt worden seien und damit eine fehlerhafte ad hoc-Meldung vorliege, die die Antragstellerin dazu verpflichte, gemäß § 39 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BörsG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 MAR [VO (EU) 596/2014 = Marktmissbrauchs-VO], den wahren Wert anhand einer Bewertung des Unternehmens zu zahlen. Denn die Z... GmbH habe entgegen der Angaben der Antragstellerin einen beherrschenden Gesellschafter, da davon auszugehen sei, dass S1... sowohl die S1... Familienstiftung als eine der 50 %-Gesellschafterin als auch die zweite 50 %-Gesellschafterin, die A... Stiftung, beherrsche und dadurch mittelbar beherrschender Gesellschafter der Großaktionärin G... GmbH sei. Die wahren Beteiligungsverhältnisse seien mithilfe von intransparenten ausländischen Stiftungsstrukturen bewusst verschleiert worden; dementsprechend sei es der Antragstellerin nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast möglich und zumutbar, nähere Angaben zu den beiden Stiftungen zu machen. Aus der zugleich darin liegenden Verletzung der Mitteilungspflicht gemäß §§ 33, 34 WpHG folge, dass die betreffenden Aktien der Großaktionärin und des S1... selbst einem Rechtsverlust und damit einem Stimmverbot unterlegen hätten, § 44 WpHG.

Die ad hoc-Meldung am 1. September 2020 sei zudem offenkundig verspätet im Sinne von Art. 7 Abs. 1 und 2 MAR, da der interne Willensbildungsprozess des Vorstands und Aufsichtsrates über das Delisting bereits lange vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen gewesen sei, wie sich nicht zuletzt auch aus der Presseberichterstattung seit Mitte 2019 erkennen lasse.

Schließlich stehe das Rückerwerbsangebot unter einer unzulässigen Bedingung entgegen § 39 Abs. 3 Satz 1 BörsG, da es nur durchgeführt werden sollte, wenn ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss gefasst werde.

Zudem seien grundlegende Aktionärsrechte verletzt. So verstoße die Antragstellerin gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 53a AktG, da es zahlreiche Aktionärsgruppen gebe, die aufgrund ihrer eigenen Vorgaben nur in börsennotierte Werte investieren dürften und daher in eine Zwangslage geraten seien, die sie zu einem Verkauf verpflichtet hätten; dies führe zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Hauptaktionärs auf Kosten der anderen Aktionäre. Zudem werde mit dem Kapitalherabsetzungsbeschluss gegen die Treuepflicht verstoßen, da die Antragstellerin für den Erwerb der Aktien aus ihrem eigenen Vermögen fast 1,3 Milliarden € aufwenden müsse, die anschließend zum Vorteil der Großaktionärin und damit des Vorstands S1... eingezogen und vernichtet würden. Schließlich beinhalte der angefochtene Beschluss zu TOP 1 einen ungerechtfertigten rechtswidrigen Sondervorteil zulasten der außenstehenden Aktionäre, indem der Vorstand für sich die verborgenen Werte der Beteiligungen abschöpfe.

Weiterhin habe die Antragstellerin gravierend das Frage-und Auskunftsrecht, das gemäß Art. 9 Abs. 1 und 2 ARRL (RL 2007/36/EG vom 11. Juli 2007, insoweit durch Richtlinie 2017/828/EG vom 17. Mai 2017 unverändert) und Art. 14 GG geschützt werde, verletzt, wie im Einzelnen auf Seite 43-45 der Antragserwiderung (Bd. I Blatt 116-118 d.A.) ausgeführt.

Schließlich sei auch ein vorrangiges Vollzugsinteresse der Antragstellerin gemäß § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG nicht erkennbar. Ein solches sei bereits zu verneinen, wenn wie vorliegend ein schwerwiegender Rechtsverstoß gegeben sei. Jedenfalls habe die Antragstellerin, soweit der Kapitalherabsetzungsbeschluss nicht eingetragen werden würde, weder einen konkreten wirtschaftlichen Schaden dargelegt noch glaubhaft gemacht; auch ein sonstiger relevanter Nachteil sei nicht ersichtlich. Durch die Festlegung eines Datums, bis zu dem die Eintragung im Handelsregister erfolgt sein müsse, habe sie selbst die Eilbedürftigkeit verursacht.

Die Akte des Landgerichts Berlin zum Aktenzeichen 100 O 68/20 hat vorgelegen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Der Freigabeantrag der Antragstellerin ist zulässig und begründet, § 246a Abs. 2 Nr. 2 und 3 AktG.

Das Freigabeverfahren ist zulässig. Die Antragstellerin begehrt die Freigabe eines Hauptversammlungsbeschlusses im Sinne von § 246a Abs. 1 Satz 1 AktG, da die angefochtene Kapitalherabsetzung gemäß § 237 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 Satz 5, § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG der Eintragung in das Handelsregister bedarf, um wirksam zu werden.

Es finden die Vorschriften des deutschen Aktienrechts Anwendung, § 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz - im Folgenden SEAG) in Verbindung mit Art. 5 und 9 Abs. 1 c) ii) der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates der Europäischen Union vom 8. Oktober 2001, sofern nicht in der Verordnung Abweichendes geregelt ist. Letzteres ist in Bezug auf das Freigabeverfahren nicht der Fall.

Die Vertretung der Antragstellerin allein durch den Vorstand gemäß § 78 AktG ist ausreichend, da § 246 Absatz 2 Satz 2 AktG nicht entsprechend anwendbar ist. Denn der Zweck dieser Vorschrift besteht darin zu verhindern, dass der Vorstand eigenmächtig und ohne Abstimmung mit dem Aufsichtsrat über den Beschluss disponiert, indem er Einvernehmen mit den Anfechtungsklägern erzielt. Diese ratio legis ist im Freigabeverfahren gerade nicht einschlägig, da der Vorstand vielmehr die Durchsetzung des Beschlusses erstrebt (vgl. Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 246 a Rn. 25 m.w.N. in Fn. 186; OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 5 AktG 2/20 -, Rn. 35, juris; OLG Düsseldorf Beschl. v. 22.11.2018 - 6 AktG 1/18, BeckRS 2018, 40174 Rn. 59, beck-online).

Das Kammergericht ist gemäß § 246a Abs. 1 Satz 3 AktG zuständig, da die Antragstellerin ihren Sitz in Berlin hat. Das Freigabeverfahren ist auch statthaft. Der Anwendungsbereich dieses Verfahrens ist eröffnet, wenn wie vorliegend gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über eine Maßnahme der Kapitalherabsetzung (§§ 222 bis 240 AktG) Klage erhoben worden ist. Es liegen rechtshängige Anfechtungsklagen der Antragsgegner zu 1 bis 3 vor dem Landgericht Berlin vor, vgl. Band I Blatt 28-32 der BA hinsichtlich des Antragsgegners zu 1, Band I Blatt 156 der BA hinsichtlich des Antragsgegners zu 2 und Band III Blatt 63-67 der BA hinsichtlich des Antragsgegners zu 3.

Schließlich ist auch das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin gegeben; auf eine Eilbedürftigkeit kommt es nicht an (OLG Köln, Beschluss vom 5. Mai 2014 - 18 U 28/14 -, Rn. 24, juris); im Übrigen hat die Antragstellerin den Antrag zeitnah eingereicht, nämlich innerhalb von ca. zwei Monaten, nachdem die Klage des Antragsgegners zu 1 dem letzten Mitglied von Vorstand und Aufsichtsrat am 11. November 2020 zugestellt worden war und der Freigabeantrag beim Kammergericht am 5. Januar 2021 eingegangen ist.

Die Streithelfer der Anfechtungskläger waren in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (Grigoleit/Ehmann, 2. Aufl. 2020 Rn. 10, AktG § 246a Rn. 10; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 246a Rn. 6 m.w.N. aus der Rspr.; a.A. allerdings Schwab in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 246a AktG, Rn. 40) nicht von Amts wegen an dem Freigabeverfahren zu beteiligen, da es sich hier um einen anderen Streitgegenstand handelt - nämlich ob die Anfechtungsklage der Eintragung eines angefochtenen Beschlusses in das Handelsregister entgegensteht -, sodass es nicht gerechtfertigt wäre, durch die Beiziehung der Streithelfer von Amts wegen diese dem Risiko einer weiteren Kostentragungspflicht auszusetzen, zumal die Streithelfer, auch wenn sie als Streitgenossen der Hauptpartei gelten, Prozesshelfer bleiben und nicht Partei werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. März 2008 - 5 W 4/08 -, Rn. 26, juris; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juni 2005 - 15 W 38/05 -, Rn. 28 ff., 30, juris, für das ähnlich ausgestaltete Unbedenklichkeitsverfahren gemäß § 327e Abs. 2 AktG).

