LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.11.2020 - 8 Sa 498/19
Fundstelle
openJur 2021, 17700
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 06. November 2019 - 3 Ca 1221/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten unter anderem über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher Kündigungen.

Die Beklagte ist eine C., die als juristische Person des öffentlichen Rechts auf der Grundlage des Heilberufsgesetzes Rheinland-Pfalz (HeilBG RLP) errichtet wurde und sich hierzu durch ihre Vertreterversammlung zuletzt die Hauptsatzung vom 1. Januar 2016 gegeben hat. Gemäß § 4 Abs. 1 der Hauptsatzung iVm. § 8 HeilBG RLP sind Organe der Ärztekammern die Vertreterversammlung und der (ehrenamtliche) Vorstand. Gemäß § 7 Abs. 2 der Hauptsatzung iVm. § 11 Abs. 2 HeilBG RLP bestellt der Vorstand einen (hauptamtlichen) Geschäftsführer, der die laufenden Verwaltungsgeschäfte der Kammer führt, den Weisungen des Vorstands unterliegt und die Beschlüsse des Vorstands unter Beachtung der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung auszuführen hat.

Im Oktober 2016 wurde für die Amtszeit von fünf Jahren ein neuer Vorstand gewählt, dessen Vorsitzender Herr Dr. med. C. ist.

Der 1965 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 7. März 1999 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 8. März 1999 (Bl. 6 d.A) als "Halbtagskraft" zur Vertretung der in Elternzeit befindlichen Stelleninhaberin und seit dem 1. März 2000 als "Juristischer Geschäftsführer" aufgrund der Änderungsvereinbarung vom 26. Januar 2000 (Bl. 139 ff. d.A) beschäftigt, zuletzt aufgrund der Änderungsvereinbarung vom 30. Oktober 2007 (Bl. 8 d.A) ab dem 1. Januar 2008 als "alleiniger Geschäftsführer" bei einer Bruttomonatsvergütung von 7.754,57 Euro (Bl. 35 d.A). Personalverantwortung, insbesondere die Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern, lag allein beim Vorstand und war dem Kläger nicht übertragen (Bl. 203 d.A). Er war auch nicht befugt, Rechtsgeschäfte ohne ausdrückliche Anweisung des Vorstands zu tätigen oder Verträge abzuschließen. Ebensowenig war er befugt, Abmahnungen auszusprechen oder das arbeitgeberseitige Direktionsrecht wahrzunehmen; dies war dem Vorstand vorbehalten. Schließlich hatte der Kläger auch keine Etat- oder Budgetverantwortung. Als Titular-Geschäftsführer war er umfassend an die Vorgaben des Vorstands der Beklagten gebunden (Bl. 423 d.A).

Im Änderungsvertrag vom 26. Januar 2000 heißt es, soweit hier von Bedeutung (Bl. 139 ff. d.A):

"§ 2 Vertragsverhältnis

Soweit in diesem Vertrag oder in vorhergehenden Vereinbarungen keine besonderen Regelungen getroffen werden, gelten für das Dienstverhältnis die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 sowie die den BAT ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträge und Vorschriften.

§ 3 Tätigkeitsbereich, Vorgesetzte und Zuständigkeit

1. Die Geschäfte der C. P. mit juristische Relevanz werden durch den Juristischen Geschäftsführer wahrgenommen, der an die Weisungen des Vorsitzenden gebunden ist. Der Juristische Geschäftsführer ist Disziplinarvorgesetzter der Mitarbeiter der C. P. Damit nicht verbunden ist die Unterstellung der Mitarbeiter der C. P. in Angelegenheiten der Sachbearbeitung in den einzelnen Sachbereichen, welche dem Kaufmännischen Geschäftsführer zufällt. Der juristische Geschäftsführer nimmt an allen Sitzungen der Organe der C. P. mit beratender Stimme teil.

[...]

4. Die beigefügte Stellenbeschreibung wird Bestandteil dieses Änderungsvertrags.

[...]

§ 5 Zusatzversorgung

Bei der Zusatzversorgungskasse der B. Versicherungskammer besteht eine zusätzliche Altersversorgung, deren Kosten derzeit voll von der C. P. übernommen werden.

[...]

Stellenbeschreibung

[...]

2. Rang

Juristischer Geschäftsführer

3. Unterstellung

Der Stelleninhaber ist dem Vorsitzenden unmittelbar unterstellt.

4. Überstellung

Der Stelleninhaber ist den Mitarbeitern der C. P. als disziplinarischer Vorgesetzter überstellt."

Entsprechend § 2 des Änderungsvertrags vom 26. Januar 2000 gilt im Arbeitsverhältnis der Parteien seit 1. November 2006 der TV-L, was die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18. Januar 2007 (Bl. 7 d.A) mitteilte. Gemäß § 34 Abs. 2 TV-L kann das Arbeitsverhältnis von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und unter die Regelungen des Tarifgebiets West fallen, nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden.

In Abweichung zu § 24 Abs. 1 Satz 2 TV-L [Fälligkeit am letzten Tag des laufenden Monats] erfolgte die Abrechnung und Auszahlung der Vergütung im Arbeitsverhältnis des Klägers nach dessen unwidersprochenem Vortrag jeweils bereits zum 15. des laufenden Monats (Bl. 35, 776 d.A; vgl. auch Lohnabrechnung vom 7. August 2018 für August 2018, Bl. 39 d.A). Ausweislich der Lohnabrechnungen für Mai bis August 2018 zahlte die Beklagte zugunsten des Klägers monatliche Beiträge in Höhe von 250,- Euro zu einer freiwilligen Zusatzversicherung bei der B. Versorgungskammer unter der Nummer 000 (Bl. 35 d.A).

Aufgrund einer Anweisung der damaligen Vorstandsvorsitzenden Frau Dr. D. vom 10. Oktober 2007 (Bl. 246 d.A) erhielt der Kläger jährlich im November eine Jahressonderzahlung in Höhe von 82,14 % seines Bruttogehalts (Bl. 210 d.A).

Die Beklagte erstattete dem Kläger für eine Dienstabwesenheit von mehr als sechs Stunden ein Tagegeld von 12 Euro und für eine mehrtägige Dienstreise ein Tagegeld von 24 Euro (Bl. 552 d.A).

§ 9 des Änderungsvertrags der Parteien vom 26. Januar 2000 lautet (Bl. 141 d.A):

"Die Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben außerhalb der Dienststelle gilt als Arbeitszeit."

Bei der Beklagten gilt im übrigen die Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 20. Dezember 2007 mit Wirkung ab 2. Januar 2008, in der es unter anderem heißt (Bl. 602 ff. d.A):

"10. DienstreisenBei Dienstreisen wird die Sitzungszeit und die Hälfte der Fahrzeit dem Zeitkonto gutgeschrieben. Ergibt die Addition beider Zeiten weniger als die Zeitvorgabe für den Dienstreisetag, so erfolgt die Zeitgutschrift in Höhe der Zeitvorgabe."

Zu der Vorstandssitzung vom 27. Oktober 2010 wurde ein Protokoll erstellt, in dem es auszugsweise heißt (Bl. 759 d.A):

"7) Weihnachtszuwendungen für das Jahr 2010

[...]

Gemäß § 17 der Hauptsatzung der C. P. prüft der Vorstand oder ein besonderer Ausschuss die Bedürftigkeit und verteilt die Mittel, was bislang vom Vorstand vorgenommen wurde.

In diesem Zusammenhang berichtet Herr A. über die am 20.10.2010 stattgefundene Sitzung des Finanzprüfungsausschusses. Hierbei wurde insbesondere der Fürsorgefonds thematisiert, wobei der Finanzprüfungsausschuss die Auffassung vertritt, dass zukünftig Verteilungskriterien erstellt werden sollten, um insbesondere auch bei besonderen Einzelfällen höhere Ausschüttungen/Zuwendungen (in Form eines sog. verlorenen Zuschusses) gewähren zu können. [...]

[...]

Des Weiteren wird beraten, ob die Witwe (Frau S.) von Herrn Dr. B. T., der 03/2009 verstorben ist und nur 45 Jahre alt wurde, ebenfalls eine Weihnachtszuwendung erhalten solle, da 3 kleine Kinder zurückgeblieben sind. Sie habe lediglich im letzten Jahr eine Einmalzahlung i.H.v. € 1.000,- erhalten. Die Anwesenden beschließen einstimmig einen Vorratsbeschluss der beinhaltet, zunächst zu recherchieren, ob Frau S. hilfsbedürftig sei. Falls dem so wäre, ist ihr in diesem Jahr eine Zuwendung i.H.v. € 750,- (250,- € pro Kind) zu gewähren und sie künftig auf die Liste der jährlichen Weihnachtszuwendungen (ebenfalls € 750,-) aufzunehmen."

Im Dezember 2017 ließ der Kläger von seiner Assistentin Frau K. für eine Dienstreise zur Rechtsberatertagung der Ärztekammer des S. vom 18. bis 19. Juni 2018 ein Zimmer buchen. Hierbei wurde die private Kreditkarte des Klägers verwendet, um zugunsten der Beklagten einen Sondersparpreis in Anspruch nehmen zu können (Bl. 150, 198 d.A). Die Hotelkosten von 96,20 Euro wurden im Dezember 2017 vom Privatkonto des Klägers abgebucht und ihm von der Beklagten am 2. Februar 2018 erstattet.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2018 erklärte die Beklagte durch den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Dr. B. (Bl. 85 d.A) gegenüber dem Kläger (Bl. 216 ff. d.A):

"hiermit mahnen wir Sie wegen Verleumdung des Vorstandsvorsitzenden wegen angeblicher Nichtunterzeichnung von 21 Unterschriftenmappen und dadurch bedingter Blockade der laufenden Geschäfte und Entstehung "unangenehmer Nachfragen" ab.

Der Abmahnung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Mail vom 27.04.2018, 11.44 Uhr, teilten Sie dem Vorstandsvorsitzenden Dr. C. sowie allen Vorstandsmitgliedern der B. P. in cc Folgendes mit:

‚Wie wir am Donnerstag feststellen mussten, wurden die 21 Unterschriftenmappen leider nicht unterschrieben, was zur Folge hat, dass die laufenden Geschäfte blockiert sind und sich hierdurch vermehrt (unangenehme) Nachfragen inzwischen ergeben haben.‘

[...]

Tatsache ist jedoch, dass Herr Dr. C. im Anschluss an die Sitzung am 25.04.2018 alle bereitliegenden Mappen gesichtet und auch alle Vorgänge mit einem Datum bzw. Datumsstempel unterschrieben hat.

[...]

Wir haben Sie daher aufzufordern, solche Verleumdungen künftig zu unterlassen und weisen darauf hin, dass Sie im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen müssen.

[...]

Ferner erwarten wir Ihrerseits eine aufrichtige und ehrliche Entschuldigung gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden und dem gesamten Vorstand im Rahmen der nächsten Vorstandssitzung."

Mit Schreiben vom 7. Juni 2018 ließ die Beklagte durch ihre Prozessvertreter gegenüber dem Kläger eine "2. Abmahnung" erklären "wegen eklatanter Unhöflichkeit und respektlosem Auftreten gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden Dr. C." wie folgt (Bl. 48 f. d.A):

"Mit Mail vom 17.05.2018, 14.53 Uhr, schrieben Sie gerichtet an Herrn Dr. C. und in cc/ an den gesamten Vorstand der C. P. eine Mail mit folgendem, auszugsweise dargestellten Inhalt:

‚auch wenn Anstand und Höflichkeit nicht jedem gegeben sind ...‘

‚Ich gehe davon aus, dass hiermit nun alles geklärt ist und fordere Sie auf, mir gegenüber zukünftig in einem respektvollen und angemessenen Ton zu begegnen und von Fristsetzungen, etc. Abstand zu nehmen, damit ich meinen Aufgaben wie in den vergangen 20 Jahren nachkommen kann.‘

[...]

Wir haben Sie daher aufzufordern, solch unangemessenes, unhöfliches und respektloses Verhalten ab sofort zu unterlassen, künftig einen respektvollen Umgang zum gesamten Vorstand der C. zu zeigen und weisen darauf hin, dass Sie im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, bis hin zur Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses, rechnen müssen.

Keinesfalls wird die C. P. ein solches Verhalten künftig hinnehmen.

Ferner erwartet die C. P. Ihrerseits eine aufrichtige und ehrliche Entschuldigung gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden und dem gesamten Vorstand im Rahmen der nächsten Vorstandssitzung."

Ab dem 8. Juni 2018 für einen Zeitraum von drei Wochen war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt (Bl. 94 d.A).

Da der Kläger den Rechtsberatertag am 18./19. Juni 2018 krankheitsbedingt nicht wahrnehmen konnte, stornierte die Assistentin des Klägers das Hotelzimmer, was allerdings nur zu einer Rückerstattung von 10 % des Zimmerpreises führte. Die entsprechenden 9,62 Euro wurden dem privaten Konto des Klägers am 13. Juli 2018 ausweislich des Kontoauszugs (Bl. 243 d.A) mit dem Buchungstext "Kreditkartenabrechnung" wieder gutgeschrieben (Bl. 150 f., 93 ff. d.A).

Mit Schreiben vom 14. Juni 2018 erklärte die Beklagte durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. C. gegenüber dem Kläger (Bl. 51 d.A):

"hiermit mahnen wir Sie wegen Nichtausführen von Arbeitsanweisungen ab.

Der Abmahnung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Mail vom 15.05.2018, 13.21 Uhr, wies ich Sie im Hinblick auf das am 18.05.2018 stattfindende Zusammentreffen der Arbeitsgemeinschaft IT wie folgt an:

‚Die Anlage 4 bitte ich Sie an die Teilnehmer der AG am Freitag zu verschicken, damit man das diskutieren kann zusammen mit folgender Agenda: ...‘

Dieser Anweisung kamen Sie jedoch nicht nach, so dass ich am 17.05.2018 die Einladung der Teilnehmer selbst vornehmen musste.

[...]

Wir haben Sie daher aufzufordern, ab sofort den Anweisungen des Vorstands bzw. meinen und denen des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden umgehend nachzukommen und das Arbeiten der Arbeitsgemeinschaft IT nicht zu behindern.

Ferner weisen wir darauf hin, dass Sie im Wiederholungsfall mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen müssen.

[...]

Ferner erwarten wir Ihrerseits eine aufrichtige und ehrliche Entschuldigung gegenüber allen Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft IT sowie gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden im Rahmen der nächsten Vorstandssitzung."

Mit Schreiben vom 13. August 2018 (Bl. 9 d.A), dem Kläger zugegangen am 14. August 2018, erklärte die Beklagte erstmalig die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der am 21. August 2018 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereichten Kündigungsschutzklage.

Mit Schreiben vom 4. Oktober 2018 (Bl. 61 d.A), dem Kläger zugegangen am 5. Oktober 2018, erklärte die Beklagte zum zweiten Mal die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der am 15. Oktober 2018 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereichten Kündigungsschutzklage.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 forderte die Beklagte vom Kläger eine Stellungnahme zum Verdacht des "Betrugs" wegen eines unrechtmäßig auf seinem privaten Kreditkartenkonto einbehaltenen Erstattungsbetrags von 9,62 Euro nach der Hotelzimmerstornierung vom 25. Juni 2018 (Bl. 94 d.A). Der Klägervertreter antwortete mit Schreiben vom 15. Oktober 2018 und teilte mit, der Kläger habe den Erstattungsbetrag übersehen und bitte um Mitteilung, wohin der Betrag zugunsten der Beklagten überwiesen werden solle. Die Hotelbuchung habe seine Assistentin Frau K. bereits im Dezember 2017 im Rahmen seiner genehmigten Dienstreise zur Rechtsberatertagung in S. vom 18. bis zum 19. Juni 2018 vorgenommen und sie habe hierbei seine private Kreditkarte eingesetzt, um einen vergünstigen Hotelzimmertarif für die C. in Anspruch nehmen zu können (Bl. 95, 151 d.A).

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 (Bl. 68 d.A) erklärte die Beklagte zum dritten Mal die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der am 29. Oktober 2018 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereichten Kündigungsschutzklage.

Mit Schriftsatz vom 16. November 2018 (Bl. 103 d.A) erklärte die Beklagte zum vierten Mal die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ("Prozesskündigung"). Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem allgemeinen Feststellungsantrag zu 2. aus der Klageschrift vom 17. August 2018, welchen er im Kammertermin vom 10. April 2019 in einen Kündigungsschutzantrag gegen die Kündigung vom 16. November 2018 abgeändert hat (Bl. 434 f. d.A).

Am 10. April 2019 kam es zu einem ersten Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen. Die Beklagte stellte im Termin keine Anträge. Der schriftsätzlich angekündigte Weiterbeschäftigungsantrag zu 3 aus der Klageschrift vom 17. August 2018 (Bl. 2, 58 d.A) wurde vom Kläger versehentlich nicht gestellt (vgl. Vermerk Bl. 443 und Bl. 768 d.A). Der Kläger wandte sich somit lediglich gegen die vier Kündigungen, forderte Annahmeverzugslohn für September 2018 bis Januar 2019, Jahressonderzahlung 2018 (Antrag 10) sowie Beiträge zur freiwilligen Zusatzversorgung für den Zeitraum des Annahmeverzugs (Antrag 11) und beantragte im Kammertermin vom 10. April 2019 letztlich (Bl. 434 f. d.A):

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 13.08.2018 nicht aufgelöst ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 04.10.2018 nicht aufgelöst wurde

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsfeld ist zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 25.10.2018 nicht aufgelöst wurde.

4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung mit Schriftsatz vom 16.11.2018 nicht aufgelöst wurde.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.754,57 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.09.2018 zu bezahlen

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.754,57 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.10.2018 zu bezahlen

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.754,57 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2018 zu bezahlen

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.754,57 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.12.2018 zu bezahlen

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.754,57 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.01.2019 zu bezahlen

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 6.369,60 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2018 zu bezahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, zu Gunsten des Klägers 1.250,00 Euro freiwillige Zusatzversicherung an die B. Versorgungskammer unter der Nr. 000 zu zahlen.

