LG Hanau, Urteil vom 03.02.2021 - 6 O 49/20
Fundstelle
openJur 2021, 17553
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger erhebt Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung sowie auf Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger betreibt in XXX die XXX, die über zwei Gasträume, einen Biergarten und einen Saal für Feierlichkeiten verfügt.

Auf dem gleichen Gelände befinden sich auch das Hotel XXX und weitere Räumlichkeiten unterschiedlicher Größen für Tagungen, Seminare und Familienfeierlichkeiten. Diese Räumlichkeiten wie auch das Hotel werden nicht vom Kläger, sondern der Eigentümerfamilie XXX betrieben. Der Kläger bewirtet in der Regel die von Gästen angemieteten Tagungs- und Seminarräumlichkeiten.

Die Parteien schlossen eine Betriebsschließungsversicherung mit einer versicherten Tagesentschädigung von 4.056,00 €. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen BS 311/05 zugrunde.

Gemäß Buchstabe A § 1 I dieser Bedingungen bietet die Versicherung Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz-IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger

1. den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; als Schließung ist es auch anzusehen, wenn sämtliche Betriebsangehörige Tätigkeitsverbote erhalten.

In Ziffer III findet sich folgende Regelung:"Welche Krankheiten und Krankheitserreger sind meldepflichtig?Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger sind die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: ...."

Es folgt eine Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern.

Covid-19 sowie das auslösende Virus SARS-COV-2 finden sich in dieser Aufzählung nicht.Diese wurden durch das zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 mit Wirkung zum 23. Mai 2020 in die §§ 6 und 7 IFSG aufgenommen.

Gemäß § 2 Abs. I Nr. 1 ersetzt die Beklagte im Falle einer versicherten Schließung die vereinbarte Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur Dauer von 30 Schließungstagen. Tage, an denen der Betrieb auch ohne behördliche Schließung geschlossen wäre, zählen dabei nicht als Schließungstage.

Durch die vierte Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 17.03.2020 wurde in § 2 u. a. verfügt, dass Gaststätten frühestens ab 6.00 Uhr zu öffnen und spätestens ab 18.00 Uhr zu schließen seien und Speisen und Getränke nur zur Abholung oder Lieferung anbieten dürfen.

Vor der Corona-Krise hatte der Kläger sein Lokal jeweils ab 17.00 Uhr geöffnet.

Mit Schreiben vom 03.04.2020 meldete der Kläger bei der Beklagten den Schaden an. Die Beklagte bot mit Schreiben vom 23.04.2020 eine Zahlung in Höhe von 15 % der vereinbarten Tagesentschädigung für die Dauer der versicherten Schließungszeit im Vergleichswege an.

Der Kläger behauptet, er habe sein Lokal vom 17.03. bis 15.05.2020 geschlossen gehabt. Er, der Kläger, habe weder vor noch nach Erlass der vierten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus Speisen und Getränke zum Mitnehmen angeboten. Soweit er dies einmal Ende März 2020 und an den Osterfeiertagen getan habe, habe es sich im März 2020 um eine karitative Aktion gehandelt, währenddessen er mit dem Verkauf von Speisen zum Mitnehmen an Ostern keinen Gewinn generiert habe.

Der Kläger vertritt die Ansicht, der Corona-Virus und die durch ihn verursachte Krankheit Covid-19 seien solche im Sinne der versicherten Betriebsschließung. Die Aufzählung in § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 der BS 311/05 sei lediglich als Information des Versicherungsnehmers über die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende Gesetzeslage aufzufassen und nicht als Limitierung dahingehend, dass eine spätere Gesetzesänderung durch Aufnahme neuer Krankheiten und/oder Erreger keine Auswirkungen auf das Versicherungsverhältnis haben solle. Die entsprechende Klausel habe daher nur erläuternde und keine regelnde Funktion. Dies entspreche auch dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Bei einem anderen Verständnis des Inhalts der Klausel sei diese als intransparent und überraschend zu werten.