Soweit der Streithelfer Professor Dr. St... dem hiesigen Freigabeverfahren aus eigener Veranlassung auf Seiten des Antragsgegners zu 1 beigetreten ist, bestehen keine rechtlichen Bedenken, auch wenn er ein Beteiligungsquorum, das auf ihn entfällt, nicht nachgewiesen hat. In der Rechtsprechung wird die Entbehrlichkeit eines Nachweises offensichtlich als selbstverständlich vorausgesetzt (vgl. den Tenor von OLG Köln, Beschluss vom 13. Januar 2014 - I-18 U 175/13 -, juris, sowie OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. November 2018 - I-6 AktG 1/18 -, juris; jeweils ohne nähere Auseinandersetzung mit der Frage) und auch in der Literatur bejaht (Drescher in: Henssler/Strohn GesR, 5. Aufl. 2021, AktG § 246a Rn. 14; Schwab in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 246a AktG, Rn. 40). Dem ist zu folgen, da der Streithelfer zwar nicht Partei wird, aber die Hauptpartei unterstützen darf.

Der Freigabeantrag ist begründet, da die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen nach dem im Freigabeverfahren zugrunde zu legenden Prüfungsmaßstab unter Berücksichtigung des derzeitigen Sach- und Streitstandes offensichtlich unbegründet sind und das Interesse der Antragstellerin und der übrigen Aktionäre an der Durchführung der angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse das Interesse der Antragsgegner an dem Aufschub überwiegt, § 246a Abs. 2 Nr. 1 und 3 AktG. Hinsichtlich der Antragsgegner zu 2 und 3 ist der Freigabeantrag zudem begründet, da diese das erforderliche Quorum nicht innerhalb der Frist gemäß § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG nachgewiesen haben.

Lediglich der Antragsgegner zu 1 hat das erforderliche Beteiligungsquorum gemäß § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG innerhalb der Wochenfrist durch Bestätigung der B... S. A. vom 29. Januar 2021, im Original bei Gericht am 1. Februar 2021 eingegangen, über das Halten von insgesamt 92.365 Aktien schon vor der Einladung zur Hauptversammlung am 1. September 2020 und fortlaufend nachgewiesen.

Dies gilt jedoch nicht für die beiden übrigen Antragsgegner. Der Antragsgegner zu 2 hat innerhalb der Wochenfrist eine Bankbestätigung über das Halten von lediglich sechs Aktien eingereicht (Bd. I Blatt 69 d.A.). § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG erfordert jedoch einen Anteilsbesitz von mindestens 1.000 €, d. h. bei Stückaktien von je 1,00 € wie vorliegend muss der anteilige Nennbetrag vom Grundkapital - da der Börsenwert nicht entscheidend ist (allgemeine Meinung, vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. Februar 2018 - 5 AktG 1/17 -, Rn. 23, juris) - durch einen Aktienbestand von mindestens 1.000 Aktien nachgewiesen werden. Der Antragsgegner zu 3 hat innerhalb der für ihn bis zum 29. Januar 2021 laufenden Frist und auch danach gar keine Bankbestätigung vorgelegt.

b) Die Antragstellerin kann ihren Freigabeantrag auch auf § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG stützen, da die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage des Antragsgegners zu 1 im Sinne dieser Vorschrift offensichtlich unbegründet sein dürfte. Nach einhelliger Auffassung ist dafür erforderlich, dass sich ohne weitere Aufklärung in der Sache - sei es auch aufgrund komplexer rechtlicher Erwägungen - die Überzeugung gewinnen lässt, dass die Klage nach sorgfältiger Prüfung aller tatsächlichen und rechtlichen Fragen ohne Aussicht auf Erfolg ist (OLG Düsseldorf Beschl. v. 22. November 2018 - 6 AktG 1/18 -, Rn. 65, beck-online; OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. Februar 2018, 12 AktG 1970/17, juris Rz. 49). Zugrunde zu legen ist das Vorbringen des Antragsgegners zu 1, der das erforderliche Quorum gemäß § 24a Abs. 2 Nr. 2 AktG im hiesigen Verfahren rechtzeitig nachgewiesen hat, in dem von ihm in Bezug genommenen Klageverfahren 100 O 68/20 vor dem Landgericht Berlin. Soweit demgegenüber die Antragsgegner zu 2 und 3 über eine nicht ausreichende Aktienanzahl verfügen, werden sie im Freigabeverfahren nicht gehört (OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. Juli 2012 - 12 AktG 778/12 - Rn. 38, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 16. August 2012 - 2 U 51/12 (AktG) -, Rn. 27, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. April 2011 - 5 Sch 4/10 -, Rn. 40, juris). Ob die dagegen angeführten Argumente des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 4. November 2009 - 7 A 2/09 -, Rn. 22 ff., juris), wonach eine gegenseitige Zurechnung des Klagevorbringens jedes einzelnen Anfechtungsklägers unabhängig von deren Quoren aufgrund des besonderen Streitgegenstandbegriffs der aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen auch im Freigabeverfahren geboten sei, überzeugen, kann offen bleiben. Denn die von den Antragsgegnern zu 2 und 3 in ihren Anfechtungsklagen vorgebrachten Gründe unterscheiden sich nicht wesentlich von den Angriffen des Antragsgegners zu 1, so dass letztlich auch eine Auseinandersetzung mit deren Argumenten erfolgt.

Aufgrund der gebotenen Prüfung der Anfechtungsklage des Antragsgegners zu 1 ist zunächst deren Zulässigkeit zu bejahen. Die Klage wendet sich gegen die hiesige Antragstellerin als richtige Klagegegnerin, vertreten durch Vorstand und Aufsichtsrat (§ 246 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG). Das Landgericht Berlin, Kammer für Handelssachen, ist für die Klage gemäß § 246 Abs. 3 Satz 1 und 2 AktG zuständig, da die Antragstellerin ihren Sitz in Berlin hat.

Die Anfechtungsklage dürfte jedoch unbegründet sein.

aa) Die materiell-rechtliche Monatsfrist gemäß § 246 Abs. 1 AktG ist gewahrt. Der angegriffene Hauptversammlungsbeschluss wurde am 24. September 2020 gefasst. Die Klage des Antragsgegners zu 1 ging - selbst wenn man nicht auf die erste Klageschrift, sondern auf die mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2020 erfolgte Präzisierung abstellt - beim Landgericht Berlin an diesem Tag und damit innerhalb der gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB bis zum Montag, den 26. Oktober 2020, laufenden Frist ein. Die Zustellungen der Klage an Vorstand und Aufsichtsrat der Antragstellerin, die aufgrund unterschiedlicher Adressen der einzelnen Mitglieder in der Zeit zwischen dem 28. Oktober 2020 und 11. November 2020 bewirkt wurden, und des die Klage präzisierenden Schriftsatzes vom 22. Oktober 2020 an deren Prozessbevollmächtigten am 16. November 2020 genügten für die Fristwahrung, da die Zustellungen als demnächst im Sinne von § 167 ZPO anzusehen waren. Diese Vorschrift findet trotz der materiell-rechtlichen Wirkung der Frist Anwendung (Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 246, Rn. 23 m.w.N.). Der Antragsgegner zu 1 hat durch Einzahlung des Kostenvorschusses bereits am 5. Oktober 2020 und Angabe der vollständigen Anschriften von Vorstand und Aufsichtsrat alles Erforderliche für eine unverzügliche Klagezustellung getan.

bb) Da eine Verletzung der Satzung nicht geltend gemacht wird, kommt nur eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften in Betracht, § 243 Abs. 1 AktG. Es ist nach den im Freigabeverfahren anzuwendenden Maßstäben davon auszugehen, dass der angefochtene Kapitalherabsetzungsbeschluss in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht gefasst worden ist.

