VG Koblenz, Urteil vom 04.03.2021 - 4 K 694/20.KO
Fundstelle
openJur 2021, 18097
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen eine dem Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung.

Sie sind Eigentümer des Grundstücks Flur 1..., Flurstück-Nr. 2... in der Gemarkung der Beigeladenen zu 2), welches mit einem Wohnhaus bebaut ist und an das Grundstück Flur 1..., Flurstück-Nr. 3... angrenzt. Dieses Grundstück wurde über Jahrzehnte mit Unterbrechungen gastronomisch und wird seit dem Jahr 2015 - zunächst ohne Baugenehmigung - als Shisha-Bar genutzt. Ein Bebauungsplan besteht für das Gebiet nicht; in einem Radius von ca. 50 m befinden sich neben Wohnbebauung eine Apotheke, ein Kebab-Haus, eine Bäckerei, eine Eisdiele, eine Ski- & Outdoorscheune sowie ein Haushaltswarengeschäft.

Unter dem 18. Januar 2019 beantragte der Beigeladene zu 1) den Umbau eines bestehenden Saales auf dem Grundstück Flur 1..., Flurstück-Nr. 3... in eine Shisha-Bar. Der Raum hat eine Größe von ca. 40 m2. Die Betriebsbeschreibung sieht Betriebszeiten von Dienstag bis Donnerstag sowie Sonntag von 17:00 Uhr bis 24:00 Uhr und Freitag sowie Samstag von 17:00 Uhr bis 02:00 Uhr vor. Eingesetzt werden sollen zehn Wasserpfeifen. Die Luftumwälzung sollte im Wesentlichen durch Ab- und Zuluft im Gastraum erfolgen.

Der Rat der Beigeladenen zu 2) hat sein Einvernehmen zu dem Vorhaben versagt.

Mit Schreiben vom 26. März 2019 teilte die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord dem Beklagten mit, es beständen keine Bedenken gegen die beantragte Nutzungsänderung, soweit u.a. der Gastraum der Shisha-Bar über eine geeignete und fachgerecht ausgeführte technische Lüftungsanlage be- und entlüftet werde. Die Zugluft müsse so verteilt werden, dass sie frei von unzumutbarer Zugluft sei und in ausreichendem Maße in den Gastraum gelange. Die Lüftungsanlage müsse mindestens für einen Luftwechsel von 130 m2 pro Stunde je Shisha ausgelegt sein.

Die Beigeladene zu 3) forderte mit Schreiben vom 13. Mai 2019 hinsichtlich der Be- und Entlüftung der beantragten Shisha-Bar gegenüber dem Beklagten eine Ableitung der Abluft über den Dachfirst. Dabei müsse gewährleistet werden, dass die Abgabe von der freien natürlichen Luftströmung erfasst, abgeführt und verteilt werden könne.

Im Verwaltungsverfahren wandten sich die Kläger an den Beklagten und führten aus, die beantragte Nutzungsänderung sei zu versagen. Dabei trugen sie vor, der Beigeladene zu 1) sei unzuverlässig. Die Shisha-Bar sei in der Vergangenheit teilweise bis 06.00 Uhr morgens betrieben worden und führe zu Lärmbelästigungen für die Nachbarschaft.

Mit Baugenehmigung vom 22. August 2019 genehmigte der Beklagte dem Beigeladenen zu 1) die beantragte Nutzungsänderung. In den Nebenbestimmungen werden die im Schreiben der SGD Nord vom 26. März 2019 sowie im Schreiben der Beigeladenen zu 3) vom 13. Mai 2019 aufgeführten Auflagen zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht.

