OLG Hamm, Urteil vom 05.11.2020 - 28 U 151/19
Fundstelle
openJur 2021, 17958
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.05.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum, Az. I-1 O 321/18, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung aus diesen Urteilen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Schadensersatzpflicht nach dem Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs der Marke Q1 Diesel gegenüber der Beklagten als Herstellerin des Fahrzeugs.

Mit verbindlicher Bestellung vom 24.09.2013 bestellte der Kläger bei der U AG & Co.KG das streitgegenständliche Fahrzeug der Marke Q1 Diesel EU4, KM-Stand: 92.000, EZ: 11.05.2009 zu einem Kaufpreis von 39.999,- €, welches ihm am 27.09.2013 übergeben wurde (Anlage K31, Anlagenband). Nach der EWG-Übereinstimmungsbescheinigung vom 27.04.2009 handelt es sich um den Typ 9PA des Fahrzeugs mit V6 Motor mit einer Nennleistung von 176 kw (Anl. K34). Nach der EWG-Übereinstimmungsbescheinigung wurde die EG-Typgenehmigung für den Typ des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 17.11.2008 erteilt.

Die Beklagte stellte den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht selbst her, sondern bezog ihn von der B AG. Das Fahrzeug verfügt nicht über einen SCR-Katalysator mit AdBlue-Einspritzung. Einen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeugmodell der Beklagten gibt es nicht. Rückrufe des KBA gab es u.a für das Modell Q1 Bj. 2014-2016, 3.0 l V6 TDI, EU6 und Q2 3.0 l V6 TDI, EU6.

Mit Schreiben vom 05.07.2018 forderte der Kläger die Beklagte mit der Behauptung, in allen 3.0l TDI Motoren der Beklagten sei eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, zur Zahlung des Kaufpreises von 39.999 € bis zum 19.07.2018 erfolglos auf (Anl. K32). Die Q Deutschland GmbH wies dies mit Schreiben vom 14.07.2018 mit dem Bemerken zurück, bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug mit dem Baujahr 2009 (EU4) seien bei der Prüfung und Typisierung die gesetzlichen Vorschriften eingehalten worden. Es sei von der Maßnahme des KBA zum Q1 3.0l V6 Diesel (EU6) der Baujahre 2014 - 2017 nicht betroffen (Anl. K33).

Der Kläger hat u.a. behauptet:

Das streitgegenständliche Fahrzeug enthalte mindestens zwei Softwaremanipulationen, die als unzulässige Abschalteinrichtungen iSd Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren seien:

Erstens liege ein illegales sog. Thermofenster vor. Die Abgasnachbehandlung funktioniere nur in einem Umgebungstemperaturbereich von 17 - 33 °C, wie sie auf dem Prüfstand vorherrsche, während insbesondere bei den hierzulande oft vorherrschenden niedrigeren Temperaturen die Wirksamkeit der Emissionskontrolle reduziert werde. In dem Fahrzeug des Typs Q2 3.0l V6 EU6 sei der gleiche Motor verbaut wie in dem streitgegenständlichen Fahrzeug. Die Fahrzeugtypen enthielten die gleichen Abschalteinrichtungen. Das Thermofenster sei zum Motorenschutz nicht notwendig.

Zweitens sei eine Software verbaut, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde. Nehme die Software dies an, werde eine sog. Aufwärmstrategie ausgelöst, die den Ausstoß an NOx reduziere. Außerhalb des Testzyklus (Real Drive) komme eine andere Schaltpunkteinstellung zum Tragen. Die Aufwärmstrategie betreffe die Schalt-Einstellung des Getriebes. Bei Nutzung der Aufwärmstrategie lägen die Schaltpunkte zwischen den Gängen höher als sonst, wodurch die NOx-Werte reduziert würden. Die Prüfstandserkennung erfolge mittels einer sogenannten Lenkwinkelerkennung.