Ein Verstoß gegen Durchführungsmängel liegt nicht vor. Die Antragstellerin hat ihre außerordentliche Hauptversammlung in Übereinstimmung mit Art. 2 § 1 Abs. 8, Abs. 2 Satz 1, § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (im Folgenden: COVID-19-Gesetz - jeweils a.F., soweit nicht anders angegeben) form- und fristgerecht als virtuelle Hauptversammlung durchgeführt. Insbesondere eine Verletzung von Auskunftsrechten gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 COVID-19-Gesetz hat der Antragsgegner nicht hinreichend dargetan, da die Möglichkeit, Fragen nur bis zu zwei Tage vor der Hauptversammlung in elektronischer Form einzureichen, nicht aber während der laufenden Versammlung stellen zu können, der Gesetzesvorschrift entspricht. Es bestehen bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Art. 2 § 1 Abs. 7 COVID-19-Gesetz, der das in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG niedergelegte Frage- und Auskunftsrecht des Aktionärs einschränkt und eine Anfechtbarkeit nur bei vorsätzlichen Verstößen zulässt, gegen europäisches Recht, insbesondere gegen Art. 8 und 9 der Richtlinie 2007/36/EG, sowie gegen Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen könnten. Die teilweise pauschal abwertende Kritik (Vossius in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 188. Lieferung, Umwandlungsrecht aktuell: "Hauptversammlung als 'nordkoreanischer Parteitag online' ") ist nicht nachzuvollziehen. Zutreffend dürfte vielmehr sein, von einer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht auszugehen. Denn Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der vorgenannten Richtlinie verlangt nicht die Ausgestaltung des Fragerechts als in der Versammlung verbal auszuübendes Recht, sondern Vorbemerkung 8 der Richtlinie überlässt es den Mitgliedstaaten, festzulegen, wann und wie Fragen zu stellen sind.

Soweit der Vorstand gemäß Art. 2 § 1 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 COVID-19-Gesetz nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen entscheiden kann, welche Fragen er beantwortet, könnte diese Regelung dem Wortlaut nach bedenklich sein. Dementsprechend ist Art. 2 § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 COVID-19-Gesetz n.F. mit Geltung für Hauptversammlungen, die ab dem 28. Februar 2021 stattfinden, inzwischen dahin geändert worden, dass es nicht nur eine Fragemöglichkeit, sondern ein Fragerecht gibt, sodass der Vorstand Fragen beantworten muss (Rubner/Pospiech, NJW-Spezial 2021, 79 f.). Die hier noch anwendbare alte Fassung ist jedoch sekundärrechts- und grundgesetzkonform dahin auszulegen, dass eine Nichtbeantwortung jedenfalls dann unbedenklich wäre, wenn (nur) dadurch der ordnungsgemäße Ablauf der Versammlung gewährleistet würde, wie dies auch in Art. 9 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2007/36/EG ausdrücklich als zulässig erachtet wird (vgl. auch Tröger, BB 2020, 1091 ff., 1094, m.w.N. in Fn. 42).

Unabhängig davon kann die Frage der Europarechtswidrigkeit dieser Vorschrift in Form der alten Gesetzesfassung offenbleiben. Eine Aussetzung des Verfahrens und das Ersuchen an den EuGH, im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV die Frage eines Verstoßes gegen europäisches Recht zu beantworten, kommt jedenfalls nicht in Betracht. Zwar entscheidet der Senat im Freigabeverfahren als letztinstanzliches Gericht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass auch in Eilverfahren bei Annahme der Voraussetzungen grundsätzlich eine Vorlagepflicht besteht (Staudinger in: Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 5. Aufl. 2021, Einleitung, Rn. 60, vgl. ferner BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -, Rn. 18, juris, für ein verwaltungsrechtliches Eilverfahren), scheidet dies vorliegend aus, da ein etwaiger Verstoß gegen europäisches Recht zum einen bereits nicht hinreichend dargetan ist, zum weiteren ein unterstellter Verstoß jedenfalls nicht relevant für eine Anfechtbarkeit wäre.

So hat der Antragsgegner zu 1 in seinem die Anfechtungsklageschrift präzisierenden Schriftsatz vom 22. Oktober 2020 bereits nicht dargelegt, dass der Vorstand die Beantwortung von Fragen verweigert haben könnte, wie auch auf Seite 9 der Niederschrift des Protokolls der Hauptversammlung in Anlage AS 14 festgehalten ("alle ... eingereichten Fragen beantwortet"). Soweit der Antragsgegner zu 1 auf Seite 39 f. der ergänzenden Klageschrift (Band I Blatt 71 f. BA) rügt, die drei dort konkret genannten Fragen seien "nichtssagend" beantwortet worden, ist diese Wertung nicht gerechtfertigt. Denn die Frage 1 (gemeint: Frage 50 gemäß Anlage AS 15), warum die Beklagte die von ihr gehaltenen Aktien an der U... AG verkauft habe, ist durch die Angabe des Grundes, Verflechtungen abzubauen, hinreichend beantwortet. Die Frage 2 (gemeint: Frage 82 in vorgenannter Anlage), warum das Delisting-Abfindungsangebot von der Antragstellerin selbst abgegeben werden solle und nicht durch die Großaktionärin, ist ebenfalls hinreichend beantwortet worden, indem auf die Unabhängigkeit von der Mitwirkung eines Dritten verwiesen wurde. Gleiches gilt schließlich für die Beantwortung der Frage 3 (gemeint: Frage 145 der vorgenannten Anlage), mit der die Frage nach Abstimmungen mit dem Aktionär B... verneint worden ist (ebenso Landgericht Berlin, Beschluss vom 4. Februar 2021 - 100 O 70/20). Die abweichenden bloßen Mutmaßungen in einem Pressebericht, bei dem nicht ersichtlich ist, auf welchen Informationen dieser beruhte, rechtfertigen es nicht, eine "nicht gewissenhafte und getreue" Beantwortung zu unterstellen.

Ebenso wenig ist eine nicht ausreichende Beantwortung der Fragen 95 und 103 (Anlage AS 22) zu erkennen, so dass es nicht darauf ankommt, ob es sich um einen im Freigabeverfahren zu berücksichtigenden Vortrag des Antragsgegners zu 1 handelt. Denn innerhalb der Anfechtungsfrist hat er hinsichtlich der vorgenannten Fragen eine Verletzung von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht gerügt; Anfechtungsgründe, die über den eingeführten Kern hinausgreifen, sind jedoch nach Ablauf der Klagefrist präkludiert (Drescher in: Henssler/Strohn GesR, 5. Aufl. 2021 Rn. 9, AktG § 246 Rn. 9). Jedenfalls aber hat der Vorstand in ausreichender Beantwortung der Frage 95 die Höhe der von der Antragstellerin am 31. August 2020 gehaltenen Anteilen an börsennotierten Unternehmen unter Benennung des jeweiligen Marktwertes angegeben. Auch die Antwort auf die Frage 10 ist nicht zu beanstanden. Der Vorstand hat im Allgemeinen die Einsparpotenziale dargelegt, den Betrag der durch das Delisting nicht mehr aufzuwendenden, an die BaFin zu zahlenden jährlichen Umlage mit 100.000,00 € konkret beziffert und im Übrigen erläutert, warum sich weitere konkrete Zahlen eines Einsparvolumens zum Zeitpunkt der Hauptversammlung nicht seriös ermitteln ließen. Ob der Vorstand die Frage 94 nach den zehn größten nicht börsennotierten Beteiligungen hinreichend beantwortet hat, soweit er nur die beiden höchsten Beteiligungen (24 % an T...und 15 % an dem R...Fonds) des insgesamt mit rund 600 Millionen Euro bewerteten Anteilsbestands an den nachgefragten Unternehmen konkret benannt hat, kann offenbleiben. Für eine ausreichende Beantwortung spricht allerdings, dass es sich um die beiden Beteiligungen handeln sollte, die den größten Teil des mit 660 Millionen Euro bewerteten Bestandes an Beteiligungen darstellen sollten.

