LG Regensburg, Beschluss vom 09.03.2021 - SR StVK 597/14
Fundstelle
openJur 2021, 17511
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die JVA Straubing dem Verurteilten im zurückliegenden Zeitraum eine Betreuung angeboten hat, welche den gesetzlichen Voraussetzungen des § 66c Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StGB entspricht.

2. Die Frist für eine erneute Prüfung nach § 119a StVollzG wird auf 4 Jahre festgesetzt.

3. Der Gegenstandswert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Mit Urteil des Landgerichts Leipzig vom 08.07.2011, rechtskräftig seit dem 11.01.2012, wurde Herr wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Darüber hinaus wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Der Verurteilung lag im Wesentlichen zugrunde, dass der gesondert verfolgte am 24.10.20210 gegen 01:30 Uhr in der Nähe des Leipziger Hauptbahnhofes dem ihm völlig unbekannten 19jährigen Iraker grundlos im Einverständnis mit dem Verurteilten mehrfach in Verletzungsabsicht mit der Faust ins Gesicht schlug. Als sich der Geschädigte wehren wollte, schlug der auf ihn ein, brachte ihn trotz heftiger Gegenwehr zu Boden und sprühte ihm Reizgas ins Gesicht. Im Anschluss stach der Verurteilte dem am Boden liegenden, erheblich beeinträchtigten Geschädigten mit einem hierfür mitgeführten Klappmesser massiv in die linke Bauchseite. Das Messer drang ca. 12 cm nach oben und 8 cm tief in den Körper des Geschädigten ein. Anschließend versetzte er ihm einen weiteren Stich in den Oberbauch. verstarb noch am gleichen Tag an den Folgen des Messerstichs. Der Verurteilte handelte aus niedrigen Beweggründen. Zudem war die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten infolge vorangegangenen Alkoholgenusses mit maximal 2,44 ‰ erheblich vermindert.

Zur Vorgeschichte der Tat stellte das erkennende Gericht fest, dass der Verurteilte überzeugter Neonazi und nahezu sein gesamter Körper von Tätowierungen, zum größten Teil rechtsextremen Inhalts, übersäht ist. Am Tattag, 10 Tage nach der Entlassung aus einer Strafhaft, hatte sich der Verurteilte bewusst bewaffnet und ging mit dem auf "Kameradentour".

Zum Tatgeschehen stellte das erkennende Gericht fest, dass der Verurteilte erkannt hat, dass es sich bei dem Tatopfer um einen Menschen mit Migrationshintergrund handelt und deshalb das Opfer ein nun passendes Objekt für Aggressionen ist. Der Geschädigte nahm im persönlichen, beim Verurteilten seit Jahren in ihm verankerten Wertesystem, allein aufgrund seines "Nichtdeutschseins" einen der untersten Plätze ein und hatte für den Verurteilten deshalb keinen eigenen Wert. Der Verurteilte befand aufgrund seiner tief eingewurzelten Neigung zu Ausländerhass und nazionalsozialistischem Gedankengut, dass ein Angriff mit einem Messer gegen das ausländische Opfer seinem "Auftrag" entspricht. Im Rahmen der Strafzumessung stellte das erkennende u.a. erschwerend für den Verurteilten fest, dass er zum Tatzeitpunkt unter Führungsaufsicht stand und erst zehn Tage vor der Tat aus der Haft entlassen worden war.

Zum Hang wird festgestellt, dass der Verurteilte ab seinem 14. Lebensjahr bislang 16 Jahre in Haft verbracht und ihn die Haft nicht von der Begehung neuer Straftaten abgehalten hat. Die innere Haltlosigkeit, Empathiedefizite und die Einstellung, dass das Leben bzw. die körperliche Unversehrtheit anderer keine Rolle spielt, zeigt sich auch in dem Verhalten des Verurteilten in Haft, dem mit zahlreichen Disziplinarverfahren begegnet werden musste. Die Entwicklungs- und Strukturdefizite, die nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Lammel zu einer dissozial-kriminellen Fehlentwicklung führten, führen zur Bejahung des Hangs im Sinne des § 66 StGB. Es ist auch von einem unzureichend verinnerlichten moralischen Normensystem auszugehen, dass ihn immer wieder zu kriminellen Handlungen neigen lassen wird. Die Kriminalprognose kann nur als absolut negativ eingestuft werden. Dies führt dazu, dass davon auszugehen ist, dass der Verurteilte, käme er freien Fuß, in unmittelbarer Zukunft erneut Gewaltstraftaten begehen würde. Unter Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen Dr. Lammel hat die Strafkammer ausgeführt, dass ohne eine echte intensive verhaltenstherapeutische Behandlung eine Änderung im Verhalten des Verurteilten fernliegend ist. Die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Station ist bereits einmal gescheitert. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass alleine dadurch eine echte Verhaltensänderung vorzunehmen ist.

