FG Köln, Urteil vom 10.07.2019 - 7 K 3133/17
Fundstelle
openJur 2021, 18008
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. VIII B 144/19
Tenor

Unter Änderung der Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011 bis 2013 vom 09.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017 wird die Feststellung der Einkunftsart "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" geändert in die Einkunftsart "Einkünfte aus selbständiger Arbeit"; die sonstigen Feststellungen zum Gewerbesteuermessbetrag und zur zu zahlenden Gewerbesteuer der Gesellschaft für 2011 bis 2013 werden aufgehoben.

Die Bescheide für 2011 bis 2013 vom 09.11.2015 über die negative Feststellung, dass der Beigeladene Herr W nicht als Mitunternehmer der Klägerin anzusehen ist, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass der Beigeladene Herr W in den Streitjahren 2011 bis 2013 Mitunternehmer der Klägerin ist und dessen Einkünfte in die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in der erklärten Höhe einzubeziehen. Die Berechnung der den Mitunternehmern zuzurechnenden Anteile an den Einkünften wird dem Beklagten nach Maßgabe der Gründe der Entscheidung auferlegt.

Ferner wird der Bescheid für 2013 vom 09.11.2015 über die negative Feststellung, dass der Beigeladene V nicht als Mitunternehmer der Klägerin anzusehen ist, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017 aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass der Beigeladene V im Streitjahr 2013 Mitunternehmer der Klägerin ist und dessen Einkünfte in die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in der erklärten Höhe einzubeziehen. Die Berechnung der den Mitunternehmern zuzurechnenden Anteile an den Einkünften wird dem Beklagten nach Maßgabe der Gründe der Entscheidung auferlegt.

Die Gewerbesteuermessbescheide für 2011 bis 2013 vom 18.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladenen W und V Mitunternehmer der Gemeinschaftspraxis U und T in Q geworden sind.

Die Klägerin ist eine seit dem ...2006 bestehende ... Gemeinschaftspraxis in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die von den Beigeladenen Herrn U und Herrn T (Altgesellschafter) mit einem Anteil von jeweils 50 % gegründet wurde (s. Praxisvertrag vom ...2005). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass insoweit eine steuerlich anzuerkennende Mitunternehmerschaft vorliegt.

Nach dem der Beigeladene Herr W sich nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund eines Sonderbedarfsantrags einen personen- und ortsgebundenen kassenärztlichen Sonderbedarfssitz erstritten hatte, schloss die Klägerin am ...2010 mit dem Beigeladenen Herr W einen Beitrittsvertrag mit Wirkung zum ...2010 ab. Dort heißt es auszugsweise:

"Präambel

... Der Gemeinschaftspraxisvertrag vom ...2005 (Anlage 1) wird zum Gegenstand des Beitrittsvertrags gemacht. ... Zur Regelung der gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten des neuen Gesellschafters Herrn W und zur notwendigen Anpassung einzelner Regelungen des Gemeinschaftspraxisvertrags vom ...2005 ... schließen die Vertragspartner den nachfolgenden Vertrag über den Beitritt von Herrn W zur Gemeinschaftspraxis U/T:

§ 1

Gegenstand des Beitrittsvertrags

1. Herr W tritt in die bestehende Gemeinschaftspraxis U/T als dritter Gesellschafter mit Wirkung ab dem ...2010 ein.

2. Die Gesellschafter werden ab dem ...2010 ihre privatärztliche und vertragsärztliche Tätigkeit auf Basis des dem Beitrittsvertrags beigefügten Gemeinschaftspraxisvertrags vom ...2005 (Anlage 1) gemeinsam ausüben, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist. Sie führen zu diesem Zweck die Gemeinschaftspraxis U/T als Gemeinschaftspraxis U/T/W in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts fort.

...

§ 4

Einlagen der Gesellschafter, Gesellschaftsvermögen

1. Die Gesellschafter U und T bringen das materielle und immaterielle Vermögen der ehemaligen Gemeinschaftspraxis U/T mit Wirkung zum ...2010 als Gesellschaftsvermögen in die Gemeinschaftspraxis U/T/W zu Buchwerten ein. An diesem Gesellschaftsvermögen sind die Gesellschafter wie folgt beteiligt:

Herr U:

50 %

Herr T:

50 %

Herr W:

0 %

...

5. Die Steigerung des immateriellen Wertes der Gemeinschaftspraxis U/T/W ab dem Beginn fällt in das Gesellschaftsvermögen. ... An diesem Gesellschaftsvermögen der Gemeinschaftspraxis U/T/W sind die Gesellschafter zu 45 % (U) 45 % (T) und 10 % (W) beteiligt.

§ 6

Beschlüsse

1. Folgende Maßnahmen und Rechtsgeschäfte bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung aller Gesellschafter:

- Änderung des Gesellschafsvertrags, insbesondere Änderung der Gewinnverteilung;

- Aufnahme neuer Gesellschafter ...

- der Erwerb, die Belastung und/oder Veräußerung von Grundstücken...

- zusätzliche Zahlungen der Gesellschafter an die Gesellschaft, die den einzelnen Gesellschafter mit mehr als 1.500 € pro Kalenderjahr belasten.

2. Gesellschafterbeschlüsse werden im übrigen mit einer 2/3 Mehrheit der Stimmen gefasst, sofern in diesem Vertrag oder von Gesetzes wegen nicht Einstimmigkeit erforderlich ist. Den Gesellschaftern U und T stehen jeweils fünf und dem Gesellschafter W eine Stimme zu.

§ 7

Ergebnisverwendung

1. ... Am Gewinn und Verlust der Gemeinschaftspraxis U/T/W nehmen die Gesellschafter wie folgt teil:

a) Der Gesellschafter W erhält 43 % des von ihm für die Gesellschaft erwirtschafteten Umsatzes.

Erwirtschaftet der Gesellschafter W mehr als 500.000 €/Jahr, erhält er 44 % dieses Umsatzes.

Übersteigt der durch den Gesellschafter W erwirtschaftete Umsatz 600.000 € im Jahr, erhält er davon 45 %.

...

b) Der restliche Gewinn wird anteilig zwischen den Gesellschaftern U und T aufgeteilt. Beide erhalten hiervon jeweils 50 %.

c) An einem evtl. Verlust der Gemeinschaftspraxis sind die Gesellschafter im Verhältnis 45 % (U) zu 45 % (T) zu 10 % (W) beteiligt.

§ 12

Abfindung

...

a) Scheidet der Gesellschafter W im Zeitraum ...2010 bis ...2011 aus der Gemeinschaftspraxis aus und lässt er seine Zulassung zur Verwertung in der Gemeinschaftspraxis zurück, erhält er als Abfindung für seine Beteiligung am immateriellen Vermögen der Gemeinschaftspraxis 1/3 von 43 % des durch ihn im Zeitraum bis zu seinem Ausscheiden erwirtschafteten Umsatzes.

..."

Im Übrigen wird auf den Beitrittsvertrag Bezug genommen.