Hiergegen erhoben die Kläger unter dem 6. September 2019 Widerspruch. Sie trugen vor, der Lärmschutz sei unzureichend und die Entlüftung der Bar sei über die Fenster in Richtung ihres Grundstücks erfolgt. Gäste der Bar hätten in der Vergangenheit auf ihrem Grundstück uriniert. Die vorgesehene Entlüftung der Bar sei für sie unzumutbar. Überdies würden die notwendigen Abstände zwischen der Abluftöffnung und dem nächsten Fenster auf ihrem Grundstück nicht eingehalten. Es fehlten in der Baugenehmigung Vorkehrungen zum Schutz von Nichtrauchern. Die Brandschutzanforderungen würden nicht erfüllt und die oberhalb der Shisha-Bar vorgesehenen Wohnungen nicht ausreichend von der Bar abgekapselt. Die Errichtung von Stellplätzen entlang der Grundstücksgrenze sei unzulässig, da sie dort vor mehr als zwei Jahrzehnten eine große Terrasse errichtet hätten, welche sie ausgiebig nutzten. Die Shisha-Bar verfüge zu ihrem Wohnhaus hin nur über alte Holzfenster, die keinen Lärmschutz böten. Insgesamt sei ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme festzustellen.

Nachdem der Beigeladene zu 1) das Abluftrohr der Entlüftungsanlage - entgegen der Auflagen in der Baugenehmigung - nicht über den Dachfirst, sondern ca. 0,5 m über der östlichen Dachtraufe des Gebäudes geführt hatte, änderte der Beklagte - nachdem er erneut eine Stellungnahme der SGD Nord eingeholt hatte - mit Bescheid vom 6. Februar 2020 die Baugenehmigung vom 22. August 2019 ab und genehmigte die Entlüftung der Bar über die Dachtraufe.

Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2020 führte der Kreisrechtsausschuss bei dem Beklagten aus, die Baugenehmigung verletzte keine die Kläger schützenden Rechte. Das Bauvorhaben liege im Innenbereich. Die nähere Umgebung entspreche der eines Mischgebietes. Der Flächennutzungsplan weise das Gebiet als Mischgebiet aus. Aufgrund der in der näheren Umgebung vorhandenen gewerblichen Nutzungen könne nicht von einem allgemeinen oder reinen Wohngebiet ausgegangen werden. Das Grundstück der Kläger sei aufgrund der jahrelangen gastronomischen Nutzung des Vorhabengrundstücks "vorbelastet" und dieses daher ebenfalls prägend. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme liege nicht vor. Angesichts der gewerblich geprägten Umgebung des Vorhabengrundstücks und des Wohngebäudes der Kläger seien die vorgetragenen Geruchs- und Lärmbelastungen durch einen kleinen Gaststättenbetrieb bei der gebotenen typisierenden Betrachtung grundsätzlich hinzunehmen. Die Einwände, der Beigeladene zu 1) halte sich nicht an die Betriebszeiten und an die Auflagen in der Konzession, sei im Baugenehmigungsverfahren ohne rechtliche Bedeutung. Der Beklagte habe zutreffend davon ausgehen können, dass die Kläger durch die installierte Entlüftungsanlage nicht durch Gerüche unzumutbar belästigt würden. Diese sei auf der dem klägerischen Wohnhaus abgewandten Seite installiert worden, sodass das Dach des Gebäudes für das klägerische Grundstück als Schutz fungiere. Es herrsche in der Region eine Süd/Südwest-Strömung vor, sodass eine Beeinträchtigung der Kläger nicht zu erwarten sei. Die Alternative "Abluftführung über den Dachfirst" würde darüber hinaus zu einem unverhältnismäßig hohen finanziellen Aufwand für den Bauherren führen.

Mit ihrer hiergegen am 10. August 2020 erhobenen Klage wiederholen die Kläger ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend tragen sie vor, bei der näheren Umgebung handele es sich um ein Wohngebiet, sodass die Shisha-Bar mit der Gebietscharakteristik unverträglich sei. Das Vorhaben füge sich folglich nicht in die nähere Umgebung ein. Auch in einem Mischgebiet sei eine Shisha-Bar nicht zulässig. Bei ihr handele es sich um eine Vergnügungsstätte, die sich qualitativ weder durch das von ihr bereitgestellte Angebot, ihre Öffnungszeiten noch durch die mit ihrem Betrieb bedingten Emissionen in dem betroffenen Teil des Misch-/Wohngebietes einfüge. Vergnügungsstätten seien vielmehr in Kerngebieten vorzusehen und in Mischgebieten nur zulässig in Teilen, die überwiegend durch ihre gewerbliche Nutzung geprägt seien. Dies sei hier nicht der Fall. Das Vorhaben sei nicht entsprechend der vorgelegten Bauanträge ausgeführt worden. Die installierte Lüftungsanlage sei unzureichend für die Entlüftung der Bar; diese werde weiterhin über geöffnete Fenster und Türen durchgeführt. Die später genehmigte Entlüftung führe entgegen der Auffassung des Beklagten zu einer unzumutbaren Geruchsbelästigung. Die Vorprägung durch das ehemalige Gasthaus könne nicht für die baurechtliche Zulässigkeit des Vorhabens herangezogen werden, da dieses im Vergleich zur Shisha-Bar kaum gestört habe. Seit 25 Jahren werde in dem streitgegenständlichen Gebäude keine Gastronomie mehr betrieben.

