OLG Köln, Urteil vom 23.03.2018 - 20 U 108/17
Fundstelle
openJur 2021, 17746
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. März 2017 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 246/16 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.085,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 95% und die Beklagte zu 5%. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 88% und der Beklagten zu 12% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache zu einem Teil Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der von ihm auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag geleisteten Prämien unter Abzug der Risikokosten. Ihm stehen ferner gezogene Nutzungen im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB zu. Anzurechnen ist der Rückkaufswert.

1.

Der Kläger konnte dem Vertragsschluss noch mit Schreiben vom 24. März 2014 widersprechen.

Die Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beginnt der Lauf der hier maßgebenden Frist von 14 Tagen erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 (Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nach § 10a VAG) vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.

Die maßgebende Belehrung im Policenbegleitschreiben vom 15. September 1995 (Anlage B 3) ist inhaltlich in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft, weil die Belehrung zum einen den Fristbeginn nur an den "Zugang dieses Briefes", nicht aber auch an den Erhalt des Versicherungsscheins, der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation anknüpft (BGH, RuS 2016, 170) und zum anderen der unverzichtbare Hinweis darauf, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben ist (vgl. BGH, RuS 2017, 170), fehlt.

2.

Der Kläger war noch im Jahr 2014 zum Widerspruch berechtigt. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der vorsah, dass das Recht zum Widerspruch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt, ist auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar (BGHZ 201, 101).

Das Widerspruchsrecht ist weder verwirkt noch verstößt dessen Ausübung gegen Treu und Glauben.

Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment); hier fehlt es jedenfalls am Umstandsmoment, denn die Beklagte kann ein schutzwürdiges Vertrauen schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilt hat (vgl. auch dazu BGH, aaO, Rz. 39). Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich aus den Regelungen in § 124 Abs. 3 BGB und § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB nicht herleiten, die Ausübung des Widerspruchsrechts sei unter dem Aspekt der "Einheit der Rechtsordnung" nach Ablauf eines Zeitraums von 10 Jahren seit dem Vertragsschluss ausgeschlossen. Dem steht schon entgegen, dass das Widerspruchsrecht als Gestaltungsrecht keiner Verjährung unterliegt (vgl. BGH, VersR 2015, 226 sowie NJW 2018, 225). Im Übrigen bedarf es auch keines Rückgriffs auf den Gedanken der "Einheit der Rechtsordnung", weil das Zivilrecht sowohl mit dem Rechtsinstitut der Verwirkung (das indes neben dem reinen Zeitmoment aus guten Gründen auch ein Umstandsmoment fordert) als auch mit dem generellen Rückgriff auf § 242 BGB ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung stellt, einer unzulässigen Rechtsausübung im Einzelfall entgegenzuwirken. Diese etablierten Rechtsinstitute, die sachgerechte Einzelfallentscheidungen ermöglichen, würden unterlaufen, wenn der Rechtsgrundsatz gelten würde, dass die Ausübung eines Rechts grundsätzlich 10 Jahre nach seiner Entstehung nicht mehr statthaft wäre. Die Aufstellung eines solchen allgemeingültigen Rechtsgrundsatzes würde die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreiten. Soweit es ein nach fehlerhafter Belehrung fortbestendendes Recht, einem Lebensversicherungsvertrag nach § 5a VVG a.F. zu widersprechen, betrifft, wäre die vom Landgericht vertretene Auffassung auch nicht mit dem europarechtlichen Effektivitätsgebot, das allgemein gebietet, die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2016 - C 327/15 -, Rz. 90), zu vereinbaren. Es muss gewährleistet sein, dass dem Versicherungsnehmer eine ausreichende Zeit eingeräumt wird, um sich vom Vertrag zu lösen, was dadurch gewährleistet wird, dass die Verjährung des Rückabwicklungsanspruchs erst beginnt, wenn das Widerspruchsrecht ausgeübt wird (vgl. BGH, Urt. v. 21. Februar 2018 - IV ZR 385/16 -, Rz. 21). Damit stünde nicht im Einklang, wenn dem unzureichend belehrten Versicherungsnehmer das Widerspruchsrecht alleine wegen des Ablaufs einer gewissen Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Widerspruchserklärung verwehrt wird, ohne dass dies durch besondere Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise gerechtfertigt ist.