Dies stellten unzulässige Abschalteinrichtungen iSd Art. 5 EG (VO) 715/2007 dar. Zur weiteren Begründung verweist der Kläger auf Ergebnisse aus dem Bericht der Untersuchungskommission W, der Fahrzeuge der Abgasnormen EU5 und EU6 betraf (Anl. K3), Zeitungsberichte über Auffälligkeiten bei Untersuchungen von Fahrzeugen des Typs Q1 in den USA und in Deutschland und Rückrufe des KBA betreffend andere 3.0 l V6-Dieselmotoren, die von der B AG hergestellt worden sind (Spiegel (24/2017), K2; Spiegel Online vom 21.01.2018, K6, Bild vom 20.01.2018, K7; Spiegel Online vom 26.01.2018 zum Q2, K4 und Handelsblatt vom 12.12.2017 zum W X).

Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass Manipulationen vorgelegen hätten. Die Motoren der B AG seien umkonstruiert und von der Beklagten überarbeitet worden. Dabei sei der Schadstoffausstoß geprüft und erkannt worden, dass Manipulationen vorlägen. Im Jahr 2011 habe die Beklagte beschlossen, mit ihrem neuen Q1 SUV den US-Diesel Markt zu erschließen. Die Beklagte sei an die B AG herangetreten, um den 3,0l V6 Dieselmotor der B AG für den Einsatz beim Q1 zu erwerben. Die B AG habe sich einverstanden erklärt, die Beklagte mit dem 3,0l Motor für den US-Markt zu beliefern. Bei der Lieferung des Motors habe das B-Personal seine Kollegen bei der Beklagten über die wichtigsten Merkmale des Motors, einschließlich der Strategie zur Harnstoffdosierung informiert. In Schriftwechseln im oder ungefähr im September 2011, an denen unter anderem B-Techniker H, der damalige Leiter der Motorenentwicklung von W, J, und der Q-Chef für Elektronikentwicklung, T, beteiligt gewesen seien, habe die B AG die Q-Mitarbeiter über die Begrenzung der Tankgröße bei den 3,0l Motoren, die EPA-Anforderungen, die Verbindung des Nachfüllens mit den Serviceintervallen und die daraus resultierende Strategie zur Harnstoffdosierung, die die B AG ersonnen habe, unterrichtet. Ungeachtet dieser Informationen habe die technische Abteilung von Q, damals unter der Leitung von K, den Bezug des 3,0l Motors von B, ausgestaltet mit der Abschalteinrichtung, für seine Q1 Diesel SUV des Modelljahres 2013 auf dem US-Dieselmarkt fortgesetzt. In dieser Form sei auch das streitgegenständliche Fahrzeug manipuliert worden. Im weiteren Verlauf seien an Gesprächen über die Entwicklung und den Einsatz der Abschalteinrichtung Dutzende von Führungskräften, leitenden Managern und Ingenieure beteiligt gewesen.

Der Kläger hat sein Begehren erstinstanzlich auf §§ 311, 241 Abs. 2 BGB (Prospekthaftung); §§ 311, 280, 241, 443 iVm Art. 12, 18 RL Nr. 2007/45/EG; §§ 4,6, 25 EG-FGV, §§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB; §§ 826, 31, 831 BGB und § 823 Abs. 2 BGB iVm § 16 UWG bzw. § 4 Nr. 11 UWG a.F. gestützt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Q1 Diesel (Fahrzeugidentifikationsnummer: #) durch die Beklagte resultieren;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.434,74 € freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat hervorgehoben, dass das streitgegenständliche Fahrzeug - unstreitig - mit einem 3,0l Sechszylinderdieselmotor der Schadstoffklasse EU4 ausgestattet sei. Das klägerische Vorbringen zum Motor des Typs EA 189 (EU5) und 3.0l Dieselmotoren aus Fahrzeugen der Beklagten mit den Abgasnormen EU5 und EU6 sei irrelevant. Die weiteren Ausführungen des Klägers sowohl zum Sachverhalt als auch zur rechtlichen Würdigung seien daher allesamt entweder unzutreffend oder für den hiesigen Rechtsstreit ohne jede Bedeutung. Die Beklagte hat herausgestellt, dass der Typ des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht von einem Rückruf des KBA betroffen ist. Der klägerische Vortrag sei "ins Blaue hinein" gehalten; die Beweisantritte seien auf Ausforschung gerichtet.

Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung vom 07.03.2019 mit dem am 16.05.2019 verkündeten Urteil die Klage mit dem Antrag zu 1. als unzulässig und mit dem Antrag zu 2. als unbegründet abgewiesen. Der auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichtete Klageantrag zu 1. sei bereits mangels Feststellungsinteresses unzulässig, worauf die Kammer bereits hingewiesen habe. Der Klageantrag zu 2. auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sei unbegründet. Der Kläger habe ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte "ins Blaue hinein" behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über einen Motor, bei dem - mechanisch oder durch Softwareeinstellungen - die gemessenen Schadstoffwerte manipuliert würden. Dieser Vortrag sei rechtlich unbeachtlich. Wegen der Einzelheiten der landgerichtlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner zulässigen Berufung. Er rügt im Wesentlichen, die Feststellungsklage sei zulässig und sein Vortrag zu den in dem Fahrzeug verbauten Abschalteinrichtungen sei nicht "ins Blaue hinein" erfolgt.

Das erforderliche Feststellungsinteresse bestehe, weil entgegen der Auffassung des Landgerichtes die Schadensentwicklung hier noch nicht abgeschlossen sei. Es bestehe die Möglichkeit von Steuernachforderungen und er, der Kläger, müsse bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung Aufwendungen auf das Fahrzeug tätigen. Er müsse möglicherweise ein Gutachten einholen lassen und sei daher nicht in der Lage, ein Software-Update aufspielen zu lassen. Es stehe noch nicht fest, ob er das Fahrzeug an die Beklagte zurückgebe oder nicht, und die Beklagte werde ohnehin auf ein Feststellungsurteil leisten. Selbst wenn man fordere, dass er eine Entscheidung zum Inhalt des Schadensersatzanspruches (Rückabwicklung oder Ersatz der Wertminderung) treffen müsse, liege keine abgeschlossene Schadensentwicklung vor. Dann wäre weiter unklar, welche weiteren Schäden die Beklagte zu ersetzen habe. Bei einer Rückabwicklung habe er, der Kläger, sich die gezogenen Nutzungen im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen zu lassen, die er nicht berechnen könne.

Das Landgericht habe verkannt, dass das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen unstreitig geblieben sei, und zu Unrecht unterstellt, die Motoren seien nicht baugleich. Der Kläger habe erstinstanzlich zu mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgeführt, welche die Beklagte nicht in Abrede gestellt habe.

Der Kläger vertieft sein Vorbringen zu den beanstandeten Abschalteinrichtungen. So liege bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Thermofenster ebenso vor wie bei einem B A4 mit 3.0 l V6 TDI Motor der Motorbaureihe EA897, EU5. Die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters im Temperaturbereich von 17 °C bis 33 ° Celsius habe zur Folge, dass das Fahrzeug im Regelbetrieb praktisch immer nur eine reduzierte Abgasnachbehandlung nutze. Dies verstoße gegen Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007.

Weiter sei erstinstanzlich unstreitig vorgetragen worden, dass die Getriebesoftware manipuliert sei. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei dasselbe Getriebe - und damit auch dieselbe Getriebesoftware - verbaut wie in späteren Q1 Dieselfahrzeugen. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug seien bezüglich der Getriebesoftware zwei Betriebsmodi verbaut. Im Realbetrieb sei das sog. dynamische Schaltprogramm (DSP) aktiv. Auf dem Prüfstand nutze das Fahrzeug einen Warmlaufmodus (WU-Modus). Das DSP werde sowohl im Q2 als auch im Q1 verwendet. WU-Modus und DSP verfügten über eine unterschiedliche Schaltpunktsteuerung. Die Schaltpunktsteuerung sei u.a. maßgeblich dafür, in welchem Gang das Fahrzeug bei welcher Geschwindigkeit fahre. Die Schaltpunktsteuerung habe daher erheblichen Einfluss auf die Abgasemissionen und den Kraftstoffverbrauch. Auf dem Prüfstand werde eine Getriebesteuerung im Realbetrieb simuliert, die im Realbetrieb nie zum Einsatz komme. Auf dem Prüfstand werde der WU-Modus verwendet, während im Realbetrieb der DSP-Modus als Getriebesteuerungssoftware verwendet werde. Vor diesem Hintergrund bestünden die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus den erstinstanzlich genannten Anspruchsgrundlagen. Auch dies sei mit Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007 nicht vereinbar.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Bochum vom 16.05.2019, I-1 O 321/18 wird aufgehoben und wie folgt abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Q1 Diesel (Fahrzeugidentifikationsnummer: #) durch die Beklagte resultieren.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.434,74 € freizustellen.