Die Kläger beantragten,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 22. August 2019 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 6. Februar 2020 und des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2020 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt die Begründung des Ausgangs- und Widerspruchsbescheides und trägt ergänzend vor, unzulängliches Verhalten von Besuchern stelle keinen Verstoß gegen das nachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot dar. Dieser Gesichtspunkt sei dem sonstigen Polizei- und Ordnungsrecht zuzuordnen. Das Rücksichtnahmegebot sei nicht "personenbezogen", weshalb die persönlichen Verhältnisse einzelner Eigentümer, individuelle Empfindlichkeiten, gesundheitliche Dispositionen und andere persönliche Eigenarten nicht relevant seien. In der genehmigten Shisha-Bar würden lediglich zehn Wasserpfeifen eigesetzt und der Raum umfasse nur 40 m2.

Der Beigeladene zu 1) trägt vor, die ihm erteilte Baugenehmigung leide weder an formellen noch materiellen Fehlern. Es seien keine nachbarschützenden Vorschriften verletzt. Die Shisha-Bar befinde sich in einem faktischen Mischgebiet, in dem sie allgemein zulässig sei. Es liege weder ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch noch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes vor. Beeinträchtigungen durch den Betrieb der sehr kleinen Shisha-Bar seien nicht feststellbar. Die Kontrollen durch die Polizei hätten keine Rechtsverletzungen ergeben. Eine Geruchsbelästigung hätten die Beamten nicht festgestellt. Die Ausführungen der Kläger beschäftigten sich mit dem Betrieb der Bar und nicht mit deren Genehmigung, um die es im hiesigen Verfahren jedoch ausschließlich gehe. Er betreibe die Lüftungsanlagen entsprechend der bestehenden Auflagen. Es erfolgten keine Lüftungen über die Fenster oder Türen.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) tragen vor, es habe in der Vergangenheit vermehrt Beschwerden der Kläger wegen Lärm- und Geruchsbelästigung gegeben. Kontrollen der kommunalen Vollzugsbeamten und der Polizei hätten aber keine hinreichenden Gründe ergeben, die gaststättenrechtliche Konzession in Frage zu stellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die zulässige, sinngemäß auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 22. August 2019 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 6. Februar 2020 und des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2020 gerichtete Klage (§ 88 VwGO) ist unbegründet. Die Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das nach § 34 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) zu beurteilende Vorhaben verstößt weder gegen den Gebietserhaltunganspruch der Kläger (I.) noch gegen deren Gebietsprägungsanspruch (II.). Auch das Gebot der Rücksichtnahme wird nicht verletzt (III.).

I. Das im unbeplanten Innenbereich liegende Vorhaben des Beigeladenen zu 1) verstößt nicht gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Kläger.

In einem faktischen Bebauungsplangebiet haben die Eigentümer der im Plangebiet belegenen Grundstücke einen sog. Gebietserhaltungsanspruch. Danach kann sich ein Nachbar in einem faktischen Plangebiet gegen gebietsfremde Nutzungen zur Wehr setzen (vgl. Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 51. Edition, Stand 1. August 2020, § 34 Rn. 50.2).

Das nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) zu beurteilende Vorhaben verstößt nicht gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Kläger.