Es erging sodann auf Antrag des Klägers entsprechendes Teil-Versäumnisurteil gegen die Beklagte (Bl. 436 f. d.A). Gegen das ihr am 17. April 2019 zugestellte Teil-Versäumnisurteil vom 10. April 2019 legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 24. April 2019 (Bl. 475 d.A), beim Arbeitsgericht eingegangen am selben Tag, Einspruch ein.

Mit Schreiben vom 25. April 2019 forderte die Beklagte den Kläger "zur Meidung einer Zwangsvollstreckung" und unter Betonung der umfassenden Weisungsgebundenheit des Klägers gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden auf, am 30. April 2019 wieder zur Arbeit zu erscheinen (Bl. 482 d.A). Der Kläger folgte dem und arbeitete bis zum Zugang der [fünften] fristlosen Kündigung vom 21. Mai 2019 am 22. Mai 2019 (Bl. 546 d.A).

Am 1. Mai 2019 trat Frau Dr. E. als neue hauptamtliche Geschäftsführerin der Beklagten ihren Dienst an (Bl. 501 d.A).

Mit Schreiben vom 21. Mai 2019 (Bl. 11 d.A - 3 Ca 724/19 -) erklärte die Beklagte zum fünften Mal die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der am 29. Mai 2019 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereichten Kündigungsschutzklage. Mit Beschluss vom 19. Juni 2019 - 3 Ca 724/19 - wurde dieses Verfahren zum hiesigen Verfahren hinzuverbunden.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2019 (Bl. 13 d.A - 3 Ca 850/19 -) erklärte die Beklagte zum sechsten Mal die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der am 21. Juni 2019 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereichten Kündigungsschutzklage. Mit Beschluss vom 31. Juli 2019 - 3 Ca 850/19 - wurde dieses Verfahren zum hiesigen Verfahren hinzuverbunden.

Der Kläger hat vorgetragen:

Da mit weiteren Kündigungen zu rechnen sei, werde die allgemeine Feststellungsklage erhoben (Bl. 5 d.A). Auch habe die Beklagte mit ihm ein Prozessarbeitsverhältnis ab dem 30. April 2019 nur mündlich begründet, ohne dass Vollstreckungsdruck bestanden habe. Ein Weiterbeschäftigungsantrag sei noch nicht gestellt worden. Da die Schriftform des TzBfG nicht gewahrt worden sei, bestehe zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis fort (Bl. 671, 735 d.A).

Mit Nichtwissen werde bestritten, dass der Vorstand der Beklagten in einer ordnungsgemäß einberufenen und durchgeführten Vorstandssitzung wirksam den Beschluss zur fristlosen oder fristgemäßen Kündigung des Klägers getroffen habe, weshalb die Kündigungen vom 13. August 2018 und vom 4. Oktober 2018 bereits formell unwirksam seien (Bl. 4, 59 d.A). Für die Kündigung vom 25. Oktober 2018 fehle es an einem solchen Beschluss ebenso (Bl. 67 d.A) wie für die Prozesskündigung vom 16. November 2018 (Bl. 170 d.A). Der beklagtenseits behauptete Vorstandsbeschluss vom 8. August 2018 bezüglich der ersten Kündigung vom 13. August 2018 genüge nicht, um zeitlich danach behauptete Kündigungsgründe in eine Kündigung umzusetzen; der Vorstand als Gremium müsse sich mit den Kündigungsgründen auseinandersetzen und könne das nicht dem Vorsitzenden übertragen. Vorstandsbeschlüsse für jede einzelne der hier streitgegenständlichen Kündigungen gäbe es nicht (Bl. 197, 289 ff. d.A). Ein Vorratsbeschluss trage die Kündigungen nicht (Bl. 201 d.A).

Mit den Klageanträgen zu 5 bis 9 fordere er Annahmeverzugslohn für September 2018 bis Januar 2019 (Bl. 60 d.A), mit dem Klageantrag zu 10 fordere er die Jahressonderzahlung 2018 (Bl. 435 d.A) und mit dem Klageantrag zu 11 die Beiträge zur Zusatzversorgung für den Zeitraum des Annahmeverzugs (Bl. 435 d.A). Nachdem der zum 15. September 2018 fällige September-Lohn auch bis zum 17. September 2018 nicht bei ihm eingegangen sei, befinde sich die Beklagte mit ihrer Leistung in Verzug (Bl. 35 d.A).

Das KSchG sei insgesamt anwendbar. § 14 Abs. 1 KSchG stehe dem aufgrund der - unstreitigen - umfassenden Weisungsgebundenheit des Klägers nicht entgegen. Die Entscheidung des BGH vom 25. Juli 2002 - III ZR 207/01 - [stellvertretender Hauptgeschäftsführer einer Handwerkskammer] sei hier nicht einschlägig, weil der Kläger - insoweit unstreitig - angesichts seiner eingeschränkten Befugnisse nach außen nicht als Organvertreter aufgetreten sei (Bl. 423 d.A).

Kündigungsgründe bestünden nicht. Mit der Arbeitsaufforderung im Schreiben von 25. April 2019 dokumentiere die Beklagte zudem, dass eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nicht gegeben sei (Bl. 482 d.A).

[zu Kündigungsgrund 1: "Verleumdung des Vorstandsvorsitzenden"]

Die Abmahnung vom 4. Juni 2018 sei inhaltlich unzutreffend (Bl. 182, 292 d.A). Der Vorstandsvorsitzende habe seinerzeit am 25. April 2018 die benötigten Unterschriften in der Unterschriftenmappe tatsächlich nicht geleistet, was er letztlich in seiner E-Mail vom 28. April 2018 (Bl. 213 d.A) auch einräume. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei mit diesem Vorwurf schon für die Kündigung vom 13. August 2018 nicht mehr gewahrt (Bl. 184 d.A).

[zu Kündigungsgrund 2: "eklatante Unhöflichkeit und respektloses Auftreten gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden"]

Durch einen ausweislich seiner E-Mails (Bl. 185 bis 188 d.A) dauerhaft unhöflichen Befehlston habe der Vorstandsvorsitzende die Reaktion des Klägers in dessen E-Mail vom 17. Mai 2018 hervorgerufen. Eine fristlose Kündigung könne hierauf aber nicht gestützt werden, zumal der Kläger über 20 Jahre vorbildliche Arbeit bei der Beklagten geleistet habe und die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt sei (Bl. 189 d.A).

[zu Kündigungsgrund 3: "Nichtausführen von Weisungen"]

Die Abmahnung vom 14. Juni 2018 sei inhaltlich unzutreffend, denn die ihm aufgetragenen Einladungen an die Mitglieder des IT-Arbeitskreises habe er versandt (Bl. 194 d.A). Der gerügte Vorfall vom Mai 2018 könne gemäß § 626 Abs. 2 BGB auch nicht mehr zum Anlass der fristlosen Kündigung vom 13. August 2018 gemacht werden (Bl. 195 d.A).

Die drei Abmahnungen führten zum Verbrauch des Kündigungsrechts hinsichtlich der darin angesprochenen Vorgänge (Bl. 195 d.A).

Unzutreffend sei im übrigen auch der Vorhalt der Beklagten, er vertrete die Ansicht, als Geschäftsführer sei er für die IT unzuständig und es drohe ein vollständiger IT-Ausfall, falls der IT-Dienstleister K. nicht weiterbeschäftigt werde (Bl. 191 d.A). Nachdem der Vorstandsvorsitzende Dr. C. einen seiner Bekannten von der Firma S. gegen Zahlung von 6.500,- Euro damit beauftragt habe, einen "Quick-Check" bzgl. der EDV der Beklagten durchzuführen, habe das so erstellte 13-seitige Papier nur eine kaum verständliche Grobdokumentation enthalten. Der Kläger habe sich das Papier schließlich von dem langjährigen IT-Berater der Beklagten, Herrn K., erklären lassen müssen, wobei sich zugleich erhebliche Schwächen und handwerkliche Mängel des Papiers der Firma S. gezeigt hätten (Bl. 190 ff., 293 d.A). Sofern Herr K. zugunsten der Firma S. ohne einen nahtlosen Übergang ausgetauscht worden wäre, habe man eine Einschränkung in der laufenden Geschäftsführung befürchten müssen. Man müsse erst einen neuen EDV-Fachmann finden; nur das habe er erklärt - eine Drohung habe er nicht ausgesprochen (Bl. 192, 293 d.A). Eine Aufforderung seitens des Vorstandsvorsitzenden zur Kündigung des Vertrags mit Herrn K. habe der Kläger nicht erhalten, zumal eine solche Kündigung Sache des Vorstands sei (Bl. 193 d.A).

Soweit die Beklagte ihm allgemein ein "Nichtausführen von Weisungen" vorhalte, sei das falsch. Zwar habe nach dem Heilberufsgesetz ein Weiterbildungsregister installiert werden sollen, jedoch habe niemand gewusst, wie dieses inhaltlich auszugestalten sei. Er habe weisungsgemäß am 23. August 2017 mit dem Geschäftsführer der C. R., Herrn W., in dieser Angelegenheit Kontakt aufgenommen (Bl. 292 ff. d.A).

[zu Kündigungsgrund 4: "Respektlosigkeit und Überheblichkeit" im Gütetermin]

Im Gütetermin vom 24. September 2018 habe der Kläger nichts weiter als ein höfliches "Guten Tag" gesagt. Der Hinweis auf die nicht zu erwartende Wiederwahl des Vorstandsvorsitzenden Dr. C. stamme vom Klägervertreter (Bl. 544 d.A).

[zu Kündigungsgrund 5: "Eigenmächtigkeit und Betrug"]

Die Teilnahme an der Rechtsberatertagung in S. im Juni 2018 sei für ihn eine alljährliche Pflichtveranstaltung, die der Vorstandsvorsitzende nach der Buchung des Hotelzimmers auch als Dienstreise genehmigt habe. Eine Weisung zur vorherigen Beantragung von Dienstreisen des hauptamtlichen Geschäftsführers beim ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden habe es nie gegeben (Bl. 199 d.A).

Da der Beklagten die Hotelbuchung durch den Kläger bereits seit Ende Mai 2018 bekannt gewesen sei, könne eine außerordentliche Kündigung mit Blick auf § 626 Abs. 2 BGB auf die Buchung nicht gestützt werden (Bl. 200 d.A). Der Erstattungsbetrag des Hotels in Höhe von 9,62 Euro sei zwar - unstreitig - auf seinem Konto am 13. Juli 2018 gutgeschrieben worden, er habe den Betrag jedoch zunächst nicht zuordnen können, weil - unstreitig - auf seinem Kontoauszug (Bl. 243 d.A) lediglich der Buchungstext "Kreditkartenabrechnung" vermerkt gewesen sei. Unmittelbar nachdem die Beklagte ihn über die Herkunft der 9,62 Euro aufgeklärt habe, habe er - insoweit unstreitig - die Rückzahlung angeboten, ohne dass die Beklagte hierauf reagiert habe (Bl. 201 d.A). Die Beklagte stelle nicht klar, ob sie auf diesen Vorwurf ein Tat- oder eine Verdachtskündigung stützen wolle (Bl. 545 d.A).

[zu Kündigungsgrund 6: "Druckkündigung"]

Eine Frau M., die angeblich aus Resignation gegenüber seiner Assistentin Frau K. die Eigenkündigung erklärt habe, sei ihm völlig unbekannt. Wenngleich im Arbeitsgerichtsprozess Kündigungsgründe nachgeschoben werden könnten, so bedeute das doch nicht, dass man aus dem Jahr 2012 angebliche Gründe hervorzaubere (Bl. 294 d.A). Die Voraussetzungen einer Druckkündigung seien nicht dargelegt (Bl. 545 d.A).

Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die mit Schriftsatz vom 27. Mai 2019 nachgeschobenen Kündigungsgründe [Landesarchivgesetz / Vortragshonorar / Spesenabrechnung] erst jetzt bekannt geworden seien, mögen sie auch von der jüngst eingestellten Geschäftsführerin Dr. E. erstmals zur Kenntnis genommen worden sein. Das sei für die Kenntniserlangung innerhalb der Organisation der Beklagten unerheblich (Bl. 547 d.A). Mit Nichtwissen werde bezüglich aller nachgeschobenen Gründe bestritten, dass die Beklagte sie noch innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB vorgebracht habe (Bl. 671 d.A).

[zu Kündigungsgrund 8: Landesarchivgesetz / Arbeitsverweigerung]

Obwohl das Landesarchivgesetz bereits seit 1990 bestehe, habe die B. wie auch andere Kammern dem Landesarchiv noch nie irgendwelche Unterlagen angedient. Das Gesetz sei bislang eine weitgehend unbekannte Größe gewesen, auch für den Kläger. Zwar seien gemäß § 7 LArchivG RLP nicht mehr benötigte Unterlagen spätestens 30 Jahre nach deren Entstehung der Landesarchivverwaltung anzubieten, der Kläger sei aber seit 20 Jahren Geschäftsführer der Beklagten und habe insofern noch 10 Jahre Zeit, dieser Andienungspflicht nachzukommen, wenn der Vorstand das wünsche (Bl. 548 f., 728 d.A). Eine fehlerhafte Gesetzesauslegung des LArchivG RLP durch den Kläger sei kein Kündigungsgrund, zumal der Beklagten kein Schaden entstehe (Bl. 669 d.A).

[zu Kündigungsgrund 9: Vortragstätigkeit mit Honorarabrechnung auf Briefpapier der Beklagten]

Vor etwa 5 bis 7 Jahren habe er möglicherweise dreimal Vorträge im Seminarraum der Beklagten gehalten, nachdem er von einem Mitglied des werksärztlichen Dienstes der B. hierum gebeten worden sei. So sei es - insoweit unstreitig - ausweislich der Kostennote vom 8. September 2001 (Bl. 561 d.A) am 1. September 2011 auch zu einem Vortrag vor russischen Ärzten gekommen, die nach Vermittlung durch die B. die C. P. besucht hätten. Hierfür habe der Kläger die Genehmigung der damaligen Vorstandsvorsitzenden, Frau Dr. D., erhalten, die auch die Räume der Beklagten für den Vortrag angeboten habe. Mit Einverständnis der damaligen Vorstandsvorsitzenden habe er für seine Honorartätigkeit 300 Euro erhalten und zu diesem Zweck in der Kostennote vom 8. September 2011 seine private Bankverbindung mitgeteilt und als Raummiete zugunsten der Beklagten 150 Euro unter Angabe deren Bankverbindung in Rechnung gestellt (Bl. 550 d.A). Hinsichtlich des Vortragshonorars sei auch nicht etwa die Beklagte Rechnungssteller gewesen, sondern der Kläger, zumal Einnahmen von 350 Euro pro Jahr nicht der "Versicherungspflicht" unterlägen (Bl. 551 d.A).

[zu Kündigungsgrund 10: Vortragstätigkeit als Arbeitszeitbetrug]

Den Vortrag habe er in seiner Freizeit zu Hause vorbereitet. Er habe während der Arbeitszeit stattgefunden, damit die ausländischen Gäste die Gelegenheit hätten nutzen können, den Mitarbeitern der Beklagten Fragen über die Organisation und Struktur einer C. zu stellen. Dies alles sei mit ausdrücklicher Genehmigung der damaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, Frau Dr. D., erfolgt (Bl. 551 d.A).

[zu Kündigungsgrund 11: "Spesenabrechnungen"]

Er habe stets, wenn er ein Frühstück auf einer Tagung zu sich genommen habe, dies bei den Hotelkostenrechnungen zum Abzug gebracht. Es lasse sich allerdings nicht ausschließen, dass dies auch mal übersehen worden sei. Mittagessen nehme er während der Arbeitszeit nicht zu sich, bestenfalls eine Brezel oder etwas Obst. Deshalb habe er auch keine Mittagsverpflegung zu sich genommen, ohne dies bei den Spesen zu berücksichtigen. Gelegentlich habe er mit befreundeten Geschäftsführern anderer C. das Tagungshotel verlassen und außerhalb auf eigene Kosten zu Mittag oder zu Abend gegessen (Bl. 670 d.A).

Die sachliche Richtigkeit der Reisekostenabrechnung vom 26. Mai 2017 (Bl. 532 d.A) sei von seiner Assistentin, Frau K., geprüft worden. Daraufhin habe der Vorstandsvorsitzende die Zahlung an den Kläger angewiesen.

Die Hotelrechnungen habe der Kläger bei der Abreise aus eigenen Mitteln verauslagt und dann bei der Beklagten unter Vorlage der Hotelrechnung geltend gemacht, wobei stets im Voraus 4,80 Euro als geldwerter Vorteil pro Tag vom Kläger abgezogen worden seien. Verpflegungsleistungen, die bezogen worden seien, seien niemals verschwiegen worden. Allerdings seien eine Tasse Kaffee oder eine Brezel im Rahmen eines Seminars keine Verpflegungsleistungen in diesem Sinne und steuerlich nicht erfassbar. Anderes gelte natürlich bei Frühstück, Mittagessen oder Abendessen, welches im Hotelpreis enthalten sei. Wenn die Beklagte für eine Hotelübernachtung des Klägers 120 Euro bezahle und darin Frühstück, Mittagessen oder Abendessen enthalten seien, müsse natürlich eine entsprechende steuerliche Berücksichtigung erfolgen (Bl. 552 d.A).

Übernachtungen, in denen außer einem Frühstück weitere Mahlzeiten enthalten gewesen seien, habe es nicht gegeben. Der Umstand, dass der Kläger als Geschäftsführer der C. vom Vorstand der L. anlässlich einer Tagung abends zum Abendessen eingeladen worden sei (Rheinland-Pfalz Abend), sei kein geldwerter Vorteil, der im Rahmen einer Dienstreiseabrechnung anfalle, weil die Bewirtungsrechnung nicht von der Beklagten bezahlt worden sei, sondern ein externer Dritter (die L.) den Kläger eingeladen habe. Bewirtungskosten fielen auch steuerlich bei dem Einladenden, also der L., an. Eine solche Einladung sei nur ein einziges Mal ausgesprochen worden (Bl. 553 d.A).