4. die Revision zuzulassen.

Zuletzt beantragt er in Bezug auf den Antrag zu 2.:

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagte das Fahrzeug Q1 Diesel, FIN #, dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandsbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr;

hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagte in den Motortyp 3.0 V6 Dieselmotor des Fahrzeugs mit der oben angegebenen FIN eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines unzulässigen Thermofenster sowie einer unzulässigen Aufwärmstrategie der Schalteinstellung des Getriebes eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsgrenzwerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das ihr günstige erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrags. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Klage teilweise unzulässig sei. Aufgrund des Vorrangs der Leistungsklage fehle es an einem Feststellungsinteresse. Es fehle an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis. Der Kläger habe die Möglichkeit des Eintritts irgendeines weiteren Schadens nicht substantiiert dargelegt. Die Steuernachzahlungen drohten nicht.

Zutreffend habe das Landgericht erkannt, dass der klägerische Vortrag zu einer angeblich unzulässigen Abschalteinrichtung offensichtlich ins Blaue hinein erfolgt und daher unbeachtlich sei, wie die Beklagte im Einzelnen näher ausführt. Vor diesem Hintergrund sei eine Beweisaufnahme nicht veranlasst (gewesen) und das Landgericht habe die Beweisantritte des Klägers nicht unzulässig übergangen.

Die Beklagte macht nun geltend, ein sog. Thermofenster stelle keine sittenwidrige Schädigung dar, weil es zum Schutz des Motors erforderlich sei und deshalb nach Art. 5 Abs. 2 EG (VO) 715/2007 zulässig sei. Jedenfalls fehle es an einem Schädigungsvorsatz.

Soweit der Kläger nun zur Manipulation der Getriebesoftware durch Verwendung zweier unterschiedlicher Betriebsmodi namens "DSP" und "WU-Modus" ausführt, bestreitet die Beklagte dies und rügt Verspätung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche aus keinem rechtlichen Grund zu.

1. Der Klageantrag zu 2. ist in der Fassung des Hauptantrages unzulässig.

Die Beklagte hat zu Recht gerügt, dass der Klageantrag zu 2. in seiner ursprünglichen Fassung nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprochen hat. Das Begehren des Klägers war ursprünglich auf die bloße Feststellung gerichtet, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz für Schäden, die aus der "Manipulation" des an ihn verkauften Fahrzeugs resultieren, zu leisten. Was genau mit "Manipulation" gemeint war, ließ sich dem Antrag nicht entnehmen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger den Antrag dahin konkretisiert, dass die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug dahin beeinflusst habe, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandsbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweise als im regulären Betrieb im Straßenverkehr. Auch diese Fassung genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des (evtl. teilweisen) Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird (Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 253 ZPO, Rn. 13, § 256, Rn. 15). Hier bleibt weiter unklar, auf welche Weise die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug beeinflusst haben soll. Nach dem Klagevorbringen geht es aber um zwei konkrete Abschalteinrichtungen, die dann auch im Antrag konkret bezeichnet werden müssen und - wie der Hilfsantrag zeigt - auch konkret bezeichnet werden können.

2. Der Klageantrag zu 2. ist in der Fassung des Hilfsantrages zulässig.

a. In der Fassung des Hilfsantrages ist dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Genüge getan.

b. Der Klageantrag ist auf die Feststellung des Bestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses gerichtet. Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein (mit materieller Rechtskraftwirkung feststellbares) subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können. Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO ist u.a. eine Schadensersatzpflicht. Hinsichtlich der Schadensentstehung muss der Kläger bei der Verletzung einer Norm zum Schutz des Vermögens eine Vermögensgefährdung, d.h. die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens, substantiiert dartun (BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 - I ZR 274/16 -, Rn. 23f, juris; Greger in: Zöller, a.a.O., § 256 ZPO, Rn. 3f, 9).

