VG München, Urteil vom 21.12.2020 - M 6 K 17.38922
Fundstelle
openJur 2021, 17580
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und shiitischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am ... Januar 2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am ... August 2016 einen Asylantrag.

Bei seiner Anhörung am ... August 2016 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Kläger im Wesentlichen an, dass er zunächst in seinem Dorf A ... zusammen mit seinem Vater gearbeitet habe. Sein Vater habe mit einem LKW private und staatliche Güter transportiert. Er sei dann in den Iran gegangen und habe dort als Fliesenleger gearbeitet. Nach einem Jahr habe er nach Afghanistan zurückkehren wollen. Dies sei jedoch nicht umgesetzt worden, da sein Vater in Afghanistan auf Grund seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer als Geisel genommen worden sei und viel Geld gezahlt habe, um freizukommen. Sein Vater habe daher auch den LKW verkauft und einen Laden im Ort eröffnet. Sein Vater habe ihm geraten, nicht nach Afghanistan zurückzukehren. So sei er nach Europa geflohen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben, da überall in Afghanistan die Taliban seien.

Mit Bescheid vom 19. April 2017, zugestellt am 21. April 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2) sowie auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (Ziffer 3) ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von dreißig Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Afghanistan oder einem anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).

Auf die Begründung des Bescheids wird verwiesen.

Am 3. Mai 2017 ließ der Kläger Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland erheben und beantragte sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wurde zunächst auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt verwiesen sowie auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017 wurde die Klage unter umfangreicher Bezugnahme auf die Sicherheitslage in Afghanistan begründet.

Die Beklagte legte die Akten in elektronischer Form vor und beantragte mit Schreiben vom 19. November 2019,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 14. November 2019 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom 27. November 2019 wies der Klägerbevollmächtigte nochmals auf die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan hin. Die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sei nicht haltbar.

Zur mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2020 erschien der Kläger und wurde informatorisch angehört. Er gab an, dass sein Vater 2019 nochmals von den Personen, die diesen auch damals bedroht hätten, misshandelt worden sei. Der Kläger übergab ausgedruckte Bilder, auf denen sein Vater nach der Befreiung von den Taliban zu sehen sei. Auf einem Bild ist ein Mann in einem Krankenhausbett zu sehen sowie auf den weiteren Bildern, dass dieser am linken Fuß lediglich vier Zehen und eine (soweit erkennbar) abgeheilte Verletzung hat. Der Kläger gibt weiter an, dass sein Vater mittlerweile in den Iran gezogen sei.

Der Kläger gab zunächst an, auch persönlich bedroht worden zu sein. Zu seiner Fluchtgeschichte befragt, gab der Kläger an, dass sein Onkel damals seinen Vater verständigt habe, dass die Taliban nach ihm suchen würden. Auf weitere Nachfrage woher der Onkel dies gewusst haben soll, gab der Kläger an, dass der Onkel Lehrer gewesen sei und in der Schule von anderen Lehrern unterrichtet worden sei, dass ein mächtiger Taliban sich nach dem Kläger und seinem Vater erkundigt habe. Der Onkel sei dann in der Nacht zu ihnen gekommen und habe sie gewarnt. Der Vater habe dann zum Kläger gesagt, dass dieser wegmüsse, woraufhin der Kläger das Land verlassen habe. Der Kläger stellte nunmehr klar, nicht persönlich bedroht worden zu sein.

Auf den Vorhalt des Gerichts, dass der Kläger beim Bundesamt angegeben hat, dass Dorfbewohner die Taliban verständigt hätten und der Kläger bereits etwa 2013 ausgereist sei und von der Bedrohung seines Vaters erst durch einen Anruf Kenntnis erlangt habe und der Vater zum Kläger gesagt habe, dass dieser nicht zurückkehren solle, erklärte der Kläger, dass beim Bundesamt die Daten falsch aufgenommen worden seien, er auch dort erzählt hätte, dass die Warnung von seinem Onkel gekommen sei und er sich außerdem nicht mehr genau an die Daten erinnern könne, weil der islamische Kalender ein anderer sei als der Kalender hier. Zudem hätten auch Übersetzungsschwierigkeiten bestanden. Nach Rückübersetzung der informatorischen Befragung erklärte der Kläger, dass er sich nunmehr daran erinnere, dass die Dorfbewohner die Taliban verständigt hätten.

Der Kläger gab an, in Deutschland über zwei Jahre in einem Restaurant gearbeitet zu haben, jetzt arbeite er in einer Gärtnerei und erledige Erdarbeiten. Gesundheitlich gehe es ihm gut. Er könne nicht zurück, da Afghanistan nirgendwo sicher sei.

Die Beklagte war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2020 trotz Ausbleibens der Beklagtenseite entschieden werden. Denn in der form- und fristgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.

Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz - AsylG) weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Aufenthaltsgesetz - AufenthG. Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das 30-monatige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind nicht zu beanstanden. Zur Begründung nimmt das Gericht zunächst auf die Ausführungen im Bescheid vom 19. April 2017 Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und führt im Hinblick auf das klägerische Vorbringen und die aktuelle Auskunftsklage ergänzend aus:

1. Der beantragten Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG steht entgegen, dass der Kläger auf dem Landweg und somit über einen sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 GG eingereist ist.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 4 AsylG.

Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2a) AsylG, und keiner der Ausschlussgründe der § 3 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG vorliegt. Weitere Einzelheiten regeln die §§ 3a - d AsylG in Umsetzung der RL 2011/95/EU vom 20. Dezember 2011 (sog. Qualifikationsrichtlinie). Erforderlich ist demnach eine Verfolgungshandlung i.S.v. § 3a Abs. 1, 2 AsylG, die an einen Verfolgungsgrund i.S.v. § 3b AsylG anknüpft und von einem Akteur i.S.v. § 3c AsylG ausgeht. Weiter muss es an einem effektiven Schutz vor Verfolgung im Herkunftsstaat fehlen, §§ 3d, 3e AsylG. Zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen, § 3a Abs. 3 AsylG.

Demzufolge rechtfertigen die vom Kläger vorgetragenen Gründe nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Das Gericht muss dabei sowohl von der Wahrheit - und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit - des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung bzw. Schadens die volle Überzeugung gewinnen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Dem persönlichen Vorbringen des Rechtssuchenden und dessen Würdigung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Insbesondere wenn keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen, ist für die Glaubwürdigkeit auf die Plausibilität des Tatsachenvortrags des Asylsuchenden, die Art seiner Einlassung und seine Persönlichkeit - insbesondere seine Vertrauenswürdigkeit - abzustellen. Der Asylsuchende ist insoweit gehalten, seine Gründe für eine Verfolgung bzw. Gefährdung schlüssig und widerspruchsfrei mit genauen Einzelheiten vorzutragen (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 12.11.1985 - 9 C 27.85 - juris). Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu seinem behaupteten Verfolgungsschicksal machen.

2.1. Es ist nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung droht.

Der insgesamt vage und detailarme Vortrag des Klägers weist gravierende Ungereimtheiten und Widersprüche auf, die am Wahrheitsgehalt, an der Ernsthaftigkeit und dem Fortbestand der behaupteten Bedrohung erhebliche Zweifel aufkommen lassen. Der Kläger gab gegenüber dem Bundesamt an, nachdem er in den Iran gezogen sei, von seinem Vater telefonisch gewarnt worden zu sein, nicht nach Afghanistan zurückzukehren. Dorfbewohner hätten seinen Vater an die Taliban verraten, woraufhin dieser gefangen genommen worden sei.

Demgegenüber gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, dass der Onkel des Klägers in der Nacht zu seinem Vater und ihm gekommen sei und diese gewarnt hätte. Daraufhin habe der Vater beschlossen, dass der Kläger ausreisen müsse.

Der Kläger korrigierte bzw. ergänzte in der mündlichen Verhandlung mehrfach (nach Vorhalten) seine Aussage zur persönlichen Bedrohung, Verständigung der Taliban durch die Dorfbewohner und der Warnung durch den Onkel. Den Widerspruch, ob er bereits im Iran war und lediglich angerufen wurde, nicht zurückzukommen oder vom Vater in der Nacht der Warnung durch den Onkel aufgefordert wurde, das Land zu verlassen, sieht das Gericht als derart unterschiedlich und gravierend an, als dass dieser nicht - wie vom Kläger behauptet - auf Übersetzungsschwierigkeiten, einen anderen Kalender oder eine falsche Datenaufnahme beim Bundesamt zurückgeführt werden kann.

Auch die Vorlage der Bilder und die Einlassung des Klägers, sein Vater sei 2019 noch mal von den gleichen Leuten misshandelt worden, vermag nicht eine Verfolgung des Klägers zu belegen. Obwohl der Kläger behauptet, die Bilder zeigen seinen Vater nach der Befreiung von den Taliban, so scheint die Verletzung am Fuß abgeheilt. Das Abhaken eines Zehs hat der Kläger jedoch auch bei seiner Anhörung beim Bundesamt nicht angegeben. Vielmehr ist sowohl die Herkunft als auch der Zeitpunkt der Verletzung des Vaters völlig ungewiss. Auch ist nicht ersichtlich, warum dieselben Taliban nach etwa sechs Jahren den Vater noch einmal zu misshandeln sollten, obwohl dieser den Lkw verkauft hat und seither einen Laden im Ort betreibt. Zudem bleibt offen, wie die Verletzung des Vaters eine Verfolgung des Klägers belegen soll.

Aufgrund der Widersprüche und Unstimmigkeiten sowie aufgrund des gewonnen Gesamteindrucks des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist die Glaubwürdigkeit des Klägers nicht gegeben und das Gericht nach umfassender Würdigung des Vorbringens des Klägers nicht davon überzeugt, dass dem Kläger eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gedroht hat bzw. ihm tatsächlich bei einer Rückkehr droht. Vielmehr steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Geschichte vom Kläger lediglich ausgedacht wurde, um ein Bleiberecht zu erhalten.