Nach der vom Senat geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofs kann sich die Ausübung des Widerspruchsrechts allerdings bei Vorliegen besonders gravierender Umstände als grob widersprüchliches und damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßendes Verhalten des Versicherungsnehmers darstellen (vgl. BGH, Beschl. v. 11. November 2015 - IV ZR 117/15 - [juris] und Beschl. v. 27. Januar 2016 - IV ZR 130/15 -, RuS 2016, 230). Allgemein gültige Maßstäbe können hierzu allerdings nicht aufgestellt werden; es ist vielmehr jeweils im Einzelfall festzustellen, ob die Ausübung des Widerspruchs trotz fehlerhafter Belehrung oder unvollständiger Verbraucherinformation mit Treu und Glauben nicht in Einklang zu bringen ist (BGH, Beschl. v. 11. November 2015, aaO, Rz. 16; Urt. v. 1. Juni 2016 - IV ZR 482/14 -, VersR 2017, 215, Rz. 24). Entscheidend ist, ob Umstände vorliegen, die der Versicherer dahin verstehen durfte, dass der Versicherungsnehmer unabhängig von einem etwaigen Lösungsrecht unbedingt den Vertrag fortsetzen wollte (so zuletzt BGH, Urt. v. 16. Dezember 2016 - IV ZR 399/15 -, RuS 2017, 128, Rz. 14). Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann es treuwidrig sein, wenn der Versicherungsnehmer dem Vertragsschluss widerspricht, nachdem der Versicherungsvertrag nach einer Vertragskündigung auf ausdrückliches Verlangen des Versicherungsnehmers fortgesetzt worden ist (BGH, Beschl. v. 11. November 2015, aaO). Ferner ist Treuwidrigkeit angenommen worden, wenn der Versicherungsnehmer den Lebensversicherungsvertrag alsbald nach Vertragsabschluss zur Sicherung eines Kredits unter Abtretung auch der Todesfallleistung verwendet worden ist (BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016, aaO) oder die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mehrfach abgetreten werden (BGH, Beschl. v. 27. Januar 2016, aaO; Urt. v. 1. Juni 2016, aaO). Dagegen kann aus der (auch langjährigen) Vertragsdurchführung als solcher auch mit ggf. erfolgten Vertragsänderungen (hier etwa der Beitragsfreistellung) die Treuwidrigkeit eines Widerspruchs grundsätzlich nicht hergeleitet werden (BGH, RuS 2017, 126).

Besonders gravierende Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Dass dem Kläger während der Dauer des Zivildienstes die Beiträge zur Lebensversicherung für 13 Monate im Wesentlichen durch das Bundesamt für den Zivildienst erstattet worden sind (s. Anlage B 15, GA 74), stellt einen solchen (etwa einer Sicherungsabtretung der Versicherungsleistung gleichzustellenden) Umstand nicht dar. Die Beklagte konnte hieraus nicht zwingend folgern, der Kläger habe unbedingt und losgelöst von einem etwa noch bestehenden Widerspruchsrecht am Vertrag festhalten wollen. Er hat lediglich von der sich ihm eröffnenden, gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, sich die Beiträge während des Zivildienstes erstatten zu lassen (§ 14a Abs. 4 Satz 1 ArbPlSchG), Gebrauch gemacht. Das lässt nicht den Schluss zu, der Kläger habe den Versicherungsvertrag auch über die Dauer des Zivildienstes hinaus unbedingt und ungeachtet des Widerspruchsrechts fortsetzen wollen. Insoweit stellt sich die Situation vorliegend anders dar als bei der Sicherungsabtretung insbesondere der Todesfallleistung, weil der Versicherungsnehmer in diesem Fall einem Dritten die (u.U. hohe) Versicherungsleistung meist über einen längere Zeit zur Absicherung eines Kreditrückzahlungsanspruchs zur Verfügung stellt. In diesem Fall ist der Dritte - was dem Versicherungsnehmer bewusst ist - auf die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags angewiesen. Eine vergleichbare Konstellation ist vorliegend nicht gegeben.