Jedenfalls fehlt es an der Relevanz einer etwa nicht ausreichenden Beantwortung dieser und der vorgenannten Fragen. Denn gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 AktG ist eine Anfechtung wegen Informationsmängeln nur eingeschränkt möglich. Erforderlich ist, dass nach einer am Zweck der verletzten Norm orientierten wertenden Betrachtung die Vernichtung des Beschlusses wegen seines rechtswidrigen Eingriffs in die Mitgliedsrechte der Aktionäre geboten ist, mithin die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt (Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 243 Rn. 46a, b; Schäfer in: Münchener Kommentar, AktG, 5. Aufl. 2021, § 243 Rn. 121). Die mit Wirkung ab November 2005 erfolgte Neufassung der Norm in Abs. 4 trägt den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Rechnung, wonach eine Relevanz des Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits erforderlich ist (grundlegend BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 250/02 -, Rn. 14, juris; zuletzt BGH, Urteil vom 9. Oktober 2018 - II ZR 78/17 -, Rn. 33, juris; BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - II ZR 196/12 -, juris). Der Antragsgegner zu 1 zeigt weder auf, welche Relevanz eine - unterstellt - unzutreffende oder nicht ausreichende Beantwortung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung für den Beschluss über die Kapitalherabsetzung haben sollte, noch ist dies sonst ersichtlich. Denn sämtliche Fragen, deren nicht ausreichende Beantwortung der Antragsgegner zu 1 rügt, beziehen sich im Wesentlichen auf das Delisting. Diese Entscheidung war jedoch nicht Gegenstand der angefochtenen Beschlüsse (zu der fehlenden Verknüpfung im Sinne einer Bedingung siehe nachfolgend).

(2) Ebenso wenig kommt im Rahmen des im Freigabeverfahren zugrunde zu legenden Beurteilungsmaßstabes ein Erfolg der Anfechtungsklage in Betracht, soweit der Antragsgegner zu 1 geltend macht, der Beschluss über die Kapitalherabsetzung nach § 237 Abs. 3 AktG sei nicht mit der erforderlichen einfachen Stimmenmehrheit gemäß § 237 Abs. 4 Satz 2 AktG zustande gekommen, weil ein Verstoß gegen Mitteilungspflichten hinsichtlich der Großaktionärin G... GmbH gemäß §§ 33, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 35 Abs. 1 WpHG vorgelegen haben könnte. Dies würde zwar zur Folge haben, dass deren Aktien einem Rechtsverlust und damit einem Stimmverbot gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 WpHG unterlegen hätten. Die Rechtsfolge tritt ex lege ein, ist also nicht von einer Behördenentscheidung abhängig (Emmerich/Habersack in: Schürnbrand/Habersack, 9. Aufl. 2019, WpHG § 44 Rn. 3, 13, 14). Jedoch ist für das Freigabeverfahren von einem solchen Verstoß nicht auszugehen.

Vorliegend wäre der Hauptversammlungsbeschluss nicht wirksam gefasst worden, wenn die Großaktionärin einem Stimmrechtsverbot unterlegen hätte. Lässt man von den 99.656.489 Stimmen, die bei TOP 1 an der Abstimmung teilgenommen haben, nur die auf die G... GmbH entfallenden 67.269.150 Aktien unberücksichtigt, wäre die einfache Mehrheit bei verbleibenden 32.387.339 stimmberechtigten Aktien und 18.847.914 Gegenstimmen schon nicht erreicht worden, unabhängig davon, dass auch die Stimmen der von S1... unmittelbar gehaltenen Aktien dann nicht zählen dürften. Maßgeblich für die Berücksichtigung der Aktien der Großaktionärin ist, ob die Z... GmbH als gemäß §§ 2 Abs. 6 WpÜG, 35 Abs. 1 WpHG, 290 Abs. 2 HGB beherrschende Gesellschafterin der R... GmbH, die wiederum als Mehrheitsgesellschafterin die G... GmbH beherrscht, ihrerseits keinen beherrschenden Gesellschafter hat. Unstreitig hat die Z... GmbH in ihrer letzten (vorgetragenen) Insider-Meldung vom 30. September 2016 (Anlage AS 2) gemäß § 26 Abs. 1 WpHG solches nicht mitgeteilt. Denn sie und die Antragstellerin berufen sich darauf, dass sie - insoweit unstreitig - zwei gleichberechtigte Gesellschafter zu je 50 % mit eigener Rechtsfähigkeit hat, nämlich die S1... Familienstiftung und die A...Stiftung, beide nach liechtensteinischem Recht gegründet, deren Leitungs- bzw. Verwaltungsorgane ebenso wenig veröffentlicht sind wie die den Stiftungen zugrunde liegenden Satzungen oder sonstige Vertragsurkunden, die festlegen, wem Leitungs- bzw. Abberufungsrechte hinsichtlich der Führungspersonen zukommen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt allerdings auch bei einer Stiftung als Gesellschafterin, die keine Beteiligung an ihr wie bei Personen- oder Kapitalgesellschaften kennt, eine Zurechnung von Stimmrechten aus von der Stiftung gehaltenen Aktien dann in Betracht, wenn eine Person (der Meldepflichtige) nach dem Statut Bestellungs- und Abberufungsrechte bezüglich der Leitungsorgane der Stiftung hat, und zwar auch bei ausländischen stiftungsähnlichen Rechtsformen (Veil in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 35 WpHG, Rn. 9; von Hein in: Schwark/Zimmer, 5. Aufl. 2020, WpHG § 35 Rn. 3; Hippeli, AG 2014, 147 ff.). Dann ist eine Stimmrechtszurechnung auf die beherrschende Person gerechtfertigt; gleiches kommt in Betracht, wenn die Vermögenswerte für Rechnung eines Begünstigten im Sinne von § 34 Abs. 1 Nr. 2 WpHG gehalten werden (BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 30. Oktober 2018, B.I.2.5.1.3). Erforderlich wäre dann aber vorliegend, dass eine Person als Meldepflichtiger die vorgenannten Rechte hinsichtlich beider Stiftungen ausüben könnte, damit von einem über 50 % hinausgehenden Einfluss auszugehen ist.

Im Rahmen der vorläufigen Beweiswürdigung kann von einem solchen maßgeblichen Einfluss, wie ihn der Antragsgegner hinsichtlich des Vorstandsvorsitzenden der Antragstellerin unterstellt, nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Dafür genügt nicht der Verweis des Antragsgegners zu 1 auf die Verletzung der Vorschriften über das Transparenzregister durch die Z... GmbH, da sie ihren Pflichten nach dem Handelsregister durch Angabe ihrer handelnden Personen und ihrer Gesellschafter gemäß Gesellschafterliste in Anlage AG 13 hinreichend nachgekommen ist. Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWG gelten die Verschriften nach diesem Gesetz als erfüllt, wenn die für sie erforderlichen Angaben aus dem Handelsregister elektronisch abrufbar sind. Einer Mitteilung der wirtschaftlich Berechtigten hinsichtlich der beiden Stiftungen bedarf es nicht, da die Mitteilungspflicht gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 GWG nur für juristische Personen mit Sitz in Deutschland, für den grundsätzlich auf den Satzungssitz abzustellen ist, gilt (von Schweinitz/Pichler in: Zentes/Glaab, Frankfurter Kommentar zum Geldwäschegesetz, 2. Aufl. 2020, § 20 Transparenzpflichten im Hinblick auf bestimmte Vereinigungen), soweit nicht § 20 Abs. 1 Satz 2 GWG (Verpflichtung der juristischen Person, Eigentum in Deutschland zu erwerben) eingreift, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen.

Es ist Aufgabe des klagenden Aktionärs, die Voraussetzungen für einen Stimmrechtsverlust gemäß § 44 WpHG darzulegen und zu beweisen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegner bestehen Bedenken, zu ihren Gunsten die Grundsätze der sog. sekundären Darlegungslast heranzuziehen. Solches ist dann geboten, wenn der Sachverhalt eine rechtliche Relevanz für diejenige Partei hat, die außerhalb des Geschehens steht und auf nähere Informationen des Gegners angewiesen ist. In diesem Fall genügt dessen einfaches Bestreiten nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 - VI ZR 405/19 -, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 28. Mai 2020 - III ZR 58/19 -, Rn. 33, juris; BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 - I ZR 150/15, Rn. 30, juris; BGH, Urteil vom 19. Mai 2016 - II ZR 274/15 -, Rn. 40, juris; BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 -, Rn. 16, juris). Genügt er seiner sekundären Darlegungslast, die die Verpflichtung umfasst, zumutbare Nachforschungen zu unternehmen, nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 - VI ZR 405/19 -, Rn. 16, juris). Allerdings muss der Beweisbelastete, um sich auf die sekundäre Darlegungslast seines Gegners stützen zu können, zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür vortragen, dass die Tatsachen, die zur Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs erforderlich sind, vorliegen könnten (BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 - I ZR 150/15, Rn. 28, juris).