2.2. Darüber hinaus ergibt sich aus dem vom Kläger geschilderten Vorfall - ungeachtet seiner Glaubhaftigkeit - keine Verfolgung "wegen" seiner "Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe", §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG. Aus der Gesamtschau der vom Kläger geschilderten Umstände ergibt sich insbesondere nicht, dass ihm von den Taliban, als Akteur i.S.v. § 3c AsylG, eine oppositionelle Grundhaltung i.S.d. § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG dadurch zugeschrieben wird, dass er wohlmöglich seinen Vater bei einem Transport von Gütern für die Regierung begleitet hat.

Ungeachtet dessen müsste sich der Kläger selbst bei Annahme einer Verfolgung auf internen Schutz nach § 3e AsylG verweisen lassen. Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und es vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Selbst wenn Kabul außer Acht zu lassen wäre, ist nicht anzunehmen, dass dem Kläger in einer Großstadt wie Herat(-Stadt) oder Mazar-e Sharif bzw. in den jeweiligen Provinzen eine Verfolgung droht. Nach § 3e Abs. 1 AsylG ist es unter den dort beschriebenen Voraussetzungen ausreichend, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat. Dies ist beim Kläger der Fall, da nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von einer landesweiten gezielten Verfolgung durch die Taliban auszugehen ist. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Taliban möglicherweise (vgl. ACCORD, Rekrutierungsmaßnahmen der Taliban vom 13.8.2018, S. 8/9 fähig sind, verfeindete Personen im ganzen Land ausfindig zu machen und gegebenenfalls zu verfolgen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 16.7.2020, S. 6). Ebenso verkennt das Gericht nicht, dass aufgrund der hohen sozialen Kontrolle selbst in den Großstädten ein vollkommen anonymes Leben auf Dauer nur schwer möglich sein dürfte sein (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.7.2020, S. 18). Allerdings richtet sich das Interesse der Taliban aufgrund ihrer personell begrenzten Möglichkeiten vorrangig auf prominente Personen wie Regierungsmitglieder und hochrangige Angehörige der Streitkräfte. Das European Asylum Support Office (EASO) schätzt die Zahl derjenigen, die von den Taliban in größeren Städten Afghanistans gezielt gesucht und verfolgt werden, auf wenige Dutzend bis maximal 100 Personen. Personen mit einem geringeren Suchprofil stehen hingegen im Falle eines Umzugs in eine andere Stadt nicht im Fokus der Taliban (EASO, Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, Dezember 2017, S. 63 f.).

Unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags geht das Gericht nicht davon aus, dass der Kläger eine so profilierte und exponierte Persönlichkeit für die Taliban darstellt, dass diese mit Nachdruck nach ihm suchen, wenn er nicht an seinen Herkunftsort - oder dessen unmittelbare Nähe - zurückkehrt, sondern sich beispielsweise in Herat oder Mazar-e Sharif niederlässt, zumal seit der Ausreise des Klägers mehr als sechs Jahre vergangen sind (vgl. hierzu auch BayVGH U.v. 21.6.2013 - 13a B 12.30170, juris Rn. 29). Es ist schon nicht ersichtlich, wie die Taliban davon erfahren sollten, dass der Kläger so lange Zeit nach seiner Ausreise wieder in sein Heimatland eingereist ist. Schließlich hat die Provinz Herat geschätzt etwa 2 Millionen Einwohner, wovon über eine halbe Million in der Provinzhauptstadt leben, und die Provinz Balkh geschätzt 1.5 Millionen Einwohner, wovon geschätzt knapp eine halbe Million in der Provinzhauptstadt leben (vgl. UNAMA mit etwas niedrigeren Zahlen, Afghanistan - Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2019, Februar 2020, S. 103 und Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, Stand: 18.5.2020, S. 110 und 69 mit jeweils etwas größer geschätzter Einwohnerzahl). Dass der Kläger auch angesichts eines fehlenden funktionierenden Meldewesens in einer Stadt mit mehreren 100.000 Einwohnern bzw. in einer Provinz mit mehr als einer Million Einwohnern erkannt wird, kann das Gericht nicht feststellen. Er wird jedenfalls in der Anonymität der Großstädte ohne Verfolgung leben können. Dies gilt umso mehr als ein gesteigertes Interesse der Taliban am Kläger nicht im Ansatz erkennbar ist. Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags des Klägers haben diese ihn nie persönlich bedroht. Der Kläger hat sich auch den Taliban nicht durch eine Konfrontation, sondern durch Flucht entzogen. Dafür, dass er hierdurch zu einer über den Bereich der örtlichen Taliban hinausgehend gesuchten und bedeutenden Person wurde, gibt es keine Anhaltspunkte.

In Bezug auf den Kläger sind Herat und Mazar-e Sharif als innerstaatliche Fluchtalternative auch geeignet und ihm zumutbar, sodass vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Dies setzt zunächst voraus, dass die voraussichtlichen Lebensbedingungen dort nicht gegen Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK - verstoßen.