Dem genügt hier der Klägervortrag. Das Inverkehrbringen von mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugen aufgrund einer grundlegenden strategischen Unternehmensentscheidung bei der Motorenentwicklung kann gegenüber dem Käufer einen Anspruch aus § 826 BGB begründen. Der Schaden liegt dann - unabhängig von einem Schaden nach der Differenzhypothese - bereits in der Begründung einer "ungewollten" Verpflichtung (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 14f, 45ff, 48 juris). Der Gläubiger kann dann die Rückgängigmachung des Vertrages verlangen oder am Vertrag festhalten und zusätzlichen Schadensersatz beanspruchen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14 -, Rn. 25, juris; Staudinger/Schiemann (2017) BGB § 249, Rn. 196; Palandt, BGB, 79. Aufl., Vorb v. § 249, Rn. 17; Einf. v § 823, Rn. 24; § 826, Rn. 15). Für das Bestehen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses genügt schon die Darlegung von Tatsachen, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergibt (BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 - I ZR 274/16 -, Rn. 24, juris).

c. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich grundsätzlich daraus, dass der Kläger vom Bestehen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ausgeht, während die Beklagte einen Schadensersatzanspruch nicht für gegeben hält.

Dem steht der Vorrang der Leistungsklage nicht entgegen. Eine Feststellungklage wird als unzulässig angesehen, wenn dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist. Dann muss der Kläger seinen Schaden abschließend beziffern können. Nicht zumutbar ist die Verweisung auf eine Leistungsklage, wenn der Kläger seinen Anspruch (zB auf Schadensersatz) noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwändigen Begutachtung beziffern kann. Befindet sich der anspruchsbegründende Sachverhalt (zB der Schaden) zur Zeit der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung, so ist Feststellungsklage insgesamt zulässig, auch wenn der Anspruch bereits teilweise beziffert werden könnte (Greger in: Zöller, a.a.O., § 256 ZPO, Rn. 7a). Nach der Lebenserfahrung ist jedoch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass der Kläger bis zum Vollzug einer etwaigen Rückabwicklung mit weiteren Kosten infolge der Nutzung des Fahrzeugs (etwa wegen durchzuführender Inspektionen oder Reparaturen) belastet wird, die sich trotz fortbestehender Nutzungsmöglichkeit zumindest nicht vollständig amortisieren und deshalb von der Beklagten ebenfalls (zumindest anteilig) zu ersetzen sind (Senat, Urteil vom 13.08.2020, 28 U 211/18; so für vergleichbare Fallkonstellationen auch OLG Hamm Urteil vom 01.04.2020, Az. 30 U 33/19; OLG Karlsruhe Urteil vom 06.11.2019, Az. 13 U 12/19; OLG Karlsruhe Urteil vom 25.08.2019, 17 U 160/18, Anl. BB11). Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob Steuernachforderungen möglich oder wahrscheinlich sind oder ob die Beklagte auf ein Feststellungsurteil leisten wird.

3. Der Hilfsantrag ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf die begehrte Feststellung nicht zu.

a. Ein Anspruch aus §§ 311, 241 Abs. 2 BGB (Prospekthaftung) besteht nicht. Das Feststellungsbegehren des Klägers ist nicht auf ein Rechtsverhältnis bezogen, welches Prospektangaben der Beklagten zum Gegenstand hat. Hier geht es um Schäden, die durch den Einbau angeblich unzulässiger Abschalteinrichtungen gem. Art. 5 VO (EG) 715/2007 entstanden sein sollen.