3.

Der Vertrag ist somit nach den §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln.

a)

Der Kläger kann dem Grunde nach die gezahlten Prämien aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zurückverlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB allerdings grundsätzlich nicht uneingeschränkt alle Prämien, die der Kläger an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch wirksame Versicherungsverträge verpflichtet zu sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend BGHZ 201, 101) darf im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden. In Rechnung zu stellen ist insbesondere, dass der Versicherungsnehmer während der Dauer der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen hat; diesen muss er sich im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung als erlangten Vermögensvorteil anrechnen lassen. Bei Lebensversicherungen kann, so der Bundesgerichtshof, etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (aaO). Abschluss- und Verwaltungskosten sind hingegen von dem Prämienrückforderungsanspruch nicht in Abzug zu bringen (vgl. BGH, VersR 2015, 1101 und 1104). Ausgehend hiervon errechnet sich der Rückerstattungsanspruch des Klägers wie folgt:

Zurückzuerstatten sind die gezahlten Prämien, die die Beklagte - dem Kläger günstig - mit 3.853,32 € angegeben hat. Hiervon sind die von der Beklagten dargelegten, vom Kläger nicht weiter angegriffenen Risikobeiträge (141,79 € und 288,62 € = 430,41 €) in Abzug zu bringen. Abzuziehen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats, soweit es Zusatzversicherungen betrifft, nicht die insoweit entrichteten vollen Prämien, sondern - wie bei der Hauptversicherung - nur die Prämienanteile, die auf die Risikoabsicherung entfallen. Der Senat schätzt vorliegend den Anteil der nicht abzugsfähigen Abschluss- und Verwaltungskosten auf etwa 1/3 der Prämien, so dass bei Prämienleistungen für die Zusatzversicherungen von 440,- € eine weiterer Betrag von 300,- € abzugsfähig ist.

b)

Die vom damaligen Bundesamt für den Zivildienst geleisteten Prämien sind hingegen nicht abzuziehen. Die Beklagte ist zu deren Rückzahlung nicht verpflichtet. Die Zahlungen wurden mit Rechtsgrund auf der Basis von § 14a Abs. 4 Satz 1 ArbPlSchG erbracht. Danach sind unter bestimmten Voraussetzungen dem Wehr- oder Zivildienstleistenden die Beiträge zu einer sonstigen Alters- und Hinterbliebenenversorgung (dazu zählt grundsätzlich auch eine abgeschlossene Lebensversicherung, vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1998, 46) für die Zeit des Wehr- bzw. Zivildienstes zu erstatten. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass dem Wehr- oder Zivildienstleistenden durch seine Einberufung bzw. durch die Leistung des Zivildienstes kein finanzieller Nachteil entsteht (BVerwG, aaO). Aus diesem Zweck der gesetzlichen Regelung folgt, dass die Erstattungspflicht nur daran geknüpft ist, dass der Wehr- oder Zivildienstleistende während der Dienstzeit eine solche Versicherung beitragspflichtig unterhält. Dementsprechend kann die Erstattungspflicht nur wegfallen, wenn das Wehr- oder Zivildienstverhältnis vorzeitig endet oder das Versicherungsverhältnis in dieser Zeit beendet wird. Was nach Beendigung des Wehr- oder Zivildienstes mit der Versicherung geschieht, ist unerheblich. So ist auch das von der Beklagten vorgelegte Schreiben des Bundesamtes aus dem Jahr 1997 (GA 75) an sie zu verstehen, in dem es heißt:

"Ich bitte Sie, die auf die Zivildienstzeit entfallenden Beiträge, die zur Erhaltung des Versicherungsschutzes bis zur Zahlungsaufnahme des Bundes (sechs Wochen nach Bescheiderteilung) gezahlt worden sind, im Benehmen mit dem Versicherten auszugleichen.

Sollte die Anspruchsgrundlage vorzeitig entfallen (z.B. vorzeitige Entlassung, Kündigung des Versicherungsvertrages), sind die überzahlten Beiträge an das Bundesamt für den Zivildienst zurückzuzahlen."

Mit "vorzeitig" ist ersichtlich gemeint, dass sich relevante Änderungen während des Zivildienstes (nämlich dessen vorzeitiger Beendigung oder die Kündigung des Versicherungsvertrags während der Dauer des Zivildienstes) ergeben.

Demgemäß besteht kein Rückforderungsanspruch des Bundesamtes gegen die Versicherung, wenn der Zivildienstleistende nach Beendigung des Zivildienstes die Versicherung nicht weiterführt. Und selbst wenn es einen solchen Rückforderungsanspruch geben sollte, wäre die Rückabwicklung im Verhältnis zwischen Bundesamt und dem Versicherungsnehmer zu regeln.

c)

Nutzungen kann der Kläger allenfalls aus dem Sparanteil der Prämien verlangen. Dass die Beklagte Nutzungen auch aus den Anteilen, die auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen sind, gezogen hat, hat der Kläger nicht dargelegt. Insoweit könnte er (was die Verwaltungskosten angeht) auch nicht auf die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen bei der Beklagten abstellen (s. BGH, Urt. v. 24. Februar 2016 - IV ZR 512/14 -, juris-Rz. 27 a.E.).

Den Sparanteil hat die Beklagte unwidersprochen mit 1.015,14 € angegeben. Von diesem Sparanteil können im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) unter Zugrundelegung der von der Beklagten erzielten Nettoverzinsung der Kapitalanlagen (s. GA 101) die Nutzungen ermittelt werden. Beiträge hat der Kläger von September 1995 bis Mai 2001 gezahlt. Das sind 5 Jahre und 9 Monate. Legt man angesichts monatlicher Zahlungen vereinfachend einen mittleren Zeitraum von 2 Jahren und 10 Monaten bei einem mittleren Zinssatz für die Jahre 1995 bis 2001 von 7,63% zugrunde, ergibt sich insgesamt ein Betrag von 219,42 €. Für die Zeit ab Juni 2001 bis Ende Mai 2014 errechnet sich bei einem Durchschnittszins von 4,59% eine Verzinsung von 46,59 € pro Jahr, für 13 Jahre also 605,67 €. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht keine Veranlassung, auf den Wiederanlagezins abzuheben. Es geht im Rahmen der Schätzung lediglich darum, eine in etwa passsende, auch einem Versicherungsnehmer durch Einsicht in die Geschäftsberichte leicht zugängliche Berechnungsgrundlage zu finden. Dazu eignet sich die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen des jeweiligen Versicherungsnehmers; im Übrigen stünde es dem Versicherer frei, die Nutzungen konkret darzulegen, um eine Schätzung zu vermeiden.

Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 29. September 2017 vorgelegte Neuberechnung, die mit einem Betrag gezogener Nutzungen von 2.511,52 € endet, stellt keine geeignete Grundlage für eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO dar, weil - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - schon nicht klar ersichtlich ist, ob der Kläger auch Zinsen auf die gezogenen Nutzungen beansprucht, was naheliegt, weil auch die jeweils monatlich angesetzten Zinsen in den Saldo eingestellt werden. Ein solcher Anspruch wäre aber nach § 818 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Danach sind die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Das ist der mit dem Sparanteil jeweils erzielte Gewinn. Zu verzinsen wäre dieser Anspruch nur unter den Voraussetzungen des Zahlungsverzugs, der hier während der Vertragslaufzeit nicht gegeben ist. Ferner ist unberücksichtigt, dass der Anspruch auf Ersatz gezogener Nutzungen nach Auffassung des Senats endet, sobald der Versicherungsvertrag (wie hier infolge der Kündigung) nicht mehr besteht, weil dann nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte bestimmte Beträge zugunsten der Klägers angelegt hat, weil sie dazu vertraglich nicht mehr gehalten war (vgl. Senatsurt. v. 28. Oktober 2016 - 20 U 30/16 -, juris-Rz. 53).

d)