Das Gericht geht mit der obergerichtlichen ständigen und jüngst bestätigten Rechtsprechung davon aus, dass sich auch unter Berücksichtigung der vorliegenden neuesten Erkenntnismittel aus den allgemeinen Lebensverhältnissen in Afghanistan keine Verletzung von Art. 3 EMRK ergibt, da für einen alleinstehenden und arbeitsfähigen Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen wie den Kläger regelmäßig sogar ohne nennenswertes Vermögen oder ein familiäres Netzwerk die Möglichkeit besteht, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten (u.a. BayVGH, U.v. 26.10.2020 - 13a B 20.31087, juris; BayVGH, U.v. 6.7.2020 - 13a B 18.32817, Rn. 47; BayVGH, U.v. 1.10.2020 - 13a B 20.31004, juris Rn. 24). Dabei wird nicht verkannt, dass der Zumutbarkeitsmaßstab bzw. das Zumutbarkeitsniveau über das Fehlen einer im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK maßgeblichen Sicherung des Existenzminimums hinausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12, VGH Mannheim, B.v. 8.8.2018 - A 11 S 1753/18 - juris Rn. 22 und BayVGH, U.v. 1.10.2020 - 13a B 20.31004, juris Rn. 39). Die Zumutbarkeit scheidet in wirtschaftlicher Hinsicht grundsätzlich dann aus, wenn das zu einem menschenwürdigen Leben erforderliche wirtschaftliche Existenzminimum auf einfachem Niveau nicht mehr erreichbar ist, d.h. wenn die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen am Ort der inländischen Fluchtalternative weder durch eine ihm zumutbare Beschäftigung noch auf sonstige Weise gewährleistet ist (BVerwG, B.v. 13.7.2017 - 1 VR 3.17 u.a. - NVwZ 2017, S. 1531 Rn. 114 ff.). Ein verfolgungssicherer Ort bietet erwerbsfähigen Personen das wirtschaftliche Existenzminimum grundsätzlich immer dann, wenn sie dort durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können (BVerwG, B.v. 17.5.2006 - 1 B 100.05 - juris Rn. 11; U.v. 1.2.2007 - 1 C 24.06, NVwZ 2007, S. 590 Rn. 11). Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa, weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten als Tätigkeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" bezeichnet werden. Des Weiteren geht das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sowohl die mögliche Unterstützung durch Verwandte im In- oder Ausland als auch sonstige Hilfen, also auch nichtstaatliche, in die gerichtliche Prognose mit einzubeziehen sind (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 - 1 VR 3.17 u.a. - NVwZ 2017, S. 1531 Rn. 119). Ein Leben in der Illegalität, das den Betroffenen jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung aussetzt, stellt demgegenüber keine zumutbare Fluchtalternative dar (BVerwG, U.v. 1.2.2007 - 1 C 24.06, NVwZ 2007, S. 590 Rn. 11).

Unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Klägers kann vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in den oben genannten Provinzen, insbesondere in den Provinzhauptstädten niederlässt.

Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Lage, in der Afghanistan nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt zählt und die mit der Covid-19-Krise einhergehende wirtschaftliche Rezession die privaten Haushalte stark belastet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.7.2020, Stand Juni 2020, S. 22), ist das Gericht nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls der Überzeugung, dass es dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Kläger ohne Unterhaltsverpflichtungen bei einer Rückkehr insbesondere in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif gelingen wird, zumindest durch Hilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Kläger hat in Afghanistan sieben Jahre die Schule besucht. Er spricht mit Dari eine der beiden Amtssprachen und hat so die Chance, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erzielen. Er hat den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht (vgl. VGH BW, U.v. 5.12.2017 - A 11 S 1444/17 - juris; BayVGH, B.v. 12.4.2017 - 13a ZB 17.30230 - juris). In Deutschland hat der Kläger über zwei Jahre in einem Restaurant gearbeitet und arbeitet jetzt in einer Gärtnerei und erledigt Erdarbeiten. Das Gericht ist daher der Überzeugung, dass sich der Kläger, der darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung einen offenen und anpassungsfähigen Eindruck vermittelte, gegenüber anderen Bewerbern auf dem Arbeitsmarkt in Afghanistan durchsetzen kann und somit die Möglichkeit hat, wenn auch sicherlich auf recht bescheidenem Niveau, "von seiner Hände Arbeit" zu leben. Dies gilt zur Überzeugung des Gerichts auch dann, wenn der Kläger in Herat und Balkh nicht über besondere Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten verfügt oder über ein soziales Netzwerk verfügt vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 66 f. und S. 109). Insbesondere die EASO hat in ihrem Bericht vom Juni 2018 unter Verweis auf weitere Erkenntnisse festgestellt, dass insbesondere Herat Stadt und Mazar-e Sharif für alleinstehende, junge und arbeitsfähige Männer zumutbare Fluchtalternativen darstellen (vgl. EASO, Country Guidance Afghanistan, Juni 2018, S. 106).

Er kann darüber hinaus auch von verschiedenen Rückkehrhilfen profitieren (z.B. im Rahmen der Programme Assisted Voluntary Return, REAG/GARP- und des ERRIN-Programms, vgl. auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.7.2020, Stand Juni 2020, S. 24), die neben finanziellen Hilfen entweder für einen begrenzten Zeitraum selbst eine Unterkunft bereitstellen oder bei der Suche nach einer Unterkunft behilflich sind.