Er meint, aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Angelegenheit sei für die außergerichtliche Vertretung eine 1,8-fache Gebühr anzusetzen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 121,680 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.4.2020 sowie 40 € Verzugspauschale zu zahlen

1.1. hilfsweise

a.) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 121.680 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.4.2020 sowie 40 € Verzugspauschale Zug um Zug gegen Abtretung von Entschädigungsansprüchen der Betriebsschließungen des Betriebs des Klägers nach dem Infektionsschutzgesetz verfügenden Behörden bis zur Höhe der Klageforderung zu zahlen,

b.) festzustellen, dass sich die Beklagte im Verzug der Annahme der Abtretung befindet

2. Die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 3.338,94 € freizustellen

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Aufzählung der Krankheiten/Erreger in den BS 311/05 sei abschließend. Alle dort nicht genannten Erreger/Krankheiten seien daher vom Versicherungsschutz nicht umfasst. Zudem unterfielen präventive Gesundheitsmaßnahmen nicht der Betriebsschließungsversicherung, da diese nur betriebsinterne Gefahren umfasse. Erforderlich sei daher eine konkrete behördliche Anordnung gegenüber dem Betrieb des Versicherungsnehmers. Die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsverordnung sei zudem unwirksam. Des Weiteren habe sich der Kläger erhaltene Corona-Hilfen und Kurzarbeitergeld auf einen etwaigen Anspruch anrechnen zu lassen. Der Kläger, so behauptet sie, habe staatliche Unterstützungsleistungen in Höhe von 85.176,00 € erhalten. Schlussendlich sei aber auch keine behördlich verfügte vollständige Betriebsschließung erfolgt, da der Kläger ja auch Speisen zum Mitnehmen habe anbieten können.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus der abgeschlossenen Betriebsschließungsversicherung zu.

Das Corona-Virus SARS-COV-2 und die durch ihn ausgelöste Krankheit Covid-19 zählt nicht zu den Krankheiten und Krankheitserregern im Sinne der zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen. Buchstabe A § 1 Abs. 3 enthält folgende Regelung:

"Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger sind die folgenden, im IFSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:"

In den im Folgenden unter Ziffer 1 und 2 aufgeführten Krankheiten und Krankheitserregern finden sich weder das Corona-Virus noch die Erkrankung Covid-19.

Nach dem Inhalt dieser Regelung sind nur und ausschließlich die dort aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger und die hierdurch ausgelösten Betriebsschließungen vom Versicherungsschutz umfasst. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann die entsprechende Klausel nicht anders verstehen. Der Begriff "namentlich" ist hier nicht im Sinne von "insbesondere" zu verstehen. Vielmehr ist die Klausel dahingehend zu verstehen, dass nur die explizit in § 6 und 7 IfSG aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger überhaupt den Versicherungsfall auszulösen vermögen.

Weder das Corona-Virus noch die durch ihn ausgelöste Krankheit waren in dem Zeitraum, für welchen der Kläger Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erhebt, in den §§ 6 und 7 IfSG aufgezählt. Selbst wenn aber § 1 Abs. 3 der BS 311/05 dahingehend zu verstehen wäre, dass die in §§ 6 und 7 IfSG in der jeweils zum Zeitpunkt der Betriebsschließung geltenden aktuellen Fassung genannten Erreger und Krankheiten vom Versicherungsvertrag umfasst wären, würde dies dem Kläger nicht weiterhelfen. Im klagegegenständlichen Zeitraum vom 17.03. bis 15.05.2020 waren Corona-Virus und die hierdurch ausgelöste Krankheit nicht im Katalog der §§ 6 und 7 IFSG enthalten.

Ungeachtet dessen liegt nach Auffassung der Kammer auch keine versicherte Betriebs-schließung im Sinne von § 1 Abs. 1 der Versicherungsbedingungen vor. Eine behördliche Schließungsverfügung gegenüber dem Betrieb des Klägers ist nicht ergangen. Wie die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BS 311/05 zeigen, sind generalpräventive Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Verbreitung von nicht im Betrieb des Versicherungsnehmers aufgetretenen Krankheiten nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Erforderlich ist vielmehr eine behördliche Anordnung aufgrund dessen, dass im Betrieb des Versicherungsnehmers eine Krankheit oder ein Krankheitserreger des Katalogs der §§ 6, 7 IFSG aufgetreten ist oder dies auf die im versicherten Betrieb beschäftigten Personen zutrifft.

Auch diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben.

Mangels entsprechender begründeter Hauptforderung scheidet auch ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 709 ZPO.

Zitate0
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte