LG Deggendorf, Endurteil vom 26.03.2019 - 31 O 273/18
Fundstelle
openJur 2021, 17453
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert beträgt ... €.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Zusammenhang mit dem sogenannten .../Diesel/Abgasskandal von ....

Ausweislich der Rechnung der Beklagten zu 1) vom 12.10.2016 kaufte die Klägerin am 05.08.2016 im Autohaus der Beklagten zu 1) einen Pkw Porsche Cayenne 3,0 Liter/6 Zylinder - Diesel zum Gesamtpreis von ... € (Anlage K 30). Der Kaufpreis wurde bezahlt und das Fahrzeug ari die Klägerin ausgeliefert. Herstellerin des Motors ist ist die ... AG, Herstellerin des Fahrzeugs im Übrigen ist die Beklagte zu 2), die den Motor von ... zukauft. Bei dem Motor handelt es sich nicht um einen Motor der Baureihe EA 189.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kam mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom ... (Anlage B 4 der Bekl. zu 2; Anlage B 2 der Bekl. zu 1) zu dem Ergebnis, dass Fahrzeuge dieses Typs nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet seien, und stellte fest, dass nach zwischenzeitlichem Entfall die Vorschriftsgemäßheit der Fahrzeuge wieder hergestellt sei; im Einzelnen wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Die heutigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin machten mit zwei Schreiben vom 28.12.2017 (K 31) Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 1) geltend; es wurde der Kaufvertrag angefochten und es wurde der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Gegenüber der Beklagten zu 2) wurde Schadensersatz im Wege der Rückabwicklung des Kaufvertrages gefordert. Eine Frist zur Behebung des geltend gemachten Mangels wurde jeweils nicht gesetzt; vielmehr wurde die Rückabwicklung des Kaufvertrages bis ... gefordert.

Mit Schreiben vom 11.01.2018 (Anlage K 32) wies die Beklagte zu 1) die Klägervertreter darauf hin, dass die Beklagte zu 2) eine technische Lösung zur erforderlichen Aktualisierung der Motorsoftware erarbeitet habe, es werde hierzu ein Software-Update durchgeführt, das KBA habe hierzu bereits eine Freigabebestätigung erteilt; der Rücktritt werde daher nicht akzeptiert. Die ... wies - sichtlich in Vertretung der Beklagten zu 2) - mit Schreiben vom 12.01.2018 (auch in K 32 enthalten) gleichfalls auf das zur Verfügung stehende und freigegebene Software-Update hin.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe den Autokaufvertrag mit der Beklagten zu 1) wirksam angefochten, weil die Beklagte zu 2) arglistig über die von ihr am Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorgenommene Softwaremanipulation getäuscht habe und sich die Beklagte zu 1) als deren Vertragshändlerin diese Täuschung zurechnen lassen müsse. Des Weiteren beruft sie sich auf den erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag. Es seien mehrere unerlaubte Abschalteinrichtungen festgestellt worden, .... Die Bekl. zu 2) könne sich nicht darauf berufen, dass sie den Motor nicht hergestellt habe, weil Anpassungen des Motors erforderlich gewesen seien.

Die Klägerin meint weiter, gegen die Beklagte zu 2) einen Schadensersatzanspruch zu haben, den sie auf die Grundsätze der unerlaubten Handlung, auch in Verbindung mit Schutzgesetzen, stützt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt:

....

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, sie als unabhängige Händlerin müsse sich eine etwaige Täuschung der Beklagten zu 2) nicht zurechnen lassen. Sie sei nicht Vertragshändlerin der Beklagten zu 2). ..., das für die Anpassung nötige Update sei schon vor dem Rücktritt freigegeben worden. Für ein Rücktrittsrecht der Klägerin fehle es also bereits an einem Sachmangel, jedenfalls aber an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung. Die Klägerin habe außerdem die handelsrechtliche Rügepflicht verletzt.

Die Beklagte zu 2) bestreitet ergänzend, die Klägerin getäuscht und geschädigt zu haben. Von irgendwelchen Täuschungshandlungen hätten Vorstandsmitglieder der Beklagten keine Kenntnis gehabt. Sie sei nicht Herstellerin des angeblich mangelhaften Motors. Das Fahrzeug entspreche der EU-6-Norm. Der Klägerin sei kein Schaden entstanden, auch nicht in Gestalt eines merkantilen Minderwerts.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2019 verwiesen.

Gründe

A.