Aufgrund dieser Rückkehr- und Starthilfen und unter Berücksichtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Kläger in Afghanistan und auch in den genannten Provinzen ein Leben oberhalb des Existenzminimums - wenn auch sicher auf bescheidenem Niveau - sichern wird. Darüber hinaus ist auch anzunehmen, dass (Groß-)Familie des Klägers diesen in gewissem Umfang wenigstens finanziell unterstützen kann.

Die als inländische Fluchtalternative in Fragen kommenden Städte Herat und Mazar-e Sharif sind auch im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, liegt weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Zur Feststellung, ob eine solche Bedrohung gegeben ist, ist zum einen eine quantitative Ermittlung der verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl erforderlich. Darüber hinaus ist neben dieser quantitativen Ermittlung auch eine wertende Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24). Allerdings geht die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang auch davon aus, dass - bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres - ein Risiko, verletzt oder getötet zu werden von 1:800 bzw. eine Gefahrendichte von 0,125% so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass sich eine im Übrigen unterbliebene wertende Gesamtbetrachtung nicht mehr im Ergebnis auszuwirken vermag. Bei einer geschätzten Einwohnerzahl für den Zeitraum 2019 bis 2020 von 1.967.180 und 400 zivilen Opfern im Jahr 2019 in der Provinz Herat und einer Einwohnerzahl von 1.382.155 und 277 zivilen Opfern in der Provinz Balkh lag die Wahrscheinlichkeit, dort in diesem Zeitraum ein ziviles Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, für Herat und für Balkh bei 0,02% und ist damit in beiden Fällen weit von der Erheblichkeitsschwelle von 0,125% entfernt (vgl. UNAMA, Afghanistan - Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2019, Februar 2020, S. 103). Auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Dunkelziffer bzw. Untererfassung der zivilen Opfer ist noch nicht die Annahme einer Situation außergewöhnlicher allgemeiner Gewalt gegeben (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2019 - 13a B 19.33359 - juris Rn. 29). Individuelle, gefahrerhöhende Umstände, die eine Gefährdung im obigen Sinne dennoch begründen könnten, liegen beim Kläger nicht in einem rechtlich relevanten Maß vor. Ein individueller gefahrerhöhender Umstand ergibt sich insbesondere auch nicht aus der bloßen Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara (Vgl. dazu ausführlich BayVGH, U.v. 26.10.2020 - 13a B 20.31087, juris Rn. 50).

Das Gericht geht davon aus, dass die beiden Provinzen Herat mit Herat-Stadt als Hauptstadt und Balkh mit der Hauptstadt Mazar-e Sharif von Kabul als Zielort einer Rückreise oder auch (möglichen) Abschiebung aus in zumutbarer Weise zu erreichen sind. Zwar enden Abschiebungen in der Regel in Kabul, wo es einen internationalen Flughafen gibt. Aber auch Mazar-e Sharif und Herat verfügen jeweils über einen internationalen Flughafen und können auch legal und sicher vom Kläger, jedenfalls von Kabul aus, erreicht werden, da innerstaatlich Flüge von Kabul nach Mazar-e Sharif und Herat gehen (vgl. Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 220 ff.). Diese Einschätzung wird auch nicht durch die aktuelle Covid-19-Pandemie in Frage gestellt. Diese Einschätzung wird auch nicht durch die aktuelle Covid-19-Pandemie in Frage gestellt. Selbst wenn aufgrund der aktuellen Pandemielage bei einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan der Flugverkehr eingeschränkt sein sollte, gibt es keine Anhaltspunkte, dass dies für unbestimmte Zeit gelten könnte (vgl. auch VG München, U.v. 21.4.2020 - M 16 K 17.41340). Für eine erneute Einstellung des wieder aufgenommenen Flugverkehrs bestehen derzeit überdies keine Anhaltspunkte.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung von subsidiärem Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG.

Solcher ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, § 4 Abs. 1 AsylG. Die §§ 3c bis 3e AsylG gelten entsprechend, § 4 Abs. 3 AsylG.

3.1. Dem Kläger droht auch nach seinem Vorbringen weder die Verhängung noch die Vollstreckung der Todesstrafe, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

3.2. Auch wenn - wie hier nicht, s.o. 2.1. - von einer Bedrohung durch die Taliban auszugehen wäre, droht dem Kläger kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Denn selbst dann, wenn der Kläger in A ... eine Bedrohung befürchten müsste, bestünde für ihn - wie unter 2.2. Ausgeführt - mit den Provinzen Herat und Balkh eine interne Schutzalternative, § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG. Eine Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt auch nicht unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation in Afghanistan in Betracht, da es am erforderlichen Akteur fehlt, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG. Die humanitären Verhältnisse in Afghanistan beruhen gerade auf einer Vielzahl von Faktoren, zu welchen die allgemeine wirtschaftliche Lage, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen ebenso wie die Sicherheitslage gehören. Es ist jedenfalls nicht feststellbar, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (nichtstaatlicher) Akteur die maßgebende Verantwortung tragen. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde (vgl. VGH BW U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176).