Hinsichtlich der Geschäftsführung und Vertretung galt der Praxisvertrag vom ...2005 (s. Präambel des Beitrittsvertrags). Im Praxisvertrag heißt es:

§ 8 (des Praxisvertrags vom ...2005)

"Geschäftsführung und Vertretung

1. Soweit ärztliche Leistungen betroffen sind, tritt jeder Gesellschafter als selbstständiger Arzt innerhalb der Gesellschaft auf und entscheidet unabhängig. Die Geschäftsführung und rechtsgeschäftliche Vertretung erfolgt im Übrigen durch die Gesellschafter gemeinsam. Die Gesellschafter behalten sich jedoch vor, jedem Gesellschafter die Erledigung einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen durch Beschluss zuzuweisen.

2. Jeder Gesellschafter kann die Gesellschaft allein vertreten bzw. die Geschäfte allein führen, wenn es sich um die Erledigung umlaufender, vor allem wiederkehrender Geschäfte handelt. Neue Verpflichtungen können jedoch nur insoweit eingegangen werden, als dass die Verpflichtung der Gesellschaft im Einzelfall einen Betrag von 1.000,00 € und pro Jahr einen Gesamtbetrag von 5.000,00 € nicht übersteigt und sofern die Gesellschaft nicht länger als für die Dauer von einem Jahr verpflichtet wird.

3. Für die Gemeinschaftspraxis werden Praxiskonten geführt. Die Gesellschafter sind im Rahmen ihrer Alleingeschäftsführungsbefugnis gemäß Abs. 2 dieser Regelung für die Praxiskonten jeweils allein zeichnungsbefugt. Im Übrigen bedürfen Kontoverfügungen der Zustimmung beider Gesellschafter."

Die erweiterte Praxisgemeinschaft schloss sodann am ...2012 einen weiteren Beitrittsvertrag mit dem Beigeladenen V mit Wirkung auf den ...2013 ab. Der Beigeladene V, der zuvor bereits als Arzt in der Praxis angestellt war, teilt sich den Sonderbedarfssitz im Rahmen des Jobsharings mit dem Beigeladenen W. Der Beitrittsvertrag ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem Beitrittsvertrag des Beigeladenen W.

Zu den Beteiligungsverhältnissen am bestehenden Gesellschaftsvermögen der Berufsausübungsgemeinschaft U/T/W wurde folgendes vereinbart (§ 4 Nr. 1 des Beitrittsvertrags):

"Die Gesellschafter U, T und W bringen das materielle und immaterielle Vermögen der ehemaligen Berufsausübungsgemeinschaft U/T/W mit Wirkung zum ...2013 als Gesellschaftsvermögen in die Berufsausübungsgemeinschaft ... zu Buchwerten ein. An diesem Gesellschaftsvermögen sind die Gesellschafter wir folgt beteiligt:

a) Materielles Gesellschaftsvermögen

Herr U:

50 %

Herr T:

50 %

Herr W:

0 %

Herr V:

0 %

b) Ideelles Gesellschaftsvermögen

Herr U:

42 %

Herr T:

42 %

Herr W:

8 %

Herr V:

8 %"

An der Steigerung des immateriellen Gesellschaftsvermögens der Berufsausübungsgemeinschaft sind die Gesellschafter zu 40 % (U), 40 % (T), 10 % (W) und 10 % (V) beteiligt.

Hinsichtlich der Ergebnisverteilung vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Beigeladene V 43 % des von ihm für die Gesellschaft erwirtschafteten Honorarumsatzes aus den Leistungen der kassenärztlichen Regelversorgung und 20 % des von ihm für die Gesellschaft erwirtschafteten Honorarumsatzes aus der privatärztlichen und den durch ihn realisierten Honorarumsätzen aus den Verträgen mit Krankenkassen und Krankenhäusern erhält (§ 7 Nr. 1b) des Beitrittsvertrags). Den restlichen Gewinn erhalten der Beigeladene U und T zu jeweils 50 %. Am Verlust der Gesellschaft sind die Beigeladenen wie folgt beteiligt:

Herr U:

45 %

Herr T:

45 %

Herr W:

5 %

Herr V:

5 %

Im Rahmen der Beschlussfassung steht dem Beigeladenen V ebenfalls im Rahmen der 2/3 Mehrheitsbeschlüsse eine Stimme zu (§ 6 des Beitrittsvertrags).

Im Übrigen wird auf den Beitrittsvertrag des Beigeladenen V Bezug genommen.

Die Klägerin erklärte in ihren gesonderten und einheitlichen Feststellungserklärungen für die Streitjahre für den Beigeladenen W und in 2013 für den Beigeladenen V eine Aufteilungsquote von 0 %. Sie rechnete die ihnen zustehenden Vergütungen als "Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage" vorab zu und teilte den restlichen Gewinn zwischen den Altgesellschaftern 50 : 50 auf.

Laufende Einkünfte

Vergütungen W

Vergütungen V

Sonder-BA

a. Anteil W

b. Anteil V

2011

792.818,95 €

+ 167,41 €

164.199,00 €

---

1.655,26 €

a. 678 €

2012

959.945,98 €

202.310,00 €

---

3.855,77 €

a. 3.071,38 €

2013

1.120.434,65 €

226.206,00 €

133.995,00 €

5.314,32 €

a. 2.359,52 €

b. 2.357,27 €

Der Beklagte veranlagte die Klägerin für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung M vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Beigeladenen W und V keine steuerlich anzuerkennende Mitunternehmerstellung inne haben würden und qualifizierte die Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb um. Der Rechtsauffassung des Betriebsprüfers folgend erließ der Beklagte am 09.11.2015 entsprechend geänderte Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, in denen er die Neugesellschafter nicht mehr als Mitunternehmer qualifizierte (Streichung im Bescheid). Die Einkünfte qualifizierte er als solche aus Gewerbebetrieb. Zudem erließ er unter dem 18.11.2015 erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für 2011 bis 2013.

Die hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren, mit denen die Klägerin geltend machte, dass die Neugesellschafter auch steuerlich als Mitunternehmer anzusehen seien und die Gewinne als solche aus freiberuflicher Arbeit zu qualifizieren seien, hatten nur teilweise, aus anderen Gründen, Erfolg.

Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017, in der er zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob, hielt der Beklagte an seiner Rechtsauffassung fest. Auch im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 03.11.2015 (Az. VIII R 63/13) sei nicht von einer Mitunternehmerschaft auszugehen. Eine Beteiligung am laufenden Gewinn liege nicht vor. Die Neugesellschafter seien vielmehr ausschließlich am jeweils selbst erzielten Umsatz beteiligt (s. § 7 der Beitrittsverträge). Der nach Zuweisung der umsatzabhängigen Vergütungen an die Neugesellschafter verbleibende Betrag werde jeweils zu 50 % aufgeteilt, so dass allein die Altgesellschafter am laufenden Gewinn beteiligt seien. Zu einer Verlustbeteiligung könne es nur kommen, wenn besonders hohe Anschaffungskosten getätigt werden würden oder wenn die Umsatzvergütungen - neben den Kosten - höher seien als die Einnahmen. In diesen Fällen wäre eine Reduzierung der Umsatzvergütungen sachgerecht, so dass diese über die Verlustbeteiligungen erreicht werden könnte. Aber selbst im Verlustfall würden die Neugesellschafter ihre Umsatzvergütungen erhalten, während die Altgesellschafter nichts erhalten würden. Daher bestehe keine "echte" Verlustbeteiligung. An den stillen Reserven der materiellen und ideellen Wirtschaftsgüter seien die Neugesellschafter nicht beteiligt. Es könne kein Unterschied zwischen den materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern gemacht werden. Die Beteiligungen der Beigeladenen V und W in Höhe von jeweils 8 % an dem ideellen Gesellschaftsvermögen könnten nur dahingehend verstanden werden, dass der Beigeladene W seit seinem Eintritt 16 % des Praxiswertes bereits selbst erwirtschaftet habe und nunmehr dem Beigeladenen V im Rahmen des Jobsharings 8 % abgebe. Hinsichtlich der neu erworbenen Wirtschaftsgüter könne eine Aufteilung nach den getragenen Anschaffungskosten zu Sonderbetriebsvermögen führen. Tatsächlich seien jedoch sämtliche Wirtschaftsgüter von der Gesamthand finanziert worden, so dass diese Gesamthandsvermögen geworden seien. An diesem seien nur die Beigeladenen U und T jeweils zur Hälfte beteiligt. Zwar seien die Neugesellschafter jeweils mit 10 % an der Steigerung des immateriellen Wertes der Praxis beteiligt. Im Falle ihres Ausscheidens berechne sich ihre Abfindung jedoch nach den erwirtschafteten Umsätzen und sei davon abhängig, ob die kassenärztliche Zulassung in der Praxis verbleibe. Daher handele es sich insoweit um einen Kaufpreis für die Zurücklassung der kassenärztlichen Zulassung.

Das Haftungsrisiko der Neugesellschafter sei als Gesamtschuldner zwar nach außen unbegrenzt, im Innenverhältnis bestehe jedoch ein Ausgleichsanspruch, soweit eine Inanspruchnahme über die Beteiligung hinausgehe.

Schließlich werde das geringe Mitunternehmerrisiko auch nicht durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen. Alle entscheidenden Fragen der Geschäftsführung seien einstimmig und die übrigen Entscheidung durch 2/3 Mehrheit zu treffen. Keiner der Neugesellschafter sei zur alleinigen Geschäftsführung berufen.

Daher seien die Einkünfte der Klägerin - mangels Eigenverantwortlichkeit der Neugesellschafter - nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Die Vergütungen aus den von den Neugesellschaftern im Namen der Klägerin erbrachten ärztlichen Leistungen entfielen nicht auf eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit als Mitunternehmer-Gesellschafter der Klägerin. Da die Altgesellschafter die Neugesellschafter nicht überwachten und bei der Behandlung der Patienten persönlich mitwirkten, sei die Klägerin im vollen Umfang gewerblich tätig. Die von den Neugesellschaftern erzielten Einkünfte seien auch nicht von untergeordneter Bedeutung.

Mit der hiergegen am 04.12.2017 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 25.04.2006 (Az. VIII R 74/03, BFHE 213, 358, BStBl II 2006, 595) aus, dass ein Gesellschafter, der weder am Gewinn und Verlust noch am Vermögen der Gesellschaft beteiligt sei, nicht ohne Weiteres dessen Mitunternehmerstellung ausschließe. Würden die Regelanforderungen an das Vorliegen mitunternehmerischen Risikos nicht erfüllt, da sich, wie es typischerweise bei der Komplementär-GmbH der Fall sei, das Unternehmerrisiko auf eine unbeschränkte Haftung für die Schulden der KG begrenze, könne dies aber durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen werden.

Für die Frage nach der Beteiligung an den stillen Reserven sei es maßgeblich, ob sich aus der vertraglichen Regelung der Abfindung beim Ausscheiden aus der Gesellschaft eine Teilhabe des ausscheidenden Gesellschafters an den bei der Gesellschaft gebildeten stillen Reserven, z.B. Geschäfts- bzw. Praxiswert, tatsächlich ergebe.

Für den Streitfall folge daraus, dass die Beitrittsverträge i.V.m. dem Gemeinschaftspraxisvertrag vom ...2005 dazu führen würden, dass von einer GbR auszugehen sei, wie sie typischerweise von Ärzten mit dem Ziel gemeinsamer Berufsausübung gegründet werden würde. Die Beiträge der Gesellschafter bestünden darin, die volle Arbeitskraft beizubringen.

Hinsichtlich der Regelungen zur Geschäftsführung und Vertretung als wesentlichem Kriterium der Mitunternehmerinitiative gelte § 8 des Gemeinschaftspraxisvertrags (s. § 1 Nr. 3 der Beitrittsverträge vom 10.05.2010 und vom 04.10.2012). Nach § 8 Nr. 1 erfolge die Geschäftsführung und rechtsgeschäftliche Vertretung durch die Gesellschafter gemeinsam. Gemäß § 8 Nr. 2 des Gemeinschaftspraxisvertrags könne jeder Gesellschafter die Gesellschaft allein vertreten bzw. die Geschäfte allein führen, wenn es sich um die Erledigung laufender, vor allem wiederkehrende Geschäfte handeln würde. Auch eine alleinige Zeichnungsberechtigung für die Praxiskonten sei geregelt (§ 8 Nr. 3 des Gemeinschaftspraxisvertrags).

Die Neugesellschafter hätten im Rahmen der sog. Grundlagengeschäfte, wie etwa der Änderung des Gesellschaftsvertrags oder bei Grundstücksgeschäften, wegen des Einstimmigkeitsprinzips das volle Stimmrecht. Insoweit gingen die vertraglichen Vereinbarungen über die von der BFH-Rechtsprechung geforderten Widerspruchs- und Kontrollrechte hinaus. Die sonstigen Geschäfte bedürften einer 2/3 Mehrheit der Stimmen. Dieses Stimmenerfordernis gehe damit über ansonsten bei Kommanditgesellschaften üblichen Mehrheitserfordernissen (einfache oder absolute Mehrheit) hinaus, erfordere aber, dass letztlich beide Altgesellschafter einer geplanten zustimmungsbedürftigen Geschäftsführungsmaßnahme auch zustimmen müssen, was angesichts der Beteiligungsverhältnisse nicht als ungewöhnlich zu beurteilen sei. Diese Stimmrechtssituation sei aber keineswegs ein Argument für eine nur schwach ausgeprägte Mitunternehmerinitiative. Hiervon seien grundsätzlich alle Minderheitsgesellschafter von Personengesellschaften betroffen, ohne dass man allein hieraus auf eine geringe Ausprägung der Mitunterinitiative schließen könne. Insoweit werde auf die gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte nach § 716 Abs. 1 BGB hingewiesen (dazu BFH-Urteil vom 10.10.2012 VIII R 42/10, BStBl II 2013, 79). Darüber hinaus seien alle Gesellschafter zur Mitarbeit berechtigt und verpflichtet, was auch im Hinblick auf die Möglichkeit, Mitunternehmerinitiative zu entwickeln, von Bedeutung sei. Im Streitfall sei es so, dass beispielsweise der Beigeladene V nach seinem Eintritt in die Praxis die gesamte Personalführung (Ausbildung, interne Fortbildung, externe Fortbildung, Qualitätszirkel) vollständig übernommen habe und eigenverantwortlich leite. Bei Neueinstellungen würden die anderen Gesellschafter nach dem vor der Unterzeichnung eines Anstellungsvertrags üblichen Praxistag des Bewerbers lediglich mitentscheiden. Der abzuschließende Anstellungsvertrag werde später von allen Gesellschaftern unterzeichnet. Diese Aufteilung der Geschäftsbereiche und Verantwortlichkeiten sei nicht nur schriftlich festgelegt, sondern werde auch vollumfänglich so gelebt. Der Beigeladene W sei für das Notfallmanagement, die Kommunikation und den Austausch mit niedergelassenen Kollegen, Krankenhäusern und Versicherungen zuständig.