Die Klage ist insgesamt zulässig, insbesondere ist das Landgericht Deggendorf örtlich zuständig. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) folgt dies aus §§ 12, 17 ZPO (die Beklagte hat ihren Sitz in D.). Hinsichtlich der Beklagten zu 2) folgt dies aus der rügelosen Einlassung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31.01.2019 (§ 39 ZPO).

Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag Ziffer 2 die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 2) begehrt, fehlt diesem Feststellungsantrag trotz des anerkannten Vorrangs der Leistungsklage nicht das rechtliche Interesse i.S. von § 256 I ZPO. ....

B.

In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Das erkennende Gericht schließt sich in vollem Umfang der Rechtsauffassung des Landgerichts Braunschweig (U.v. 20.12.2017 - 3 O 2436/16) an.

Der Klägerin steht weder ein Rückabwicklungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) (I.) noch ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) zu (II.).

Mangels Begründetheit der Hauptforderung konnten auch die Klageanträge Nummern 3 und 4 keinen Erfolg haben.

I.

Eine Haftung der Beklagten zu 1) besteht nicht.

Die Klägerin hat den Autokaufvertrag mit der Beklagten zu 1)

- weder wirksam gem. § 123 BGB angefochten

- noch durch Rücktritt gem. §§ 434 Abs. 1, 347 Nr. 2, 323, 346 BGB in ein Abwicklungsverhältnis gewandelt.

- Dies kann sie auch nicht aus §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 280, 281 BGB

- oder aus den Grundsätzen der Prospekthaftung herleiten.

1.

Die Anfechtungserklärung gemäß dem Anwaltsschreiben K 31 konnte schon deshalb keine Wirkung entfalten, weil die Klägerin von der Beklagten zu 1) unstreitig nicht getäuscht worden ist. Soweit die Klägerin eine arglistige Täuschung seitens der Beklagten zu 2) behauptet, wäre der Beklagten zu 1) als bloßer Verkäuferin eine solche entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zuzurechnen. Vielmehr wäre die Beklagte zu 2) als Dritter i.S. von § 123 II BGB anzusehen mit der Folge, dass die Beklagte zu 1) die Täuschung hätte kennen müssen, was wiederum unstreitig nicht der Fall ist.

Dass die beiden Beklagten in einem gewissen vertraglichen Verhältnis zueinander stehen, ist dem Grunde nach unstreitig, aber unbehelflich. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1) "Vertragshändlerin" der Beklagten zu 2) ist (so die Klägerin) oder nicht (so die Beklagte zu 1). Der Vertragshändlervertrag macht nämlich den einen nicht zum Erfüllungsgehilfen (so auch der BGH in ständiger Rechtsprechung) oder zum Zurechnungssubjekt des anderen. Falsch ist daher die Behauptung der Klägerin (Klageschrift S. 112), die hier interessierende Frage sei vom BGH noch nicht entschieden worden - das Gegenteil ist der Fall, freilich nicht im Sinne der Klägerin.

Erst recht gilt dies, wenn die Behauptung der Klägerin (Klageschriftsatz S. 112 ff) zutrifft, dass die Beklagte zu 2) die Beklagte zu 1) als ihren verlängerten Arm benutzt und den Händlern Weisungen erteilt. Weshalb der also besonders schutzbedürftigen Beklagten zu 1) ein Verschulden der Beklagten zu 2) zuzurechnen sein soll, wird hierdurch nicht erklärt.

2.

Soweit die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat,

- kann dahinstehen, ob das streitgegenständliche Fahrzeug bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet war, weil es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S. von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet war, womit der Klägerin die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB eröffnet worden wären.

- Denn die Rücktrittserklärung wäre auch in diesem Fall nicht wirksam geworden, weil dieser Mangel durch das unstreitig durchgeführte Update beseitigt werden könnte, die Klägerin der Beklagten aber unstreitig keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben hat.

- und weil die Klägerin die Wirksamkeit des Updates nicht substantiiert in Frage gestellt hat.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der das Gericht folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend. Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d.h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen.

Das bloße Bestreiten einer Freigabe durch das KBA seitens der Klägerin (Schriftsatz vom 15.01.2019, S. 10) ist unbehelflich. Angesichts des von beiden Beklagten vorgelegten Freigabebescheides hätte die Klägerin darlegen müssen, warum dieser Bescheid nicht existiert. Dass die Beklagtenvertreter die vorgelegte Urkunde gefälscht hätten, also Prozessbetrug begehen, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Auf Umfang und Intensität der durch das KBA durchgeführten Prüfung kommt es wegen der Bestandskraft des Bescheides nicht an.

aa) Durch den Bescheid des KBA vom ... ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt,

- dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten Software nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S. von Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelte;

...