3.3. Schließlich kann auch die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan nicht zur Zuerkennung subsidiären Schutzes führen. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hat der Kläger nach Überzeugung des Gerichts nicht zu befürchten. Dabei kann offenbleiben, ob die in Afghanistan oder in Teilen von Afghanistan stattfindenden Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher Konflikt zu qualifizieren sind, weil der Kläger nach Überzeugung des Gerichts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wäre (§ 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG). Bezüglich der Gefahrendichte ist zunächst auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die der Kläger typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BVerwGE 134, 188).

Auch wenn der Kläger aus der Provinz A ... stammt, ist hinsichtlich der Rückkehr jedoch zunächst auf die Stadt Kabul abzustellen, in der er im Falle einer Abschiebung wahrscheinlich ankommen wird. Für die Provinz Kabul ergibt sich nach den auf das Jahr 2019 bezogenen Zahlen der UN bei einer Bevölkerung von 4.679.648 Einwohnern und einer Zahl von 1.563 im Jahr 2019 getöteten und verletzten Zivilpersonen (vgl. UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2019, S. 94) eine Gefahrendichte von 0,03%, die erheblich unter der Schwelle beachtlicher Wahrscheinlichkeit liegt (vgl. dazu BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31918 - juris Rn. 24). Auch in seiner Heimatprovinz A ... erreicht unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung die allgemeine Gefährdungslage keine Intensität, aufgrund derer bereits ohne das Vorliegen individueller gefahrerhöhende Umstände von der Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auszugehen wäre. Bei einer Bevölkerungszahl von 1.338.597 Einwohnern und einer Zahl von 673 im Jahr 2019 getöteten und verletzten Zivilpersonen (vgl. UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflicts: 2019, Annex IV, Februar 2020, S. 94) liegt eine Gefahrendichte von 0,05% vor, die immer noch deutlich unter der Schwelle der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit liegt (vgl. dazu BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 23 und U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 13).

Vor allem aber liegt das Risiko in den möglichen Orten inländischen Schutzes Herat mit Herat-Stadt und Balkh mit Mazar-e Sharif, wie oben ausgeführt, erheblich unter der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit.

Diese Einschätzung wird darüber hinaus durch den Bericht von UNAMA für das dritte Quartal 2020 (UNAMA, Afghanistan Third Quarter Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 September 2020) bestätigt. Danach sind die zivilen Opferzahlen (für ganz Afghanistan) mit insgesamt 5.939 Getöteten und Verletzten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 30 v. H. zurückgegangen und haben den niedrigsten Stand für die ersten neun Monate eines Jahres seit 2012 erreicht.

Auch unter Berücksichtigung der jüngsten Anschläge (z.B. Raketenangriff im Zentrum Kabuls am 21. November 2020, Explosion einer Sprengfalle am 13. Dezember 2020 in Kabul) ändert sich die Risikosituation nicht wesentlich. Individuelle, gefahrerhöhende Umstände, die eine Gefährdung im obigen Sinne dennoch begründen könnten, sind beim Kläger nicht in einem rechtlich relevanten Maß ersichtlich. Der Kläger ging ferner keiner gefahrgeneigten Tätigkeit (zum Beispiel als Arzt, Journalist) im Krisengebiet nach und weist auch sonst keine gefahrerhöhenden Merkmale auf (s.o.).

Ebenso wenig ergibt sich bei der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und der Schwere der Schädigungen - Todesfälle und Verletzungen - bei der Zivilbevölkerung ein anderes Ergebnis. Angesichts des bei quantitativer Betrachtung niedrigen Risikos kann die gebotene qualitative Betrachtung hier auch im Übrigen nicht zu einem Anspruch des Klägers auf Gewährung subsidiären Schutzes führen (vgl. BayVGH, U.v. 6.7.2020 - 13a B 18.32817 - juris).

4. Ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht ebenfalls nicht.

4.1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht.

Ein Abschiebungsverbot gemäß auf § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. Eine solche ergibt sich zunächst nicht aus dem individuellen Verfolgungsvortrag des Klägers und der allgemeinen Gefährdungslage (vgl. dazu Ausführungen oben).

Ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG ergibt sich auch nicht aus der aktuellen humanitären bzw. wirtschaftlichen Lage in Afghanistan.

Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist nicht davon auszugehen, dass eine Abschiebung nach Afghanistan ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, U.v. 26.10.2020 - 13a B 20.31087, juris; BayVGH, U.v. 1.10.2020 - 13a B 20.31004; BayVGH, U.v. 6.7.2020 - 13a B 18.32817, juris Rn. 47). Das Gericht geht unter Berücksichtigung der tagaktuellen Erkenntnismittellage insoweit weiterhin davon aus, dass ein alleinstehender und arbeitsfähiger Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. Es bestehen grundsätzlich trotz großer Schwierigkeiten auch für Rückkehrer Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts, wobei die Rückkehrer aus dem Westen auf dem Arbeitsmarkt schon aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in einer vergleichsweise guten Position sind. Ausreichend ist die Möglichkeit einer hinreichenden Verständigung in einer der afghanischen Landessprachen, ein stützendes Netzwerk in Afghanistan ist hilfreich aber nicht erforderlich.