1. Das Vorhaben befindet sich in einem faktischen Mischgebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO. Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht der eines Mischgebiets. Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dient ein solches dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Im Umkreis von ca. 50 m zum Vorhabengrundstück befinden sich eine Apotheke, eine Bäckerei, ein Gastronomiebetrieb sowie ein größeres Geschäft für Ski- und Outdoorartikel. Überdies befindet sich auf dem Vorhabengrundstück selbst eine Eisdiele. Diese Betriebe dienen nicht nur ausschließlich der Versorgung des Gebietes, sodass sie in einem allgemeinen Wohngebiet nicht ohne weiteres zulässig wären (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Die nähere Umgebung ist geprägt durch ein Nebeneinander von Wohn- und nicht wesentlich störender gewerblicher Nutzung. Dies gilt auch dann, wenn man für die Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB einen noch größeren Bereich mit einbeziehen würde. Im Radius von ca. 100 m zum Vorhabengrundstück befinden sich zusätzlich zu den genannten Gewerbebetrieben ein Kaufhaus, ein Fahrrad-, ein Haushaltswaren- sowie ein Ofengeschäft, die ebenfalls mischgebietstypisch sind.

2. Das demnach nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO zu beurteilende Vorhaben ist in einem Mischgebiet hinsichtlich der Art der Nutzung allgemein zulässig.

a) In einem Mischgebiet sind gemäß § 6 Abs. 2 BauNVO Schank- und Speisewirtschaften (Nr. 3), aber auch Vergnügungsstätten zulässig, soweit letztere sich in Teilen des Gebiets befinden, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind (Nr. 8). Nach Auffassung der Kammer kann eine Shisha-Bar, die - wie im vorliegenden Fall - neben dem Rauchen von Wasserpfeifen keine weiteren Freizeitangebote vorhält, keiner dieser Betriebstypen sicher zugeordnet werden (in diese Richtung auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 1. Juli 2020 - 5 L 442/20 -, juris, Rn. 47). Es handelt sich bei ihr vielmehr um eine besondere Gaststättenart, die als nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3, 4 BauNVO allgemein in einem Mischgebiet zulässig ist.

Eine Shisha-Bar, die - wie hier - neben dem Angebot des Rauchens von Wasserpfeifen keine weiteren Freizeitangebote bereithält, verändert bei typisierender Betrachtungsweise nicht die für ein Mischgebiet typische Prägung eines Nebeneinanders von Wohn- und nicht wesentlich störender gewerblicher Nutzung. Die von ihr ausgehenden Emissionen sind nicht wesentlich störend für das Wohnen, soweit - was typischerweise der Fall ist - wesentliche Störungen durch geeignete Entlüftungsanlagen verhindert werden.

Im Übrigen ist ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht ersichtlich. Weder die Lage noch der Umfang der Shisha-Bar widerspricht der Eigenart des vorliegenden faktischen Mischgebietes. In unmittelbarer Nähe zum Vorhabengrundstück befindet sich Gewerbe und Wohnbebauung. Die von der Shisha-Bar ausgehenden Störungen und ihre Betriebszeiten entsprechen im Wesentlichen derjenigen einer - im Übrigen über viele Jahre auf dem Vorhabengrundstück betriebenen - Gaststätte.

III. Das Vorhaben des Beigeladenen zu 1) verstößt auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO.

Dieses vermittelt dann Drittschutz, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist; das gilt für diejenigen Ausnahmefälle, in denen - 1. die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist und - 2. eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist. Hierbei ist die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen. Hiervon ausgehend ergibt die Abwägung der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Gesichtspunkte, dass von der Nutzung des genehmigten Vorhabens für die Kläger als unmittelbare Nachbarn keine unzumutbaren Belästigungen ausgehen werden.

1. Die Kläger werden nicht unzumutbar durch Tabakrauch beeinträchtigt.

Soweit sie in der mündlichen Verhandlung die Tatsache unter Beweis gestellt haben, dass die installierte Lüftungsanlage zur Entlüftung der Shisha-Bar unzureichend dimensioniert ist, war ihr diesbezüglicher Beweisantrag als Ausforschungsbeweis abzulehnen. Die Kläger haben nicht darleget, aus welchen Gründen die Bescheinigungen der von dem Beigeladenen zu 1) beauftragten Fachfirma A... GmbH vom 6. November 2019 (Bl. 85 der Bauakte) und 22. Januar 2020 (Bl. 138 der Bauakte) fehlerhaft sein sollen. Nach diesen Bescheinigungen ist die installierte Anlage ausreichend für den Betrieb von 15 Wasserpfeifen. Die Zugluft werde so verteilt, dass sie frei von unzumutbarer Zugluft sei und in ausreichendem Maße in den Gastraum gelange. Überdies sei die Lüftungsanlage mindestens für einen Luftwechsel von 150 m2/Stunde je Shisha ausgelegt. Das Gericht sieht keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit dieser sachverständigen Einschätzung.

