FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.12.2020 - 3 K 1145/20
Fundstelle
openJur 2021, 17709
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger, der im Streitjahr (2014) als Zeitsoldat der Bundeswehr beschäftigt war - Aufwendungen für wöchentliche Fahrten von seinem Wohnort zu einer Unterkunftskaserne sowie diensttägliche Fahrten von der Unterkunftskaserne zur Einsatzkaserne nur mit der Entfernungspauschale oder nach Reisekostengrundsätzen mit seinen Aufwendungen für Hin- und Rückfahrt als Werbungskosten ansetzen konnte. Zudem ist streitig, ob der vom Beklagten berücksichtigte Werbungskostenansatz für Fahrten über eine kürzere als der vom Kläger erklärten Wegstrecke zulässig war.

Der Kläger wurde nach Absolvierung seiner Grundausbildung bei der Bundeswehr, die an einem Bundeswehrstandort in G stattfand, und Verpflichtung zum Zeitsoldaten ab dem 1. Oktober 2011 bis zum 30. September 2015 wie folgt versetzt:

Versetzungsverfügung vom

Beginn Versetzung

Voraussichtliche Verwendungsdauer

Einheit, Teileinheit

Dienstort

22.11.2011(Bl. 39 Gerichtsakte)

22.11.2011

31.03.2012

Wtg/WaStff JaboG 33Lfzinst nicht plb

"An der L52 und B259Bü"

09.01.2012(Bl. 40 Gerichtsakte)

09.01.2012

31.03.2012

Wtg/WaStff JaboG 33II. WtgZg

Ebenda

13.09.2012(Bl. 41 Gerichtsakte)

01.10.2012

30.09.2015

InstStff JaboG 33BodDstGer/Ffz/FangAnl/AUG-ÜPrfg

Ebenda

12.03.2013(Bl. 42 Gerichtsakte)

01.04.2013

30.09.2015

InstStff JaboG 33Nsch

Ebenda

20.09.2013(Bl. 43 Gerichtsakte)

01.10.2013

30.09.2015

InstStff TaktLwG 33Nsch

Ebenda

01.10.2013(Bl. 44 Gerichtsakte)

02.10.2013

30.09.2015

InstStff TaktLwG 33InFü/Pr/ÖA

KStrC

Im Streitjahr hatte der Kläger seinen Meldewohnsitz unter der Anschrift "H-Str in Bi," (Bl. 002 Einkommensteuerakte).

Mit Einkommensteuererklärung vom 11. Januar 2018 (Bl. 1 ff. Einkommensteuerakten) erklärte der Kläger "Fahrt- und Übernachtungskosten, Reisenebenkosten" für die streitgegenständlichen Fahrten nach "Br auswärtige Unterkunft (wöchentlich von Bi) Befristete Tätigkeit" in Höhe von 5.392 Euro sowie für die streitgegenständlichen Fahrten nach "Bü, täglich von Br Befristete Tätigkeit" in Höhe von 1.632 Euro.

Weil der Kläger diese Aufwendungen nicht näher begründete oder belegte, veranlagte der Beklagte zunächst mit Einkommensteuerbescheid vom 3. Mai 2018 (Bl. 12 ff. Einkommensteuerakten), ohne die verfahrensgegenständlichen Fahrtkosten zu berücksichtigen, lediglich unter Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrags für Werbungskosten in Höhe von 1.000 Euro.