Zwar ist die Versorgungslage nach Auswertung der herangezogenen Erkenntnismittel in Afghanistan weiterhin schlecht (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand Juni 2020, S. 22 ff.). Soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt bei den Familien und Stammesverbänden. Es liegen jedoch keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zulassen, dass jeder alleinstehende, arbeitsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind damit weiterhin nicht erfüllt. Zudem liegen trotz hoher Rückkehrzahlen keine Erkenntnisse dahingehend vor, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31918, juris Rn. 32 und BayVGH, U.v. 6.7.2020 - 13a B 18.32817, juris Rn. 63).

Auch wenn die wirtschaftliche Lage in Afghanistan weiterhin angespannt ist und sich in Folge der Covid-19-Pandemie weiter verschärft hat, kann der erwerbsfähige volljährige Kläger bei seiner Rückkehr auch ohne Unterstützung seiner Familie den Lebensunterhalt sichern. Der 24-jährige Kläger spricht eine der Landessprachen (Dari) und ist offensichtlich arbeitsfähig (s.o.). Der Kläger arbeitet nach eigenen Angaben derzeit bei einer Gärtnerei und erledigt Erdarbeiten. Zuvor hat er über zwei Jahre in einem Restaurant gearbeitet. In Afghanistan hat der Kläger sieben Jahren Schulbildung genossen und im Iran als Fliesenleger gearbeitet. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger auch weiterhin in der Lage sein wird zu arbeiten.

Auch der Gesundheitszustand des Klägers steht seiner Erwerbstätigkeit und insoweit einer Rückkehr nach Afghanistan nicht entgegen. Der Kläger erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass er gesund sei.

Ohne dass es hierauf ankommt - s.o. - kann der Kläger voraussichtlich auf eine gewisse Unterstützung seitens seiner Familie zählen. Zwar gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, dass sein Vater mittlerweile in den Iran gezogen sei, dass dies aber bei der weiteren (Groß-)Familie auch der Fall sei und auchch eine finanzielle Unterstützung ausscheide, wurde nicht vorgetragen.

Auch die Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung durch die Corona-Pandemie führt zu keinem anderen Ergebnis.

Nach den am 10. Dezember 2020 vorgelegten Zahlen des Afghanischen Ministry of Public Health waren zu diesem Zeitpunkt 48.753 Personen mit dem Coronavirus infiziert, 38.221 galten als genesen und 1.939 Personen waren am Coronavirus verstorben. Getestet wurden 165.463 Personen (OCHA: Afghanistan - Strategic Situation Report: COVID-19, No. 87, 10.12.2020, S. 1).

Nachdem für verschiedene Städte und Regionen Ausgangsbeschränkungen bis 24. Mai 2020 bestanden, wurden diese zwischenzeitlich bis heute verlängert, werden aber jedenfalls im Wesentlichen nicht mehr durchgesetzt (OCHA: Afghanistan - Strategic Situation Report: COVID-19, No. 71, 27.8.2020, S. 3; BAMF, Briefing Notes - Gruppe 62 v. 7.9.2020, S. 2). Auch die Verhaltensempfehlungen werden nicht überall beachtet. Zwischenzeitlich können beispielsweise die Bewohner von Kabul wieder ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen (OCHA, Afghanistan - Brief No. 48 COVID-19, 28.5.2020, S. 3; OCHA, Afghanistan - Brief No. 55 COVID-19, 21.6.2020, S. 3f; BAMF, Briefing Notes Gruppe 62, 15.6.2020, S. 1; EASO Special Report: Asylum Trends and Covid-19, June 2020, S. 11). Der Verdienst von ungelernten Kräften liegt derzeit bei 300 - 400 AFG pro Tag. Die Anzahl der Tage pro Woche, an denen Arbeit zur Verfügung steht, liegt zwischen zwei (Kabul) und sechs (Bamyan) (BAMF, Briefing Notes - Gruppe 62 v. 14.9.2020, S. 1). In den meisten Städten haben Geschäfte und Restaurants geöffnet (OCHA, Afghanistan - Strategic Situation Report: COVID-19, No. 65, 26.7.2020, S. 2).

Die in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen können weiterhin ihrer Tätigkeit nachgehen, wobei die bestehenden Beschränkungen die Tätigkeit zunehmend weniger behindern (z.B. OCHA: Afghanistan - Strategic Situation Report: COVID-19, No. 71, 27.8.2020, S. 2). Neben Hilfe bei der Bewältigung der Corona-Pandemie leisten sie auch humanitäre Hilfe für Rückkehrer (OCHA: Afghanistan - Brief No. 55 COVID-19, 21.6.2020, S. 2). Daneben ist eine Kultur der Großzügigkeit, des Freiwilligendienstes und der Fürsorge innerhalb der Gemeinschaft wieder zum Vorschein gekommen. Landesweit verzichten viele Vermieter auf die Miete, Schneider verteilen tausend selbstgemachte Gesichtsmasken, Sportler liefern Lebensmittel an Krankenhäuser und Familien in Not (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Kurzinformation der Staatendokumentation - COVID 19 Afghanistan; Stand: 2.4.2020, S. 1f).