Durch die Installation der Be- und Entlüftungsanlage über die östliche Dachgaube des Vorhabengebäudes werden die Kläger nicht unzumutbar beeinträchtigt. Die vom Beklagten dargelegte und dem Gericht auch aus früheren Verfahren bekannte vornehmliche Süd/Südwest-Windrichtung [...] sowie die Tatsache, dass das klägerische Wohnhaus sich auf der gegenüberliegenden Westseite des Vorhabengrundstücks befindet, schließen eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger aus. Denn aufgrund dieser Umstände ist nicht zu erwarten, dass der aus der Anlage entweichende Rauch in nennenswertem Umfang in Richtung des klägerischen Wohnhauses wehen wird, zumal das Gebäude auf dem Vorhabengrundstück hier als Barriere dient.

Etwas Anderes ergibt sich nicht daraus, dass sowohl die SGD Nord als auch die Beigeladene zu 3) als Gewerbeaufsichtsbehörde eine Installation der Lüftungsanlage über die Dachgaube als nicht ausreichend erachtet haben. Die SGD Nord hat sich bei ihrer diesbezüglichen Einschätzung an den Regelungen der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft - TA-Luft - orientiert. Dies hat der Beklagte berücksichtigt, sich aber gleichwohl in Anlehnung an diese Regelungen nachvollziehbar gegen eine Entlüftung über den Dachfirst entschieden. Die im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbaren Vorschriften der TA-Luft sehen in Nr. 5.5.1 "in der Regel" eine Ableitung über einen regelmäßig über Dachfirst geführten Schornstein vor. Gemessen daran ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte bei seiner Entscheidung, eine Entlüftung auch über die Dachgaube zuzulassen, im Wesentlichen auf die geringe Dimension des Vorhabens (40 m2 Größe der Bar und Einsatz von lediglich zehn Wasserpfeifen) und die geringe Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung der Kläger aufgrund der genannten Windrichtung und der Lage von deren Wohnhaus berücksichtigt hat.

Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger liegt nicht durch die Diffusion von Rauch aus den Wänden sowie eine Entlüftung der Shisha-Bar über Fenster und Türen vor.

Eine Entlüftung der Shisha-Bar über Fenster und Türen ist in der hier alleine streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht vorgesehen und somit - soweit sie tatsächlich stattfinden sollte - nicht von deren Regelungsgehalt umfasst. Ungeachtet dessen befindet sich die Shisha-Bar nicht unmittelbar an der zum Wohnhaus der Kläger zugewandten Seite des Vorhabengebäudes, sondern im Bereich ihres Kfz-Stellplatzes. In diesem Bereich befinden sich in der Bar keine Fenster. Sollte Rauch durch die Wände diffundieren, wie es die Kläger vortragen, ist aufgrund der dargelegten Position der Bar eine unzumutbare Beeinträchtigung im Bereich des Wohnhauses der Kläger nicht zu erwarten.

2. Auch aus der Lage der Parkplätze folgt keine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger. Sie bringen zwar vor, diese befänden sich in unmittelbarer Nähe zu ihrer Terrasse. Die besonders schützenswerten Wohnräume der Kläger liegen jedoch von den nördlich auf dem Vorhabengrundstück errichteten Parkplätzen ca. 20 m bis 40 m entfernt. Zudem findet der Zu- und Abfahrtsverkehr über die östliche Grundstücksseite des Vorhabengrundstückes statt. Darüber hinaus liegt das klägerische Wohnhaus - wie bereits dargelegt - in einem überwiegend gewerblich geprägten Gebietsteil, sodass die Kläger schon alleine aus diesem Grund den mit einem Gewerbebetrieb im Zusammenhang stehenden Zu- und Abfahrtsverkehr hinzunehmen haben.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Da die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben, entspricht es auch nicht der Billigkeit, ihnen einen Kostenerstattungsanspruch gegen die unterlegenen Kläger zu gewähren.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

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