Im Übrigen sind die Grundsätze der speziell für den "grauen", ehemals nicht gesetzlich geregelten Kapitalmarkt mit seinen Besonderheiten entwickelten Prospekthaftung im engeren Sinne nicht auf den hiesigen, den Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs betreffenden Fall zu übertragen. Eine vergleichbare Interessenlage liegt nicht vor. Während der Emissionsprospekt den Anleger vollständig und richtig über eine meist komplexe Kapitalanlage zu informieren hat und in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers darstellt, ist die Ausgangslage beim Autokauf für den interessierten Kunden gänzlich anders. Er kann sich nicht nur aus Verkaufsprospekten, sondern auch aus Testberichten in Zeitschriften und im Internet informieren. Ferner kann er sich ein vergleichbares Fahrzeug anschauen und gegebenenfalls Probe fahren. Bei den Prospekten der Autohersteller handelt es sich um Werbung, die nicht darauf angelegt ist, die einzige Grundlage für den Kauf eines (Gebraucht-) Fahrzeugs zu sein (so auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.08.2018, 12 U 127/17; OLG Braunschweig, Urteil vom 19.02.2019, 7 U 134/17, Rn. 101f.).

Letztlich setzt ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der Prospekthaftung jedenfalls voraus, dass der Geschädigte einen Prospekt zur Kenntnis genommen und zur Grundlage seiner Anlageentscheidung gemacht hat (BGH, Urt. v. 19.11.2009, III ZR 109/08, NJW 2010, 1279, Tz 12). Der Kläger hat aber nicht schlüssig dargelegt, dass er eine als Prospekt der Beklagten einzuordnende Unterlage zur Grundlage seiner Kaufentscheidung gemacht hat.

b. Dem Kläger steht kein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 443 BGB iVm einem Garantievertrag in Gestalt der EG-Übereinstimmungsbescheinigung zu.

Auch hier ist das Feststellungsbegehren des Klägers nicht auf ein Rechtsverhältnis bezogen, welches sich aus einem Verstoß gegen Pflichten aus einem vom Kläger angenommenen Garantievertrag ergeben könnte.

Im Übrigen lassen sich auch hier die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung von Pflichten aus einem durch Übergabe der EG-Übereinstimmungsbescheinigung zustande gekommenen Vertragsverhältnis nicht feststellen.

In der Übergabe der EG-Übereinstimmungserklärung ist kein konkludenter Vertragsschluss zwischen Käufer und Fahrzeughersteller zu sehen (entgegen Artz/Harke, NJW 2017, 3409). Mit der Ausstellung der Übereinstimmungserklärung kommt der Hersteller einer gesetzlichen Pflicht nach. Dass er damit - ohne Gegenleistung des Käufers und ohne weitere schriftliche Erklärung - eine vertragliche Haftung übernehmen will, ist konstruiert.

Der Kläger trägt nicht einmal vor, dass die EWG-Übereinstimmungserklärung bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses übergeben worden ist oder Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen ist. Üblicherweise erhält der Käufer diese erst mit dem Fahrzeug nach Abgabe seiner kaufvertraglichen Willenserklärung. Danach kann nicht festgestellt werden, dass ein etwaig darin enthaltener Erklärungsgehalt kausal für den Kaufentschluss gewesen ist.

c. Ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241, 311 Abs. 2 BGB (allg. Vertrauenshaftung) besteht nicht, da der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass die Beklagte in anderer Weise vor dem Vertragsschluss besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hat, welches als Grundlage für die Annahme eines quasivertraglichen Schuldverhältnisses taugt.

d. Ein Anspruch aus §§ 826, 31, 831 BGB steht dem Kläger nicht zu. Der Kläger hat zu den Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs nicht schlüssig vorgetragen.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 15, juris).

Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger schlüssig behauptet hat, die Beklagte habe das streitgegenständliche Fahrzeug in den Verkehr gebracht, obwohl dessen Motor mit zwei unzulässigen Abschalteinrichtungen gem. Art. 5 VO (EG) 715/2007 ausgestattet ist.

Die Beklagte müsste in Bezug auf das Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung eine grundlegende strategische Entscheidung bei der Motorenentwicklung getroffen haben im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse bei Täuschung des KBA Dieselmotoren in den Verkehr zu bringen, die die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nicht einhalten (BGH, a.a.O., Rn. 16).