Eine durch die Corona-Pandemie drastische Verschärfung der Versorgungslage mit Nahrungsmitteln ist derzeit nicht feststellbar. Zwar sind die Preise für Lebensmittel durchschnittlich 10% - 20% gestiegen, während das Einkommen der Haushalte Corona bedingt wegen eingeschränkter Erwerbsmöglichkeiten gesunken ist, wobei Einwohner ländlicher Gebiete nicht so stark betroffen sind, da sie die Möglichkeit der Selbstversorgung haben, im Gegensatz zur städtischen Bevölkerung (IPC, Afghanistan - Acute Food Insecurity Analysis April 2020 - November 2020, May 2020, S. 3; ACCORD, Afhganistan - COVID 19, 5.6.2020, S. 4). Auch konnte erreicht werden, dass die Grenzübergänge in den Iran, nach Pakistan, Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan für den Güterverkehr weiterhin geöffnet sind (OCHA, Afghanistan - Strategic Situation Report: COVID-19, No. 77, 17.9.2020, S. 2). Kasachstan, der Hauptlieferant Afghanistans mit Weizen, hat seine Exportbeschränkungen inzwischen aufgehoben (IPC, Afghanistan - Acute Food Insecurity Analysis April 2020- November 2020, May 2020, S. 2). Lokale Führer profilieren sich zudem, in dem sie u.a. gegen Preistreiberei vorgehen. Auch hat eine Reihe von Religionsgelehrten und afghanische Bürger/innen die Geschäftswelt und die Händler aufgefordert, von Preistreiberei und Hamstern Abstand zu nehmen (Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Kurzinformation der Staatendokumentation - COVID-19 Afghanistan; Stand: 2.4.2020, S. 2). Nach der Ernte wird mit einer Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung gerechnet (IPC, Afghanistan - Acute Food Insecurity Analysis April 2020- November 2020, May 2020, S. 3).

Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger bei einer Rückkehr auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie nicht jedwede Möglichkeit genommen ist, seine Existenz zu sichern.

Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich bei den Ausgangsbeschränkungen und wirtschaftlichen Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie um ein temporäres Phänomen handelt. Auch kann der Kläger als Rückkehrer von verschiedenen Rückkehrhilfen profitieren (z.B. REAG/GARP- und des ERRIN-Programm). Für einen alleinstehenden Mann umfasst das "REAG/GARP-Programm 2020" neben der Übernahme der Reisekosten, eine Reisebeihilfe in Höhe von 200 EUR, medizinische Unterstützung bis zu 2.000 EUR für drei Monate sowie eine Starthilfe in Höhe von 1.000 EUR (vgl. REAG/GARP-Programm 2020, https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/reag-garp). Hinzu kommen die kumulativ zur Verfügung stehenden Leistungen nach dem Europäischen Rückkehr- und Reintegrationsprogramm "ERRIN" (vormals "ERIN"). Diese beinhalten z.B. Services bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und karitativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche sowie Hilfestellungen bei der Existenzgründung. Die Unterstützung wird über eine vor Ort tätige Partnerorganisation in Form von Sachleistungen gewährt und kann bei einer freiwilligen Rückkehr Leistungen im Wert von bis zu 2.000 EUR, bei rückgeführten Personen bis zu 1.500 EUR umfassen (vgl. Informationsangebote des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Internet, Stand: Februar 2020).

4.2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Ein Abschiebungsverbot wegen allgemeiner Gefahren - wie die Corona-Pandemie eine darstellt - kommt schon allein auf Grund der Sperrwirkung des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht in Betracht. Sind zudem die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht erfüllt, so scheidet auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus, da die hierfür extreme Gefahrenlage nicht vorliegt (vgl. BayVGH U.v. 21.11.18 - 13a B 30632 - juris unter Bezugnahme auf VGH BW U.v. 12.10.18 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 453). Individuelle Umstände in der Person des Klägers, insbesondere gesundheitlicher Art, die eine andere Beurteilung rechtfertigen, sind nicht ersichtlich; der Kläger ist gesund (s.o.).

Auch die mögliche Gefahr des Klägers am Coronavirus schwer zu erkranken oder daran zu versterben, rechtfertigt kein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen. Der Kläger ist jung und gesund, so dass weder dargelegt noch sonst ersichtlich ist, dass ihn ein besonderes Risiko trifft, bei einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus schwer zu erkranken oder gar zu versterben (vgl. zu den Risikogruppen: Steckbrief des Robert-Koch-Institut, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html, abgerufen am 30.10.2020). Es ist daher nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger schwerwiegend oder gar lebensbedrohlich erkranken würde.

5. Die nach Maßgabe der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nach Afghanistan ist in rechtlicher Hinsicht gleichfalls nicht zu beanstanden. Das gemäß § 11 Abs. 2, Abs. 3 AufenthG festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot von 30 Monaten begegnet keinen Bedenken.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.

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