Bei der Beurteilung, ob Mitunternehmerrisiko gegeben sei, sei auf einzelne Kriterien, wie die Haftung, Beteiligung an Gewinn und Verlust und den stillen Reserven abzustellen. Die Führung einer ... Praxis erfordere einen nicht unerheblichen Kapitaleinsatz für die Praxisausstattung, medizinischtechnische Geräte sowie auch eine Einstandspflicht aller Gesellschafter für abgeschlossene langfristige Mietverträge und auch die aus der Anstellung von Personal gegebenen Verpflichtungen. Insbesondere bestehe grundsätzlich das Risiko einer Inanspruchnahme wegen unzureichender Aufklärung von Patienten und ärztlichen Kunstfehlern, ebenso das Risiko von Rückforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung und Krankenversicherung. Zwar würde gegen das erstgenannte Risiko eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, diese würde jedoch regelmäßig sowohl der Höhe nach im Einzelfall limitiert als auch begrenzt auf eine Maximalsumme von Gesamtschäden im Jahr sein. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass aufgrund einer in der Praxis regelmäßig angewendeten Behandlungsmethode, die aufgrund späterer Begutachtung durch Sachverständige als kunstfehlerhaft angesehen werde, Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe geltend gemacht werden würden, die von der Haftpflichtversicherung der Praxis nicht mehr abgedeckt seien. Insbesondere das Fachgebiet der ... bringe höhere Haftungsrisiken mit sich als andere Fachbereiche. Auch die Regressverfahren der Kassenärztlichen Vereinigung würden ein hohes betragsmäßiges Risiko darstellen. Der BFH habe in seiner Entscheidung vom 25.04.2006 (VIII R 74/03 unter 2b)) ausgeführt, dass das mit der uneingeschränkten Haftung des Gesellschafters einer GbR mit seinem Privatvermögen im Außenverhältnis verbundene Risiko - auch bei guter Bonität der freigestellten Mitgesellschafter - nicht durch eine intern vereinbarte Freistellungsverpflichtung eliminiert werde.

Bei den Regelungen zur Ergebnisverteilung in § 7 der Beitrittsverträge handele es sich um eine übliche Klausel bei Eintritten in bestehende Freiberuflerpraxen. Es müsse dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die eintretenden Gesellschafter für den erworbenen Praxisanteil keinen Kaufpreis bezahlt hätten. Daher seien sie zunächst nur eingeschränkt am Gewinn der Praxis beteiligt. Im Streitfall sei die Praxis nach dem Prinzip eines "Medizinischen Versorgungszentrums" organisiert. Die Patienten seien in der Regel nicht einem bestimmten Arzt zugeordnet. Vielmehr würden alle Ärzte die Patienten gemeinsam behandeln, nach der chronologischen Reihenfolge am Arbeitstag. Daher würden alle Umsätze gemeinsam erzielt. Lediglich aus abrechnungstechnischen Gründen müsse der Umsatz einem Arzt zugeordnet werden. Dies erfolge danach, wer das Abschlussgespräch mit dem Patienten geführt habe. Aufgrund der relativ konstanten Kostenquote in der Praxis bedeute dies, dass die Neugesellschafter wirtschaftlich am Gewinn der Praxis beteiligt seien. Nur vor diesem Hintergrund mache die Regelung des § 7 Nr. 2 des Beitrittsvertrags des Beigeladenen W Sinn, dass die Altgesellschafter bei geänderter Kostenquote eine entsprechende Änderung der Gewinnbeteiligung verlangen könnten. Zudem habe die Regelung das Ziel, die Neugesellschafter zu hohem Arbeitseinsatz anzuspornen und damit zu einem hohen Umsatz der Praxis beizutragen. Aufgrund der bereits dargestellten Haftungs- und Regressrisiken bestehe auch eine praktische Verlustgefahr, die von wirtschaftlicher Bedeutung sei. Anderweitige Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung würden nicht der Realität entsprechen. An etwaigen Verlusten seien die Neugesellschafter mit 10 % W oder 5 % W/V beteiligt.

Schließlich läge auch eine Beteiligung der Neugesellschafter an den stillen Reserven vor. Die Regelung des § 4 Nr. 1 der Beitrittsverträge, dass die Neugesellschafter nicht an dem Gesellschaftsvermögen der Altgesellschafter beteiligt seien, resultieren daraus, dass für den Eintritt kein Kaufpreis gezahlt werde. An Neuanschaffungen seien auch die Neugesellschafter beteiligt. Im Wege der Vertragsauslegung sei von einer Quote von 10 % entsprechend der Verlustquote auszugehen. Allerdings spiele diese Beteiligung bei einem Austritt überhaupt keine Rolle, da der Praxiswert im Vordergrund stehe. An diesem sei der Beigeladene W mit 10 % seit seinem Eintritt beteiligt. Daher sei die Regelung des § 12 der Beitrittsverträge entscheidend. Eine Abfindung hänge davon ab, ob die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in der Praxis verbleibe. Im Beitrittsvertrag des Beigeladenen V befinde sich eine differenzierte Regelung zur Abfindung, die dem Umstand Rechnung trage, dass er seit seinem Eintritt lediglich Jobsharing-Partner des Beigeladenen W sei. Für den Fall, dass er voll zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werde, finde sich eine entsprechende Regelung wie im Beitrittsvertrag des Beigeladenen W.

In der mündlichen Verhandlung trägt die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts ergänzend vor, dass die umsatzorientierten Vergütungen der Neugesellschafter im Verlustfalle nicht zu zahlen wären und durch die Verpflichtung zur Zahlung der Vergütungen auch kein Verlust entstehen könnte, wenn der Gewinn der Klägerin die Vergütungen nicht decken würde.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung der Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011 bis 2013 vom 09.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017 statt der Einkünfte aus Gewerbebetrieb solche aus selbständiger Arbeit anzunehmen und den Beklagten zu verpflichten, die Einkünfte der Beigeladenen W und V zusätzlich wie erklärt als mitunternehmerische Einkünfte festzustellen und

die Gewerbesteuermessbescheide für 2011 bis 2013 vom 18.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keinen eigenen Antrag.