Seit etwa drei Jahren buche die L. das Hotel für die Veranstaltung Deutscher Ärztetag. Die Hotelrechnung werde dann nicht mehr, wie sonst üblich, direkt vom Kläger beglichen und mit einem Abzug von 4,80 Euro bei der Buchhaltung eingereicht. Vielmehr sei es seit etwa 3 Jahren so, dass die Hotelrechnung - und zwar ausschließlich für den Deutschen Ärztetag - von der L. bezahlt und den C. dann Wochen später in Rechnung gestellt werde. Allerdings sei durchaus denkbar, dass er bei einer ausnahmsweise nicht direkt von ihm beglichenen Rechnung versehentlich bei der Berücksichtigung von 4,80 Euro für ein Frühstück versehentlich kein Kreuzchen gesetzt habe. Die Beklagte versuche, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen (Bl. 553 f. d.A).

[zu Kündigungsgrund 12: "Arbeitszeitbetrug" bei Reisezeiten des Klägers]

Die Beklagte zitiere die Dienstvereinbarung aus dem Jahr 2007 bezüglich der Dienstreisen nur unvollständig. Unter den Voraussetzungen der Ziffer 10 Satz 2 der Dienstvereinbarung sei auch die volle Zeitgutschrift erlaubt (Bl. 666 d.A). Für den Kläger allerdings sei in jedem Fall mit dem Änderungsvertrag vom 26. Januar 2000 unter § 9 eine günstigere Vereinbarung getroffen, die ihm die volle Reisezeit als Arbeitszeit zugestehe (Bl. 668 d.A). Die arbeitsvertragliche Vereinbarung sei eindeutig (Bl. 734 d.A).

[zu Kündigungsgrund 13: "Arbeitszeitbetrug" bei Reisezeiten des Mitarbeiters B.]

[zu Kündigungsgrund 14: "Arbeitszeitbetrug" bei Reisezeiten der Mitarbeiterin H.]

Es sei allein Aufgabe seiner Assistentin, Frau K., gewesen, das Abfeiern von Gleittagen zu überwachen und die Stundenerfassung bzgl. der Dienstreisezeiten zu erfassen. Wenn überhaupt, könne man ihm vorwerfen, Frau K. hierbei nicht überwacht zu haben. Da ihm allerdings die Regelung des § 10 der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 20. Dezember 2007 nicht präsent gewesen sei, wäre ihm dabei derselbe Fehler bei der Zeiterfassung unterlaufen, wie Frau K.. Mit ihren Ausführungen zu Ziffer 10 der Dienstvereinbarung zeige auch die Beklagte, dass diese Regelung unklar sei, was bei den Mitarbeitern in einigen wenigen Fällen zu Fehlern geführt haben möge (Bl. 733 d.A).

[Kündigungsgrund 15: "Fürsorgesatzung"]

Für die Umsetzung der Fürsorgesatzung sei die Mitarbeiterin S. verantwortlich gewesen (Bl. 768 d.A).

Für die Widerklage fehle ein Feststellungsinteresse (Bl. 554 d.A).

Der Auflösungsantrag der Beklagten sei schon deshalb unzulässig, weil er lediglich bei Sozialwidrigkeit einer ordentlichen Kündigung in Betracht komme (Bl. 209, 288, 546 d.A).

Schließlich stehe dem Kläger die Jahressonderzahlung für 2018 in Höhe von 82,14 % der Bruttomonatsvergütung, mithin 6.369,60 Euro brutto zu (Bl. 210 d.A), was Gegenstand des Klageantrags zu 10 sei.

Im Kammertermin vom 6. November 2019 erklärte der Kläger, er nehme den Weiterbeschäftigungsantrag zurück. Dem widersprach die Beklagte jedoch. Mit Schreiben vom 6. November 2019 (Bl. 765 d.A), dem Kläger übergeben im Kammertermin vom selben Tag (768 d.A), erklärte die Beklagte zum siebten Mal die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der unter dem Aktenzeichen - 3 Ca 1709/19 - (Bl. 934 d.A) beim Arbeitsgericht Ludwigshafen anderweitig geführten Kündigungsschutzklage, die nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist.

Der Kläger hat sodann lediglich beantragt (Bl. 768 d.A):

1. Das Versäumnisurteil vom 10.04.2019 wird aufrechterhalten.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 21.05.2019, zugegangen am 22.05.2019, nicht aufgelöst ist.

3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung vom 19.06.2019, zugegangen am gleichen Tag, nicht aufgelöst ist.

4. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 19.06.2019 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt:

1. Das Versäumnisurteil vom 10.04.2019 wird aufgehoben und die Klage, auch soweit sie darüber hinausgeht, wird insgesamt abgewiesen.

2. Das Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufgelöst.

Im Wege der Widerklage hat die Beklagte beantragt (Bl. 501, 578 d.A):

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Kläger weiter zu beschäftigen.

hilfsweise

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Kläger als Geschäftsführer der Beklagten weiter zu beschäftigen,

hilfs-hilfsweise

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Kläger mit der Bezeichnung Geschäftsführer der Beklagten und/oder in Funktion Geschäftsführer der Beklagten weiter zu beschäftigen, ohne dass der Kläger verpflichtet ist, gleichzeitig bei jedweden Äußerungen, Handlungen und/oder Korrespondenzen bzw. Schriftstücken darauf hinzuweisen, dass er lediglich in Nutzung und/oder Verwendung der Titularbezeichnung Geschäftsführer fungiert, ohne damit im Rechtsverkehr verbindlich agieren zu können.

Der Kläger hat beantragt:

Der Auflösungsantrag wird zurückgewiesen und die Widerklagen werden abgewiesen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Den ausgesprochenen Kündigungen vom 13. August 2018, vom 4. Oktober 2018 und vom 25. Oktober 2018 habe der einstimmige Vorstandsbeschluss vom 8. August 2018 (Sitzungsprotokoll: Bl. 281 d.A) zugrunde gelegen, wonach man sich vom Kläger im Wege der "fristlosen gegebenenfalls hilfsweisen ordentlichen Kündigung" kurzfristig wegen "Nichterledigung der [ihm] obliegenden Aufgaben" habe trennen wollen (Bl. 96 d.A). Bereits am 31. Januar 2018 habe der Vorstand beschlossen, dass eine Trennung vom Kläger erfolgen solle (Bl. 254 d.A).

Die Kündigungsgründe seien mannigfaltig.

[Kündigungsgründe 1 bis 3: "Verleumdung des Vorstandsvorsitzenden" / "eklatante Unhöflichkeit und respektloses Auftreten gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden" / "Nichtausführen von Weisungen"]

Der Kündigung vom 13. August 2018 läge das in den Abmahnungsschreiben vom "Anfang Juni 2018" (Verleumdung des Vorstandsvorsitzenden), vom 7. Juni 2018 (eklatante Unhöflichkeit) und vom 14. Juni 2018 (Nichtausführen von Weisungen/unterlassene Versendung von Einladungen an die IT-Arbeitsgruppe) gerügte Verhalten des Klägers zugrunde.

Der Vorstandsvorsitzende habe am 25. April 2018 alle datierten Unterschriftsvorlagen gesichtet und vollzogen. Die nicht unterzeichneten Vorlagen seien mangels Datumsangabe auch nicht unterschriftsreif gewesen. Der Kläger wolle die Verantwortung für die fehlenden Unterschriften dem Vorstandsvorsitzenden in die Schuhe schieben (Bl. 257 f. d.A).

In seiner eklatanten Unhöflichkeit verkenne der Kläger sein Subordinationsverhältnis zum Vorstandsvorsitzenden Dr. C. (Bl. 87 d.A).

Der Kläger habe zudem Weisungen des Vorstandsvorsitzenden Dr. C. missachtet, indem er am 29. November 2017 die Ansicht vertreten habe,

- als Geschäftsführer sei er unzuständig für die IT,

- es drohe ein vollständiger IT-Ausfall, wenn nicht der IT-Dienstleister K. von der C. weiterbeschäftigt werde und

- die IT-Firma S. [nicht] ausgeschlossen werde (Bl. 88, 261 d.A).

Am 29. November 2017 sei auf der Vorstandssitzung zur Umsetzung durch den Kläger beschlossen worden, den Jahresvertrag mit dem IT-Berater K. zu kündigen (Bl. 260 d.A). Am. 15. Dezember 2017 habe es zwischen dem Kläger und dem Vorstandsvorsitzenden Dr. C. ein Gespräch gegeben, an dessen Ende der Vorstandsvorsitzende den Kläger - insoweit unstreitig - darauf hingewiesen habe, dass er sich eine weitere Zusammenarbeit "bei dieser Art der Kommunikation und des Verhaltens" des Klägers kaum vorstellen könne und arbeitsrechtliche Konsequenzen in Betracht ziehe für den Fall, dass der Kläger sein Verhalten nicht ändere - "mündliche Abmahnung" (Bl. 89 d.A).

Durch die Abmahnungen habe die Beklagte auch nicht etwa ihr Kündigungsrecht verbraucht. Das gelte deshalb, weil sie in den drei Schreiben vom Kläger eine Entschuldigung gefordert habe. Da es eine solche - insoweit unstreitig - nicht gegeben habe, könne die Beklagte die Kündigung noch immer auf das gerügte Fehlverhalten stützen. Hätte der Kläger sich entschuldigt, so wäre sein Fehlverhalten durch die Abmahnungen sanktioniert gewesen. Der Kläger habe es damit selbst in der Hand gehabt, ob es zu einem Verbrauch des Kündigungsrechts komme (Bl. 96 f. d.A).

Aufgrund der fehlenden Umsetzungen des Klägers und dessen ausdrücklicher Weigerungshaltung gegenüber IT und der notwendigen Bearbeitung von essentiellen gesetzlichen Vorgaben des Datenschutzes und des Heilberufegesetzes, nämlich

- fehlendes Weiterbildungsregister

- fehlendes Verfahrensverzeichnis

- fehlende Sicherheitsmaßnahmen (Zutrittsschutz Serverraum etc.)

- keine externe Datensicherung

- instabiles System.

habe sich der Vorstand des Themas angenommen und im Mai 2017 beschlossen, den Ist-Zustand der Systeme einem IT-Gutachten zu unterziehen und hierzu - unstreitig - das fachlich anerkannte Unternehmen S. beauftragt (Bl. 259 d.A).

Der Hinweis des Klägers auf die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gehe fehl, weil die beharrliche Weigerung, "den Weisungen" des Vorstandsvorsitzenden zu folgen, ein Dauertatbestand sei. Alle Kündigungsgründe seien zudem in einer Gesamtschau zu betrachten. Eine Präklusion könne erst eintreten, wenn das Gesamtverhalten ein Ende gefunden habe. Der Kläger habe mehrfach Gelegenheit gehabt, die Umstände zu akzeptieren, sich zu entschuldigen und weiter tätig zu sein. Dies habe nun ein Ende (Bl. 264 d.A).

[Kündigungsgrund 4: "Respektlosigkeit und Überheblichkeit" im Gütetermin]

Im Gütetermin vom 24. September 2018 habe der Kläger gegenüber dem anwesenden Vorstandsvorsitzenden Dr. C. mit einem überheblichen Lachen erklärt, dass er ohnehin davon ausgehe, dass Herr Dr. C. als Vorstandsvorsitzender nicht wiedergewählt werde und er nur die Zeit aussitzen müsse, bis er wieder ungestört durch den Vorstandsvorsitzenden schalten und walten könne wie in den Jahren zuvor. Dieses Verhalten zeige, dass dem Kläger jeglicher Respekt um Umgang mit seinem Vorgesetzten fehle. Entschuldigt habe sich der Kläger zu den Vorfällen der drei Abmahnungen aus Juni 2018 im Gütetermin auch nicht. Dieses ignorante Verhalten rechtfertige schon für sich allein die fristlose Kündigung vom 4. Oktober 2018 (Bl. 91 f. d.A). Es stehe dem Kläger nicht zu, auf Neuwahlergebnisse zu setzen und die Interimszeit in grundlegender Verweigerung zu verbringen (Bl. 261 d.A).

[Kündigungsgrund 5: "Eigenmächtigkeit und Betrug"]

Im Rahmen der kammerinternen Recherchen sei ein vollendeter Betrug gepaart mit einer erneuten Ignoranz des Klägers gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden Dr. C. festgestellt worden, was die Kündigung vom 25. Oktober 2018 rechtfertige. Da der Kläger eigenmächtig zu Lasten der C. das nicht stornierbare Zimmer für den Rechtsberatertag in S. vom 18. bis zum 19. Juni 2018 gebucht und nach der krankheitsbedingten Stornierung den Erstattungsbetrag von 9,62 Euro einbehalten habe, habe er einen Betrug zu Lasten der Beklagten begangen (Bl. 93 ff. d.A).

[Kündigungsgrund 6: "Druckkündigung"]

Der Kläger habe es über Jahre hinweg zugelassen, dass die gesamte restliche Belegschaft unter Mobbing und den Attacken seiner Assistentin, Frau K., habe leiden müssen. Der Kläger habe selbst darauf hingewirkt, dass die hiervon betroffene Mitarbeiterin Frau N. schlussendlich zum 30. September 2015 selbst gekündigt habe. Die seitens Frau N. erbetene Hilfe habe der Kläger verweigert. Er habe sich vielmehr schützend vor Frau K. gestellt. Er besitze keinerlei Personalführungskompetenz. Den über Jahre hinweg gedemütigten und vernachlässigten Mitarbeitern sei es nun nicht länger zumutbar, den Kläger weiterhin als Vorgesetzten präsentiert zu bekommen (Bl. 99 ff. d.A). Die Arbeitnehmer hätten sich ab dem Jahr 2012 nicht ernst genommen gefühlt und teilweise resigniert. Wegen Frau K. hätten auch Frau M. und Herr M. gekündigt. Weitere Mitarbeiter wie zB Frau V. hätten mit Eigenkündigung gedroht, falls der Kläger und die ebenfalls gekündigte Frau K. ihren Dienst in der C. wieder aufnähmen (Bl. 262 f. d.A). Der Kläger habe die Machenschaften der Frau K. durch seine "Mittäterschaft" gedeckt (Bl. 302, 330 d.A).

[Kündigungsgrund 7: "passwortgeschützte Dateien"]

Der Kläger habe unter den passwortgeschützten Ordnern "GF" und "A." in unzulässiger Weise private Daten während seiner Arbeitszeit erstellt, bearbeitet und verwaltet. Darüber hinaus habe er einen privaten USB-Stick verwendet und hierdurch das System der C. dem Befall von Computerviren ausgesetzt. Das sei inakzeptabel, weil - insoweit unstreitig - auch die Daten der ärztlichen Mitglieder der Beklagten in diesem System gespeichert seien (Bl. 102 d.A).

Aus den vorstehenden Gründen sei die Prozesskündigung vom 16. November 2018 erklärt worden (Bl. 103 d.A).

[Kündigungsgrund 8: Landesarchivgesetz / Arbeitsverweigerung]

Die zum 1. Mai 2019 eingestellte neue Geschäftsführerin, Frau Dr. E., habe festgestellt, dass der Kläger während seiner Amtszeit die zwingenden Vorgaben des Landesarchivgesetzes Rheinland-Pfalz vorsätzlich nicht umgesetzt habe, denn er habe entgegen §§ 1, 7 LArchivG RLP in den letzten zwanzig Jahren - insoweit unstreitig - die Unterlagen der Beklagten trotz der zwingenden Anbietungspflicht dem zuständigen Landesarchiv nicht angedient (Bl. 502 d.A). Auf Vorhalt habe der Kläger am 10. Mai 2019 vielmehr erklärt, er habe sich eigenmächtig und in Kenntnis über die gesetzliche Vorgabe hinweggesetzt; die Gremien habe das nicht zu interessieren. Damit habe der Kläger die Gesetzesbindung der Verwaltung, ein hohes Gut, verletzt (Bl. 503 d.A, Beweis: B., E., K.).

Am 10. Mai 2019 habe der Kläger gegenüber der Beklagten explizit eingeräumt, das Landesarchivgesetz zu kennen, es aber bewusst nie eingehalten zu haben, da es ihn nicht interessiere und die anderen sich auch nicht daran halten würden (Bl. 571 d.A). Der Kläger habe den Vorstand darüber informieren müssen, welche Rechtsauffassung zum LArchivG RLP er vertrete, damit die Rechtsaufsicht habe eingeschaltet werden können. So aber bleibe die eigenmächtige Rechtsauslegung in seinem Verantwortungsbereich; der Kläger sei untragbar (Bl. 684 d.A).

Der Kläger könne auch nicht darauf verweisen, innerhalb der 30-jährigen Andienungsfrist noch 10 Jahre Zeit zu haben, denn er habe auch die Unterlagen aus der Zeit vor seinem Dienstantritt im Jahr 1999 andienen müssen. Die Buchhaltungsunterlagen 2005/2006 beispielsweise seien zwischenzeitlich bereits vernichtet worden. Dies sei ein klarer Verstoß gegen die Anbietungspflicht (Bl. 572 d.A).

[Kündigungsgrund 9: Vortragstätigkeit mit Honorarabrechnung auf Briefpapier der Beklagten]

Der Kläger habe als Geschäftsführer der Beklagten - insoweit unstreitig - Vorträge in den Räumen der Beklagten gehalten und hierfür Raummiete zugunsten der Beklagten auf deren Briefpapier in Rechnung gestellt, aber zugleich auch deren Briefpapier verwendet, um seine private Kostennote vom 8. September 2011 (Bl. 561 d.A) mit seiner privaten Bankverbindung wegen der Vortragstätigkeit anzubringen. Diese Vortragstätigkeit sei durch den Vorgesetzten des Klägers nicht genehmigt worden. Die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Implikationen seien offenkundig. Rechnungsaussteller sei die Beklagte; darin liege die Manipulation des Klägers (Bl. 504, 691 d.A).

[Kündigungsgrund 10: Vortragstätigkeit als Arbeitszeitbetrug]

Die dreistündige Vortragstätigkeit am 1. September 2011 sei auch strafrechtlich relevant als Arbeitszeitbetrug. Dies habe die zum 1. Mai 2019 eingestellte neue Geschäftsführerin, Dr. E., "bei Einarbeitung in die neue Geschäftstätigkeit" entdeckt (Bl. 505 d.A). Der Kläger habe den Vortrag nicht in seiner Freizeit ausgearbeitet. Die Vorstandsvorsitzende D. habe den Vortrag durch den Kläger nicht genehmigt; ihr sei auch die Kostennote mit der privaten Bankverbindung des Klägers nicht bekannt gewesen (Bl. 573, 691 d.A).