Nutzungen sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erst ab Erklärung des Widerspruchs geschuldet; dies hat der Senat bereits mit Urteil vom 22. Dezember 2015 (20 U 15/12) ausgeführt:

Die Beklagte schuldet gezogene Nutzungen auch nicht erst ab dem Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchs. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Bereicherungsanspruch im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht schon mit der Zahlung jeder einzelnen Prämie, sondern erst mit der Ausübung des Widerspruchsrechts entstanden ist (VersR 2015, 700). Dies betrifft aber ausschließlich die Frage der Anspruchsentstehung mit Blick auf die Frage des Beginns der Verjährung. Auch wenn danach der Anspruch erst mit der Ausübung des Widerspruchsrechts entsteht (bzw. fällig) wird, führt dies dazu, dass der Vertrag rückwirkend abzuwickeln ist (so ausdrücklich BGHZ 201, 101, Rz. 41). Die Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB erstreckt sich auf die Sach- und Rechtsfrüchte des ohne Rechtsgrund erlangten Gegenstandes. Dies war hier von Anfang an in Bezug auf die geleisteten Prämien der Fall, weil der Vertrag bis zur Ausübung des Widerspruchsrechts schwebend unwirksam war. Nutzungen (Zinsen) im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB sind zu ersetzen, sobald dem Bereicherungsgläubiger die Möglichkeit eröffnet ist, mit dem Geld zu arbeiten (vgl. BGH, NJW 1998, 2529). Die Möglichkeit hatte die Beklagte hier jedenfalls in Bezug auf den Sparanteil, sobald sie die einzelnen Prämien vereinnahmt hatte. Deswegen schuldet sie die tatsächlich in Bezug auf den Sparanteil gezogene Nutzungen, sobald sie über die Prämien verfügen konnte.

Derr Kläger muss sich auch keine Steuervorteile anrechnen lassen (so GA 50, vorletzter Absatz). Auch das hat der Senat schon mit Urteil vom 6. Februar 2015 (20 U 80/14) dargelegt:

Etwaige Steuervorteile muss sich der Kläger nicht anrechnen lassen. Steuervorteile können im Wege der Vorteilsausgleichung berücksichtigt werden, soweit sie Gegenstand von Schadensersatzansprüchen sind. Der Gedanke der Vorteilsausgleichung findet aber im Bereicherungsrecht grundsätzlich keine Anwendung (vgl. BGHZ 172, 147, Rz. 24). Nur ausnahmsweise hat der Bundesgerichtshof eine Vorteilsausgleichung auch im Bereicherungsrecht berücksichtigt, soweit es um eine Kapitalanlage ging, die geradezu darauf abzielte, - etwa durch Verlustzuweisungen - Steuern zu sparen (BGH, aaO, Rz. 25 ff.). Vorliegend besteht keine vergleichbare Situation. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass Hauptziel des Abschlusses einer Lebensversicherung die steuerliche Geltendmachung der Versicherungsprämien ist. Im Vordergrund stehen vielmehr die Absicherung des Todesfallrisikos und die Vermögensbildung durch das Ansparen eines Teils der Prämie.

e)

Insgesamt ergibt sich danach folgende Berechnung:

3.853,32 € (Prämien) - 430,41 € (Risikoanteile Hauptversicherung) - 300,- € (Risikoanteile Zusatzversicherungen) + 219,42 € (Nutzungen) + 605,57 € (weitere Nutzungen) - 2.861,99 € (Rückkaufswert)

= 1.085,91 €.

4.

Zinsen auf den zuzuerkennenden Betrag sind - wie beantragt - ab Rechtshängigkeit geschuldet. Vorgerichtliche Anwaltskosten, die hier allenfalls unter Verzugsgesichtspunkten zu erstatten wären, schuldet die Beklagte nicht, weil schon der Widerspruch anwaltlich erklärt wurde, wie sich aus dem Schreiben Anlage K 7 ergibt. Auch das anwaltliche Kündigungsschreiben hat keinen Verzug ausgelöst.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Bei der Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz ist die Teilklagerücknahme in Rechnung gestellt worden.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Berufungsstreitwert: 9.069,71 € €