Seinen hiergegen gerichteten Einspruch vom 4. Mai 2018 (Bl. 15 Einkommensteuerakten) begründete der Kläger unter Vorlage eines Formulars zu seiner beruflichen Auswärtstätigkeit (Bl. 21 ff. Einkommensteuerakten). Darin gab er in dem Feld "Erste Tätigkeitsstätte" die Antwort "Keine" an. Zudem erklärte er Aufwendungen für 43 Fahrten von Bi nach Br von jeweils 194 Kilometer pro Hin- und Rückfahrt, insgesamt 5.006 Euro (43 x 194 km x 0,30 Euro/km x 2), sowie Aufwendungen für 209 Fahrten von Br je 13 Kilometer pro Hin- und Rückfahrt, insgesamt 1.632 Euro (209 x 13 km x 0,30 Euro/km x 2).  Zur Einspruchsbegründung trug der Kläger insbesondere vor (Bl. 33 ff. Einkommensteuerakten), dass er "nach Bü" versetzt worden sei, dort im Streitjahr aber wegen der zeitlichen Befristung keine erste Tätigkeitsstätte und somit keinen doppelten Haushalt begründet habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2020 (Bl. 65 ff. und 81 ff. Einkommensteuerakten) half der Beklagte dem Einspruch insofern teilweise ab, als er die Aufwendungen des Klägers für 43 Fahrten von Bi nach Br mit einer Entfernung von lediglich 151 Kilometern und nur für die einfache Wegstrecke, insgesamt in Höhe von 1.947,90 Euro, als Werbungskosten anerkannte. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Da der Kläger im Streitjahr an den Standort Bü "versetzt" gewesen sei, habe er dort seine erste Tätigkeitsstätte begründet. Folglich könne er nicht seine tatsächlich entstandenen Aufwendungen, sondern nur die Entfernungspauschale geltend machen. Diese sei zudem nur für 151 Entfernungskilometer anzusetzen, da dies die kürzere und zugleich die verkehrsgünstigere Strecke sei. Für die Fahrten von Br nach Bü könnten keine Aufwendungen angesetzt werden, da die Wegstrecke erfahrungsgemäß mit Fahrzeugen der Bundeswehr zurückgelegt werde.

Mit seiner Klage vom 13. Februar 2020 (Bl. 3 ff. Gerichtsakte) und nachfolgenden Begründungsschreiben (Bl. 36 ff., 58 f., 72 und 74 Gerichtsakte) begehrt der Kläger den vollen Ansatz der erklärten Fahrtaufwendungen. Er sei zunächst für 21 Monate nach Bü und sodann von Oktober 2013 bis September 2015 nach C versetzt worden. Nach einer zur Rechtlage vor dem Streitjahr ergangenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 08.08.2013 - VI R 72/12) begründe eine zeitweise Versetzung für Beamte keine regelmäßige Arbeitsstätte. Somit könne auch nach der für das Streitjahr geänderten Gesetzesfassung des § 9 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) keine erste Tätigkeitsstätte angenommen werden. Die Zuordnung des Klägers zum Standort in C sei die zweite Zuweisung des Klägers gewesen, die somit nicht für die Dauer des Dienstverhältnisses erfolgt sei. Vielmehr liege ein einheitliches befristetes Dienstverhältnis vor, das in Germersheim begonnen habe. Für die Frage der Dauerhaftigkeit einer Zuordnung zu einem Einsatzort sei auch auf das Ausbildungsverhältnis abzustellen.

In Bü gebe es keine Unterkunft, sodass der Kläger im Verwaltungsbereich eines Standorts in C-Br einquartiert gewesen und von dort arbeitstäglich "auf den Berg hoch" zum Standort Bü gefahren sei, um dort seinen Dienst im Fliegerhorst auszuüben. Der Kläger habe für alle Fahrten seinen privaten PKW benutzt; ein Schichtfahrzeug der Bundeswehr habe er nicht nutzen können.

Der Kläger beantragt sinngemäß,den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 18.09.2020 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10.01.2020 dahin zu ändern, dass Fahrtkosten in Höhe von 4.324 Euro als zusätzliche Werbungskosten berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass lediglich innerbetriebliche Verwendungsversetzungen des gleichen Standorts keine neue Tätigkeitsstätte begründen könnten. Vielmehr sei der Kläger bis zum Ende seiner gesamten Dienstzeit dauerhaft ausschließlich am Fliegerhorst Bü tätig gewesen, habe dort seit seiner ersten Versetzung dorthin und während der gesamten Dienstzeit seine erste Tätigkeitsstätte begründet und habe diese Dienststelle während der gesamten Dienstzeit nicht gewechselt. Schließlich komme der vom Kläger begehrte Ansatz der Entfernungspauschale für die Wegstrecke von 194 Kilometern nicht in Betracht, da es eine räumlich und zeitlich kürzere Wegstrecke gebe, die nur eine Entfernung von 151 Kilometern und eine Fahrzeit von nur 1:46 Stunde aufweise, während die die vom Kläger angegebene Fahrstrecke 2:02 Stunden dauere und damit sowohl länger als auch nicht erkennbar verkehrsgünstiger sei.