[Kündigungsgrund 11: "Spesenabrechnungen"]

Bei der Teilnahme an auswärtigen Veranstaltungen habe der Kläger auf dem jeweiligen Reisekostenformular der Beklagten durchgängig kein Kreuz gesetzt bei der Frage nach gewährter unentgeltlicher Verpflegung. Auch bei der Reisekostenabrechnung vom 26. Mai 2017 (Bl. 532 d.A) sei der Kläger so vorgegangen, obwohl er an der Veranstaltung des 120. Deutschen Ärztetags in F. vom 22. bis 25. Mai 2017 und der darin eingebetteten Veranstaltung des "Rheinland-Pfalz Abends" am 23. Mai 2017 teilgenommen und mittags wie auch teilweise abends unentgeltliche Verpflegung erhalten habe (Bl. 506 d.A). Unentgeltliche Verpflegung in Form von warmen oder kalten Mittagessen, Snacks wie zB belegte Brötchen, Obst, Kaffee und Kuchen sei auch auf anderen vergleichbaren Veranstaltungen gewährt, aber vom Kläger auf der jeweiligen Reisekostenabrechnung nicht entsprechend vermerkt worden. Die aufgrund der Falschangaben des Klägers getäuschte Beklagte sei davon ausgegangen, dass der Kläger keine unentgeltliche Verpflegung erhalten habe und habe dies ihrem Lohnbüro übermittelt. Allein dadurch stehe schon zu befürchten, dass durch die Falschangaben des Klägers lohnsteuerpflichtige Sachbezüge unberücksichtigt geblieben seien und somit die hieraus folgende zwingende Abführung von Lohnsteuer für den Sachbezug der Verpflegung unterblieben sei. Der Kläger habe über Jahre hinweg bewusst falsche Reisekostenabrechnungen erstellt (Bl. 507 d.A).

Damit habe sich der Kläger bei den Spesenabrechnungen nicht gesetzeskonform verhalten. Seine Spesenabrechnungen hätten zu Lohnabrechnungen geführt, die die Sachbezüge unberücksichtigt ließen. Auch die kostenlose Abgabe von üblichen Mahlzeiten seien solche Sachbezüge, soweit sie vom Arbeitgeber veranlasst würden. Die Sachbezugswerte seien der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu entnehmen. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, den Sachbezugswert von 1,77 Euro für ein Frühstück bzw. 3,30 Euro für ein Mittagessen oder ein Abendessen der Lohnsteuer zu unterwerfen und diese sowie die Sozialversicherungsbeiträge vom Lohn einzubehalten und an die zuständigen Stellen abzuführen. Die Steuer könne er wahlweise mit 25 % pauschalieren und "zu seinen Lasten" an das Finanzamt abführen. Sozialversicherungsbeiträge blieben hiervon unberührt (Bl. 574 d.A).

In seinen Reisekostenabrechnungen habe der Kläger regelmäßig erhaltene Verpflegung in Form von Brötchen, Brezeln, Obst und warmem Essen nicht angegeben. Wer die Kosten getragen habe, sei unerheblich, sofern die Verpflegung durch die Arbeit bedingt gewesen sei. Beispielhaft seien hier 23 näher bezeichnete Reisekostenabrechnungen aus dem Zeitraum Juli 2012 bis Januar 2018 zu nennen. Durch die Nichtangaben des Klägers sei die Abführung von Lohnsteuer und Sozialsicherungsbeiträgen vereitelt worden, wodurch sich der Kläger einen finanziellen Vorteil verschafft habe und die Beklagte Haftungsrisiken ausgesetzt habe. Die Reisekostenerstattungen seien zeitnah erfolgt. Der Kläger habe hierbei "im illoyalen Zusammenwirken mit der Zeugin K. in gemeinsamer Schädigungsabsicht" gehandelt (Bl. 574 ff. d.A).

Für die Reisekostenabrechnung sei irrelevant, ob der Kläger Verpflegung tatsächlich eingenommen habe. Es komme allein auf die tatsächliche Bereitstellung an. Insoweit seien auch Snacks (belegte Brötchen, Kuchen, Obst) zu berücksichtigen, wie sich aus dem B.-Rundschreiben vom 24. Oktober 2014 Rn. 74 f. mit Wirkung ab 01.01.2014 ergebe. Eine gesteigerte Sorgfalt des Klägers bei Abgabe der Reisekostenabrechnungen sei wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber geboten. Deshalb sei schon der einmalige Verstoß kündigungsrelevant (Bl. 686 d.A).

[Kündigungsgrund 12: "Arbeitszeitbetrug" bei Reisezeiten des Klägers]

Entgegen § 10 der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 20. Dezember 2007 habe der Kläger bei Dienstreisen nicht lediglich die Hälfte der Fahrzeit als Arbeitszeit seinem Zeitkonto gutgeschrieben, sondern die volle Fahrzeit. Durch die jahrelange Missachtung der Dienstanweisung bei der Beklagten sei ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden. Der Kläger habe seit 2008 sämtliche Dienstreisen falsch berechnet (Bl. 564 d.A), denn er habe die Dienstvereinbarung insbesondere zu Ziffer 10 Satz 2 falsch ausgelegt. Die Bestimmung beziehe sich nicht auf das Arbeitszeitkonto, sondern schaffe eine Beziehung zwischen Fahrt- und Sitzungszeit zu einer Zeitvorgabe für den Dienstreisetag. Solche Zeitvorgaben habe es für Dienstreisetage aber nicht gegeben, weshalb Ziffer 10 Satz 2 der Dienstvereinbarung unbeachtlich sei (Bl. 709 f. d.A).

Bei der Dienstreise des Klägers vom 17. bis 18. Juni 2013 zum Rechtsforum der L. B. habe er seine Reisezeiten in vollem Umfang als Arbeitszeit zu Unrecht im Zeitkonto erfasst. In seiner Reisekostenabrechnung habe er nicht einmal die Sitzungszeiten eingetragen und damit eine mögliche Differenzierung zwischen Arbeits- und Fahrzeit vereitelt. Dadurch sei ein beachtlicher Schaden entstanden (Bl. 567 f. d.A).

Auf § 9 seines Arbeitsvertrags vom 26. Januar 2000 könne sich der Kläger nicht berufen, denn mit der Vertragsformulierung "Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben" sei nicht etwa die Reisezeit gemeint, sondern die Aufgabenwahrnehmung, zB die Sitzungszeit (Bl. 712 d.A).

[Kündigungsgrund 13: "Arbeitszeitbetrug" bei Reisezeiten des Mitarbeiters B.]

Der Kläger habe den Mitarbeiter B. vor Antritt dessen Dienstreise vom 28./29. März 2017 nach M. ausdrücklich angewiesen, dessen gesamte Reisezeit als Arbeitszeit auf dem Zeitkonto zu erfassen. Dem sei Herr B. gefolgt. Der Kläger habe dies explizit geprüft und freigegeben (Bl. 565 f. d.A).

An die von ihm vertretene Auslegung des Ziffer 10 Satz 2 der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 20. Dezember 2007 habe sich der Kläger selbst nicht gehalten. So habe der Mitarbeiter M. M. für die Dienstreise vom 12. Februar 2016 nach M. eine Arbeitszeit von 7,48 Stunden gehabt, aber dennoch nur eine Zeitgutschrift von 6 Stunden erhalten, statt der vollen 7,48 Stunden. Richtig nach Ziffer 10 Satz 1 der Dienstvereinbarung sei jedoch die Rechnung "1+4+1=5" gewesen (Bl. 710 d.A).

[Kündigungsgrund 14: "Arbeitszeitbetrug" bei Reisezeiten der Mitarbeiterin H.]

Auch gegenüber der Mitarbeiterin H. habe der Kläger auf Anfrage deren Reisezeit als volle Dienstzeit zur Auszahlung freigegeben. Der Kläger habe hierbei gemeinsam mit der Zeugin K. gehandelt. Im Zeitraum 2012-2017 seien weitere Dienstreisen ermittelt worden, bei denen die Fahrzeiten zulasten der Beklagten zu 100 % als Arbeitszeit abgerechnet und ausbezahlt worden seien (Zusammenstellung Bl. 569 bis 571 d.A).

Der Kläger habe die Gutschrift der vollen Arbeitszeit an den Dienstreisetagen als einen 10-jährigen Missstand zu verantworten und könne sich nicht dadurch entlasten, dass seine Assistentin Frau K. die Arbeitszeitkonten geführt habe (Bl. 711 d.A).

[Kündigungsgrund 15: "Fürsorgesatzung"]

Der Kläger habe bei der Arztwitwenunterstützung (Weihnachtszuwendung) im Rahmen der Fürsorgesatzung (vormals: Fürsorgefonds) der Beklagten zugelassen, dass Zahlungen ohne Bedürftigkeitsprüfung der begünstigen Witwen ausgereicht worden seien. Gemäß § 17 der Hauptsatzung der Beklagten prüfe der Vorstand oder ein besonderer Ausschuss die Bedürftigkeit und verteile die Mittel. Diese Entscheidung bereite die Verwaltung, mithin der Kläger, vor. Anlässlich der "jüngsten Vorstandssitzung" habe eine Prüfung der Unterlagen ergeben, dass aktuellere Zahlungen ohne Antrag und ohne Bedürftigkeitsprüfung erfolgt seien. Während Frau M. und Frau S. seit 1973 bzw. 1994 Zahlungen erhielten und ihre finanzielle Lage in regelmäßigen Abständen offenlegen müssten, sei für Frau B.-W. und Frau Dr. S. nie eine Bedürftigkeitsprüfung durchgeführt worden. Nach telefonischer Auskunft der Frau Dr. S., die über fünfstelliges monatliches Einkommen und sechsstelliges Vermögen verfüge, sei "dies Vorgabe des Klägers" gewesen (Bl. 742, 968 d.A). Die Kenntnis dieser Hintergründe habe der Kläger gehabt, wie sich aus dem Protokoll der Vorstandssitzung vom 27. Oktober 2010 (Bl. 759 d.A) ergäbe, in welchem - insoweit unstreitig - die Forderung des Finanzprüfungsausschusses wegen Verteilungskriterien erwähnt sei und eine Prüfung der Hilfsbedürftigkeit von Frau Dr. S. beschlossen worden sei (Bl. 742, 968 d.A). Der Kläger habe den Vorstand hier massiv durch Unterlassen getäuscht.

Der Auflösungsantrag sei zulässig gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG, der für angestellte Geschäftsführer gelte. Die Beklagte sei im Fall des Klägers tariflich gezwungen gewesen, die außerordentliche Kündigung zu erklären. Das könne aber nicht zu einer Privilegierung des Klägers beim Auflösungsantrag führen, denn auch bei normalen Arbeitnehmern sei nach Umdeutung der außerordentlichen Kündigung ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers möglich. Zudem habe der Kläger gemäß § 3 HeilBG RLP als Geschäftsführer eine gesteigerte Vertrauensstellung in der Gestaltung des öffentlichen Gesundheitswesens (Bl. 253 d.A).

Soweit der Kläger das Fehlen von Vorstandsbeschlüssen für die Kündigungen rüge, sei anzumerken, dass der Vorstand als Gesamtorgan "jede Kündigung" des Klägers genehmigt habe. In der Vorstandssitzung vom 8. August 2018 sei zudem die "endgültige Lösung vom Kläger" beschlossen worden, was schließlich durch den Umlaufbeschluss des Vorstands im Dezember 2018 bestätigt worden sei (Bl. 254 f. d.A).

Wenn der Kläger darauf verweise, dass der Vorstand als Gremium handele, so zeige sich darin die fehlende Akzeptanz der Innenorganisation durch den Kläger. Er ignoriere die Weisungen des Vorstandsvorsitzenden (Bl. 256 d.A).

"Die Umstände", die dem Nachschieben von Kündigungsgründen zugrunde lägen, seien erst innerhalb der letzten 14 Tage durch die Geschäftsführerin ermittelt worden (Stand Kammertermin 19. Juni 2019, Bl. 582 d.A, ohne Beweisangebot).

Die negative Feststellungwiderklage sei als Spiegelbild zur klägerseits geltend gemachten Beschäftigungspflicht zulässig, weil der Kläger versuche, im Außenverhältnis weiter als "Geschäftsführer" der Beklagten aufzutreten, obwohl er - unstreitig - umfassend weisungsgebunden sei (Bl. 507 ff. d.A).

Mit Teilurteil vom 6. November 2019 - 3 Ca 1221/19 - hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein das Versäumnisurteil vom 10. April 2019 aufrechterhalten, die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 21. Mai 2019 und vom 19. Juni 2019 festgestellt und die Widerklage sowie den Auflösungsantrag der Beklagten abgewiesen.

Zur Begründung hat es - zusammengefasst - ausgeführt:

Der allgemeine Feststellungsantrag sei hier ausnahmsweise zulässig, weil der Kläger damit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ausspruch der fristlosen Schriftsatzkündigung im Kammertermin vom 6. November 2019 festgestellt wissen wolle (Bl. 814 d.A).

Kündigungsgründe lägen nicht vor. Zu den in den drei schriftlichen Abmahnungen genannten Kündigungsgründen habe die Beklagte durch den Ausspruch der Abmahnungen konkludent auf ihr Kündigungsrecht verzichtet.

Die Voraussetzungen einer Druckkündigung lägen nicht vor, weil sich die Beklagte nicht schützend vor den Kläger gestellt habe und nach dem Vortrag der Beklagten allein Frau V. mit Eigenkündigung gedroht habe. Zudem sei der Vorstand (Frau D.) bereits im Jahr 2015 aufgrund des Schreibens vom 23. Dezember 2014 von den Streitigkeiten zwischen Frau K. und Frau N. unterrichtet worden. Diese Kenntnis sei der Beklagten zuzurechnen. Sie könne die damalige Vorstandsvorsitzende nicht als Zeugin dafür benennen, dass sie das Schreiben vom 23. Dezember 2014 nicht erhalten habe, sondern müsse den Sachverhalt mithilfe der damals verantwortlichen Person aufklären. Zudem habe sie den Kläger wegen Fehlern der Personalführung vorher abmahnen müssen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger überhaupt Kenntnis von den E-Mails der Frau K. an die übrigen Mitarbeiter gehabt habe. Das Beschwerdeschreiben der Mitarbeiter zu den mangelhaften Umgangsformen der Frau K. habe sicher Anlass zum Einschreiten des Klägers sein können. Ob und welche Reaktion des Klägers erfolgt sei, habe die Beklagte indes nicht vorgetragen, zumal auch hier eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen sei.

Es fehle an konkretem Sachvortrag der Beklagten, inwieweit der Kläger einen privaten USB-Stick benutzt und private Daten während der Arbeitszeit erstellt habe.

Ein Verstoß gegen die Andienungspflicht aus dem Landesarchivgesetz habe erst nach einschlägiger Abmahnung eine Kündigung begründen können.

Hinsichtlich der Vortragstätigkeit für die B.-Gruppe habe der Kläger mit der Rechnungsstellung keinen falschen Eindruck erweckt und keine Manipulation vorgenommen. Sofern die Beklagte mit der Verwendung ihres Briefpapiers nicht einverstanden sei, habe sie dem durch eine Abmahnung begegnen können.

Eine Vernehmung der Zeugin K. zur Frage, ob sie den Vortrag des Klägers angefertigt habe, laufe auf einen Ausforschungsbeweis hinaus.

Mit seinem Vortrag habe der Kläger auch keinen Arbeitszeitbetrug begangen, sondern vielmehr die C. als Geschäftsführer repräsentiert. Da das Honorar von dritter Seite für sein besonderes Engagement gezahlt worden sei, habe der Kläger ohne besondere Anweisung nicht davon ausgehen müssen, dass er den Vortrag nicht während seiner Arbeitszeit halten dürfe.

Bei einem vermeintlichen Spesenbetrug sei nicht ersichtlich, dass der Kläger bei der Angabe der Verpflegung als Sachbezüge vorsätzlich gehandelt habe, um sich zu bereichern. Da auch ein Irrtum vorgelegen haben könne, sei eine Kündigung mangels Abmahnung nicht möglich (Bl. 808 d.A).

Ein Arbeitszeitbetrug hinsichtlich der Dienstreisen sei nicht dargelegt. Die volle vergütungsmäßige Berücksichtigung von Dienstreisen sei nicht von vornherein fehlerhaft. Es handele sich grundsätzlich um vergütungspflichtige Arbeit. Es sei nicht ersichtlich, dass sich der Kläger hier absichtlich über die Regelung der Dienstvereinbarung hinweggesetzt habe.

Im Zusammenhang mit der Fürsorgesatzung habe die Beklagte kein konkretes Fehlverhalten des Klägers aufgezeigt. Insbesondere lege die Beklagte nicht dar, wem gegenüber und mit welchem konkreten Inhalt der Kläger die vermeintliche Vorgabe zur prüfungslosen Auszahlung der Gelder gemacht habe. Ausweislich der Unterlagen zu den Weihnachtszuwendungen seien die Aufstellungen durch die Referatsleiterin Frau S. gemacht worden.

Selbst wenn die Äußerungen im Gütetermin zur nicht zu erwartenden Wiederwahl des Herrn Dr. C. vom Kläger stammen würden, so seien sie doch nicht kündigungsrelevant. Angesichts des erheblichen Einschnitts, der mit der fristlosen Kündigung verbunden ist, sei eine solche Äußerung nicht unredlich.

Hinsichtlich der vom Hotel erstatteten 9,62 Euro sei ein Spesenbetrug weder erwiesen noch gebe es hinreichende Indizien für einen solchen Verdacht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Zahlungseingang überhaupt wahrgenommen habe.

Der Auflösungsantrag sei zurückzuweisen, weil er nicht im Fall der außerordentlichen Kündigung zur Verfügung stehe. Der Kläger sei auch vollständig weisungsabhängig gewesen, weshalb es auf die Rechtsprechung zu den in herausragender Position tätigen Arbeitnehmern nicht ankommen (Bl. 814 d.A).

Infolge der Unwirksamkeit der sechs Kündigungen schulde die Beklagte dem Kläger den geforderten Annahmeverzugslohn und die Jahressonderzahlung 2018.