2. Zuvor war der Verurteilte mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Sein BZR enthält insgesamt 12 teilweise einschlägige Vorverurteilung u.a. wegen Raubes, Diebstahls, Körperverletzungen und Vergewaltigung zu mehrjährigen Haftstrafen. Mehrere der Taten wurden während der Strafhaft zu Lasten von Mitgefangenen begangen.

Besonders herauszuheben ist die Verurteilung des LG Erfurt vom 21.12.2000 wegen Vergewaltigung in 3 Fällen, gefährlicher Körperverletzung in 5 Fällen und vorsätzlicher Körperverletzung in 2 Fällen sowie versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren. Den Taten lag zu Grunde, dass der Verurteilte in der JVA Gotha seinen Zellenkameraden über mehrere Tage quälte und misshandelte, in dem er ihn schlug, trat, brannte, verbrühte, würgte, mit dem Tod bedrohte, ihn zwang, seinen Penis zweimal in den Mund zu nehmen und ihm gewaltsam eine Kleiderstange rektal einführte.

Zuletzt wurde der Verurteilte durch Urteil des Landgerichts Erfurt vom 19.10.2017 (2 KLs 403 Js 32583/14) wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer weiteren Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt, wobei 2 Monate der verhängten Strafe wegen Gründen der Verfahrensverzögerung als verbüßt gelten.

3. Die genannten Freiheitsstrafen werden seit 02.12.2014 in der Justizvollzugsanstalt Straubing vollstreckt. Der gemeinsame 2/3-Zeitpunkt wurde am 22.06.2020 erreicht. Das Strafende ist auf den 23.05.2025 vorgemerkt. Daran schließt sich der Beginn der Sicherungsverwahrung an.

Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 01.12.2015 wurde festgestellt, dass das Angebot der JVA Straubing im zurückliegenden Zeitraum den gesetzlichen Voraussetzungen entsprochen hat. Zugleich wurde die Frist für die erneute Prüfung auf 5 Jahre festgesetzt. Der Beschluss wurde dem Verteidiger zugestellt am 07.12.2015.

In diesem Verfahren wurde ein Gutachten des Sachverständigen Dr. Neudecker vom 15.09.2015 erholt. Der Inhalt des Gutachtens wird im Beschluss vom 01.12.2015 wie folgt zusammengefasst:

"Das Gutachten basiert auf der fachpsychiatrischen Untersuchung des Verurteilten am 09.09.2015 und 10.09.2015 in der JVA Straubing, der diesem Verfahren zugrunde liegenden Vollstreckungsakte, dem Vorgutachtens sowie der von der Staatsanwaltschaft Leipzig geführten Strafakte. Weiter wurde die Gefangenenakte in der JVA Straubing durch den Sachverständigen in Auszügen eingesehen.

Der Sachverständige kommt zusammenfassend zu dem nachvollziehbaren und umfassend begründeten Ergebnis, dass beim Verurteilten die unbehandelte Gewaltproblematik im Vordergrund stehe. Der Verurteilte habe in der Vergangenheit bereits einmal eine Sozialtherapie abgebrochen. Derzeit sei der Verurteilte als unbehandelter, schwerer und stark rückfallgefährdeter Gewaltstraftäter mit erheblichem Veränderungsbedarf einzustufen. Dies habe sich auch darin gezeigt, dass der Verurteilte im Rahmen der Begutachtung sich ausgesprochen defizitär mit dem verfahrensgegenständlichen Delikt auseinandergesetzt habe. So habe der Verurteilte u.a. geäußert, er habe keinen Bezug zum Tatopfer und dessen Tod gehe ihm "am Arsch vorbei". Darin komme auch die dissoziale Persönlichkeitsstörung des Verurteilten zum Ausdruck. Anders als nach Einschätzung von Prof. Dr. Lammel im Rahmen des Vorgutachtens anlässlich des Anlassurteils erfülle der Verurteilte sämtliche Kriterien einer dissozialen Persönlichkeitsstörung.

Zur Therapiemotivation führt der Sachverständige aus, dass beim Verurteilten jegliche Motivation zur Veränderung fehle. Es sein keinerlei Therapiemotivation zu erkennen. Eine Einsicht in die eigene Behandlungsbedürftigkeit sei nicht vorhanden. Der Verurteilte habe ihm gegenüber angegeben, dass er in den nächsten fünf Jahren nichts machen werde und nur vor sich hinvegetieren werde. Auch sei eine gewaltfreie Konfliktlösung für ihn nicht immer eine Alternative. Er könne sich nicht vorstellen Konflikte immer ohne Gewalt zu lösen.

Es sei festzuhalten, dass beim Verurteilten aufgrund der festgestellten Delikt- und Persönlichkeitsproblematik weiterhin klar und eindeutig die Indikation für eine Sozialtherapie mit Schwerpunkt Gewalt zu stellen sei. Hierzu sollten zunächst therapievorbereitende Maßnahmen erfolgen.

Insgesamt sei jedoch festzustellen, dass die Vollzugsbehörde dem Verurteilten zur Verbesserung der Kriminalprognose und zur Vorbereitung auf eine möglichst baldige Entlassung eine sozialtherapeutische Behandlung angeboten habe. Auch seien dem Verurteilten Maßnahmen zur Ordnung der finanziellen und familiären Verhältnisse in Vorbereitung auf den sozialen Empfangsraum angeboten worden. Bisher habe der Verurteilte alle diese Angebote ausgeschlagen. Auch bezüglich der Förderung der Mitarbeitsbereitschaft seien keine Defizite im Vollzugsplan zu erkennen.

Als Verbesserung für die Zukunft werde lediglich vorgeschlagen, dass, falls ein entsprechender Wunsch beim Verurteilten bestehe, beratende und kontaktanbahnende Gespräche definierter Länge und Dauer zur Vorbereitung auf die Teilnahme an einer niedrigschwelligen Gruppe zur Therapiemotivation erfolgten sollten. Beide Maßnahmen sollten jedoch zeitlich befristet sein. Voraussetzung ist und bleibe jedoch die Bereitschaft des Verurteilten, dies als Vorstufe zu einer Sozialtherapie aktiv für sich zu nutzen und an diesen Maßnahmen mitzuarbeiten.

Nach Meinung des Sachverständigen sind insoweit keine Vorschläge zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft angezeigt und auch nicht zur Verbesserung und Ergänzung des Vollzugsplans."

4. Die Strafvollstreckungskammer hat von Amts wegen gemäß § 119a Abs. 1, Abs. 3 StVollzG am 14.12.2020 ein Überprüfungsverfahren eingeleitet. Mit Schreiben vom 13.01.2021 hat die Justizvollzugsanstalt Straubing eine Stellungnahme abgegeben und den aktuellen Vollzugsplan vom 22.07.2020 vorgelegt.

Zum bisherigen Verlauf des Strafvollzugs sowie etwaigen angebotenen und angedachten Therapien, Therapiebemühungen und Erfolgen führte die JVA in der Stellungnahme aus, dass zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorherige Stellungnahme vom 02.04.2015 Bezug genommen wird. Das vollzugliche Verhalten habe einen recht negativen Verlauf genommen und seien weitere 14 Disziplinarverfahren wegen verschiedener Verstöße durchgeführt worden. Der Arbeitspflicht komme der Gefangene nach und bestehe Kontakt zu Angehörigen. Nach wie vor habe der Verurteilte bis Oktober 2019 Motivationsgespräche zum Thema Sozialtherapie verweigert. Auch zu den geforderten Einzelgesprächen mit dem psychologischen Dienst habe er keine Bereitschaft gezeigt. Erstmals im April 2020 sei es wieder zu einem Gespräch bezüglich einer Behandlung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung gekommen. Eine solche lehne der Verurteilte jedoch innerhalb des Bayerischen Strafvollzuges ab. Eine Änderung der grundlegenden Einstellung zur Therapie habe sich nicht ergeben. Eine therapeutische Aufarbeitung der festgestellten Gewaltproblematik habe wegen der ablehnenden Haltung nicht erreicht werden können.

Aus dem Vollzugsplan vom 22.07.2020 ergibt sich ergänzend, dass die Indikationsprüfung auf Grundlage der mannigfaltigen schweren Delinquenz und gewaltfördernden Persönlichkeitsdefizite eine Sozialtherapie für Gewaltstraftäter als dringend indiziert erbracht hat. Des Weiteren sind eine sozialtherapievorbereitende niederschwellige Maßnahme zur Überprüfung der Gruppenfähigkeit sowie der Veränderungsbereitschaft als notwendig erachtet worden. Hierzu sind das Antigewalttraining sowie die sozialpädagogische Gruppe als auch ein soziales Kompetenztraining aufgeführt. Daneben habe er sich an die externe Suchtberatung zu wenden und Maßnahmen nach deren Einschätzung wahrzunehmen. Der Gefangene nutze aber weder das Beratungsangebot noch das Angebot des zuständigen Sozialdienstes. Er sei hierüber informiert und wisse, dass er sich bei Bedarf mit Antragsschein an den zuständigen Sozialdienst wenden müsse. Er werde auch regelmäßig zur Teilnahme durch Motivationsgespräche unterstützt. Diese hat er jedoch regelmäßig verweigert und zeige kein Interesse an der Teilnahme am Behandlungsvollzug. In den letzten zwei Motivationsgesprächen, zu denen er tatsächlich erschienen sei, habe er weiterhin eine grundsätzliche Verweigerungshaltung gegenüber einer sozialtherapeutischen Einrichtung gezeigt und sehe er keinen Sinn, in Bayern eine Therapie zu machen. Vielmehr möchte er heimatnah verlegt werden, habe ein Verlegungsgesuch aber noch nicht gestellt. Er wolle heimatnah eine Sozialtherapie absolvieren. Bisher habe er sich nicht für eine sozialttherapeutische Maßnahme für Gewaltstraftäter beworben. Hinsichtlich der Beschäftigungs- und Fortbildungssowie der Freizeitangebote sei er informiert und könne sich bei Interesse mit Antragsschein bewerben, was er bis dato jedoch nicht getan habe.

Mit Verfügung vom 13.01.2021 wurde dem Verurteilten ein Rechtsanwalt beigeordnet, § 119a Abs. 6 S. 1 StVollzG.

Die Stellungnahme der Anstalt samt Anlagen wurde dem Verurteilten, dem beigeordneten Rechtsanwalt sowie der Staatsanwaltschaft mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zugeleitet.

Die Staatsanwaltschaft hat am 22.01.2021 Stellung genommen.

Der Rechtsanwalt des Verurteilten hat am 27.01.2021 Fristverlängerung bis Ende Februar 2021 beantragt, welche ihm gewährt wurde.

Weiterführende Stellungnahmen gingen bei Gericht nicht mehr ein. Einer mündlichen Anhörung bedarf es nicht, §§ 119a Abs. 6 S. 3 i. V. m. § 115 Abs. 1 S. 1 StVollzG.

II.

Hat das erkennende Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Urteil, nach Vorbehalt oder nachträglich angeordnet oder sich eine solche Anordnung im Urteil vorbehalten, ist dem Täter schon im Strafvollzug eine Betreuung im Sinne von § 66c Abs. 1 Nr. 1, insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung anzubieten mit dem Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung oder deren Anordnung möglichst entbehrlich zu machen, § 66c Abs. 2 StGB.

Nach § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB ist dem Betroffenen auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anzubieten, die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht erfolgversprechend sind und die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann.

Das Gericht stellt während des Vollzugs der Freiheitsstrafe von Amts wegen fest, ob die Vollzugsbehörde dem Gefangenen im zurückliegenden Zeitraum (retrograde Prüfung) eine Betreuung angeboten hat, die § 66c Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StGB entspricht. Soweit die Betreuung nicht diesen Anforderungen entsprochen hat, stellt das Gericht fest, welche bestimmten Maßnahmen die Vollzugsbehörde dem Gefangenen bei sich nicht wesentlich ändernder Sachlage künftig anzubieten hat, um den gesetzlichen Anforderungen an die Betreuung zu genügen, § 119a Abs. 1 StVollzG. Gegenstand der Überprüfung ist dabei stets nur das Angebot im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB (BT-Drucksache 17/9874, Seite 28).

Bei dem zurückliegenden Zeitraum wird auf den Zeitraum abgestellt, seitdem die Freiheitsstrafe vollzogen bzw. seit Bekanntgabe der letzten Beschlussfassung gemäß § 119a Abs. 1 StVollzG weiter vollzogen wurde (§ 119a Abs. 3 S. 3 StVollzG). Der zurückliegende Zeitraum umfasst die gesetzliche Regeldauer oder die im Vorbeschluss genannte abweichende Prüfungsfrist. Sie wird im Regelfall durch den Ablauf der Prüfungsfrist begrenzt. Bei einem Folgeverfahren ist es dabei im Rahmen einer rückblickenden Gesamtbetrachtung geboten, die Zeit seit dem Ablauf des vorangegangenen Prüfungszeitraums bis zur Bekanntgabe des vorangegangenen Beschlusses nach § 119a StVollzG mit in die Bewertung einzubeziehen (OLG Nürnberg vom 22.02.2016, 1 Ws 6/16).

Übertragen auf den aktuellen Prüfungsfall ist somit für die zu treffende Feststellung hinsichtlich des zurückliegenden Zeitraums auf den Zeitraum zwischen dem 07.12.2015 und dem Ablauf der Prüfungsfrist am 06.12.2020 abzustellen und im Rahmen einer rückblickenden Gesamtbetrachtung die Zeit ab dem 01.06.2015 in die Bewertung miteinzubeziehen.

Auf Grund der oben dargestellten Ausführungen und des bisherigen Vollzugsverlaufes war festzustellen, dass die im zurückliegenden Zeitraum angebotene Betreuung im Rahmen der in der JVA Straubing vollzogenen zeitigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Leipzig den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat. Die Kammer schließt sich dabei nach eigener kritischer Überprüfung den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen und Einschätzungen der JVA Straubing zu den geeigneten, erforderlichen und unterbreiteten Therapieangeboten an, welche im Einklang mit den Erkenntnissen des Sachverständigen Dr. Lammel sowie insbesondere mit den Erkenntnissen des zuletzt tätigen Sachverständigen Dr. Neudecker, der 2015 genau zu dieser Frage ein Sachverständigengutachten erstattet hat, stehen. Angesichts der fehlenden Änderungen im Vollzugsverlauf haben die Erkenntnisse der Sachverständigen weiterhin uneingeschränkte Relevanz.

Demnach ist unter Berücksichtigung vorliegender Quellen und Erkenntnisse sowie unter Berücksichtigung der Anlass- und Vordelinquenz und der hierauf aufbauenden Indikationsprüfung der JVA die Durchführung der Sozialtherapie für Gewaltstraftäter das probateste und beste Mittel zur Minderung der Gefährlichkeit und zur Vorbereitung des Verurteilten auf eine Entlassung. Zugleich ist es angesichts der fehlenden Therapiemotivation des Verurteilten angezeigt, diesen durch niederschwellige Maßnahmen, nämlich durch die im Vollzugsplan genannten niederschwelligen Gruppenmaßnahmen als auch durch Einzelgespräche auf die Absolvierung einer Sozialtherapie vorzubereiten. Nicht zuletzt gilt es, in Folge des problematischen Alkoholumgangs des Verurteilten, Gespräche bei der externen Suchtberatung zur Klärung weiteren Behandlungsbedarfes wahrzunehmen. Sowohl dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Neudecker als auch der Vollzugsplanung der JVA Straubing, die hiermit in Einklang steht, ist kein Defizit diesbezüglich zu erkennen. Vielmehr ist ersichtlich, dass der Verurteilte bei entsprechender Therapiemotivation und Bereitschaft in die Sozialtherapie verlegt werden könnte, welche in seinem Fall von allen Beteiligten als die am sinnvollsten zielführende therapeutische Maßnahme angesehen wird. Hierfür wird der Verurteilte auch unzweifelhaft hinreichend motiviert, lehnt diese Motivationsgespräche im Wesentlichen seit vielen Jahren ab. Auch die zuletzt stattgefundenen zwei Motivationsgespräche, zu denen der Verurteilte tatsächlich erschienen ist, haben nicht zu einer grundsätzlichen Veränderung der Therapiemotivation geführt. Weitere therapeutische Angebote, welche dem Verurteilten derzeit unterbreitet werden müssten, sind nicht ersichtlich, zumal ihm vorrangig (§ 66c Abs. 2 StGB) eine in seinem Fall geeignete sozialtherapeutische Behandlung anzubieten ist.

