VG Würzburg, Beschluss vom 16.10.2020 - W 2 V 20.1446
Fundstelle
openJur 2021, 18157
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 3. September 2020, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am 7. September 2020 eingegangen, die Wiederaufnahme des Verfahrens W 2 K 18.370 beantragt und zugleich die Aussetzung der Vollstreckung der Kosten aus dem in diesem Verfahren ergangenen rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 3. September 2020 Bezug genommen.

Der Antragsgegner hat sich dazu mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2020 geäußert. Auf den Schriftsatz vom 9. Oktober 2020 wird ebenfalls Bezug genommen.

Im Übrigen wurden die Gerichtsakten der Verfahren W 2 V 20.1445, W 2 V 20.1447, W 2 V 20.1448, W 2 V 20.1449, W 2 K 20.1278, W 2 K 20.1279, W 2 K 20.1279, W 2 K 20.1280, W 2 K 20.1281, W 2 K 20.1282, W 2 K 18.368, W 2 K 18.370, W 2 K 18.371, W 2 K 18.201 und W 2 K 18.1177 beigezogen.

II.

1. Der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 sowie aus der darauf fußenden Kostenfestsetzung hat keinen Erfolg.

Gem. § 167 VwGO i.V.m. § 707 ZPO kann das Gericht auf Antrag anordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werde oder nur gegen Sicherheitsleistung stattfinde und dass die Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien, wenn die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt wird.

Der in Verbindung mit einer Klage auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens gem. § 153 VwGO grundsätzlich statthafte Antrag ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

Ausgangspunkt der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen von Schuldner und Gläubiger ist, dass das Gesetz dem Gläubiger die Vollstreckung aus dem Titel gestattet. Seinen Interessen gebührt deshalb grundsätzlich der Vorrang. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung muss bei dieser Sachlage die Ausnahme bleiben. Im Vordergrund der Entscheidungsfindung des Gerichts steht daher die Prüfung, ob der Angriff gegen den Titel überhaupt Aussicht auf Erfolg hat. Denn allenfalls dann kann dem Gläubiger im Hinblick auf eine mögliche Änderung oder Aufhebung des Titels zugemutet werden, mit der Vollstreckung zuzuwarten (vgl. Bay VGH, B.v. 28.3.2019 - 20 S 19.559 - juris).

Nach diesem Maßstab hat der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 keinen Erfolg, weil auch die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens W 2 K 18.370 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Gem. § 153 Abs. 1 VwGO kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung wiederaufgenommen werden.

Insoweit ist der Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 als Endentscheidung gem. § 84 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 VwGO tauglicher Gegenstand einer entsprechenden Wiederaufnahmeklage. Denn er ist gem. §§ 84 Abs. 3 Halbsatz 1, 121 VwGO nach Verstreichen der Rechtsmittelfrist gem. § 84 Abs. 2 VwGO in Rechtskraft erwachsen. Der Antragsteller ist als damaliger Kläger, zu dessen Lasten die Klage abgewiesen wurde, auch klagebefugt.

Jedoch fehlt es für die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage an der Glaubhaftmachung eines Wiederaufnahmegrundes gem. § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 ZPO. Gem. § 579 Abs. 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage nur statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1); wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist (Nr. 2); wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (Nr. 3); wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (Nr. 4).

Anhaltspunkte für einen entsprechenden Wiederaufnahmegrund hat der Kläger jedoch weder vorgetragen noch ist ein solcher Verfahrensfehler anhand der beigezogenen gerichtlichen Verfahrensakten auch nur ansatzweise ersichtlich.

Zwar lässt sich seine Einlassung "Die Vielzahl meiner materiellen und immateriellen Schadensfälle und deren gerichtliche Misshandlung/Missachtung - meine daraus resultierende Diffamierung, Zermürbung und Gesundheitsbeeinträchtigung - sprechen m.E. mittlerweile dafür, dass mir auch in diesen Verfahren der gesetzliche Richter, seine Unabhängigkeit und das Rechtsstaatsprinzip verweigert wurden." dahingehend interpretieren, dass er an der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichtes bei Erlass des Gerichtsbescheides vom 6. September 2018 zweifelt, jedoch fehlen jegliche substantiierenden Ausführungen zu einer möglicherweise fehlerhaften Besetzung des Spruchkörpers. Auch deuten die sonstigen Einlassungen des Antragstellers eher darauf hin, dass er die verfahrensrechtliche Handhabung seiner diversen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe bei Gerichten unterschiedlicher Rechtswege und in unterschiedlichen Instanzen für nicht nachvollziehbar und für ihn nicht zufriedenstellend empfindet. Dies kann eine Nichtigkeitsklage gem. § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 ZPO jedoch unter keinem denkbaren Gerichtspunkt begründen. Im Hinblick auf den Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 im Verfahren W 2 K 18.370 bestehen jedenfalls keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Besetzung des erkennenden Gerichtes.

Auch Ausschlussgründe gem. § 579 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO liegen offensichtlich nicht vor. Weiterhin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine der Parteien im Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten war, wobei der Antragsteller sich im Rahmen einer Nichtigkeitsklage lediglich darauf berufen könnte, selbst nicht ordnungsgemäß vertreten worden zu sein (vgl. Greger, in: Zöllner, ZPO 33. Aufl. 2020, § 579, Rn. 5). Insoweit zweifelt das Gericht nicht daran, dass der Antragsteller während der Anhängigkeit des Verfahrens W 2 K 18.370 durchgängig prozessfähig war. Allein aus der Anzahl und dem Umfang der von ihm gegen den Antragsgegner erhobenen Rechtsmittel lassen sich (noch) keine Rückschlüsse darauf ziehen, dass er nicht geschäftsfähig gewesen sein sollte. Soweit er beanstandet, dass sein Antrag auf Prozesskostenhilfe ebenfalls mit Beschluss vom 6. September 2018 abgelehnt worden ist, kann dies einen Verfahrensmangel i.S.v. § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO schon im Hinblick auf § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht begründen, zumal es ihm freigestanden hätte, gegen die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe in die Beschwerde zu gehen, ohne dass es dafür einer anwaltlichen Vertretung bedurft hätte.

Mithin wäre eine dem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 zugrundeliegende Nichtigkeitsklage gem. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 579 ZPO schon mangels Glaubhaftmachung eines Nichtigkeitsgrundes als unzulässig zu verwerfen (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 153, Rn. 17).

Auch eine - gegenüber der Nichtigkeitsklage subsidiären - Restitutionsklage gem. § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 580 ff. ZPO bezüglich des Gerichtsbescheides vom 6. September 2018 im Verfahren W 2 K 18.370 hat keine Aussicht auf Erfolg.

Gem. § 580 ZPO findet die Restitutionsklage nur statt, wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat (Nr. 1); wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war (Nr. 2); wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat (Nr. 3); wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist (Nr. 4); wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat (Nr. 5); wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist (Nr. 6); wenn die Partei ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (Nr. 7); wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht (Nr. 8).

Entsprechende Restitutionsgründe wurden nicht substantiiert vorgetragen:

Soweit der Antragsteller zur Begründung seiner Wiederaufnahmeklage vorträgt, seine verschiedenen, ursprünglich gesammelt im Verfahren W 2 K 15.935 erhobenen Klagebegehren seien durch den selbst nicht rechtsbehelfsfähigen Abtrennungsbeschluss vom 1. Februar 2016 aus dem Sachzusammenhang gerissen und aufgrund der Fortführung in eigenständigen Verfahren entscheidungsrelevante Tatsachen missachtet worden seien, lässt sich dieser Vortrag - selbst bei weitester Auslegung - keinem der Restitutionsgründe des § 580 ZPO zuordnen. Mithin kommt es auch nicht darauf an, dass der Antragsteller nicht vorgetragen hat, welche für den Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 entscheidungserhebliche Tatsache durch die Abtrennung der Verfahren missachtet worden sein soll. Eine Restitutionsklage lässt sich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auf diesen Vortrag stützen.

Auch der Vortrag, seine Rechtssache sei aus sachfremden Gründen bewusst verschleiert worden, kann - sofern darin der Vorwurf einer strafbaren Verletzung der richterlichen Amtspflicht enthalten sein sollte - nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens W 2 K 18.370 im Rahmen einer Restitutionsklage führen. Denn gem. § 581 Abs. 1 ZPO findet die Restitutionsklage in den Fällen des § 580 Nr. 1 bis 5 nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Dies ist offenkundig weder bezogen auf die am Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 mitwirkenden Richter noch bezogen auf einen Vertreter des Antragsgegners als damaligen Beklagten der Fall, so dass sämtliche Einlassungen des Antragstellers, die auf den Vorwurf strafrechtlich relevanten Verhaltens hindeuten, keinen Restitutionsgrund gem. § 153 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO glaubhaft machen können.

Da Anhaltspunkte für einen Restitutionsgrund gem. § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 6 bis 8 ZPO weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, hat die Wiederaufnahmeklage des Antragstellers auch in der Form der Restitutionsklage keine Aussicht auf Erfolg.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 707, Rn. 23).

3. Einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Rechtsverfolgung aufzubringen, wird gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO Prozesskostenhilfe gewährt, wenn der Rechtsbehelf hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint.

Dabei ist zu beachten, dass die Anforderungen an das Vorliegen hinreichender Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht überspannt werden dürfen. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Denn andernfalls würde der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, verfehlt werden (BVerfG, B.v. 5. Februar 2003 - 1 BvR 1526/02 - NJW 2003, 1857(1858) u. B.v. 14. April 2003 - 1 BvR 1998/03 -, NJW 2003, 2976(2977). Insbesondere wenn die Erforderlichkeit einer weiteren Aufklärung des Rechtsstreits ernsthaft in Betracht kommt und sich nicht mit großer Wahrscheinlichkeit das negative Ergebnis der weiteren Aufklärung prognostizieren lässt, kommt die Gewährung von Prozesskostenhilfe in Betracht.

Auszugehend von diesem Maßstab hat der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Gerichtsbescheid vom 6. September 2018 keine Aussicht auf Erfolg. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1 Bezug genommen.