Hier behauptet der Kläger selbst lediglich, der Vorstand der Beklagten habe erst im Jahr 2011 die strategische Entscheidung getroffen, 3.0l V6 Motoren, deren behauptete Abschalteinrichtungen der Beklagten bekannt gegeben worden seien, von der B AG zu erwerben und in den Q1 einzubauen. Die Typgenehmigung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps datiert hier aber auf den 17.11.2008 (Anl. K34). Soweit der Kläger weiter behauptet hat, die Vorstände der W AG, der Beklagten und der B AG hätten besprochen, dass die manipulierten Motoren und Motorsteuerungsgeräte auch für die Fahrzeuge der Beklagten verwendet werden sollen (Klageschrift S. 17-19, Bl. 17-19 d.A.), steht dieser in zeitlicher Hinsicht unkonkrete Vortrag dem nicht entgegen. Der Kläger behauptet selbst keine frühere strategische Entscheidung als eine solche aus dem Jahr 2011. Auch aus den Umständen ergibt sich nichts anderes. Der Kläger nimmt Bezug auf die Abgasnormen EU5 und EU6 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt unstreitig über die Schadstoffklasse EU4. Erst ab dem 01.09.2009 mussten neue Fahrzeugtypen jedenfalls die Schadstoffklasse EU5 einhalten, Art. 10 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007. Dazu passt, dass der als Zeuge benannte N erst mit Wirkung zum 01.10.2010 zum Vorstandsvorsitzenden der Beklagten ernannt worden ist und der als Zeuge benannte K erst ab 2011 Leiter der technischen Abteilung der Beklagten war. Der ebenfalls als Beweisperson benannte C wurde erst im Jahr 2013 in den Vorstand der Beklagten berufen.

Unerheblich ist auch der klägerische Vortrag, W-Ingenieure hätten bekundet, bei dem Dieselmotor EA 189 der W AG sei die Manipulationssoftware im Jahr 2008 installiert worden (S. 36/37 der Klageschrift (Bl. 36/37 d.A.)). Der Kläger behauptet selbst nicht, dass dies auch bei dem streitgegenständlichen Motor, bei dem es sich unstreitig nicht um einen der Baureihe EA189 der W AG handelt, auch bereits im Jahr 2008 der Fall gewesen sein soll.

Auf eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten kommt es hier nicht an, da eine solche zunächst schlüssigen Vortrag des Klägers voraussetzt.

Aus denselben Gründen fehlt es an einem Vorsatz bzw. einer Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände eines Repräsentanten der Beklagten gem. § 31 BGB. Auch aus § 831 BGB ergibt sich keine Haftung der Beklagten. Der Kläger behauptet zwar, die Manipulationssoftware sei von bei der Beklagten beschäftigten Ingenieuren entwickelt worden (S. 108 der Klageschrift, Bl. 108 d.A.). Dies soll aber erst seit dem Jahr 2011 der Fall gewesen sein.

e. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB besteht nicht, da der Kläger zu einem Vorsatz von Repräsentanten der Beklagten im Sinne des § 31 BGB oder Mitarbeitern im Sinne des § 831 BGB im hier maßgeblichen Jahr 2008 nicht schlüssig vorgetragen hat (s.o.).

f. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 12, 18 RL Nr. 2007/46/EG; §§ 4, 6, 25 EG-FGV besteht nicht.

Die RL Nr. 2007/46/EG ist hier nicht anwendbar, da sie bei Pkw für neue Fahrzeugtypen verbindlich erst seit dem 29.04.2009 galt, vgl. Anhang XIX. Zu diesem Zeitpunkt ist auch die EG-FGV erst in Kraft getreten.

Ein Anspruch folgt auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 3 EG-TypV, Art. 6 der RL 70/156/EWG in der Fassung der RL 92/53/EWG. Zum einen ist der Auffassung des Klägers, eine inhaltliche Unrichtigkeit der EWG-Übereinstimmungserklärung führe zu deren Unwirksamkeit, nicht zu folgen. Insoweit ist von einem formellen Gültigkeitsbegriff auszugehen, d.h. es kommt allein darauf an, ob die Bescheinigung durch den Hersteller unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars ausgestellt wurde, sie fälschungssicher und vollständig ist. Die inhaltliche Richtigkeit ist hingegen Frage des Typgenehmigungsverfahrens (OLG Hamm, Urteil vom 8.01.2020, 30 U 31/19, Beck RS2020, 10682, Tz. 60 m.w.N.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.08.2018, 12 U 127/17, BeckRS 2018, 47846 Tz 32ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.07.2019, 10 U 134/19, NZV 2019, 579, Tz 101).