Daran dürfte es vorliegend fehlen. Laut der Insiderveröffentlichung in Anlage AS 3 wird ausdrücklich ein beherrschender Einfluss der Gesellschafter der Z... GmbH verneint. Damit wird zugleich bekundet, dass die maßgeblichen Rechte in den Stiftungen durch unterschiedliche und sich nicht nahe stehende Personen ausgeübt werden. Soweit der Antragsgegner zu 1 darauf verweist, es bestehe kein Anlass, davon auszugehen, dass S1... sich durch die Gründung einer Stiftung des ihm bisher zustehenden Einflusses entledigen wollte, wäre dies nur insoweit nachvollziehbar, sofern er durch die Gründung der Familienstiftung weniger Einfluss haben könnte als zuvor. Dafür fehlt es jedoch an hinreichenden Anknüpfungspunkten, die der Antragsgegner zu 1 vorzutragen hätte. Denn vor Juni 2016 beherrschte der Vorstandsvorsitzende nicht die Z... GmbH, sondern war mit seinem Bruder S2... gleichberechtigter Gesellschafter (Seite 16 des Schriftsatzes vom 22. Oktober 2020, Band I Blatt 48 d.BA). Sofern er zunächst die Anteile an der Antragstellerin direkt über die G... GmbH gehalten haben sollte, ist deren Gesellschafterstruktur zu den maßgeblichen Zeiten nicht dargetan. Gerichtsbekannt aufgrund der zahlreichen Veröffentlichungen ist lediglich, dass der Vorstandsvorsitzende die Antragstellerin nicht allein, sondern mit seinen Brüdern gegründet hat. Der Antragsgegner hat jedoch nicht vorgetragen, dass der Vorstandsvorsitzende vor der Gründung der Stiftungen und deren Beteiligung an der Z... GmbH in welcher Form auch immer über eine beherrschende Stellung entweder selbst an der Antragstellerin oder an der Großaktionärin verfügt habe. Sofern einer seiner Brüder die Leitung der A... Stiftung faktisch beherrschen bzw. aus ihr begünstigt sein sollte, würde dies für eine Zurechnung dem Vorstandsvorsitzenden gegenüber ebenso wenig ausreichend sein wie die vormals bestehende direkte Beteiligung der beiden Brüder zu jeweils 50 % an der Z... GmbH. Denn ein Bruder gehört - soweit er nicht im Haushalt von jenem leben würde - nicht zu den nahe stehenden Personen, wie sich aus dem Rechtsgedanken von Art. 3 Nr. 26 MAR ergibt.

Dürften mithin auf der Grundlage des bisherigen Vortrags die Grundsätze der sekundären Darlegungslast nicht greifen, ist weiter zu prüfen, ob einem Beweisantritt des Antragsgegners zu 1 nachzugehen wäre, der sich auf Seite 17 f. des Schriftsatzes vom 22. Oktober 2020 (Band I Blatt 49 der BA sowie Anlage AG 1) u.a. auf eine Vernehmung des S1... als Partei gemäß § 445 ZPO dafür beruft, dieser beherrsche beide Stiftungen. Nicht auszuschließen ist, dass ein solcher Beweisantrag als ins Blaue hinein aufgestellt abgelehnt werden könnte. Solches kommt dann in Betracht, wenn der Antrag ohne greifbare Tatsachengrundlage nicht dem Beweis vorgetragener Tatsachen zu dienen bestimmt ist, sondern stattdessen die Ausforschung von Tatsachen zum Inhalt hat (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. Februar 2009 - 1 BvR 1232/07 -, Rn. 26, juris; BGH, Beschluss vom 20. November 2018 - II ZR 132/17 -, Rn. 14, juris). Die Entscheidung darüber, ob den Beweisangeboten - ggf. welchen der weiter von dem Antragsgegner zu 1 angeführten - nachzukommen ist oder nicht, bleibt dem Landgericht in eigener Verantwortung auch im Hinblick auf etwa weiteren Vortrag der Antragsgegner und die Stellungnahme der Antragstellerin dazu überlassen. Denn jedenfalls im Freigabeverfahren, das gemäß § 246a Abs. 3 Satz 3 und 6 AktG innerhalb von drei Monaten abgeschlossen werden soll, kommt eine Beweiserhebung nicht in Betracht (Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 246a Rn. 18). Eine Anfechtungsklage ist "offensichtlich unbegründet", wenn sie aufgrund des unstreitigen Sachverhalts eindeutig unbegründet ist oder - sofern ihr Erfolg von einer Beweisaufnahme abhängt - mit eindeutig überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird (OLG Stuttgart Beschluss vom 2. Dezember 2014 - 20 AktG 1/14, BeckRS 2015, 278 Rn. 54, beck-online; Drescher in: Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl. 2021, AktG § 246a Rn. 5). Selbst wenn man von einem streitigen Sachverhalt mit notwendiger Beweiserhebung ausgehen sollte, wäre jedenfalls nicht mit eindeutig überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage Erfolg haben könnte. Denn es ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der Vorstandsvorsitzende der Antragstellerin, der bei einer Beherrschung beider Stiftungen letztlich in der Mitteilungspflicht wäre, gegen die Vorschriften des WpHG verstoßen hätte, zumal es umfangreiche Vorschriften über bußgeldbewehrte Verstöße in § 120 WpHG gibt und nicht ersichtlich wäre, dass er durch eine - unterstellt - falsche Meldung irgendeinen Vorteil erlangt hätte.

(3) Entgegen der Auffassung des Antragsgegners zu 1 lässt sich auch eine sonstige Verletzung des materiellen Rechts im Zusammenhang mit dem Kapitalherabsetzungsbeschluss nicht erkennen. § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG ermöglicht es der Gesellschaft, eine Kapitalherabsetzung im vereinfachten Verfahren durchzuführen, wenn Aktien zulasten des Bilanzgewinns oder einer frei verfügbaren Rücklage eingezogen werden können. Vorliegend sind diese Voraussetzungen unzweifelhaft dann gegeben, wenn das Rückerwerbsangebot in Höhe von 18,57 € je Aktie zugrunde zu legen ist. Dieser Betrag entspricht offensichtlich § 39 Abs. 3 Satz 2 BörsG, wonach grundsätzlich die Gegenleistung dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der Wertpapiere während der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung entsprechen muss. Unbeachtlich ist der von der Antragstellerin gewählte Zeitpunkt, selbst wenn die Börse im Allgemeinen und auch der Kurs der streitgegenständlichen Aktien durch den Beginn der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020 eingebrochen war und dadurch den Durchschnittswert beeinflusst hat. Denn § 39 BörsG überlässt es der Leitung der Aktiengesellschaft, das Ob und den Zeitpunkt eines Delisting eigenständig festzulegen. Der Bundesgerichtshof hat seine Macrotron-Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 25. November 2002 - II ZR 133/01 -, Rn. 22 ff., juris) im Gefolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07 -, Rn. 54 ff., juris) aufgegeben (BGH, Beschluss vom 08. Oktober 2013 - II ZB 26/12 -, Rn. 3, juris) und geht nunmehr davon aus, dass die Börsenzulassung nicht vom Eigentumsgrundrecht geschützt wird und nicht der Zustimmung der Hauptversammlung unterliegt. Durch das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie erfolgte dementsprechend eine Neuregelung des Delisting in § 39 BörsG; danach werden in dieser Hinsicht keine Vorgaben gemacht. Zudem bestimmt § 39 Abs. 6 BörsG, dass die Rechtmäßigkeit des Widerrufs von den Anforderungen gemäß § 39 Abs. 3 BörsG unberührt bleibt. Denn das Widerrufsverfahren sollte bewusst von etwaigen Zahlungsansprüchen der Anleger abgekoppelt werden; der Rückzug von der Börse sollte nicht wegen eines Streits darüber, in welchem Umfang abgefunden werden muss, aufzuhalten sein (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2019 - XI ZR 682/18 -, Rn. 9, juris). Dem Aktionär ist vielmehr, soweit er das Angebot für nicht angemessen hält, lediglich die zivilrechtliche Klage vorbehalten (vergleiche die Gesetzesbegründung in Drucksache 18/6220, Seite 86 sowie § 39 Abs. 3 Satz 2 BörsG, §§ 31, 66 Abs. 1 WpÜG; s. ferner Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 22. Februar 2021 - 6 B 2656/20 -, Rn. 25, juris, in dem von dem Antragsgegner zu 2 betriebenen öffentlich-rechtlichen Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes).