Der Beklagte nimmt im Wesentlichen Bezug auf seine Einspruchsentscheidung. Es fehle an einer Gewinnerzielungsabsicht auf der Ebene der Gesellschaft, so dass eine Mitunternehmerschaft versagt werden müsse. Es sei davon auszugehen, dass die Umsatzvergütungen auch im Falle eines Verlustes zu zahlen seien. Die Neugesellschafter würden nur begrenzt am Verlustrisiko teilnehmen. Allein das theoretisch mögliche Haftungsrisiko könne nicht zu einem ausgeprägten Mitunternehmerrisiko führen. Der Ausgleichsanspruch der Neugesellschafter im Falle eines Ausscheidens beziehe sich allein auf den eigenen Praxiswert auf der Grundlage der Umsätze. Eine Beteiligung an den stillen Reserven sei dadurch nicht gegeben. Das Haftungsrisiko sei durch die Versicherungssumme minimiert. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass dieses Risiko zum Tragen komme, so dass daraus kein Mitunternehmerrisiko abgeleitet werden könne. Hinsichtlich der Mitunternehmerinitiative sei es für die Neugesellschafter nur möglich, Entscheidungen zu verhindern (bei Einstimmigkeit), nicht aber eigene Entscheidungen durchzusetzen. Über grundsätzliche Entscheidung der Geschäftsführung bedürfe es einer gemeinsamen Entscheidung. Nur im Bereich wiederkehrender Geschäfte bestehe eine Alleinvertretungsbefugnis. Interne Aufgabenverteilungen seien insoweit unerheblich. Im Übrigen wird auf die Stellungnahmen vom 24.05.2018 und vom 29.08.2018 Bezug genommen.

Der Senat hat die Herren U, T, W und V mit Beschlüssen vom 25.03.2019 zum Verfahren beigeladen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Bescheide für 2011 bis 2013 vom 09.11.2015 über die negative Feststellung, dass der Beigeladene W nicht als Mitunternehmer der Klägerin anzusehen ist, und der Bescheid für 2013 vom 09.11.2015 über die negative Feststellung, dass der Beigeladene V nicht als Mitunternehmer der Klägerin anzusehen ist, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten, § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -. Zu Unrecht hat der Beklagte den Beigeladenen W und V die Mitunternehmerstellung als Gesellschafter der Klägerin versagt (I. der Gründe).

Da die Sache spruchreif ist, war der Beklagte zu verpflichten, den Beigeladenen W für 2011 bis 2013 und den Beigeladenen V für 2013 jeweils als Mitunternehmer mit deren erklärten Einkünften in die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin einzubeziehen, § 101 Satz 2 FGO.

Die angefochtenen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2011 bis 2013 vom 09.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.11.2017 sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Zu Unrecht hat der Beklagte die Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb festgestellt. Bei den Einkünften der Klägerin handelt es sich um solche aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (II. der Gründe).

Schließlich sind die Gewerbesteuermessbescheide 2011 bis 2013 rechtswidrig und verletzten die Klägerin ebenfalls in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat die Klägerin zu Unrecht nach § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) als Gewerbebetrieb qualifiziert (IV. der Gründe).

I. Gemäß § 179 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Abgabenordnung - AO - werden einkommen- und körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Bei einer selbstständig oder gewerblich tätigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn mehrere Personen den Betrieb als Unternehmer (Mitunternehmer) führen (§§ 18 Abs. 4 Satz 2, 15 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 EStG).

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist nicht jeder zivilrechtliche Gesellschafter einer Personengesellschaft auch Mitunternehmer i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Dies ist er nur dann, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen (oder einer wirtschaftlich vergleichbaren) Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt. Die Kriterien für die Annahme einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft unterscheiden sich dabei grundsätzlich nicht von denen einer gewerblichen Mitunternehmerschaft (vgl. nur BFH-Urteile vom 10.10.2012 VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79 unter II.2.a. und vom 08.04.2008 VIII R 73/05, BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681 unter II.2.a. m.w.N.).

Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Die allseitige Beteiligung am laufenden Gewinn ist für die Annahme einer Mitunternehmerschaft grundsätzlich obligatorisch (vgl. BFH-Urteile vom 01.07.2010 IV R 100/06, BFH/NV 2010, 2056 und vom 28.10.1999 VIII R 66-70/97, BFHE 190, 204, BStBl II 2000, 183). Eine Beschränkung der Verlustbeteiligung auf die Einlage ist indes unschädlich, denn auch der Kommanditist nimmt nur bis zur Höhe seiner Einlage am Verlust der Gesellschaft teil.

Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist bereits die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die z.B. den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - bzw. denjenigen eines Kommanditisten entsprechen.

Die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein (vgl. nur BFH-Urteil vom 10.10.2012 VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79 unter II.2.a.). So kann z.B. ein geringeres Initiativrecht durch ein besonders stark ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgeglichen werden. Allerdings müssen beide Merkmale vorliegen. Ob das zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände im Einzelfall zu würdigen (vgl. BFH-Urteile vom 10.10.2012 VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79 unter II.2.a.; vom 25.04.2006 VIII R 74/03, BFHE 213, 358, BStBl II 2006, 595 und vom 17.05.2006 VIII R 21/04, BFH/NV 2006, 1839, jeweils m.w.N.).

2. Nach diesen höchstrichterlichen Grundsätzen zur Beurteilung der Mitunternehmerstellung eines Gesellschafters, die der erkennende Senat für zutreffend hält und denen er folgt, tragen die Beigeladenen W und V (Neugesellschafter) jeweils ausreichend Mitunternehmerrisiko und üben Mitunternehmerinitiative aus, so dass sie als Mitunternehmer der Klägerin anzusehen sind, § 18 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die vorliegenden Verträge enthalten alle Elemente für eine Mitunternehmerstellung der Neugesellschafter.

a. Bei seiner Entscheidung geht der Senat davon aus, dass die Beigeladenen W und V gemäß §§ 705 ff. BGB zivilrechtlich Gesellschafter der Klägerin geworden sind. Die vier Beigeladenen haben sich i.S.d. § 705 BGB zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks, der gemeinsamen Ausübung der privatärztlichen und vertragsärztlichen Tätigkeit zur besseren Nutzung moderner Diagnostik und Therapie und zur besseren Krankenversorgung (§ 1 Nr. 1 des Praxisvertrags vom ...2005), zusammengeschlossen. Zur Erreichung dieses Zwecks erbringen die Neugesellschafter ihre Beiträge jeweils in Form von Dienstleistungen. Nach § 706 Abs. 3 BGB reicht es aus, dass der Beitrag eines Gesellschafters in der Leistung von Diensten besteht (vgl. zur zivilrechtlichen Zulässigkeit einer sog. Nullbeteiligung i.E. offenlassend BFH-Urteil vom 03.11.2015 VIII R 63/13, BFHE 252, 294, BStBl II 2016, 383 unter II.1.c., aber mit Hinweis auf Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.04.1987 II ZR 101/86, BB 1987, 1276; Urteil des LG Stuttgart vom 07.08.2003 27 O 228/03, juris; Beschluss des OLG Frankfurt vom 20.09.2012 20 W 264/12, NZGesR 2013, 338).

b. Das Mitunternehmerrisiko der Beigeladenen W und V folgt aus den Regelungen zur Ergebnisverteilung, zum Haftungsrisiko und zur Vermögensbeteiligung.