Die Widerklage sei unbegründet, weil die Beklagte nach dem Arbeitsvertrag zur Beschäftigung des Klägers als Geschäftsführer verpflichtet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Teilurteils Bezug genommen (Bl. 774 ff. d.A).

Gegen das ihr am 8. Januar 2020 zugestellte Teilurteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 4. März 2020, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangen am selben Tag, begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte im wesentlichen vor:

Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die erteilten Abmahnungen das Kündigungsrecht nicht verbraucht hätten, jedenfalls aber die zusätzlich gerügten Kündigungsgründe ausreichend seien und das Abmahnungserfordernis nicht überspannt werden dürfe. Das Kündigungsrecht sei nicht verbraucht, weil die Abmahnungen mit der Forderung nach einer Entschuldigung eine Öffnungsklausel enthielten (Bl. 848 d.A).

Zu berücksichtigen sei auch die mündliche Abmahnung vom 15. Dezember 2017, die sich mit dem gleichen Ausgangsproblem befasse. Schon anlässlich einer auf Vorstandsebene im Jahr 2017 geführten Diskussion habe der Kläger die Ansicht vertreten, der Vorstandsvorsitzende sei ihm gegenüber nicht weisungsbefugt.

Der Verstoß gegen die Andienungspflicht aus dem LArchivG RLP rechtfertige die außerordentliche Kündigung, weil der Kläger am 10. Mai 2019 erklärt habe, sich auch weiterhin über diese gesetzlichen Vorgaben hinwegzusetzen (Bl. 851 d.A, Beweis: B.).

Das Arbeitsgericht verkenne, dass es den Kläger nicht schon entlaste, dass er mit der Rechnungsstellung zu seinem B.-Vortrag keinen falschen Eindruck über den Zahlungsfluss erweckt habe. Entscheidend sei, dass hierfür keine Genehmigung der damaligen Vorstandsvorsitzenden vorgelegen habe (Bl. 853 d.A).

Hinsichtlich der nicht an die Beklagte weitergeleiteten Erstattung von 9,62 Euro aus der Hotelstornierung genüge auch ein Verdacht des Spesenbetrugs für eine außerordentliche Kündigung. Eine Abmahnung sei hier nicht erforderlich (Bl. 853 d.A).

Wenn das Arbeitsgericht annehme, der Kläger könne die Reisekostenformulare versehentlich falsch ausgefüllt haben, ohne sich bereichern zu wollen, so frage man sich, wozu denn sonst er die Falschangaben gemacht habe. Ein Abmahnerfordernis bestehe auch hier nicht (Bl. 854 d.A).

Unter Verstoß gegen Ziffer 10 der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 20. Dezember 2007 mit Wirkung ab 2. Januar 2008 seien die Fahrtzeiten "bei allen Mitarbeitern auch ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens weiterhin zu 100% als Arbeitszeit auf dem Zeitkonto erfasst" worden. Die Freigabe hierfür sei durch den Kläger erfolgt (Bl. 855 d.A), wie das beispielhaft gegenüber dem Mitarbeiter B. bezüglich der Reise am 28./29. März 2017 nach M. (Bl. 565 f. d.A - Beweis: B.) geschehen sei. Der Kläger habe zum wirtschaftlichen Nachteil der Beklagten gehandelt. Zu Unrecht verlange das Arbeitsgericht von der Beklagten den Nachweis, dass der Kläger hier vorsätzlich gehandelt habe (Bl. 856 d.A).

Ein wichtiger Kündigungsgrund liege auch darin, dass der Kläger die Bedürftigkeitsprüfung iRd. Fürsorgesatzung nicht durchgeführt habe. Es stelle eine massive Täuschung des Vorstands dar, wenn man diesem gegenüber suggeriere, dessen Beschlüsse aus der Sitzung vom 27. Oktober 2010 bzgl. der vorzunehmenden Bedürftigkeitsprüfung zu protokollieren, dies dann aber nicht umzusetzen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Beklagte damit auch ein konkretes Fehlverhalten des Klägers aufgezeigt. Der Kläger habe sich um nichts gekümmert. Eine Veruntreuung liege auch dann vor, wenn der Kläger sich nicht selbst bereichert habe (Bl. 856 f.). Es entbinde den Kläger nicht von der Pflicht zur Überprüfung, dass die Bearbeitung der Fürsorgesatzung an die Referatsleiterin S. übertragen worden sei. Dem Kläger sei die Aufgabe übertragen worden, die Bedürftigkeit der Begünstigten selbst zu recherchieren (Bl. 945 f. d.A).

Die Falschangaben des Klägers auf den Reisekostenabrechnungsformularen führten dazu, dass von Seiten des Finanzamts an die Beklagte zu viel steuerrechtliche Erstattungsbeträge ausgekehrt würden, weil das Finanzamt von den Angaben des Klägers ausgehe und deshalb für die Verpflegungspauschale an die Beklagte Erstattungen leiste (Bl. 958 d.A).

Das Erstellen einer Fürsorgesatzung sei seit 2010/2012 Aufgabe des Klägers gewesen, ebenso wie die Erstellung eines Kriterienkatalogs für die Auslobung der Fürsorgeleistungen. Dies sei ebenso nicht erfolgt wie die Überwachung daraus folgender Pflichten in Sachen Fürsorge-Fonds.

Der Kläger habe schlicht nichts getan und selbst Führung und Leitung seiner Mitarbeiter sträflich unterlassen. Daraus resultiere seine Täuschung des Kollegialorgans, er sei seinen Pflichten nachgekommen.

Wenn der Kläger seine Unzuständigkeit mit der Zuständigkeit der Mitarbeiterin S. begründe, so habe er diese aber überwachen müssen. Er habe zudem dem Kollegialorgan den Eindruck vermittelt, die Beschlussvorlagen für die Weihnachtszuwendungen geprüft zu haben, indem er diese jeweils als sachlich richtig freigezeichnet habe (Bl. 964 d.A).

Möge auch die Referatsleiterin S. die Vorlagen erstellt haben, so habe doch der Kläger - wenn er die Vorlagen als sachlich richtig freizeichne - zwingend eine eigene Prüfung hinsichtlich der Richtigkeit der Ergebnisfindung vornehmen müssen. Selbst zu einer stichprobenartigen Überprüfung trage der Kläger nichts vor. Es sei keine Exkulpation erfolgt (Bl. 971 d.A).

Wenn im Vorstandsprotokoll vom 27. Oktober 2010 unter Absatz 2 (auszugsweise Bl. 759 d.A) festgehalten sei, dass der Vorstand oder ein Ausschuss die Bedürftigkeit prüfe, so heiße das doch nur, dass der Verwaltung diese Prüfung vorgegeben sei. Es sei wohl aus guten Grund nicht protokolliert worden, dass diese Aufgabe dem Kläger übertragen worden sei; dieser Auftrag sei aber sitzungsgegenständlich gewesen (Bl. 970 d.A). Dass die Rechercheverpflichtung dem Kläger oblegen habe, ergebe sich auch aus dem Protokoll zur Vorstandssitzung vom 7. November 2012 (auszugsweise Bl. 760 d.A), aus dessen letztem Absatz sich zwingend ergebe, dass der Kläger durchaus mit der Materie vertraut gewesen sei (Bl. 970 d.A).

Wenn vom Vorstand Zuwendungsempfänger vorgeschlagen worden seien, so habe dies eine entsprechende Prüfungsverpflichtung des Klägers ausgelöst. Wenn der Kläger hierbei auf die Sachbearbeiterin S. abstelle, so ändere das an der Verantwortungszuweisung an ihn selbst nichts. In seiner Vorspiegelung, er habe geprüft, liege die Täuschung des Vorstands durch den Kläger (Bl. 971 d.A).

Der Kläger habe selbst keine Prüfungen durchgeführt und "quasi damit die Vorgabe in die Welt gesetzt, es sei nicht zu prüfen und es gäbe auch nichts zu prüfen" (Bl. 972 d.A).

Die Information über die durch den Kläger begangene Veruntreuung und dessen Täuschung des Vorstands habe die Geschäftsführerin Dr. E. unmittelbar vor Ausspruch "der Kündigung" erlangt (Bl. 972 d.A).

Es sei grotesk, wenn der Kläger hier auf die Mitarbeiterin S. verweise und erkläre, dass er für nichts verantwortlich sei. Die Negation jeglicher Verantwortungsübernahme sie kündigungsrelevant. Der Kläger habe es offensichtlich nicht verstanden, sich in ein funktionierendes Kammersystem einzureihen (Bl. 975 d.A).

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil vom 6. November 2019 aufzuheben und nach den Schlussanträgen der I. Instanz zu entscheiden.

Der Kläger beantragt,

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Zur Verteidigung gegen die Berufung der Beklagten wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt im übrigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Es sei eigentlich erfreulich, dass die Beklagte dem Kläger innerhalb seiner 20-jährigen Tätigkeit nicht mehr vorwerfen könne, als die zur Kündigung herangezogenen Vorgänge im vorliegenden Verfahren, die allerdings konstruiert seien.

Die Beklagte irre, wenn sie die Vorgänge der schriftlichen Abmahnung für unstreitig halte. Sie irre auch, wenn sie die Insubordination in Form fehlender Wertschätzung des Klägers für den Vorstandsvorsitzenden für einen Kündigungsgrund halte (Bl. 927 d.A).

Eine mündliche Abmahnung habe es im Gespräch vom 15. Dezember 2017 nicht gegeben. Der Vorstandsvorsitzende habe vielmehr wörtlich erklärt, er sei "kein Freund von Abmahnungen und Ermahnungen und erteile Ihnen daher folgende Weisung: [...]" (Bl. 929 d.A).

Das LArchivG sei ein Nischengesetz; Verstöße hiergegen seien mit einer Abmahnung ausreichend sanktioniert.

Bezüglich des B.-Vortrags sei ihm ein Honorar von 300 oder 350 Euro angeboten worden und er habe daraufhin die damalige Vorsitzende gefragt, ob er dies annehmen dürfe, was diese ausdrücklich bestätigt habe (Bl. 931 d.A).

Bezüglich des Arbeitszeitbetrugs sei nochmals daran zu erinnern, dass für die Abrechnung der Dienstreisen seine Assistentin, Frau K., zuständig gewesen sei. Daher sei ihm auch die "Dienstanweisung" über die Fahrzeiten nicht mehr in Erinnerung gewesen. Für ihn selbst gelte jedenfalls die vertragliche Vereinbarung (Bl. 933 f. d.A).

Für die "Bearbeitung und Verwaltung der Unterlagen der Empfänger von Zuwendungen aus dem Fürsorgefonds" sei ausweislich ihrer Stellenbeschreibung bereits seit 1994 die Mitarbeitern M. S. als Referatsleiterin zuständig gewesen. Dementsprechend habe auch er Frau S. gebeten, die entsprechenden Unterlagen für die Vorstandssitzungen zu erstellen und vorzulegen. Ihm selbst sei diese Aufgabe nicht übertragen worden (Bl. 935 f. d.A).

Mit Schlussurteil vom 8. Juli 2020 (Bl. 890 d.A) hat das Arbeitsgericht im vorliegenden Verfahren über die "Kosten des Rechtsstreits" entschieden und diese der Beklagten zu 95% und dem Kläger zu 5% auferlegt. Dieses Schlussurteil wurde nicht mit der Berufung angegriffen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen Dr. D. und Dr. E.. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17. November 2020 Bezug genommen.

Wegen des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist überwiegend zulässig, insoweit aber unbegründet.

A. In Bezug auf die Stattgabe der Klageanträge ist die Berufung der Beklagten gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO iVm. § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und ebenso begründet worden. Nach der gebotenen Auslegung war auch erkennbar, dass der Berufungsantrag der Berufungsklägerin mit den "Schlussanträgen der ersten Instanz" ihre im Kammertermin vom 6. November 2019 gestellten Anträge meint, in welchem das angegriffene Teilurteil erging, und nicht die später gestellten erstinstanzlichen Anträge.

B. Die Berufung ist insoweit aber unbegründet. Zutreffend hat das Arbeitsgericht den zur Entscheidung gestellten Kündigungsschutz- und Zahlungsanträgen stattgegeben sowie Auflösungsantrag und Widerklage abgewiesen.

I. Gegen das der Beklagten am 17. April 2019 zugestellte Teil-Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 10. April 2019 hat sie am 24. April 2019 und damit innerhalb der Wochenfrist des § 59 Satz 1 ArbGG formgerecht Einspruch eingelegt, § 59 Satz 2 ArbGG. Der erstinstanzliche Prozess wurde auf den zulässigen Einspruch hin in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor dem Eintritt der Versäumnis befand, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 342 ZPO.

II. Die vorliegend zur Entscheidung gestellten Klageanträge sind - bis auf den allgemeinen Feststellungsantrag (Antrag zu 4 im Kammertermin vom 6. November 2019) - zulässig.

1. Das hat das Arbeitsgericht insbesondere für den allgemeinen Feststellungsantrag im Ergebnis auch zutreffend erkannt, wenngleich die erfolgte Tenorierung dies erst im Wege der Auslegung des Titels mit Blick auf die Entscheidungsgründe offenbart.

a) Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO bedarf der allgemeine Feststellungsantrag, der sich nicht gegen eine punktuelle Kündigung richtet, sondern ganz allgemein den Bestand des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen sehen will, zu seiner Zulässigkeit eines Feststellungsinteresses. Der Kläger hat hierzu ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses darzutun; dieses muss durch eine tatsächliche Unsicherheit gefährdet sein (Greger in: Zöller 33. Aufl. ZPO § 256 Rn. 7; BAG 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 - zu II 2 b 1 der Gründe). Für den allgemeinen Feststellungsantrag muss der Kläger deshalb als schlüssige Klagebegründung zumindest die Möglichkeit weiterer Beendigungstatbestände behaupten (vgl. auch BAG 7. Dezember 1995 - 2 AZR 772/94 - zu III 2 a der Gründe mwN); das Feststellungsinteresse kann aber nur dann bejaht werden, wenn spätestens zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz durch konkreten Tatsachenvortrag weitere streitige Kündigungen oder sonstige Beendigungstatbestände, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses in Frage stellen, in den Prozess eingeführt und zur Entscheidung des Gerichts gestellt wurden (vgl. Schwab NZA 1998, 342, 344; KR-Friedrich 10. Aufl. KSchG § 4 Rn. 243; BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B II 1 b der Gründe).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der allgemeine Feststellungsantrag zu 4 vorliegend als unzulässig. Die Beklagte hat neben den bereits streitgegenständlichen sechs Kündigungen keine weitere Kündigung ausgesprochen, die vorliegend zugleich auch zur Entscheidung des Arbeitsgerichts gestellt worden wäre. Es waren vorliegend zwischen den Parteien auch keine sonstigen Beendigungstatbestände im Streit.

aa) Insbesondere war die im Kammertermin vom 6. November 2019 übergebene Kündigung ausdrücklich nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden, denn das Arbeitsgericht hat mit dem Teilurteil vom 6. November 2019 diese Kündigung weder materiell geprüft noch insoweit eine (der Rechtskraft fähige) Entscheidung über den allgemeinen Feststellungsantrag getroffen. Damit hatte der allgemeine Feststellungsantrag zu 4 im vorliegenden Teilurteil letztlich keinen streitigen Beendigungstatbestand zum Gegenstand, sondern war inhaltsleer geblieben.

Andernfalls wäre die nachfolgende Kündigungsschutzklage im Verfahren 3 Ca 1709/19 vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen gegen die Kündigung vom 6. November 2019 bereits als unzulässig abzuweisen gewesen, weil das Teilurteil vom 6. November 2019 dann bereits hierzu eine der Rechtskraft fähige Entscheidung enthalten hätte, vgl. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Das war offenbar weder vom Kläger gewollt noch vom Arbeitsgericht beabsichtigt, denn das Arbeitsgericht hat in den Entscheidungsgründen deutlich gemacht, dass es seine Feststellung über "den Bestand des Arbeitsverhältnisses" lediglich für den Zeitraum bis zum Kammertermin am 6. November 2019 vor Ausspruch der Kündigung vom selben Tage treffen wollte. Das war in der Sache nichts anderes als die rein deklaratorische Bestätigung der Kündigungsschutzanträge bezüglich der ersten sechs Kündigungen.

Das Arbeitsgericht hatte deshalb nur scheinbar schon vor Abschluss der ersten Instanz im Tenor stattgebend über den allgemeinen Feststellungsantrag entschieden. Da es keine Entscheidung in der Sache über die Kündigung vom 6. November 2019 getroffen hatte, hat es den allgemeinen Feststellungsantrag in der Sache wie einen unzulässigen Antrag und damit im Ergebnis richtig behandelt.

bb) Dem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers wurde durch die Kündigungsschutzanträge betreffend alle sechs streitgegenständlichen Kündigungen gemäß §§ 4, 7 KSchG bereits in vollem Umfang Rechnung getragen. Der allgemeine Feststellungsantrag war deshalb bei Erlass des angegriffenen Teilurteils unzulässig.

Das von § 301 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessen zum Umfang des Teilurteils hätte es dem Arbeitsgericht auch ermöglicht, diese Entscheidung bis zum instanzbeendenden Schlussurteil zurückzustellen, damit der Kläger insoweit durch den sog. Schleppnetzantrag gegen weitere Schriftsatzkündigungen gewappnet bleibt und die Klageerhebungsfrist des § 4 Satz 1 KSchG wahrt. Das war ausweislich der Entscheidungsgründe auch die Zielsetzung des Arbeitsgerichts, denn es wollte mit der erfolgten Tenorierung lediglich festhalten, dass bis zum 6. November 2019 das Arbeitsverhältnis fortbestand. Ausdrücklich wollte das Arbeitsgericht damit nicht die Feststellung treffen, dass auch die im Termin übergebene Kündigung vom 6. November 2019 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst habe. Diese Entscheidung sollte einem gesonderten Rechtsstreit vorbehalten bleiben und war sodann Gegenstand des anderweitigen Verfahrens 3 Ca 1709/19.