Keinen Einfluss hat die Frage, ob eine Verletzung gemäß § 39 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 oder Nr. 2 BörsG vorliegt, die die Antragstellerin zur Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Angebotspreis und dem anhand einer Bewertung ermittelten Wert des Unternehmens verpflichten würde. Insbesondere bedarf es keiner Entscheidung, ob die Antragstellerin in dem 6-Monatszeitraum ihre Pflichten gemäß Art. 17 Abs. 1 MAR verletzt oder gegen das Verbot der Marktmanipulation gemäß Art. 15 iVm Art. 12 MAR verstoßen haben könnte und damit eine Verzerrung des Börsenkurses verursacht hätte. Denn jedenfalls müsste dieser Verstoß durch die zuständige Behörde rechts- bzw. bestandskräftig festgestellt sein (Baumbach/Hopt/Kumpan, 40. Aufl. 2021, BörsG § 39 Rn. 9; Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, BörsG § 39 Rn. 5, beck-online; Heidelbach in: Schwark/Zimmer, 5. Aufl. 2020, BörsG § 39 Rn. 25; vgl. auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/6220, 85; a.A. Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 119 Rn. 40). Dazu hat der Antragsgegner zu 1 nichts vorgetragen. Zudem müssten sich etwaige Verstöße gegen Art. 17 Abs. 1 MAR bzw. Art. 12, 15 MAR wesentlich auf den Aktienkurs ausgewirkt haben; anderenfalls verbleibt es gemäß § 39 Abs. 3 Halbsatz 2 BörsG bei der Abfindung nach dem Börsenkurs. Auch für eine solche wesentliche Auswirkung fehlt es an jeglichem Anhaltspunkt.

Im Übrigen hat der Vorstand nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, ob ausreichende Beträge vorhanden sind (Veil in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 237 AktG, Rn. 40; Becker in: Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2017, § 237 Rn. 42). Es ist nicht zu beanstanden, dass er die Geldmittel als ausreichend im Sinne von § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG erachtet hat, da für den Rückerwerb der eigenen Aktien nach dem gewichteten Durchschnittskurs der letzten sechs Monate in Höhe von 18,57 € pro Aktie der Bilanzgewinn und die frei verfügbaren Rücklagen unstreitig ausreichten. Selbst wenn man die bloße Verletzung gemäß § 39 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 oder Nr. 2 BörsG als genügend ansehen und einen bestandskräftigen Bescheid der Aufsichtsbehörde nicht für notwendig halten würde, müsste dann zwar gemäß § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG der erhöhte Betrag zur freien Verfügung stehen, d.h. angesichts eines von dem Antragsgegner zu 1 substanziiert dargelegten wahren Wertes von mehr als 30,00 € je Aktie wäre mindestens der Differenzbetrag von ca. 11,43 € je Aktie zusätzlich zu zahlen. Jedoch ist dafür nicht abstrakt die maximale Anzahl der zurück zu erwerbenden 69.447.991 Aktien zugrunde zu legen mit der Folge, dass ein Betrag von gut 2 Mrd. € zugrunde gelegt werden müsste und damit die am 1. September 2020 der Antragstellerin zur Verfügung stehenden Mittel überstiegen worden wären. Der erhöhte Betrag gemäß § 39 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 oder Nr. 2 BörsG wäre nur an diejenigen Aktionäre zu zahlen, die sich mit dem gezahlten Preis gemäß Übernahmeangebot nicht zufriedengegeben hätten und zivilrechtlich gegen die Antragstellerin vorgegangen wären; dabei käme einer gerichtlichen Entscheidung anders als im Spruchverfahren gemäß § 13 Satz 2 SpruchG keine erga-omnes Wirkung zu (Eckhold in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, Delisting, Rn. 61_74). Der Antragsgegner zu 1 legt nicht dar, dass es zum Zeitpunkt der Fassung des Hauptversammlungsbeschlusses oder davor Anhaltspunkte für Klagen von verkaufenden Aktionären gegeben hätte; ebenso wenig ist ersichtlich, dass solche Klagen zwischenzeitlich erhoben worden wären. Infolge dessen kommt es auch nicht darauf an, ob die zahlreichen weiteren Verstöße gegen die deutschen und europarechtlichen Vorschriften, die der Antragsgegner zu 1 geltend gemacht hat, begründet sein könnten; insoweit sei nur am Rande angemerkt, dass das WpÜG auf öffentliche Angebote zum Rückerwerb eigener Aktien grundsätzlich keine Anwendung finden dürfte (h.M.: Angerer/Geibel/Süßmann, 3. Aufl. 2017, WpÜG § 1 Rn. 127; Noack/Holzborn in: Schwark/Zimmer, 5. Aufl. 2020 Rn. 11, WpÜG § 1 Rn. 11 m.w.N. in Fn. 14; kritisch Wackerbarth in Münchener Kommentar, AktG, 4. Aufl. 2017, WpÜG § 2 Rn. 23).

Da, wie ausgeführt, das Delisting Angebot selbst nicht zu beurteilen ist - selbst wenn es mittelbar Grundlage für die Kapitalherabsetzung war und deshalb wiederholt in der Beschlussvorlage in Bezug genommen wurde -, ist ergänzend darauf zu verweisen, dass eine gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 BörsG verbotene Bedingung nicht vorlag. Denn lediglich der Beschluss über die Einziehung der Aktien mit dem Kapitalherabsetzungsbeschluss und der Beschluss über die Ermächtigung des Vorstands, eigene Aktien zu erwerben, waren miteinander verknüpft und sollten ihre Wirkung verlieren, wenn die Kapitalherabsetzung nicht bis zum 30. Juni 2021 in das Handelsregister eingetragen würde. Scheitert die Kapitalherabsetzung, war damit zwar auch der Erwerb eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft nicht gestattet, da dann die 10-prozentige Grenze gemäß § 71 Abs. 2 AktG überschritten worden wäre. Jedoch würde dies nur dazu führen, dass das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft unwirksam ist, nicht dagegen das dingliche Übertragungsgeschäft; die Antragstellerin wäre verpflichtet, die erworbenen Aktien wieder zu verkaufen, § 71c Abs. 1 AktG.

Schließlich begegnet es keinen Bedenken, den Beschluss über die Kapitalherabsetzung (erst) auf die Aktien zu beziehen, deren Inhaberin die Antragstellerin im Zeitpunkt der Einziehung der Aktien sein würde. Eine solche aufschiebende Bedingung ist wirksam (Oechsler in: Münchener Kommentar, AktG, 5. Aufl. 2021, § 237 Rn. 74; Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 237 Rn. 21).

Letztlich hat die Antragstellerin auch den Zweck der Kapitalherabsetzung gemäß § 237 Abs. 4 Satz 4 AktG hinreichend in der Einladung zur Hauptversammlung angegeben. Die einzelnen Schritte sind - was selbst der Antragsgegner zu 1 nicht in Abrede stellt - nach den aktienrechtlichen Vorschriften jeweils für sich genommen zulässig. Der Beschluss über eine Herabsetzung des Grundkapitals bedarf grundsätzlich auch keiner sachlichen Rechtfertigung (Veil in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 229 AktG, Rn. 4 sowie § 222 Rn. 18). Wenn wie hier ein gesetzlich zulässiger Zweck - gemäß § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG - zu Lasten des Bilanzgewinns bestimmt wird, bedarf es keiner weiteren Rechtfertigung des Beschlusses, zumal dem Vorstand im Rahmen des Vorschlags zur Verwendung des Bilanzgewinns gemäß § 170 Abs. 2 AktG freies Ermessen zukommt (Vetter in: Henssler/Strohn, GesR,, 5. Aufl. 2021, AktG § 170 Rn. 5). Der Antragsgegner zu 1 trägt nicht vor, dass der Bilanzgewinn nicht zum Zwecke der Kapitalerhöhung hätte verwandt werden können, vgl. insoweit die Einschränkung in § 237 Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 2 AktG.