Der Kläger hat eine Bescheinigung der Bundeswehr vorgelegt (Bl. 59 Gerichtsakte), wonach er im Streitjahr an 209 Tagen "seinen Arbeitsplatz im Fliegerhorst Bü" aufgesucht habe. Den Pendelbus von der Unterkunft in Br zum Fliegerhorst Bü habe er nicht nutzen können. Ferner hat der Kläger angegeben, dass er tatsächlich eine Wegstrecke von 194 Kilometern von seinem Wohnsitz zur Kaserne in Br gefahren sei, wobei er diese Strecke im Einzelnen benannte (Bl. 74 Gerichtsakte).

Der Beklagte hat der Klage mit Bescheid vom 18. September 2020 insoweit teilweise abgeholfen, als er auch die erklärten Fahrten des Klägers von Br nach Bü an 209 Tagen für je 12 Kilometer mit insgesamt 752,40 Euro (209 Tage x 12 Kilometer x 0,30 Euro/km) als weitere Werbungskosten berücksichtigt hat.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 hat der Kläger einen Antrag auf Verlängerung der am 11. Dezember 2020 bereits abgelaufenen Stellungnahmefrist gestellt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.Das Gericht konnte die Streitsache entscheiden, ohne den Fristverlängerungsantrag des Klägervertreters vorab bescheiden oder die Fristverlängerung gewähren zu müssen. Zum einen wurde der Fristverlängerungsantrag erst am 16. Dezember 2020 und damit erst nach Ablauf der bis zum 11. Dezember 2020 laufenden Stellungnahmefrist gestellt, sodass sich die zu diesem Zeitpunkt bereits in der Schlussbearbeitung befindliche Sachentscheidung verzögert hätte. Zum anderen sind Gründe, die für eine Fristverlängerung geltend gemacht wurden, entgegen § 54 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 224 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) weder erheblich noch glaubhaft gemacht, sodass der Antrag ohnehin abzulehnen war.

II.Der Beklagte hat den vom Kläger begehrten Fahrtkostenansatz, soweit er den Ansatz des gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Einkommensteuerbescheids vom 18. September 2020 übersteigt, zu Recht nicht als weitere Werbungskosten des Klägers berücksichtigt.

Der Kläger unterhielt im Streitjahr seine erste Tätigkeitsstätte in Bü und konnte daher sowohl für die wöchentlichen Fahrten zwischen seinem Wohnsitz und Br als auch für die arbeitstäglichen Fahrten von Br nach Bü nur Werbungskosten in Höhe der Entfernungspauschale geltend machen, die der Beklagte bereits berücksichtigt hat.

1.Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu gehören nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte im Sinne des Absatzes 4.

a)Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 Euro im Kalenderjahr.

Für die Bestimmung der Entfernung ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG grundsätzlich die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte benutzt wird.

b)Erste Tätigkeitsstätte ist nach § 9 Abs. 4 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.

Durch den mit Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl. I 2013, S. 285 mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2014) neu eingefügten § 9 Abs. 4 EStG wurde der bisherige unbestimmte Rechtsbegriff der "regelmäßigen Arbeitsstätte" durch "erste Tätigkeitsstätte" ersetzt und gesetzlich genau definiert. "Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs" wurde dabei höchstens noch eine Tätigkeitsstätte je Dienstverhältnis mit beschränktem Werbungskostenabzug vorgesehen (Bundestag-Drucksache 17/10774, S. 14 f.).

aa)Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden (BFH, Urteil vom 4. April 2019 - VI R 27/17 -, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536; BFH, Urteil vom 11. April 2019 - VI R 40/16 -, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546).