Zum anderen liegt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich der Norm. Der Gesetz- und Verordnungsgeber wollte mit den genannten Vorschriften nicht (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezwecken und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags knüpfen (so BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Tz. 76 für §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV).

g. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 16 UWG (ggfls. iVm § 831 BGB) steht dem Kläger nicht zu. Das Feststellungsbegehren des Klägers ist nicht auf ein Rechtsverhältnis bezogen, welches Angaben der Beklagten in öffentlichen Bekanntmachungen zum Gegenstand hat. Hier geht es um Schäden, die durch die Einbau angeblich unzulässiger Abschalteinrichtungen gem. Art. 5 VO (EG) 715/2007 entstanden sein sollen.

Im Übrigen ist § 16 Abs. 1 UWG zwar ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (BGH JR 2009, 24 ff.). Allerdings hat der Kläger schon keine öffentlichen Bekanntmachungen der Beklagten vorgelegt. Angesichts des widersprüchlichen Vortrags kann nur vermutet werden, dass der Kläger behaupten will, das Fahrzeug sei der Schadstoffklasse EU4 zugehörig angeboten worden. Anhaltspunkte dafür, dass das streitgegenständliche Fahrzeug, das unstreitig die Schadstoffklasse EU4 einzuhalten hat, tatsächlich als der Schadstoffklasse EU5 bzw. EU6 zugehörig angeboten worden wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Weiter liegen die besonderen subjektiven Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor. Danach muss der Täter in der Absicht handeln, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, um die Kunden zum Kauf anzulocken (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage 2018, § 16 Rn. 18). Hier ist nicht erkennbar, dass der Anschein der Günstigkeit hervorgerufen werden sollte. Falls die Beklagte bezüglich des vom Kläger erworbenen Fahrzeugmodells falsche Informationen durch Prospekte und Broschüren hinsichtlich der Einhaltung der EU 4 - Grenzwerte verbreitet haben sollte, wäre damit kein besonderer Vorteil des streitgegenständlichen Fahrzeugs angepriesen worden. Denn die fraglichen Grenzwerte müssen sämtliche vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten, um die entsprechende Typgenehmigung zu erlangen. Allein der Umstand, dass die betroffenen Fahrzeuge ohne Verwendung der behaupteten Softwaremanipulation zu einem höheren Preis verkauft worden wären, reicht im Rahmen des § 16 Abs. 1 UWG nicht aus, weil ungeachtet dessen nicht der Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorgerufen werde sollte. Zudem hat der Kläger nicht schlüssig dazu vorgetragen, dass Repräsentanten im Sinne des § 31 BGB oder Mitarbeiter der Beklagten in den Jahren 2008 oder 2009 Kenntnis von den angeblichen Abschalteinrichtungen gehabt haben.

h. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 4 Nr. 11 UWG a.F. besteht nicht.

Dahinstehen kann, ob § 4 Nr. 11 UWG a.F. ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte gegen Vorschriften verstoßen hat, deren Einhaltung § 4 Nr. 11 UWG a.F. schützt. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang genannten Vorschriften der §§ 1, 3 ff. PKW-EnVKV verlangen lediglich, dass die offiziellen, d.h. die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoffverbrauchs- und CO2-Emissionswerte angegeben werden. Dass die Beklagte diese Werte in Bezug auf den hier in Rede stehenden Fahrzeugtyp unrichtig angegeben hat, hat der Kläger nicht dargelegt. Die Stickoxidwerte sind vom Anwendungsbereich der PKW-EnVKV schon nicht umfasst. Im Übrigen gilt die PKW-EnVKV nur für Neufahrzeuge und nicht für Gebrauchtfahrzeuge wie im vorliegenden Fall (§ 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Nr. 2 PKW-EnVKV).

2. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 3) besteht nicht, da ein Anspruch in der Hauptsache nicht besteht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die der Senat auf der Grundlage anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur getroffen hat.