Zudem hat der Bundesgerichtshof eine sachliche Rechtfertigung für eine Kapitalherabsetzung sogar dann nicht für erforderlich gehalten, wenn durch Zusammenlegung von Inhaberaktien in einem bestimmten Verhältnis in die mitgliedschaftliche Stellung der Kleinaktionäre eingegriffen wird, weil ihnen nur sogenannte Spitzen verbleiben (BGH, Urteil vom 09. Februar 1998 - II ZR 278/96 -, Rn. 12, juris). Demgegenüber erhöhen sich vorliegend sogar die Beteiligungsverhältnisse der verbleibenden Aktionäre, soweit das Grundkapital herabgesetzt wird und anschließend die Aktien eingezogen werden, naturgemäß für die Großaktionärin in einem stärkeren Ausmaß als für Kleinaktionäre. Die Folgen aus dem Delisting für einzelne Kapitalanleger bleiben hier außer Betracht, da die Entscheidung über den Börsenrückzug, wie ausgeführt, keine Maßnahme ist, die der Bestimmung durch die Hauptversammlung unterliegt.

Schließlich hat der Gesetzgeber keine Vorschrift dazu aufgestellt, wer Bieter im Rahmen eines Delisting-Verfahrens sein darf. Es kommt durchaus in Betracht, dass die Aktiengesellschaft selbst als Erwerber der von ihr emittierten Wertpapiere, d.h. ihrer eigenen Aktien auftreten kann und sich hierzu des Verfahrens der Kapitalherabsetzung bedient, in dem von der Ausnahme vom Verbot des Erwerbs eigener Aktien beruhend auf einer Ermächtigung durch die Hauptversammlung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AktG Gebrauch gemacht wird (Eckhold in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, Delisting, Rn. 61_32). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, warum das Auftreten einer Aktiengesellschaft als Bieterin unter Berufung auf eine Ermächtigung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AktG nicht gerechtfertigt wäre.

(4) Auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gemäß § 53a AktG ist zu verneinen, selbst wenn der Börsenrückzug dazu geführt haben sollte, dass einige Aktionäre gezwungen waren, die (mittelbar) an der Antragstellerin gehaltenen Aktien zu verkaufen, weil sie sich aufgrund bestimmter Vorgaben (z.B. des KAGB) nur an börsennotierten Unternehmen beteiligen dürfen. Dieser Nachteil ist jedoch lediglich immanente Folge des Delisting, nicht jedoch der beabsichtigte Zweck. Zudem kommt es auf die Folgen der Kapitalherabsetzung an und nicht auf die Folgen des Delisting. Soweit einige Aktionäre, insbesondere die Großaktionärin, sich (freiwillig) verpflichtet haben, das Rückerwerbsangebot der Antragstellerin nicht anzunehmen, bezieht sich auch diese Verpflichtung nicht auf die Kapitalherabsetzung; zudem wäre nicht jede Ungleichbehandlung verboten, sondern nur eine sachwidrige Differenzierung. Dafür wäre Voraussetzung, dass die Ungleichbehandlung willkürlich erfolgt oder zumindest den relevanten Rechten und Interessen der betroffenen Aktionäre nicht angemessen Rechnung trägt (Fleischer in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 53a AktG, Rn. 34 f.). Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie das Interesse der übrigen Aktionäre durch die Nichtannahmevereinbarung verletzt worden sein könnte; die auf den Erwerb verzichtenden Aktionäre können sich nicht auf das Gleichbehandlungsverbot berufen, da es sich insoweit um einen freiwilligen Verzicht im konkreten Einzelfall handelt, der zulässig ist (Paefgen in: Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl. 2021, AktG § 53a Rn. 17).

cc) Der Beschluss über die Kapitalherabsetzung ist nicht gemäß § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG wegen der Erlangung eines Sondervorteils unter Verstoß gegen Treuepflichten anfechtbar. Solche Pflichten insbesondere des Großaktionärs können zwar gegenüber seinen Mitgesellschaftern bestehen; so hat er auf deren mitgliedschaftliche Interessen Rücksicht zu nehmen und kann gehalten sein, bestimmten für das Gesellschaftsinteresse gedeihlichen Maßnahmen zuzustimmen bzw. sich wenigstens nicht dagegen zu stellen (Schwab in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 243 AktG, Rn. 4). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der davon ausgeht, dass eine gesellschafterliche Treuepflicht auch unter Aktionären besteht; ein Mehrheitsgesellschafter hat die Möglichkeit, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, so dass auch hier als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht zu fordern ist, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen (BGH, Urteil vom 22. September 2020 - II ZR 399/18 -, Rn. 34, juris; grundlegend BGH, Urteil vom 01. Februar 1988 - II ZR 75/87 -, "Linotype", Rn. 18, juris). Ferner ist es einem Aktionär nicht gestattet, mit der Ausübung seines Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen, § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG. Unter einem Sondervorteil ist ohne Rücksicht auf die Art seiner Erlangung jeder Vorteil zu verstehen, sofern es bei einer Gesamtwürdigung als sachwidrige Bevorzugung erscheint, dem Aktionär oder einem Dritten den Vorteilserwerb zu gestatten oder einen bereits vollzogenen Erwerb hinzunehmen (BGH, Hinweisbeschluss vom 20. April 2009 - II ZR 148/07 -, in DStR 2009, 1547 f., beck-online; MüKoAktG/Schäfer, 5. Aufl. 2021 Rn. 75, AktG § 243 Rn. 75).

Eine solche Anfechtbarkeit ist nicht anzunehmen. Wie bereits ausgeführt, ist der Umstand, dass einige Aktionäre (mittelbar) nur börsengelistete Papiere halten dürfen und ggf. aufgrund des niedrigen Börsenkurses während der letzten sechs Monate vor der Hauptversammlung nicht den wahren Wert durch das Rückerwerbsangebot erhalten, nicht durch die Kapitalherabsetzung und den Erwerb eigener Aktien verursacht, sondern durch den Rückzug von der Börse, die jedoch nicht Gegenstand des Anfechtungsverfahrens sein kann.

Auch erscheint es anhand der vorgenannten Definition von Treuepflichten bzw. von einem Sondervorteil weder sachwidrig noch rechtsmissbräuchlich, wenn das Rückerwerbsangebot nicht - wie häufig - durch die Großaktionärin erfolgt, sondern durch die Antragstellerin, und sich durch die Kapitalherabsetzung eine höhere Beteiligung der verbleibenden Aktionäre, also auch der Großaktionärin, an der Antragstellerin und damit auch an deren wahren Wert ergibt. Denn sämtliche verbleibenden Aktionäre, die nicht von dem Rückerwerbsangebot Gebrauch machen, profitieren im Verhältnis ihrer gehaltenen Aktien von einer insgesamt höheren Beteiligung an der Antragstellerin nach der Kapitalherabsetzung, wenn auch die Großaktionärin naturgemäß in höherem Umfang als die Kleinaktionäre. Denn im Fall der Kapitalherabsetzung durch Einziehung nach Erwerb von Aktien durch die Gesellschaft steigen die Beteiligungsquoten der (trotz Delisting) in der Gesellschaft verbleibenden Aktionäre. Dies ist gesetzliche Folge und löst zwar bestimmte Meldepflichten aus (vgl. dazu Busch in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 4. Aufl. 2018, Maßnahmen der Kapitalherabsetzung: Überblick, Rn. 46_7), beeinträchtigt jedoch per se nicht die mitgliedschaftlichen Rechte der Kleinaktionäre. Soweit die Großaktionärin im Vergleich zu jenen eine vorteilhaftere Position hätte erlangen können, wenn die Antragstellerin sämtliche Aktien gemäß Beschlussvorlage hätte erwerben können, was zu einer prozentualen Beteiligung der Großaktionärin von theoretisch möglichen mehr als 90 % geführt hätte, würde dieser Umstand aber nur dann zu einer Anfechtung berechtigen, wenn darin eine sachwidrige Bevorzugung zu sehen wäre (BGH, Urteil vom 09. Februar 1998 - II ZR 278/96 -, Rn. 22, juris). Allein der Umstand, in Zukunft durch eine höhere Beteiligung möglicherweise unabhängig von dem Abstimmungsverhalten anderer Aktionäre bestimmte Beschlüsse fassen zu können, stellt sich nicht als sachwidrig dar, zumal der Großaktionärin ihr Auftreten als Bieterin auch eine höhere Beteiligungsquote verschafft hätte. Zudem kann allein aus der Möglichkeit, durch zulässige aktienrechtliche Maßnahmen die Änderung der Beteiligungsquote einer Großaktionärin zu erreichen, eine treuwidrige Benachteiligung der verbleibenden Kleinaktionäre nicht hergeleitet werden; dies wäre vielmehr in Abhängigkeit von den dann gefassten Beschlüssen zu beurteilen. Selbst ein Squeeze-out mit dem Ziel der Erlangung eines Sondervorteils wäre nach dem Gesetz grundsätzlich nicht verboten und nicht einmal zu missbilligen (OLG Köln, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - 18 AktG 1/17 -, Rn. 37, juris).

c) Dem Freigabeantrag der Antragstellerin ist ebenso gemäß § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG stattzugeben, selbst wenn man zu Gunsten der Antragsgegner von einem Erfolg der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen ausgehen würde, da dem Interesse der Antragstellerin an einer Freigabe das größere Gewicht zukommt.