Da das Arbeitsgericht gleichwohl schon im Teilurteil über den allgemeinen Feststellungsantrag entscheiden wollte, wäre der Klageantrag zu 4 aus dem Kammertermin vom 6. November 2019 im Wortlaut des Tenors als unzulässig "abzuweisen" gewesen. Dies war jedoch sinngemäß im Teilurteil vom 6. November 2019 letztlich auch geschehen, wie die Auslegung des Tenors mit Blick auf die klarstellenden Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts ergibt.

cc) Da der Ausspruch des Arbeitsgerichts insoweit ausdrücklich nicht weiterging als die punktuellen Feststellungsanträge, hat die Berufungskammer von einer hierzu nur redaktionellen Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abgesehen, zumal sämtliche Kündigungsschutzanträge vorliegend begründet waren und das Arbeitsgericht zudem bereits mit Schlussurteil vom 8. Juli 2020 eine rechtskräftige Kostenentscheidung bezüglich der erstinstanzlichen Verfahrenskosten getroffen hatte, an welche nunmehr alle nachfolgenden Instanzen gebunden sind (vgl. BAG 14. Dezember 2011 - 5 AZR 406/10 (A) - Rn. 12). Insofern konnte es mit den obigen Ausführungen auch sein Bewenden haben.

2. Für die punktuellen Kündigungsschutzanträge folgt das Feststellungsinteresse des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO aus der drohenden Präklusionswirkung der §§ 4 Satz 1, 7 KSchG.

3. Ebenso zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, sind die bezifferten Zahlungsanträge.

III. Die hier angefallenen zulässigen Klageanträge sind auch begründet. Da der Kläger mit einem Lebensalter von mehr als 40 Jahren und einem Dienstalter von mehr als 15 Jahren gemäß § 34 Abs. 2 TV-L Sonderkündigungsschutz genießt, konnte ihm gegenüber lediglich aus wichtigem Grund wirksam gekündigt werden. Ein solcher Grund war vorliegend nicht gegeben.

1. Dabei konnte offen bleiben, ob der Vorstand der Beklagten bereits am 8. August 2018 einen Vorratsbeschluss für alle streitgegenständlichen Kündigungen wirksam gefasst hatte. Mit dem Klageabweisungsantrag im vorliegenden Rechtsstreit hat der Vorstand jedenfalls den Ausspruch aller streitgegenständlichen Kündigungen gemäß § 180 Satz 2 BGB stillschweigend genehmigt, denn der Kläger hatte die fehlende Vertretungsmacht des Vorstandsvorsitzenden Dr. C. bzw. des Prozessvertreters der Beklagten nicht schon bei Ausspruch der Kündigungen bzw. entsprechend § 174 BGB unverzüglich danach gegenüber der Beklagten beanstandet (vgl. dazu Schubert in: MünchKomm-BGB 8. Aufl. § 180 Rn. 11), sondern erst schriftsätzlich im Laufe des Rechtsstreits über den Umweg des Gerichts.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte mit der Weiterbeschäftigung nach Erlass des Teil-Versäumnisurteils vom 10. April 2019 auch nicht etwa ein formunwirksam befristetes weiteres Arbeitsverhältnis begründet, denn sie hat diese bloße Prozessbeschäftigung erst angesichts des klagestattgebenden Teil-Versäumnisurteils angeboten und ist damit lediglich den Rechtsprechungsgrundsätzen zum prozessualen Weiterbeschäftigungsanspruch des Großen Senats des BAG nachgekommen. Im Wege der Auslegung mit Blick auf das unmittelbar zuvor ergangene Urteil konnte dem Verhalten der Beklagten nicht der Rechtsbindungswille entnommen werden, sie wolle mit dem Kläger ein neues Arbeitsverhältnis begründen (vgl. dazu BAG 27. Mai 2020 - 5 AZR 247/19 - Rn. 25 ff.). Unerheblich war insoweit, dass das Teil-Versäumnisurteil keinen Ausspruch zur Weiterbeschäftigung enthielt, denn der prozessuale Weiterbeschäftigungsanspruch bestand unabhängig davon (vgl. BAG 22. Juli 2014 - 9 AZR 1066/12 - Rn. 19; LAG Schleswig-Holstein 29. September 2011 - 5 Sa 155/11 - zu 2 a aa der Gründe, BeckRS 2012, 65203).

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 13. August 2018 aufgelöst.

a) Der Kläger ist nicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. §§ 4, 7 KSchG mit seinen Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 13. August 2018 ausgeschlossen, denn die hiergegen gerichtete Klage ging innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung (14. August 2018) beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am 21. August 2018 vollständig ein und konnte so umgehend zugestellt werden (vgl. §§ 253 Abs. 1, 167 ZPO).

b) Die außerordentliche Kündigung vom 13. August 2018 konnte nicht auf die mit den Schreiben vom 4. Juni 2018 ("Verleumdung"), 7. Juni 2018 ("eklatante Unhöflichkeit") und 14. Juni 2018 ("Nichtausführen der Arbeitsanweisung zum Verschicken der Anlage 4 an die Arbeitsgemeinschaft IT") abgemahnten Vorfälle gestützt werden, weil diese der Beklagten bei Zugang der Kündigung am 14. August 2018 ausweislich der Abmahnungsschreiben schon länger als zwei Wochen iSd. § 626 Abs. 2 BGB bekannt waren. Nachdem insbesondere die Anlage 4 bereits am 17. Mai 2018 von Herrn Dr. C. persönlich an den Arbeitskreis IT verschickt worden war, kann die Beklagte insoweit auch nicht etwa auf einen Dauertatbestand der Arbeitsverweigerung verweisen, denn der Vorgang war am 17. Mai 2018 abgeschlossen.

Gleiches gilt im Ergebnis für den vermeintlichen Dauertatbestand des "Nichtausführens von Arbeitsanweisungen" aus dem Jahr 2017 bezüglich

- fehlendes Weiterbildungsregister

- fehlendes Verfahrensverzeichnis

- fehlende Sicherheitsmaßnahmen (Zutrittsschutz Serverraum etc.)

- keine externe Datensicherung

- instabiles System.

Dem steht bereits entgegen, dass die Beklagte insoweit nicht vorträgt, welche konkreten Arbeitsschritte der Vorstandsvorsitzende dem Kläger hinsichtlich Weiterbildungsregister und Verfahrensregister angewiesen haben mag. Eine Arbeitsverweigerung kann nicht allein damit begründet werden, dass der Arbeitnehmer bestimmte Arbeitsergebnisse nicht erzielt hat, denn ein bestimmter Arbeitserfolg ist - anders als gemäß § 631 Abs. 2 BGB im Werkvertragsrecht - im Arbeitsverhältnis nicht geschuldet. Erst wenn der Arbeitnehmer zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung dauerhaft nicht mehr in der Lage ist oder vorwerfbar die ihm mögliche Arbeitsleistung zurückhält, kommt eine Vertragspflichtverletzung in Betracht (sog. low performer; vgl. BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 15; BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - zu B I 2 b der Gründe). Hinsichtlich der übrigen drei stichwortartigen IT-Zielstellungen trägt die Beklagte zudem vor, dass sie selbst im Jahr 2017 hierzu das fachlich anerkannte Unternehmen S. beauftragt habe (Bl. 259 d.A), womit der Vorgang abgeschlossen war.

Hinzu kommt vorliegend, dass die Beklagte bezüglich dieser stichwortartig aufgelisteten Arbeitsergebnisse auch nicht behauptet, den Kläger einschlägig abgemahnt zu haben. Sinn und Zweck der Abmahnung iSd. § 314 Abs. 2 BGB ist es, ein konkretes Fehlverhalten für die Zukunft auszuschließen. Da das gesamte Arbeitsverhältnis im Grundsatz dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, muss dieser im Wege der Abmahnung klar herausstellen, welches konkrete Verhalten er vom Arbeitnehmer erwartet und dass dessen Nichtbefolgung den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Eine pauschale Warnung wie diejenige in der schriftlichen Abmahnung vom 14. Juni 2018, die "Nichtausführung von Weisungen" werde zur Kündigung führen, genügt dieser Warnfunktion nicht, weil der so umschriebene Pflichtenkreis uferlos wäre und damit eine konkrete Rüge und Warnung nicht mehr enthält.

c) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt - Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten - vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der Schwere der Pflichtverletzung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 47/16 - Rn. 17; BAG 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 17 mwN). Ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich (arg.: § 314 BGB, vgl. ErfKo/Niemann 20. Auflage BGB § 626 Rn. 40; BAG 21. Januar 1999 - 2 AZR 665/98 - zu II 4 der Gründe), fehlendes Verschulden kann jedoch im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers von Bedeutung sein.

Die Beklagte als Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Den Kündigenden trifft die Darlegungs- und Beweislast aber auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten substantiiert behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 29 mwN).

aa) Die außerordentliche Kündigung vom 13. August 2018 kann nicht auf eine Verletzung von Vermögensinteressen der Beklagten gestützt werden.

Als wichtiger Grund an sich sind in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Eigentums- und Vermögensdelikte bereits ab dem Versuchsstadium und schon im Bagatellbereich grundsätzlich anerkannt (vgl. BAG 22. September 2016 - 2 AZR 848/15 - Rn. 16; BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26; BAG 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b bb der Gründe mwN). Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist jedoch weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30 mwN; KR-Fischermeier 10. Aufl. BGB § 626 Rn. 459).

(1) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann eine hinreichend schwere Pflichtverletzung des Klägers allerdings nicht darin gesehen werden, dass der Kläger den Erstattungsbetrag von 9,62 Euro nach der Stornierung des Hotelzimmers für den Rechtsberatertag in S. im Juni 2018 nicht von sich aus von seinem Privatkonto an die Beklagte zurücküberwiesen hatte. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hatte einen Vorsatz des Klägers zum Einbehalt dieses Betrags auch dann nicht dargelegt, als der Kläger darauf hingewiesen hatte, dass der Erstattungsbetrag bei ihm mit dem nichtssagenden Verwendungszweck "Kreditkartenabrechnung" auf dem Privatkonto eingegangen war und ihm deshalb - auch angesichts des geringen Betrags - nicht gesondert aufgefallen war. Das damit allein erkennbare Versehen des Klägers, seinen privaten Kontoauszug zu diesem kleinen Betrag nicht nachgeforscht zu haben, stellt keinen wichtigen Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar, sondern hätte zunächst einmal Anlass zum Ausspruch einer Abmahnung geboten.

Soweit die Beklagte mit der Berufung betont, es genüge bereits der Verdacht des Spesenbetrugs zum Ausspruch der Kündigung (Bl. 853 d.A), hat sie doch nichts dazu vorgetragen, was die überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein vorsätzliches Verhalten des Klägers begründen könnte. Der nichtssagende Verwendungszweck "Kreditkartenabrechnung" jedenfalls lässt einen Vorsatz des Klägers zum rechtswidrigen Einbehalt der 9,62 Euro nicht erkennen. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, ob und wann der Kläger überhaupt Notiz von der minimalen Gutschrift auf seinem Privatkonto genommen hat. Auf Anfrage der Beklagten zum Verbleib des Geldes mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 hat der Kläger vielmehr umgehend in seinen Kontoauszügen nachgeforscht und die Herausgabe des Geldes an die Beklagte zugesagt.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang anführt, der Kläger als hauptamtlicher Geschäftsführer der Beklagten habe sich seine letztlich wegen Krankheit stornierte Dienstreise zum Rechtsberatertag in S. im Juni 2018 nicht vorab von dem ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden Dr. C. gestatten lassen, war eine Pflichtverletzung des Klägers nicht dargelegt, denn der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass ihm eine dahingehende Weisung vom Vorstand als Gremium nicht erteilt worden war.

(2) Eine Verletzung von Vermögensinteressen der Beklagten konnte auch nicht darin erkannt werden, dass der Kläger das Vortragshonorar von 300,- Euro für seinen Fachvortrag am 1. September 2011 vor der russischen Delegation im Auftrag der B. vereinnahmt hat. Zwar steht ein solches Honorar für einen während der Arbeitszeit gehaltenen Vortrag grds. dem Arbeitgeber zu, an welchen es der Arbeitnehmer analog §§ 681, 667 BGB herauszugeben hat. Vorliegend jedoch hatte die Beweisaufnahme vor der Berufungskammer durch Vernehmung der damaligen Vorstandsvorsitzenden Frau Dr. D. ergeben, dass dem Kläger der Vortrag während der Arbeitszeit ebenso wie der Einbehalt des Vortragshonorars ausdrücklich gestattet worden war. Damit war der insoweit beweisbelasteten Beklagten nicht der Nachweis gelungen, dass der Kläger insoweit eigenmächtig gehandelt und einen Arbeitszeitbetrug begangen oder fremde Gelder vereinnahmt habe.

Zwar konnte sich die Zeugin nicht mehr daran erinnern, ob sie dem Kläger im Jahr 2011 auch gestattet habe, für seine Kostennote einen Bogen Briefpapier der Beklagten zu verwenden, aber eine kündigungsrelevante Pflichtverletzung des Klägers war insoweit nicht mehr ersichtlich, wenn ihm bereits die Vereinnahmung des Vortragshonorars ausdrücklich gestattet worden war und auch die Miete für den Vortragsraum desselben Vortrags auf dem Briefpapier der Beklagten fakturiert wurde. Im übrigen wäre es an der Beklagten gewesen, eine fehlende Erlaubnis zu beweisen, was ihr nicht gelungen ist. Auf die Verwendung eines einzelnen Briefbogens der Beklagten im Jahr 2011 kann die außerordentliche fristlose Kündigung vom 16. August 2018 deshalb nicht gestützt werden.

Einen Arbeitszeitbetrug des Klägers hinsichtlich der Vorbereitung des Vortrags hat die Beklagte nicht widerspruchsfrei dargelegt, denn sie behauptet hierzu lediglich, der Kläger habe den Vortrag "nicht in seiner Freizeit erstellt" und Frau K. als Assistentin des Klägers habe die Vortragsunterlagen während ihrer Arbeitszeit erstellt. Der Kläger hat insoweit selbst nach dem Vortrag der Beklagten jedoch nicht gehandelt.

(3) Eine Verletzung von Vermögensinteressen der Beklagten bestand auch nicht darin, dass der Kläger auf der Reisekostenabrechnung vom 26. Mai 2017 (Bl. 532 d.A) für die Teilnahme am 120. Deutschen Ärztetag in F. vom 22. bis 25. Mai 2017 und der darin eingebetteten Veranstaltung des "Rheinland-Pfalz Abends" am 23. Mai 2017 teilgenommen und mittags wie auch teilweise abends unentgeltliche Verpflegung erhalten hatte (Bl. 506 d.A) und dennoch kein Kreuz im Feld "unentgeltliche Verpflegung" gesetzt hatte.

Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien hat die Beklagte dem Kläger stets ein "Tagegeld" von 12,- Euro für Dienstabwesenheit von mehr als sechs Stunden und ein "Tagegeld" von 24,- Euro für mehrtägige Dienstreisen gezahlt, die sachliche Richtigkeit der jeweiligen Reisekostenabrechnung des Klägers von der hierfür zuständigen Mitarbeiterin, Frau K., festgestellt und von dem jeweiligen Vorstandsvorsitzenden zur Zahlung angewiesen (Bl. 552 d.A). Auch für die Dienstreise vom 22. bis 25. Mai 2017 einschließlich des "Rheinland-Pfalz-Abends" am 23. Mai 2017 hat die Beklagte diese Beträge abgerechnet und mit Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden Dr. C. zur Zahlung angewiesen, vgl. Reisekostenabrechnung vom 26. Mai 2017 (Bl. 532 d.A).

Von dieser einzelvertraglichen Praxis abweichende Vereinbarungen, insbesondere vertragliche Kürzungsvorbehalte, hat die Beklagte nicht behauptet. Derlei findet sich auch nicht in den vorgelegten Vertragsbedingungen (vom 8. März 1999 - Bl. 6 d.A; vom 26. Januar 2000 - Bl. 139 ff. d.A; vom 18. Januar 2007 - Bl. 7 d.A; vom 30. Oktober 2007 - Bl. 8 d.A: "Die Vergütung beruht auf freier Vereinbarung. [...] Die sonstigen Regelungen zur Vergütung gelten fort." - keine einschränkenden Vereinbarungen zum Aufwendungsersatz). Dass solche vertraglichen Kürzungsvereinbarungen mit dem Kläger offenbar nicht bestanden, lässt sich dem Sachvortrag auch deshalb entnehmen, weil die gezahlte Aufwandsvergütung für Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen (Tagegeld) entgegen § 23 Abs. 4 TV-L iVm. § 7 Abs. 1 LRKG RLP nicht lediglich 20,45 Euro pro Kalendertag betrug, sondern für den Kläger darüber hinausgehend und unstreitig 24,00 Euro. Die Parteien waren folglich von den tariflichen Regelungen zu Gunsten des Klägers und ohne weitere Einschränkungen zu vereinbaren, abgewichen. Es kann deshalb mangels Sachvortrags der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass trotz der Zahlung von 24,- Euro als Pauschale pro Abwesenheitstag gleichwohl die Einbehaltensregel des § 7 Abs. 5 LRKG RLP vereinbart war. Unklarheiten der vertraglichen Abreden gingen gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 iVm. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten als Verwender der Vertragsbedingungen. Auch den vorgelegten schriftlichen Arbeitsverträgen war hierzu nichts Klärendes zu entnehmen. Unerheblich war damit, von wem der Kläger zum Rheinland-Pfalz-Abend am 23. Mai 2017 eine unentgeltliche Verpflegung erhalten haben mag. Mit oder ohne Kreuzchen erweist sich die Reisekostenabrechnung vom 26. Mai 2017 damit als sachlich richtig.

Das fehlende Kreuz auf dem Reisekostenformular vom 26. Mai 2017 (Bl. 532 d.A) hat deshalb nicht zu einem Schaden im Vermögen der Beklagten geführt. Der Kläger hat sich insoweit über seinen vertraglichen Anspruch auf ein pauschales "Tagegeld" hinaus keine Aufwendungen erstatten lassen, die er in Wirklichkeit nicht getätigt hatte (vgl. dazu LAG Köln 12. April 2010 - 2 Sa 819/09 - BeckRS 2010, 71282). Für einen Spesenbetrug des Klägers bestanden in diesem Zusammenhang keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Wenn die Beklagte sich hierzu auf den Standpunkt zurückzieht, durch die unzutreffende Angabe des Klägers sei sie daran gehindert gewesen, von dessen Lohn - also nicht etwa aus ihrem eigenen Vermögen - für den Sachbezug von 1,77 Euro für das Frühstück oder 3,30 Euro für Mittag- oder Abendessen bei Dienstreisen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, so erschließt sich auch hieraus ein unmittelbarer Eingriff in die Vermögensinteressen der Beklagten nicht. Nach Auffassung der Kammer wäre deshalb eine Abmahnung, die den Kläger zu mehr Sorgfalt bei der Setzung seines Kreuzchens für eine erhaltene Mahlzeit anhält, ausreichend gewesen, um künftige Nachlässigkeiten des Klägers in diesem Bereich auszuschließen.