Die sich aus § 66c Abs. 2 StGB ergebende Verpflichtung der Einrichtung, eine Sozialtherapie anzubieten, bedeutet aber nicht, dass diese auch bundesweit angeboten werden müsste. Angesichts des förderalistisch geregelten Strafvollzugs in der Bundesrepublik Deutschland ist der Verurteilte zunächst auf die im Strafvollzug in Bayern vorgehaltenen therapeutischen Angebote zu verweisen. Aus dem gesetzlich verpflichtenden Betreuungsangebot ergibt sich nämlich nicht, dass der Verurteilte einen Anspruch darauf hat, dass die Betreuung nur an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Form anzubieten wäre. Für das Anbieten einer alternativen Therapiemaßnahme besteht allenfalls dann Veranlassung, wenn sich die aus objektiver Sicht wirklich geeignete und effektive Maßnahme trotz intensiver Bemühungen nicht umsetzen lässt (OLG Nürnberg vom 19.01.2021, Ws 1029/20). Dass der Verurteilte die geeigneten Angebote aus eigenen Motiven nicht wahrnehmen möchte und bis dato seit vielen Jahren sämtliche Therapieangebote, selbst niederschwellige Angebote vollständig verweigert, ändert nichts an deren prognoseverbessernden Geeignetheit und führt auch nicht dazu, dass ihm deswegen gegebenenfalls seinen Wünschen eher entsprechende Angebote offeriert werden müssten. Für den weiteren Vollzugsverlauf bleibt es abzuwarten, ob der Verurteilte die Angebote annimmt und ob diese zu dem beabsichtigten therapeutischen Erfolg führen werden. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob, wie es Dr. Lammel im Ergebnis formuliert hat, eine Verhaltensänderung durch therapeutische Maßnahmen allein überhaupt erreichbar sein wird. Letzteres zeigte sich in der weiterhin völligen Empathielosigkeit, die 2015 gegenüber Dr. Neudecker zu Tage trat, in dem er äußerte, der Tod des Geschädigten gehe ihm "am Arsch vorbei". Die Justizvollzugsanstalt kann nicht mehr, als dem Verurteilten die angezeigten Therapien anzubieten und ihn zu deren Durchführung zu motivieren. Wenn der Verurteilte bei seiner Totalverweigerung bleibt, wird am späteren Vollzug der Maßregel kein Weg vorbeiführen (OLG Nürnberg vom 20.02.2020, Ws 86/20). Jedenfalls kann die Weigerungshaltung des Verurteilten nicht dazu führen, die angebotenen Maßnahmen als nicht ausreichend anzusehen (OLG Nürnberg vom 19.01.2021, Ws 1029/20).

Die Erholung eines Sachverständigengutachtens, welches am pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts unter Berücksichtigung des Einzelfalls zu entscheiden ist (BT-Drucksache 17/9874, Seite 29), war nicht erforderlich und geboten.

Die Festsetzung der Frist für eine erneute Prüfung beruht auf § 119a Abs. 3 S. 3 StVollzG. Die Kammer hatte dabei im Blick, dass die Dauer des Vollzuges bereits vorgerückt ist und der Antritt der Sicherungsverwahrung näher rückt. Auf der anderen Seite hatte die Kammer aber auch im Blick, dass der Verurteilte bis dato jegliche Therapiemaßnahmen konstant und konsequent verweigert hat und mit einem kurzfristigen Aufbrechen dieses Motivationshemmnisses nicht zu rechnen ist. Selbst wenn es zu einer Umkehr der Motivation beim Verurteilten kommen sollte, so ist die Absolvierung einer Sozialtherapie auf mehrere Jahre angelegt und wird ohnehin kaum noch innerhalb der verbleibenden Haftzeit zu realisieren sein.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes erfolgt gemäß den §§ 60, 52 GKG.

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