aa. Nach den Regelungen zur Ergebnisverteilung (jeweils § 7 der Beitrittsverträge) erhalten die neu beigetretenen Gesellschafter eine am persönlichen Umsatz orientierte Vergütung. Diese Vergütungsform korrespondiert mit der Art der Beitragsleistung nach § 706 Abs. 3 BGB, die in der Leistung von Diensten besteht, so dass auch die Vergütung an den durch die Dienstleistungen erwirtschaften Umsätzen angelehnt ist. Da der Berechnung der prozentualen Vergütungen von maximal 43 % der vergangenen drei Jahresumsätze, die aus der Vergangenheit bekannte, langjährige Kostenquote der Praxisgemeinschaft U/T zu Grunde liegt, wirkt die Vergütung faktisch wie eine Gewinnbeteiligung, die begrenzt ist, auf die von den Neugesellschaftern selbst erwirtschaftete Rendite. Aufgrund der Tatsache, dass die Neugesellschafter bei Eintritt in die bestehende Gemeinschaftspraxis keinen Kaufpreis zahlen mussten, erscheint diese Form der Gewinnbeteiligung auf der Basis der selbst erwirtschafteten Rendite auch konsequent, da aus der Sicht der Altgesellschafter bei Eintritt der Neugesellschafter nicht absehbar war, welchen Anteil am Gesamtumsatz die Neugesellschafter beitragen würden. Anders als bei einem Handelsgewerbe ist die Besonderheit in einer aus Ärzten bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, dass jeder einzelne Arzt nur mit seiner eigenen Arbeitskraft den Patientenstamm vergrößern und damit den Umsatz und Gewinn der Gesellschaft steigern kann. Erst nach einer gewissen Zeit der Zusammenarbeit lässt sich erkennen, wieviel Anteil der einzelne Arzt am Gesamtgewinn hat. Somit partizipieren die Neugesellschafter am Gewinn der Klägerin.

bb. Diese Art der Gewinnbeteiligung ist so ausgestaltet, dass dadurch kein Verlust auf der Ebene der Klägerin entstehen konnte. Vielmehr sollten die Vergütungen maximal ein Nullergebnis bei der Klägerin herbeiführen können.

Für den - bislang lediglich theoretischen - Fall des "echten" erwirtschafteten Verlustes tragen die Neugesellschafter diesen zu 10 % (Beigeladener W bis zum Eintritt des Beigeladenen V) bzw. jeweils 5 % (nach dem Eintritt des Beigeladenen V) mit. Diese Regelung zur Verlustbeteiligung stellt ein reales finanzielles Risiko für die Neugesellschafter dar.

Von diesem Verständnis der Ergebnisverteilung (jeweils § 7 der Beitrittsverträge) ist der Senat nach Auslegung der Regelungen der Beitrittsverträge überzeugt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zwar sind die Regelungen (Unterpunkte a) bis b) bzw. c) der Beitrittsverträge) dem Wortlaut nach nicht über jeden Zweifel erhaben, denn sie enthalten keine klare Formulierung dazu, dass die am Umsatz orientierten Vergütungen der Neugesellschafter nur im Fall eines erwirtschafteten Gewinns der Klägerin gezahlt werden. Denn die Regelungen zu einer Verlustbeteiligung der Gesellschafter sind im Vertragstext gleichrangig im Unterpunkt c) bzw. d) erfasst. Nach dem Wortlaut bleibt daher unklar, ob die Vergütungen der Neugesellschafter in jedem Fall zu zahlen sind, unabhängig davon, ob die Klägerin einen Gewinn oder Verlust erzielt hat.

Sind gesellschaftsvertragliche Regelungen jedoch - wie im Streitfall - auslegungsbedürftig, dann ist nach §§ 133, 157 BGB der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei geht der übereinstimmende Wille der an dem Abschluss des Vertrags beteiligten Personen, der eine innere Tatsache darstellt, dem Vertragswortlaut oder einer anderweitigen Auslegung vor, wenn nicht Rechte Dritter, also außenstehender Personen, betroffen sind (vgl. nur BGH-Beschluss vom 21.04.2015 II ZR 126/14, MDR 2015, 1191 unter II.1. m.w.N.).

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin konnten in der mündlichen Verhandlung schlüssig und für den erkennenden Senat überzeugend darlegen, dass sich durch die prozentuale Verlustbeteiligung nicht lediglich die Umsatzvergütungen der Neugesellschafter W und V mindern sollten, sondern im Verlustfalle keine Umsatzvergütung auszuzahlen wäre. Vielmehr sollte es in diesem Fall allein bei der prozentualen Verlustbeteiligung bleiben. Alles andere hätte nicht den wirtschaftlichen Überlegungen der Vertragspartner entsprochen. Die von diesem Verständnis der Beteiligten abweichende objektive Vertragsauslegung des Beklagten entspricht nicht diesem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner und ist daher abzulehnen. Sie ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass Rechte außenstehender Dritter betroffen wären. Durch die rein im Innverhältnis der Gesellschafter wirkenden Regelungen zur Ergebnisverteilung sind Interessen Dritter nicht betroffen, so dass für eine objektive Auslegung, wie der Beklagte sie vornimmt, kein Raum ist.

Darüber hinaus kann auch der Senat die vom Beklagten vertretene Vertragsauslegung nach dem wirtschaftlichen Sinn der Regelungen nicht hinreichend nachvollziehen. Es erscheint aus der Sicht der Altgesellschafter U und T unnötig risikoreich, eine feste, gewinnunabhängige Umsatzvergütung für die Neugesellschafter zu vereinbaren, wodurch sich ihr finanzielles Risiko exorbitant erhöhen würde.

cc. Über die Gewinn- und Verlustbeteiligung der Neugesellschafter hinaus ergibt sich ein Mitunternehmerrisiko der Neugesellschafter auch aus dem bestehenden Haftungsrisiko für Verbindlichkeiten der Klägerin. Nach § 6 Nr. 2 des Praxisvertrags haften alle Gesellschafter der Klägerin gesamtschuldnerisch. Die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Haftungsfreistellung im Innenverhältnis für schuldhafte Handlungen eines Gesellschafters kann dieses nach außen bestehende wirtschaftliche Risiko nicht vollständig eliminieren (vgl. BFH-Urteil vom 25.04.2006 VIII R 74/03, BFHE 2013, 358, BStBl II 2006, 595 unter II.2.b.). Gerade die Tätigkeit als Arzt im Fachbereich der ... begründet ein sehr hohes Haftungsrisiko für etwaige Behandlungsfehler. Daher kann das im Streitfall bestehende Haftungsrisiko nicht mit dem eines Handelsvertreters verglichen werden, so wie der Beklagte argumentiert (vgl. dazu BFH-Urteil vom 04.11.2004 III R 21/02, BFHE 207, 321, BStBl II 2005, 168). Soweit der Beklagte im Hinblick auf die Risikominimierung auf die Berufshaftpflichtversicherungen der Gesellschafter verweist, kann der Senat dem Argument nicht folgen. Eine Berufshaftpflichtversicherung wird gerade für den Fall eines bestehenden finanziellen Risikos abgeschlossen, um ggf. existenzgefährdende Haftungsinanspruchnahmen abzumildern. Hieraus im Umkehrschluss den Gesellschaftern das bestehende Haftungsrisiko abzusprechen, ist nicht nachvollziehbar (s. aber FG Baden-Württemberg vom 16.06.2005 3 K 101/01, EFG 2005, 1539 unter 1.a.dd.).