(4) Einen Arbeitszeitbetrug (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 14; ferner LAG Rheinland-Pfalz 11. Mai 2012 - 9 Sa 676/11 - zu II 2 a der Gründe, juris) hat der Kläger auch nicht dadurch begangen, dass er seine Reisezeiten entgegen § 10 der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 20. Dezember 2007 mit der vollen Fahrzeit abgerechnet hat. Insoweit enthielt der Arbeitsvertrag des Klägers mit der Änderungsvereinbarung vom 26. Januar 2000 eine dem Kläger gegenüber der Kollektivregelung günstigere arbeitsvertragliche Vereinbarung, wonach "die Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben außerhalb der Dienststelle" im Arbeitsverhältnis des Klägers "als Arbeitszeit" gelte. Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, damit sei nicht die Reisezeit des Klägers gemeint, muss sie sich jedoch gemäß §§ 310 Abs. 3 Nr. 2 iVm. § 305c Abs. 2 BGB entgegenhalten lassen, dass sich in allgemeinen Arbeitsbedingungen derartige Unklarheiten zu Lasten des Verwenders auswirken, weil dieser auf eine deutlichere Formulierung der Vertragsbedingungen hätte Einfluss nehmen können. In Ermangelung einer klareren Regelung gelten die Reisezeiten des Klägers deshalb als Arbeitszeit (vgl. ferner BAG 15. November 2018 - 6 AZR 294/17 - Rn. 24; BAG 17. Oktober 2018 - 5 AZR 553/17 - Rn. 18).

(5) Die Beklagte stützt die Kündigung des weiteren auf eine Verletzung ihrer Vermögensinteressen dadurch, dass der Kläger es hingenommen habe, dass dem Mitarbeiter B. für eine Dienstreise am 28./29. März 2017 nach M. entgegen der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 20. Dezember 2007 die gesamte Reisezeit als Arbeitszeit auf dem Zeitkonto erfasst werde. Nach dem bestrittenen Vortrag der Beklagten habe der Kläger dies "explizit geprüft und freigegeben" (Bl. 565 f. d.A).

Damit allein lässt sich eine Pflichtverletzung des Klägers aber nicht begründen. Denn die Beklagte behauptet selbst nicht, dass der Kläger als hauptamtlicher Geschäftsführer die Zeitkonten und die Reisekostenabrechnung seiner Mitarbeiter persönlich verwaltet und abgerechnet hat. Dass er es gegenüber dem Mitarbeiter B. billigt, wenn dieser gegenüber der Lohnbuchhaltung seine Reisezeit in der behaupteten Weise mitteilt, lässt noch nicht zweifelsfrei erkennen, inwiefern eine Auszahlung an Herrn B. auf ein zurechenbares Verhalten des Klägers zurückzuführen ist. Der Kläger hatte insoweit ausweislich seines Änderungsvertrags vom 26. Mai 2000 in § 3 Ziffer 1 keine fachlichen Weisungsbefugnisse, sondern war lediglich disziplinarischer Vorgesetzter der Mitarbeiter der Beklagten. Die Zeitkontenverwaltung und die Reisekostenabrechnung wurden von Frau K. vorgenommen. Ihr oblag es, die Reisezeiten und -kosten auf sachliche Richtigkeit zu prüfen - auch mit Blick auf die Dienstvereinbarung. Dass der Kläger diese Mitarbeiterin angewiesen habe, entgegen der Dienstvereinbarung zur Arbeitszeitregelung vom 20. Dezember 2007 Reisekosten zu erstatten, war nicht behauptet worden. Nach dem wechselseitigen Vortrag der Parteien zur zweifelhaften Auslegung der Dienstvereinbarung kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Assistentin K. nur versehentlich die volle Reisezeit des Herrn B. als Arbeitszeit gebucht hat.

Gleiches gilt für die Reisezeitabrechung für die Mitarbeiterin H.. Die Beklagte behauptet ohne Benennung konkreter Vorgänge, der Kläger habe "gemeinsam mit der Zeugin K. gehandelt" und die Reisezeit der Frau H. als volle Dienstzeit zur Auszahlung "freigegeben" (Bl. 569 d.A). Andererseits trägt die Beklagte auch vor, der Kläger könne sich nicht dadurch entlasten, dass seine Assistentin Frau K. die Arbeitszeitkonten geführt habe (Bl. 711 d.A). Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich damit aber nicht entnehmen, inwiefern der Kläger und Frau K. "gemeinsam gehandelt" haben sollen. Weder trägt die Beklagte hierzu eine konkrete, bewusst rechtswidrige Weisung des Klägers an Frau K. vor noch behauptet sie, der Kläger habe die Arbeitszeitkonten persönlich geführt. Die Beklagte trägt auch keine Umstände vor, aus denen sich zu einem konkreten Zeitpunkt ein konkreter Kenntnisstand des Klägers bezüglich der sachlich - vermeintlich - falschen Arbeitszeitabrechnungen ergäbe.

Es bleibt nach dem Vortrag der Beklagten lediglich der Vorwurf im Raum, dass es in der C. zu Fehlern bei der Lohnabrechnung gekommen ist. Ohne einen konkreten Tatbeitrag des Klägers hierzu darzulegen, kann die Beklagte dem Kläger aber nicht die Letztverantwortung für sämtliche Fehler zuweisen, die innerhalb der letzten zehn und mehr Jahre in der C. vorgekommen sind und hierauf nunmehr eine außerordentliche Kündigung des Klägers stützen. Schon das Arbeitsgericht hatte insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass eine außerordentliche Kündigung ohne einschlägige Abmahnung zumindest den Vortrag eines vorsätzlichen, kausalen Pflichtverstoßes des Klägers erfordert, der im Falle eines vermeintlichen Organisationsmangels auch positive Kenntnis der Umstände auf Seiten des Klägers voraussetzt. Daran fehlte es vorliegend.

(6) Ganz ähnlich verhält es sich mit den Abrechnungsfehlern, die im Zusammenhang mit der Fürsorgesatzung in den letzten 10 Jahren in der C. vorgekommen sind.

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, die Abrechnung sei der Referatsleiterin S. übertragen gewesen. Die Beklagte will das jedoch nicht gelten lassen und dem Kläger - als hauptamtlichem Geschäftsführer einer C. - gleichsam die Letztverantwortung für sämtliche Fehler seiner Mitarbeiter zuweisen, diese Fehler über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren summieren und hierauf sodann die außerordentlichen fristlosen Kündigungen des Klägers stützen, ohne konkrete und letztursächliche Tatbeiträge des Klägers zu benennen.

Dabei hat die Beklagte im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass es in einer arbeitsteiligen Organisation im allgemeinen kaum möglich und auch nicht sinnvoll ist, wenn der übergeordnete Mitarbeiter die Arbeiten seiner nachgeordneten Mitarbeiter vollständig selbst leistet. Es ist ausreichend, wenn er seine Zuarbeiter hinreichend überwacht und sich hierzu auf Schlüssigkeitsprüfungen oder - wenn das nicht möglich ist - auf Stichproben beschränkt. Anlass zu vertiefter Prüfung besteht in der Regel erst dann, wenn hierbei oder aus anderem Anlass bekannt wird, dass es zu Fehlern kommt.

Die Beklagte jedoch wirft dem Kläger pauschal vor, er habe sich auch in den Belangen der Fürsorgesatzung nie um irgendetwas gekümmert. Das allein lässt jedoch eine grobe Verletzung der Organisationspflichten des Klägers noch nicht erkennen. Denn die Beklagte behauptet nicht, dass es Anlass zu vertiefter Prüfung gegeben habe, indem dem Kläger Unregelmäßigkeiten bekannt geworden wären oder die zuständige Mitarbeiterin als unzuverlässig bekannt gewesen sei. Umstände, nach denen der Kläger sich nicht mehr auf die Zuarbeit der Referatsleiterin S. habe verlassen dürfen, trägt die Beklagte nicht vor.

Sie verweist hierzu lediglich darauf, dass nach telefonischer Auskunft der begünstigten, aber bereits vermögenden Frau Dr. S., es "Vorgabe des Klägers" gewesen sei, die Bedürftigkeit der Witwe nicht zu prüfen (Bl. 742, 968 d.A). Ein konkretes Verhalten des Klägers wurde damit aber nicht dargelegt. Falls die Beklagte damit ausdrücken wollte, der Kläger habe gegenüber Frau Dr. S. "vorgegeben", dass ihre Bedürftigkeit nicht geprüft werden würde, so erschließt sich hieraus noch nicht, wie sich diese "Vorgabe" gegenüber der Witwe in die Abrechnungsorganisation der Beklagten hat einschleichen können. Die Beklagte trägt hierzu auch nicht vor, wann der Kläger dies gegenüber Frau Dr. S. vorgegeben haben mag. Ebenso wenig trägt die Beklagte vor, dass der Kläger gegenüber der Referatsleiterin S. "vorgegeben" habe, dass die Bedürftigkeit einzelnen Witwen nicht geprüft werde, obwohl das hinsichtlich anderer Zuwendungsempfänger offensichtlich problemlos erfolgte. Insofern war der pauschale Vortrag der Beklagten, der Kläger habe keinerlei Zuwendungskriterien ausgearbeitet, nicht nachvollziehbar dargelegt worden.

Zuletzt betont die Beklagte in diesem Zusammenhang, dass ausweislich der Sitzungsprotokolle des Vorstands vom 27. Oktober 2010 und vom 7. November 2012 die Ausarbeitung von Zuteilungskriterien dem Kläger übertragen worden sei. Das ändert aber nichts daran, dass die Überprüfung der Weihnachtszuwendungen vom Kläger in nicht zu beanstandender Weise auf eine nachgeordnete und offenbar grundsätzlich auch geeignete Mitarbeiterin - Frau S. - übertragen wurde. Dass der Kläger hinsichtlich der Aufgabenübertragung an Frau S. pflichtwidrig gehandelt haben mag, behauptet die Beklagte nicht und wäre in einer arbeitsteiligen Organisation wie der C. auch kaum praktikabel, zumal es bei der Mittelzuweisung von etwa 500,- Euro jährlich pro Zuwendungsempfänger um überschaubare Größenordnungen ging. Es war deshalb nicht zu erwarten, dass ein hauptamtlicher Geschäftsführer einer C. auch diese einfachen Verwaltungsaufgaben sämtlich persönlich erledigt. Dahingehende Weisungen der Beklagten waren nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Die Beklagte merkt hierzu selbst an, dass das Protokoll der Vorstandssitzung vom 27. Oktober 2010 (auszugsweise Bl. 759 d.A) eine Weisung an den Kläger gerade nicht dokumentiert.

Schließlich kann die Beklagte hier auch nicht mit Erfolg einwenden, der Kläger habe den Vorstand getäuscht, wenn er jährlich die Mittelzuweisung abgezeichnet und dem Vorstand zur Freigabe vorgelegt habe. Wie oben bereits ausgeführt, bestand die Aufgabe des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten nicht darin, alle Arbeiten selbst zu erledigen, sondern darin, als (nur) disziplinarischer Vorgesetzter die Arbeiten der zuständigen Sachbearbeiter auf Schlüssigkeit oder ggf. stichprobenhaft zu prüfen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, ob und wann der Kläger positive Kenntnis von einer fehlerhaften Abrechnung der Weihnachtszuwendungen gehabt habe oder auch nur Anlass bestand, an den Ausarbeitungen der Referatsleiterin S. zu zweifeln.

bb) Die außerordentliche Kündigung vom 13. August 2018 kann auch nicht auf die Verletzung einer sonstigen arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht gestützt werden.

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass auch die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten zur Kündigung berechtigt. Dabei ist die ordentliche Kündigung die übliche und grundsätzlich ausreichende Reaktion. Nur bei Vorliegen erschwerender Umstände kommt auch eine außerordentliche Kündigung in Betracht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 19).

Als stärkste Form der Vertragsverletzung bildet die sog. Arbeitsverweigerung einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund (KR/Fischermeier 10. Aufl. BGB § 626 Rn. 459 mwN; BAG 14. Februar 1978 - 1 AZR 76/76 - zu 8 der Gründe). Dabei berechtigt aber nicht schon jedes weisungswidrige Verhalten zur Kündigung. Erkennbar sein muss vielmehr der nachhaltige Wille des Arbeitnehmers, seinen vertraglichen Hauptleistungspflichten nicht nachkommen zu wollen. Das ist der Fall bei wiederholten bewussten und nachhaltigen Verletzungen der Arbeitspflicht (BAG 5. April 2001 - 2 AZR 580/ 99 - zu II 2 a der Gründe). Der nachhaltige Wille zur Vertragsaufsage muss objektiv erkennbar sein, was in der Regel durch erfolglose einschlägige Abmahnungen dokumentiert wird. Ausnahmsweise kann bereits eine einmalige Vertragsverletzung den nachhaltigen Willen erkennen lassen, den arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkommen zu wollen, etwa wenn der Vertragsbruch vom Arbeitnehmer angekündigt und bereits im Vorfeld vom Arbeitgeber die Kündigung diesbezüglich angedroht wurde (vgl. BAG 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 - [kein Mutterschaftsurlaub für Väter]).

Auch bloße Schlechtleistungen an sich berechtigen zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung, wenn sie auf ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers zurückgehen (low performer, grundlegend BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - zu B III 2 der Gründe; BAG 3. Juni 2004 - 2 AZR 386/03 - zu B III 1 der Gründe; überblicksartig: Friemel/Walk NJW 2010, 1557 ff; diess. NJW 2005, 3669 ff.; Glanz NJW-Spezial 2008, 82 f.; Maschmann NZA-Sonderbeilage 2006, 13 ff.).

Ebenso kann schließlich die erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bzw. einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bilden. Der konkrete Inhalt dieser Pflicht ergibt sich aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis und seinen spezifischen Anforderungen (vgl. BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20).

Bei Anwendung dieser Grundsätze waren auch insoweit erhebliche Pflichtverletzungen des Klägers nicht ersichtlich.

(1) Soweit die Beklagte die außerordentliche Kündigung vom 13. August 2018 darauf stützen möchte, dass der Kläger die Weisungen des Vorstandsvorsitzenden Dr. C. missachtet habe, indem er am 29. November 2017 die Ansicht vertreten habe, er sei als Geschäftsführer für die IT zuständig und es drohe ein Ausfall der IT, wenn nicht der IT-Dienstleister K. von der Beklagten weiterbeschäftigt werde, war nicht allein das dem Kläger zustehende Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG zu bedenken, sondern ganz entscheidend zunächst einmal der Umstand, dass die Beklagte von diesem Vorfall bei Ausspruch der Kündigung am 13. August 2018 mehr als zwei Wochen in Kenntnis war und auch deshalb eine außerordentliche Kündigung auf diesen Vorgang nicht mehr stützen konnte, § 626 Abs. 2 BGB. Die Kenntnis des Vorstandsvorsitzende Dr. C. war der Beklagten analog § 31 BGB zuzurechnen.

(2) Als eine schwerwiegende Pflichtverletzung bewertet es die Beklagte, dass der Kläger keine Unterlagen der C. dem Landesarchiv gemäß § 7 LArchivG RLP zur Archivierung angedient hat. Sie ist der Auffassung, der Kläger habe damit gegen den wichtigen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen. Auf die 30-jährige Andienungsfrist könne sich der Kläger nicht berufen, weil er auch Unterlagen vor seinem Dienstantritt im Jahr 1999 habe andienen müssen.

Dabei wird jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger erst seit dem 1. Januar 2008 als alleiniger Geschäftsführer bei der Beklagten tätig war (zuvor offenbar als Juristischer Geschäftsführer neben einem Kaufmännischen Geschäftsführer, vgl. § 3 des Änderungsvertrags vom 26. Januar 2000). Dass er nach dem 1. Januar 2008 auch positive Kenntnis davon erlangt hatte, ob und inwieweit seine Amtsvorgänger gegen die Andienungspflicht der seinerzeit entstandenen Dokumente verstoßen haben, hat die Beklagte nicht behauptet. Die in der Amtszeit des Klägers entstandenen Dokumente jedenfalls konnten dem Landesarchiv noch gesetzeskonform angedient werden, denn sie waren bei Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigungen bis in das Jahr 2019 hinein höchstens elf Jahre und noch keine 30 Jahr alt.

Zudem handelt es sich bei der Andienungspflicht nicht um eine Kernaufgabe einer C., sondern um eine - wenngleich gesetzlich geregelte - untergeordnete Nebenpflicht. Dass die Archivierung zur Erfüllung der "Unternehmensziele" der beklagten öffentlich-rechtlichen Körperschaft von besonderer Wichtigkeit wäre, wurde nicht behauptet. Als eine nur untergeordnete Nebenpflicht stellte sich diese Aufgabe auch dem Kläger als alleinigem hauptamtlichem Geschäftsführer der Beklagten ab seinem Amtsantritt am 1. Januar 2008. Damit war auch nicht ersichtlich, dass es sich um eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Klägers gehandelt haben mag, wenn er die - vor seiner Amtszeit als alleiniger Geschäftsführer entstandene - Buchhaltung der Jahre 2005/2006 vor ihrer Vernichtung nicht dem Landesarchiv angedient hat.

Es kann im übrigen dahinstehen, dass der Kläger später auf einen Vorhalt (mutmaßlich) seitens der Geschäftsführerin Dr. E. (vgl. Bl. 503 d.A) vom 10. Mai 2019 erklärt habe, er habe sich in der Vergangenheit über die gesetzliche Vorgabe hinweggesetzt, weil er sie für unwesentlich für die Kammerarbeit gehalten habe. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang insbesondere nicht behauptet, dass der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt nur noch als weisungsgebundener Mitarbeiter der Frau Dr. E. vorläufig weiterbeschäftigt und deshalb ohne gesonderte Weisung nicht mehr andienungsverpflichtet war, sich auch für die Zukunft einer solchen Weisung verschließen wollte und dass zugleich von Frau Dr. E. für diesen Fall schon vorab der Ausspruch einer Kündigung angedroht worden war (vgl. dazu BAG 31. Januar 1985 - 2 AZR 486/83 -). Insbesondere hatte der Kläger auch gegenüber Frau Dr. E. nicht etwa erklärt, sich künftig an dahingehende Weisungen nicht halten zu wollen, sondern lediglich, dass er das LArchivG RLP in der Vergangenheit für irrelevant für die Arbeit der Beklagten gehalten habe und deshalb insoweit nicht tätig geworden sei (Bl. 571 d.A).

Mangels einschlägiger Abmahnung betreffend die Andienungspflicht nach dem Landesarchivgesetz oder gleichartiger Pflichtverletzungen konnte deshalb auf das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit, welches auf einer Fehleinschätzung der Gesetzeslage beruhte, aber in Person des Klägers noch nicht zu einer Gesetzesverletzung geführt und auch keinen Vermögens- oder sonstigen Schaden der Beklagten ausgelöst hatte, eine außerordentliche fristlose Kündigung nicht ohne weiteres gestützt werden.

4. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht durch die [zweite] außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 4. Oktober 2018 aufgelöst.

a) Der Kläger ist nicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. §§ 4, 7 KSchG mit seinen Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 4. Oktober 2018 ausgeschlossen, denn die hiergegen gerichtete Klage ging innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung (5. Oktober 2018) beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am 15. Oktober 2018 vollständig ein und konnte so umgehend zugestellt werden (vgl. §§ 253 Abs. 1, 167 ZPO).

b) Die Kündigung kann insbesondere nicht auf die vermeintliche Äußerung des Klägers zur ablaufenden Amtszeit des Vorstandsvorsitzenden im Gütetermin vom 24. September 2018 und sein vermeintlich überhebliches Lachen gestützt werden, denn abgesehen davon, dass beides bestritten war, wäre es doch jedenfalls vom Recht des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 GG zur Äußerung seiner Meinung umfasst und deshalb keine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten. Die Grenze der groben Beleidigung, die erst in der außerhalb jeglicher sachlicher Debatte stehenden reinen Schmähkritik bzw. Formalbeleidigung gesehen werden könnte (vgl. BAG 5. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19 - Rn. 77 mwN), wäre mit dem behaupteten Verhalten des Klägers noch nicht erreicht (vgl. auch BVerfG 30. Mai 2018 - 1 BvR 1149/17 - Rn. 7 f. [Äußerungen über Vorgesetzten als "Ausbeuter"] NZA 2018, 924; BVerfG 5. Dezember 2008 - 1 BvR 1318/07 - Rn. 16 ["Dummschwätzer"], NJW 2009, 749; BAG 19. November 2015 - 2 AZR 217/15 - Rn. 38).

5. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht durch die [dritte] außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 25. Oktober 2018 aufgelöst.

a) Der Kläger ist nicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. §§ 4, 7 KSchG mit seinen Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 25. Oktober 2018 ausgeschlossen, denn die hiergegen gerichtete Klage ging innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am 29. Oktober 2018 vollständig ein und konnte so umgehend zugestellt werden (vgl. §§ 253 Abs. 1, 167 ZPO).

b) Kündigungsgründe, die nach dem Ausspruch der dritten Kündigung vom 4. Oktober 2018, aber noch vor dem 25. Oktober 2019 vorgefallen seien, hat die Beklagte insoweit nicht vorgetragen.

6. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht durch die [vierte] außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 16. November 2018 aufgelöst.

a) Der Kläger ist nicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. §§ 4, 7 KSchG mit seinen Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 16. November 2018 ausgeschlossen, denn die hiergegen gerichtete Klage ging bereits in Form des allgemeinen Feststellungsantrags mit der Klageschrift vom 17. August 2018 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen ein und wurde im Kammertermin vom 10. April 2019 in einen punktuellen Kündigungsschutzantrag abgeändert (vgl. dazu auch Schwab NZA 1998, 342, 344; BAG 12. Mai 2005 - 2 AZR 426/04 - zu B II 1 b der Gründe).

b) Eine erhebliche Nebenpflichtverletzung, die ohne den Ausspruch einer vorherigen Abmahnung ohne weiteres zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, war von der Beklagten nicht mit dem Vorwurf dargelegt worden, der Kläger habe während seiner Arbeitszeit auf dem Computer der Beklagten "private Daten" erstellt und einen privaten USB-Stick verwendet und damit den Rechner einem Befall mit Computerviren ausgesetzt.

Wenngleich die Beklagte die Prozesskündigung vom 16. November 2018 auf diesen Vorwurf stützen will, so waren doch ihrem Sachvortrag hier konkrete Pflichtverletzungen des Klägers nach Art, Umfang und Zeitpunkt nicht zu entnehmen. Weder die Art der "privaten" Daten wurde nachvollziehbar vorgetragen noch der zeitliche Umfang der vermeintlich privaten Tätigkeiten am Dienstrechner der Beklagten. Eine Pausenbummelei, wie die nicht gestattete Internetnutzung oder das private Telefonieren während der Arbeitszeit ist an sich ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB, denn dies verletzt grundsätzlich die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers. Das gilt nach der Rechtsprechung des BAG aber nur dann, wenn sie über eine bloß "minutenweise" Nutzung hinausgeht (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 19 [exzessive Internetnutzung]; ErfKo/Niemann 20. Aufl. BGB § 626 Rn. 70b mwN). Einen derartig exzessiven zeitlichen Umfang der privaten Computernutzung hat aber selbst die Beklagte nicht behauptet.

Soweit die Beklagte den Einsatz privater USB-Sticks an ihren Rechnern missbilligt, hatte sie zu einer entsprechenden Weisung gegenüber dem Kläger nichts vorgebracht, weshalb eine Pflichtverletzung auch insoweit nicht ersichtlich war. Dass der Kläger Schadsoftware (Computerviren) in das IT-System der Beklagten eingebracht habe, hat die Beklagte nicht behauptet.

c) Auch als Druckkündigung war die außerordentliche Kündigung vom 16. November 2018 nicht gerechtfertigt.

aa) Als Druckkündigung bezeichnet die Rechtsprechung eine Konstellation, in der Dritte (Belegschaft, Betriebsrat, Gewerkschaft, Kunden, Sponsoren, Gläubiger usw.) vom Arbeitgeber die Entlassung eines Arbeitnehmers in einem ernstlichen Verlangen unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber einfordern. Um eine sog. echte Druckkündigung soll es sich hierbei handeln, wenn keine verhaltens- oder personenbedingten Kündigungsgründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen, die eine derartige Kündigung rechtfertigen könnten. Eine solche "echte" Druckkündigung soll nach Auffassung des BAG als betriebsbedingte Druckkündigung (BAG 18. Juli 2013 - 6 AZR 420/12 - Rn. 39) gleichwohl zulässig sein, unterliege dann jedoch strengen Anforderungen. Insbesondere müsse sich der Arbeitgeber schützend vor den Betroffenen stellen und alles Zumutbare versuchen, um zB die Belegschaft oder Gläubiger von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn trotz seiner Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, könne eine Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung sei, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden (vgl. auch BAG 15. Dezember 2016 - 2 AZR 431/15 - Rn. 11). Bei Vorliegen von verhaltens- oder personenbedingten Kündigungsgründen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG und der hinzutretenden Kündigungsforderung von dritter Seite handele es sich um eine sog. unechte Druckkündigung, die am Maßstab des Kündigungsgrunds zu messen sei (vgl. ErfKo/Niemann 20. Aufl. BGB § 626 Rn. 185).

bb) Nach diesen Maßstäben kann die vorliegende Kündigung nicht als echte Druckkündigung gerechtfertigt sein, denn die Beklagte behauptet selbst nicht, dass die Belegschaft der C. in ihrer Gesamtheit unter Androhung von erheblichen Nachteilen für die Beklagte (insbesondere kollektive Arbeitsniederlegung) die Kündigung des Klägers gefordert habe. Auch, dass ihr derartige erhebliche Schäden erwachsen würden, wenn tatsächlich die ein oder andere Mitarbeiterin aus Protest gegen den Kläger eine Eigenkündigung erklärt, hat die Beklagte nicht dargelegt. Sie behauptet selbst nicht, dass ein Weggang der Mitarbeiterin V. für die C. R. einen spürbaren Schaden darstellt.

Die Beklagte verweist im Kern lediglich darauf, dass einzelne Kollegen des Klägers - ebenso wie der Vorstandsvorsitzende Herr Dr. C. seit dem Jahr 2017 - die Arbeitsweise und den Führungsstil des Klägers nicht schätzen. Zutreffend hatte im übrigen schon das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagte auch keinerlei Versuch unternommen hat, sich schützend vor den Kläger zu stellen, sondern schon die vermeintliche Unzufriedenheit einzelner Mitarbeiter mit dem Kläger zum willkommenen Anlass einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nehmen wollte. Das allein genügt zur Rechtfertigung einer Druckkündigung, die nur in existenzbedrohenden Ausnahmefällen denkbar sein dürfte (vgl. BAG 18. Juli 2013 - 6 AZR 420/12 - [betriebsbedingte Druckkündigung], nach der Rechtsprechung des BAG nicht. Bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern, wie vorliegend dem Kläger, kommt eine echte Druckkündigung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zudem lediglich als außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist in Betracht (ErfKo/Niemann 20. Aufl. BGB § 626 Rn. 185), die von der Beklagten ebenfalls nicht erklärt worden war.

Im übrigen war auch nicht erkennbar, wann genau Frau V. wem gegenüber mit ihrer Eigenkündigung gedroht habe, wenn der gekündigte Kläger wieder den Dienst in der C. aufnähme. Damit hatte die Beklagte insoweit auch nichts zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB vorgetragen.

7. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht durch die [fünfte] außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 21. Mai 2019 aufgelöst.

a) Der Kläger ist nicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. §§ 4, 7 KSchG mit seinen Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 21. Mai 2019 ausgeschlossen, denn die hiergegen gerichtete Klage ging innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung (22. Mai 2019) beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am 29. Mai 2019 vollständig ein und konnte so umgehend zugestellt werden (vgl. §§ 253 Abs. 1, 167 ZPO).

b) Neue Kündigungsgründe, die in der Zeit nach Ausspruch der vorangegangenen vierten Kündigung vom 16. November 2018 entstanden sind, hat die Beklagte hierzu nicht dargelegt.

aa) Sie stützt diese Kündigung zunächst auf die Erkenntnisse, die die Geschäftsführerin Dr. E. nach ihrer Einstellung am 1. Mai 2019 über die Arbeit des Klägers in der Zeit bis zu dessen erster Kündigung vom 13. August 2018 gewonnen hat.

bb) Die Beklagte hatte insofern aber insbesondere keine neuerliche Arbeitsverweigerung des Klägers hinsichtlich der Andienungspflicht des LArchivG RLP dargelegt, sondern lediglich ausgeführt, dass der Kläger diese Pflichten in der Vergangenheit bewusst für unerheblich gehalten hatte (Bl. 571, 503 d.A).

Erstmals mit der Berufung hat die Beklagte sodann behauptet, der Kläger habe am 10. Mai 2019 auch noch "erklärt", er werde sich auch weiterhin über die gesetzlichen Vorgaben des LArchivG RLP hinwegsetzen (Bl. 851 d.A; Beweis: Mitarbeiter B.). Diesem neuen Vortrag war aber nicht die Behauptung zu entnehmen, dass es insoweit eine neuerliche Arbeitsanweisung an den Kläger in dieser Richtung und eine entsprechende Arbeitsverweigerung nach einschlägiger Abmahnung gegeben habe. Wenn der Kläger gegenüber dem Mitarbeiter B. seine Rechtsauffassung zur Andienungspflicht nach dem LArchivG RLP äußert, ohne entsprechend vom Vorstandsvorsitzenden zur Andienung angewiesen worden zu sein, lässt dies für sich genommen eine Vertragspflichtverletzung nicht erkennen. Zu berücksichtigen war hierbei, dass der Kläger am 10. Mai 2019 nur vor dem Hintergrund des Teil-Versäumnisurteils vom 10. April 2019 vorläufig weiterbeschäftigt worden war und bis zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten eine Verletzung der Andienungspflicht nicht als Kündigungsgrund in den Rechtsstreit eingeführt worden war (erstmals mit Schriftsatz vom 27. Mai 2019, Bl. 502 d.A). Der Kläger war im übrigen der ab dem 1. Mai 2019 eingestellten Geschäftsführerin Dr. E. unterstellt worden. Das schließt die Kammer daraus, dass die Zeugin Dr. E. im Berufungstermin vom 17. November 2020 ausgesagt hat, der Kläger habe bei ihr die Einsichtnahme in seine Personalakte "beantragt" und aus dem Vortrag der Beklagten zur umfassenden Weisungsgebundenheit des Klägers.

Eine originäre Andienungspflicht nach dem LArchivG traf ihn ohne ausdrückliche Weisung seiner Vorgesetzten damit nicht mehr, denn er war nicht in die ihm zuvor übertragene vollverantwortliche Position eingesetzt worden. Diese Andienungspflicht oblag nunmehr zunächst Frau Dr. E. als hauptamtlicher Geschäftsführerin der C.. Sollte der Kläger indes nicht der Geschäftsführerin Dr. E. weisungsgebunden unterstellt worden sein, so wäre eine vermeintliche Weigerung des Klägers ihr gegenüber von vornherein unbeachtlich. Von Verweigerung der Arbeitsleistung gegenüber einer weisungsbefugten Vorgesetzten kann dann keine mehr Rede sein. Dass sich der Kläger im Mai 2019 auch gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden Herrn Dr. C. in diesem Sinne gehäußert hätte, hat die Beklagte nicht behauptet.

8. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde nicht durch die [sechste] außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 19. Juni 2019 aufgelöst.

a) Der Kläger ist nicht nach § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. §§ 4, 7 KSchG mit seinen Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung vom 19. Juni 2019 ausgeschlossen, denn die hiergegen gerichtete Klage ging innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am 21. Juni 2019 vollständig ein und konnte so umgehend zugestellt werden (vgl. §§ 253 Abs. 1, 167 ZPO).

b) Neue Kündigungsgründe, die in der Zeit nach Ausspruch der vorangegangenen fünften außerordentlichen Kündigung vom 21. Mai 2019 entstanden sind, hat die Beklagte hierzu nicht behauptet. Der Kläger war seit dem 22. Mai 2019 nicht mehr zur Arbeit herangezogen worden.

9. Da sich die angegriffenen Kündigungen sämtlich als unwirksam erwiesen, befand sich die Beklagte mit Zugang der Kündigung vom 13. August 2018 am 14. August 2018 in Annahmeverzug und schuldet deshalb die mit den Klageanträgen zu 5 bis 9 zuerkannten Monatsvergütungen für September 2018 bis Januar 2019 sowie die mit dem Klageantrag zu 11 geforderten Versorgungsbeiträge als Lohnbestandteile aus § 615 Satz 1 BGB. Eines Arbeitsangebots des Klägers bedurfte es angesichts der unwirksamen Kündigungen gemäß § 296 BGB nicht (BAG 14. Dezember 2017 - 2 AZR 86/17 - Rn. 32; BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe). Auch § 297 BGB steht den Forderungen des Klägers nicht entgegen, denn die insoweit darlegungspflichtige Beklagte hat hierzu lediglich ausgeführt, dass der Kläger ab dem 8. Juni 2018 für einen Zeitraum von drei Wochen arbeitsunfähig erkrankt war (Bl. 94 d.A). Für die Zeit nach dem 29. Juni 2018 war der Kläger folglich wieder leistungsfähig und konnte deshalb den Annahmeverzugslohn ab September 2018 mit Erfolg fordern.

10. Ebenfalls mit Erfolg fordert der Kläger mit dem Klageantrag zu 10 als Annahmeverzugslohn gemäß § 615 Satz 1 BGB die mit der Novemberabrechnung fällige Jahressonderzahlung 2018, die ihm nach langjähriger Übung vertraglich zustand (vgl. dazu BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14 - Rn. 11).

IV. Den (hilfsweise für den Fall des Erfolgs der Kündigungsschutzanträge) gestellten Auflösungsantrag der Beklagten hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen, weil dem Arbeitgeber ein solches Antragsrecht nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG im Fall der außerordentlichen Kündigung nicht zusteht (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 3 KSchG). Die Anwendung dieser Normen ist auch nicht etwa gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ausgeschlossen, denn der Kläger steht aufgrund seiner umfassenden Weisungsgebundenheit (vgl. § 3 Ziffer 1 des Änderungsvertrags vom 26. Januar 2000) als Titular-Geschäftsführer einem Organ im Sinne dieser Norm nicht gleich. Zutreffend hatte der Kläger bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des BGH vom 25. Juli 2002 - III ZR 207/01 - deshalb auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar ist. Eine dem § 109 Abs. 1 Satz 1 HandwO entsprechende, weitgehende Außenvertretungsbefugnis des Klägers sehen weder das HeilBG RLP in §§ 8 und 11 HeilBG RLP noch die Hauptsatzung der Beklagten vor.

Die Berufung bringt gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts insoweit auch keine gesonderten Angriffe vor (Bl. 861 d.A). Den hierzu in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts war seitens der Berufungsgerichts nichts weiter hinzuzufügen, weshalb gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen den Gründen der angefochtenen Entscheidung zu A VII (Seite 39 bis 41 des Urteils) gefolgt und dies hiermit ausdrücklich festgestellt wird.

C. Auch die Widerklage hatte das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen. Allerdings erwies sich die Berufung insoweit schon als unzulässig, weil sich die Berufungsbegründungsschrift (Bl. 901-917 d.A) insoweit mit den Gründen des angegriffenen Teilurteils des Arbeitsgerichts vom 6. November 2019 entgegen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO in keiner Weise auseinandersetzt (vgl. dazu auch LAG Rheinland-Pfalz 9. September 2020 - 7 Sa 490/19 - zu A I der Gründe, juris).

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

E. Da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen, war die Revision nicht zuzulassen.