Die im Rahmen dieser Vorschrift gebotene Abwägung erfordert, dass das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die von der antragstellenden Gesellschaft dargelegten wesentlichen Nachteile für sie und ihre Aktionäre nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen. Hierbei ist nach der Regierungsbegründung zu § 246 a AktG (BT-Drucks. 15/5092, S. 29) ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren zu unterstellen. Die Prüfung erfolgt üblicherweise in zwei Stufen: Auf der ersten Stufe ist eine wirtschaftliche Abwägung vorzunehmen; auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob trotz eines vorrangigen Gesellschaftsinteresses der Rechtsverstoß so gravierend ist, dass er nicht hingenommen werden kann (Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 246a Rn. 21; mit umgekehrter Prüfungsreihenfolge allerdings Schwab in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 246a AktG, Rn. 19).

Abzuwägen sind auf der ersten Stufe die Nachteile für die Aktiengesellschaft oder deren Aktionäre, und zwar nur wesentliche, d. h. solche Nachteile, denen einiges Gewicht zukommt (vgl. OLG München, Beschluss vom 14. Dezember 2011 - 7 AktG 3/11, zitiert nach juris Rn. 60; Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246 a Rz. 31), so vor allem quantifizierbare, erhebliche finanzielle Belastungen, welche für die Aktiengesellschaft bei unterbleibender Registereintragung einträten und welche von jener grundsätzlich qualifiziert dargelegt und glaubhaft gemacht werden muss (OLG München, Beschluss vom 14. November 2012 - 7 AktG 2/12 -, Rn. 54, juris; OLG Köln, Beschluss vom 13. Januar 2014 - I-18 U 175/13 -, Rn. 22, juris; KG Beschl. v. 12. März 2010 - 14 AktG 1/09, BeckRS 2010, 11130, beck-online). Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nach der Klarstellung im ARUG (vgl. BegrRegE zu § 246a AktG, BT-Drucks. 16/11642, 42; Rechtsausschuss zu § 246a AktG, BT-Drucks. 16/13098, 42) und ihm folgend zumindest Teile der Literatur (Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 246a Rn. 21; Decher in: Lutter, UmwG, 5. Auflage 2014, § 16 Rz. 29) und Rechtsprechung (OLG Düsseldorf Beschluss vom 22. November 2018 - 6 AktG 1/18, BeckRS 2018, 40174 Rn. 161, beck-online) davon ausgehen, dass die Interessenabwägung praktisch immer zugunsten der Gesellschaft und der übrigen Aktionäre ausfallen wird und die danach grundsätzlich vorgezeichnete Eintragung der Strukturmaßnahme nur ausnahmsweise bei einer besonderen Schwere des Rechtsverstoßes entfällt.

Die Antragstellerin verweist auf Seite 44 ihrer Replik zu Recht darauf, dass sie im Falle des Scheiterns der Kapitalherabsetzung zu einer (Rück-) Veräußerung der erworbenen Aktien gemäß § 71c AktG verpflichtet wäre und das Marktrisiko trage, im Falle eines sinkenden Wertes der Aktien mit der Differenz zu dem gezahlten Kaufpreis belastet zu werden. Dies kann bei insgesamt erworbenen 27.596.228 Aktien zu einer erheblichen Mehrbelastung führen, die allerdings naturgemäß noch nicht beziffert werden kann. Soweit "Veräußerung" in erster Linie Rückübertragung an den Veräußerer bedeutet (allgemeine Meinung, s. BeckOGK/Cahn, 1.2.2021, AktG § 71c Rn. 9 m.w.N. in Fn. 19), kann dieser jedoch die Rückabwicklung verweigern, z.B. wenn er aufgrund des Delisting kein Interesse mehr an der Aktie hat. Ist deshalb ein die Frist des § 71c Abs. 1 AktG übersteigendes Gerichtsverfahren zu erwarten, muss der Vorstand die Aktie auf andere Weise - und zwar wie im Falle des § 71c Abs. 2 AktG - verwerten (MüKoAktG/Oechsler, 5. Aufl. 2019, AktG § 71c Rn. 17). Da der gesetzliche Zeitraum von drei Jahren relativ kurz ist, erscheint es naheliegend, dass angesichts der Vielzahl der zu veräußernden Aktien von mehr als 27 Mio. Stück zumindest ein nicht unerhebliches Risiko besteht, dass der Marktpreis schon deshalb sinkt, von den Unwägbarkeiten eines Handelswertes einer Aktie ganz abgesehen.

Dem Vollzugsinteresse der Antragstellerin ist zudem der Vorrang zu geben, weil ein schützenswertes Aufschubinteresse des Antragsgegners zu 1, obwohl erforderlich (OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Dezember 2012 - 20 AktG 1/12 -, Rn. 231, juris), weder dargelegt noch ersichtlich ist. Bei einem unterstellten Erfolg der Anfechtungsklage könnte sein Schaden durch Zahlung von Schadensersatz aufgewogen werden.

Auch ein besonders schwerer Rechtsverstoß, dessen zugrunde zu legende Tatsachen die Anfechtungskläger, nicht die Gesellschaft, glaubhaft zu machen haben, ist nicht zu erkennen. Selbst ein Rechtsverstoß gemäß § 241 AktG, der zur Nichtigkeit und nicht nur zur Anfechtbarkeit des angefochtenen Beschlusses führt, würde nicht zwingend eine besondere Schwere im Sinne von § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG rechtfertigen (KG, Beschluss vom 18. Mai 2010 - 14 AktG 1/10 -, Rn. 30, juris). Erforderlich sind vielmehr Sachverhalte, in denen elementare Aktionärsrechte - etwa durch absichtliche Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot oder die Treuepflicht - so massiv verletzt worden sind, dass sie durch Schadenersatz nicht angemessen ausgeglichen werden können (OLG Köln, Beschluss vom 13. Januar 2014 - 18 U 175/13 -, Rn. 27, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.12.2008 - 5 W 31/08 -, Rn. 21, juris; vgl. ferner die Beispiele bei Hüffer/Koch, 15. Aufl. 2021, AktG § 246a Rn. 22). Dabei müssen nicht nur die abstrakte Bedeutung der verletzten Norm, sondern auch Art und Umfang des Verstoßes berücksichtigt werden. So kann insbesondere die fehlerhafte Nichtberücksichtigung von Aktionärsstimmen als besonders schwerer Rechtsverstoß gewertet werden (OLG München, Beschluss vom 16. Januar 2014 - 23 AktG 3/13 -, Rn. 54, juris). Vorliegend könnte die Anfechtungsklage jedoch nur deshalb - unterstellt - Aussicht auf Erfolg haben, soweit es um die Frage der fehlerhaften (positiven) Berücksichtigung der Stimmen der Großaktionärin geht. Insoweit ist der Fall anders gelagert, als wenn Aktionärsstimmen zu Unrecht nicht gewertet werden. Erfolgt dagegen - unterstellt: rechtswidrig - eine Stimmenwertung, ist eine Einstufung als besonders schwerer Rechtsverstoß, dessen negative Folgen für den Antragsgegner nicht durch Geldleistung ausgeglichen werden könnten, nicht gerechtfertigt (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - 18 AktG 1/17 -, Rn. 55, juris).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO i.V.m. §§ 101 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert wurde unter Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen festgesetzt, §§ 246a Abs. 1 Satz 2, 247 Abs. 1 Satz 1 AktG.