Darüber hinaus verbleibt als weiteres Haftungsrisiko die sonstigen Ansprüche gegen die Klägerin oder die Gesellschafter als Gesamtschuldner, für die keine Haftungsfreistellung vereinbart wurde (§ 6 Nr. 3 des Praxisvertrags).

dd. Schließlich sind die Neugesellschafter auch an den stillen Reserven der Klägerin beteiligt. Die bis zum Beitritt gebildeten stillen Reserven des materiellen Gesellschaftsvermögens stehen den Altgesellschaftern zu (§ 4 Abs. 1 der Beitrittsverträge W und V). Hingegen fallen nach dem jeweiligen Beitritt der Neugesellschafter sämtliche neu angeschafften Einrichtungsgegenstände und medizinischen Geräte in das Gesellschaftsvermögen der Klägerin. Daran sind Alt- und Neugesellschafter nach dem Verhältnis beteiligt, in dem sie für die Anschaffungskosten aufkommen (§ 4 Abs. 4 der Beitrittsverträge W und V). Ein Anteil an den stillen Reserven des bestehenden ideellen Gesellschaftsvermögens steht den Neugesellschaftern beim Eintritt des Beigeladenen V zu jeweils 8 % zu (§ 4 Abs. 1 des Beitrittsvertrags V). Im Beitrittsvertrag des Beigeladenen W fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung zum bestehenden ideellen Gesellschaftsvermögen. § 4 Abs. 1 des Beitrittsvertrags W regelt lediglich die Beteiligung der Alt- und des Neugesellschafters am Gesellschaftsvermögen der Klägerin, welches zu Buchwerten in die Klägerin eingebracht wurde. Da für das immaterielle Gesellschaftsvermögen, insbesondere den Praxiswert, kein Buchwert bestanden haben dürfte, enthält der Beitrittsvertrag insoweit eine Lücke. Diese kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung jedoch dahingehend geschlossen werden, dass dem Beigeladenen W insoweit ebenfalls - wie später beim Beigeladenen V vereinbart - ein Anteil von 8 % seit seinem Beitritt zustehen sollte.

An der Wertsteigerung des immateriellen Gesellschaftsvermögens sind die Neugesellschafter nach dem jeweiligen Beitritt jeweils mit 10 % beteiligt, § 4 Abs. 5 der Beitrittsverträge W und V.

Wegen der Beteiligung der Neugesellschafter an den stillen Reserven gelten für die Neugesellschafter im Falle ihres Ausscheidens aus der Klägerin - wie für die Altgesellschafter auch - die gesetzlichen Regelungen der §§ 738 bis 740 BGB (s. § 12 des Beitrittsvertrags W i.V.m. § 18 Abs. 2 des Praxisvertrags und § 11 des Beitrittsvertrags V i.V.m. § 12 Abs. 2 des Beitrittsvertrags W). Hinsichtlich des immateriellen Gesellschaftsvermögens erhalten die Neugesellschafter bei ihrem Ausscheiden eine Abfindung, soweit sie ihre Zulassung zur vollen Teilnahme an der Regelversorgung (sog. Vertragssitz) in der Praxis zurücklassen (§ 12 Abs. 3 des Beitrittsvertrags W und § 11 Abs. 3 des Beitrittsvertrags V). Dies entspricht der Regelung im Praxisvertrag, nach dem an den ausscheidenden Altgesellschafter eine Abfindung nur dann gezahlt wird, wenn das Verwertungsrecht bezüglich der Zulassung auf den verbleibenden Gesellschafter übertragen wird (s. § 18 Abs. 3 des Praxisvertrags). Die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist der maßgebende wertbildende Faktor im Bereich des ideellen Gesellschaftsvermögens. Daher sind die Gesellschafter U, T und W verpflichtet im Falle ihres Ausscheides durch Berufsunfähigkeit, Tod oder Entziehung der Approbation (nicht Kündigung) den Vertragssitz zurückzulassen (s. § 12 Abs. 1 bis 3 des Beitrittsvertrags V). Darüber hinaus hat sich der Beigeladene V verpflichtet, in allen Fällen seines Ausscheidens, also auch im Falle der Kündigung, seinen Vertragssitz zurückzulassen, soweit die Beschränkung aus dem Jobsharing beendet ist (§ 12 Abs. 4 des Beitrittsvertrags V). Der Abfindungsanspruch der Neugesellschafter ist der Höhe nach gestaffelt nach der Dauer der Zugehörigkeit des ausscheidenden Gesellschafters in der Praxis und nach seinen erwirtschafteten Jahresumsätzen der letzten drei Jahre (§ 12 Abs. 3 des Beitrittsvertrags W und § 11 Abs. 3 des Beitrittsvertrags V). Zwar weichen die Abfindungsregelungen der Neugesellschafter von den Abfindungsregelungen der Altgesellschafter insoweit ab, dass der Wert des Gesellschaftsvermögens der Altgesellschafter im Streitfall von einem Sachverständigen festgelegt wird, und sich nicht nach den vergangenen Jahresumsätzen bemisst. Soweit der Beklagte bei der Berechnungsmethode für die Neugesellschafter allerdings nur einen "Kaufpreis" für den Vertragssitz sieht, kann der Senat dem nicht folgen. Die Höhe der Abfindung für die Neugesellschafter ist gerade kein fixer Betrag für einen immateriellen Vermögensgegenstand, sondern spiegelt einen Anteil am Praxiswert (Größe des Patientenstamms) wider. Die Berechnungsmethode nach den Jahresumsätzen der letzten drei Jahre entspricht diesem Verständnis und vermeidet Streitigkeiten zum Wert des Gesellschaftsvermögens, welche ggf. erst durch ein kostspieliges Sachverständigengutachten zu lösen wären.

c. Die Beigeladenen W und V verfügen auch über die erforderliche Mitunternehmerinitiative. Ihre in den Beitrittsverträgen eingeräumten Möglichkeiten zur Ausübung von Gesellschaftsrechten gehen über die gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechte nach § 716 BGB deutlich hinaus.