bb)Nach der gesetzlichen Konzeption - und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden Grundentscheidung - wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits(vertrag)- oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien. Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen. Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (bspw. im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers oder Dienstherrn (im weiteren Verlauf: Arbeitgeber) vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht vielmehr auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche Zwecke. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte. Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden; eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen (BFH, Urteil vom 4. April 2019 - VI R 27/17 -, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536; BT-Drucks 17/10774, S. 15).

cc)Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für das Auffinden der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (BFH, Urteil vom 4. April 2019 - VI R 27/17 -, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536 mit weiteren Nachweisen; BFH, Urteil vom 11. April 2019 - VI R 40/16 -, BFHE 264, 248, BStBl II 2019, 546).

dd)Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll (Nr. 1) oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (Nr. 2).

Eine Zuordnung ist "unbefristet" im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 1 EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt (BFH, Urteil vom 4. April 2019 - VI R 27/17 -, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536).

Die Zuordnung erfolgt gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 Alternative 2 EStG "für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses", wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll. Dies kann insbesondere angenommen werden, wenn die Zuordnung im Rahmen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses unbefristet oder (ausdrücklich) für dessen gesamte Dauer erfolgt (BFH, Urteil vom 4. April 2019 - VI R 27/17 -, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536).

2.Nach diesen Maßstäben hatte der Kläger seine "erste Tätigkeitsstätte" im Sinne der vorgenannten Grundsätze im Bundeswehrstandort "Fliegerhorst Bü".

An diesen Bundeswehrstandort war der Kläger ausweislich seiner Versetzungsverfügung vom 22.11.2011 zunächst bis zum 30.09.2015 und damit für die gesamte Dauer seiner - befristeten - Tätigkeit versetzt worden. Zwar wurde der Kläger ausweislich der Versetzungsverfügung vom 01.10.2013 bis zum Ende seiner Dienstzeit zum 30.09.2015 aus rein organisatorischen Gründen formal nach C-Br versetzt, war aber ausweislich des vorgelegten Bestätigungsschreibens der Bundeswehr an allen Diensttagen des Streitjahres unverändert an seinem "Arbeitsplatz im Fliegerhorst Bü" tätig. Aus der Bestätigung, wonach in Br nur die "Unterkunft" des Klägers gewesen sei, schließt das Gericht, dass dort keine eigenständige Dienstpflicht zu verrichten war.

Dies war für den Kläger, der die Zuweisung zu diesem Standort aufgrund der anfänglichen Versetzungsverfügungen bis zum Ende seiner kompletten Dienstzeit, seiner unveränderten organisatorischen Zuordnung zu diesem Standort auch nach einer formalen Versetzung nach Br sowie aufgrund seiner innerdienstlichen Qualifikation und Dienstanordnung des Dienstes im Fliegerhorst kannte, auch ex ante so erkenn- und vorhersehbar.

Folglich kam nur der Ansatz mit der Entfernungspauschale von 0,30 Euro pro vollem Entfernungskilometer in Betracht.

3.Ein Werbungskostenansatz mit einer höheren Entfernungspauschale, als der Beklagte dies bereits berücksichtigt hat, kommt vorliegend nicht in Betracht.

Der Ansatz der Aufwendungen für die tatsächlich vom Kläger zurückgelegten Kilometer mit Hin- und Rückfahrt scheidet aus den vorgenannten Rechtsgründen aus.

Ein Ansatz einer höheren Entfernungspauschale, weil die Wegstrecke mit 194 statt 151 Kilometer gefahren sei, ist ebenfalls nicht statthaft. So wäre der Ansatz nur zulässig, wenn es sich bei der vom Kläger benannten Strecke um eine zwar streckenmäßig längere, aber offensichtlich verkehrsgünstigeren Strecke gehandelt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, da die Fahrzeit bei der vom Beklagten berücksichtigten Wegstrecke um ca. 15 Minuten pro Fahrt und damit ca. 1/8 der gesamten Fahrzeit geringer war als bei der vom Kläger benannten Wegstrecke.

III.Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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