aa. Nach § 8 Abs. 1 des Praxisvertrags steht die Geschäftsführung den Gesellschaftern gemeinsam zu, wenn nicht einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen auf einen Gesellschafter übertragen worden sind. Die gemeinsame Geschäftsführungsbefugnis entspricht der gesetzlichen Regelung des § 709 Abs. 1 1. HS BGB. Nach unwidersprochenem und überzeugendem Vortrag der Klägerin hat in der Praxis der Beigeladene V nach seinem Beitritt den Geschäftsbereich der Personalführung eigenverantwortlich übernommen. Hingegen ist der Beigeladene W für das Notfallmanagement, die Kommunikation und den Austausch mit niedergelassenen Kollegen, Krankenhäusern und Versicherungen zuständig. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass die Neugesellschafter nicht nur im Rahmen der gemeinsamen Geschäftsführung gehandelt haben, sondern darüber hinaus in klar festgelegten Aufgabenbereichen allein zur Geschäftsführung berechtigt waren. Für die Geschäftsführung erforderliche Gesellschafterbeschlüsse werden nach § 6 Abs. 1 des Beitrittsvertrags W - entsprechend § 709 Abs. 1 2. HS. BGB - einstimmig gefasst, soweit es sich um Geschäfte von wesentlicher Bedeutung handelt (Änderung des Gesellschaftsvertrags - insbesondere der Gewinnverteilung -, Aufnahme neuer Gesellschafter, Grundstücksgeschäfte und Zahlungen der Gesellschafter an die Gesellschaft über 1.500 € pro Kalenderjahr/Gesellschafter). Im Übrigen werden die Beschlüsse mit einer 2/3-Mehrheit gefasst (§ 6 Abs. 2 des Beitrittsvertrags W). Die Stimmverteilung richtet sich dabei nicht nach Köpfen (so die gesetzliche Auslegungsregelung des § 709 Abs. 2 2. HS BGB), sondern nach vertraglich festgelegten Stimmanteilen, wobei auf die Altgesellschafter jeweils 5 Stimmen entfallen und auf die Neugesellschafter jeweils 1 Stimme entfällt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 des Beitrittsvertrags W und § 6 des Beitrittsvertrags V). Soweit der Beklagte anführt, dass die Neugesellschafter wegen ihres Stimmanteils (jeweils 1 Stimme) faktisch keinen Einfluss auf die Geschäftsführung hätten, kann der Senat dem nicht folgen. Der Senat hält die Einwirkungsmöglichkeiten der Neugesellschafter vielmehr für ausreichend. Sie sind von der Führung der Geschäfte nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil sind sowohl wesentliche Geschäfte, insbesondere auch Entscheidungen zur Gewinnverteilung, von allen Gesellschaftern einstimmig, also gleichberechtigt, zu beschließen als auch einzelne Geschäftsführungsbereiche auf sie übertragen worden.

bb. Darüber hinaus wird die Klägerin bei der Erledigung laufender und wiederkehrender Geschäfte nach außen von jedem Gesellschafter allein vertreten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 des Praxisvertrags i.V.m. Präambel des Beitrittsvertrags W und § 1 Abs. 3 des Beitrittsvertrags V). Diese gesellschaftsvertragliche Alleinvertretungsbefugnis nach außen beinhaltet zudem die alleinige Zeichnungsbefugnis über die Praxiskonten der Klägerin (§ 8 Abs. 3 des Praxisvertrags i.V.m. Präambel des Beitrittsvertrags W und § 1 Abs. 3 des Beitrittsvertrags V). Jeder Gesellschafter ist berechtigt, Verpflichtungen, die nicht länger als ein Jahr andauern, zu Lasten der Klägerin bis zu 1.000 € (pro Jahr 5.000 €) einzugehen, § 8 Abs. 2 Satz 2 des Praxisvertrags i.V.m. Präambel des Beitrittsvertrags W und § 1 Abs. 3 des Beitrittsvertrags V. Lediglich darüber hinaus bedarf es einer Zustimmung jedes Gesellschafters. Damit sind von der Vertretungsbefugnis die Rechtsgeschäfte des täglichen Praxislebens abgedeckt. Dies bedeutet eine gleichberechtigte, weitreichende rechtsgeschäftliche Verantwortung eines jeden Gesellschafters der Klägerin.

d. Der Senat ist auf der Grundlage dieser gesellschaftsvertraglichen Regelungen davon überzeugt, dass die Neugesellschafter über weitaus mehr Rechte verfügen, als sie einem Kommanditisten im Rahmen seines Kontrollrechts (§ 166 HGB) zustehen. Aus diesen Rechten können die Neugesellschafter auf die Klägerin Einfluss nehmen und ihre Mitunternehmerinitiative hinreichend ausüben. Aufgrund der Mitunternehmerstellung der Neugesellschafter sind diese in die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin nach § 179 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO einzubeziehen.

II. Die Einkünfte der Klägerin sind solche aus selbständiger Arbeit, da es sich um eine freiberufliche Tätigkeit handelt, 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. nur BFH-Urteil vom 27.08.2014 VIII R 6/12, BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002 m.w.N.) entfaltet eine Personengesellschaft zwar nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden. Das Handeln der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit das Handeln der Gesellschaft darf kein Element einer nicht freiberuflichen Tätigkeit enthalten. Bedienen sich die Gesellschafter bei der Ausübung ihrer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Arbeit der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte, dann müssen die Gesellschafter dennoch auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig sein (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

Erbringen die Gesellschafter einer Personengesellschaft ihre Leistungen teilweise freiberuflich und teilweise - etwa mangels Eigenverantwortlichkeit - gewerblich, so ist ihre Tätigkeit nach § 18 Abs. 4 i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich zu qualifizieren (vgl. BFH-Urteil vom 04.07.2007 VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53).

2. Auf der Grundlage dieser höchstrichterlichen Grundsätze sind die Einkünfte der Klägerin jedoch solche aus selbständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Im Streitfall sind nach den zuvor getroffenen Feststellungen des Senats sämtliche Gesellschafter der Klägerin auch als Mitunternehmer anzusehen und üben als zugelassene Ärzte einen freien Beruf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG aus. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG und in der Folge § 18 Abs. 4 i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG finden daher keine Anwendung.

III. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin sind die selbständigen Einkünfte des Beigeladenen W in den Streitjahren 2011 bis 2013 und die selbständigen Einkünfte des Beigeladenen V im Streitjahr 2013 in der erklärten Höhe zu erfassen. Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Berechnung dem Beklagten aufzuerlegen.

Laufende Einkünfte

Vergütungen W

Vergütung

Sonder-BA

a. Anteil W

b. Anteil V

2011

792.818,95 € + 167,41 €

164.199,00 €

---

1.655,26 €

a. 678 €

2012

959.945,98 €

202.310,00 €

---

3.855,77 €

a. 3.071,38 €

2013

1.120.434,65 €

226.206,00 €

133.995,00 €

5.314,32 €

a. 2.359,52 €

b. 2.357,27 €

Anzusetzende Gewinne der Beigeladenen W und V (s. Protokoll der mündlichen Verhandlung):

2001

163.521 €

---

2012

199.238 €

---

2013

223.846 €

131.637 €

IV. Schließlich ist die Klägerin nicht gewerbesteuerpflichtig nach § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG. Da es sich bei der Klägerin nicht um einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG handelt, sondern sie durch ihre Gesellschafter eine freiberufliche Tätigkeit entfaltet, fehlt es bereits am Steuergegenstand für die Gewerbesteuer.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 und Abs. 3 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 139 Abs. 4 FGO nicht erstattungsfähig, da sie das Verfahren weder durch einen eigenen Sachvortrag noch durch Rechtsausführungen wesentlich gefördert haben (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 10.08.1988, II B 138/87, BStBl II 1988, 842).

VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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