- dass für die betroffenen Fahrzeuge dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der Beklagten zu 2) vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen;

- dass das KBA dabei folgende Sachverhalte mit folgenden Ergebnissen überprüft hat:

- keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorhanden

- vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig,

- Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen eingehalten,

- ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchswerte und CO2-Emissionen bestätigt;

- Motorleistung und Drehmoment unverändert gültig;

- Geräuschemissionen weiter zulässig

bb) Aus diesen Feststellungen und Regelungen ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung,

(1) dass vor Durchführung der genannten Maßnahmen ein Sachmangel i.S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB vorgelegen hatte

(2) dass die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein Software-Update geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 I 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin möglich ist,

(3) dass entgegen der Auffassung der Klägerin ein Rechtsmangel, erst recht ein nicht behebbarer Rechtsmangel, nicht vorliegt,

(4) dass durch das durchgeführte Update der einstmals bestandene Sachmangel beseitigt wurde.

(5) Mit den Feststellungen des KBA ("Kraftstoffverbrauchswerte ... bestätigt") stimmt das Vorbringen der Klägerin betreffend einen erhöhten Kraftstoffverbrauch schon nicht überein. Es ist aber davon auszugehen, dass die Klägerin zum Ausdruck bringen will, abweichend von den allgemeinen Testergebnissen des KBA sei im speziellen Fall eine Erhöhung festzustellen. Das Vorbringen der Klägerin ist aber bei weitem zu unsubstantiiert, als dass hierzu - wie beantragt - ein Sachverständigengutachten eingeholt werden könnte. Die Klägerin trägt nämlich nicht vor, wie hoch (in Zahlen, nämlich Liter pro 100 km) der Verbrauch vor und nach dem Update war bzw. ist, sondern referiert lediglich Erfahrungswerte zu einem gänzlich anderen Fahrzeug (...a) mit einem ganz anderen Motor, nämlich aus der Baureihe EA 189.

Der Vortrag zu einer geringeren Lebensdauer des Motors muss schon deshalb unbehelflich bleiben, weil die Klägerin nicht vorträgt, welche Lebensdauer wie vereinbart worden sein soll und welche konkrete Abweichung von dieser Soll-Beschaffenheit nunmehr vorliegen soll.

(6) Selbst wenn aber durch das Update z.B. der Verbrauch nachweislich stiege, wäre dies für den Erfolg der Klage unbehelflich. Hätte nämlich das Update einen anderen, neuen Mangel verursacht (nach der Behauptung der Klägerin: "höherer Verbrauch"), so gilt im Rechtssinne diese erste Nachbesserung als fehlgeschlagen (MüKo-BGB/Westermann, 7. Aufl., § 440 Rn. 10: "Ein Fehlschlag ist auch die Verursachung ... eines weiteren Mangels"). Dies hat wiederum zur Folge, dass gem. § 440 S. 2 BGB die Klägerin der Beklagten zu 1) einen weiteren Nachbesserungsversuch (hier: zur Beseitigung des Mangels "erhöhter Verbrauch") hätte ermöglichen müssen. Dies ist nicht geschehen.

b) § 323 I BGB bestimmt, dass der Gläubiger dem Schuldner vor dem Rücktritt erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben muss. Eine solche Frist hat die Klägerin der Beklagten zu 1) unstreitig nicht gesetzt, vielmehr haben die Klägervertreter sogleich die Anfechtung und den Rücktritt erklärt. Die Fristsetzung war entgegen der Ansicht der Klägerin hier aber nicht entbehrlich, weil keiner der in Betracht kommenden Ausnahmetatbestände erfüllt war.

aa) § 326 V i.V.m. § 275 I BGB berechtigt zum Rücktritt ohne vorherige Fristsetzung, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist. Das ist hier nicht der Fall, weil durch die Freigabebestätigung des KBA festgestellt ist, dass etwaige Mängel durch die von der Beklagten zu 2) vorgestellte technische Maßnahme behoben werden und dass dadurch auch keine Nachteile für Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchswerte und CO2-Emissionen, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment sowie bisherige Geräuschemissionswerte verbleiben.

Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung lag diese Freigabebestätigung bereits vor. Eine nur vorübergehende Unmöglichkeit der Nacherfüllung könnte aber - selbst wenn die Bestätigung noch nicht vorgelegen hätte - einer dauerhaften Unmöglichkeit nur dann gleichgestellt werden, wenn sie die Erreichung des Geschäftszwecks in Frage stellt und dem anderen Teil das Festhalten am Vertrag bis zum Wegfall des Leistungshindernisses nicht zugemutet werden kann. Eine solche Situation bestand vorliegend zu keinem Zeitpunkt. Vielmehr war die zu fordernde angemessene Nachfrist jedenfalls zum Zeitpunkt der Erteilung der Freigabe noch nicht abgelaufen. Denn der durchschnittlich verständige und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher, jedenfalls aber ein derart umweltbewusster Autokäufer, wie es die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, weiß in groben Zügen um die Abgasproblematik, nämlich um den Umstand, dass im Falle, dass im Rahmen der Nachbesserung in die Motorsteuerung eingegriffen werden muss, dies nicht der Vertragshändler selbst in der Hand hat. Vielmehr liegt auf der Hand, dass es hierzu der Zusammenarbeit zum einen mit dem Fahrzeughersteller, zum anderen mit den zuständigen Behörden, hier mit dem Kraftfahrtbundesamt bedarf. Dass dies erhebliche Zeit in Anspruch nimmt, liegt gleichfalls auf der Hand. Die Beklagtenseite beruft sich daher zu Recht darauf, dass eine angemessene Nachbesserungsfrist schon bis zur Erteilung des Genehmigungsbescheides des KBA nicht abgelaufen war.

bb) Nach § 323 II Nr. 3 BGB ist eine Fristsetzung entbehrlich, wenn im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Das kommt hier unter zwei Gesichtspunkten in Betracht, nämlich dem des arglistigen Verschweigens des Mangels und dem der Befürchtung, dass das Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen könnte. Beide Gesichtspunkte dringen im Ergebnis aber nicht durch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Käufer im Regelfall berechtigt, gem. § 323 II Nr. 3 BGB sofort vom Kaufvertrag zurückzutreten, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat. Soweit hier wieder ein arglistiges Verschweigen einer unzulässigen Abschalteinrichtung und des damit verbundenen Verstoßes gegen Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in den Blick kommt, kann zum einen, wie bereits ausgeführt, ein solches arglistiges Verschweigen der Beklagten zu 1) weder selbst vorgeworfen noch zugerechnet werden. Zum anderen beruht diese Rechtsprechung auf dem Gedanken, dass eine arglistige Täuschung die für die Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage in der Regel beschädigt. Diese ohnehin nur "in der Regel" anzunehmende Erwägung greift vorliegend schon deshalb nicht, weil die Nachbesserung in Abstimmung mit dem KBA, d.h. der dafür zuständigen, unabhängigen Behörde und damit unter staatlicher Aufsicht erfolgt.

cc) Die bloße Möglichkeit oder Befürchtung, dass nach der (ersten) Nachbesserung Mängel verbleiben oder neue Mängel entstehen, begründet nicht die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Mangelbeseitigung. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber vielmehr in § 440 S. 2 BGB ausdrücklich berücksichtigt. Danach gilt eine Nachbesserung jedenfalls grundsätzlich erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen. Der Käufer hat das beschriebene Risiko also zunächst hinzunehmen. Die Rechte aus § 437 Nr. 2 BGB bleiben ihm für den Fall, dass die durchgeführte Nachbesserung fehlschlagen sollte, unbenommen.

Soweit die Klägerin auch in diesem Zusammenhang insbesondere auf eine mögliche Lebenszeitverkürzung von Motorbauteilen verweist, kommt - wie bereits dargestellt - hinzu, dass die Beklagte zu 1) bei Abschluss des Kaufvertrages gar keine Zusagen betreffend die Lebensdauer von Motorbauteilen gemacht hat, die darüber hinausgehen, dass auftretende Mängel innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung beseitigt werden. Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers kann aber nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch.

3.

Aus den gleichen Gründen scheiden auch kaufrechtliche Schadensersatzansprüche nach §§ 434 I, 437 Nr. 3, 280 III, 281 BGB aus. § 281 BGB setzt nämlich ebenfalls den erfolglosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung voraus.

4.

Für die von der Rechtsprechung für den nicht gesetzlich regulierten und organisierten Grauen Kapitalmarkt entwickelten Grundsätze der Prospekthaftung ist beim Autokauf neben dem Gewährleistungsrecht, das ohnehin schon durch § 434 I 3 BGB Prospektangaben zur Beschaffenheit zählt, kein Raum. Die Prospekthaftung geht davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig ist, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen. Anders als bei Kapitalanlagen steht aber für die Entscheidung über den Erwerb eines bestimmten Fahrzeugs eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen zur Verfügung. Der Kaufinteressent kann sich etwa in diversen Autotest- und Fachzeitschriften sowie im Internet über das jeweilige Fahrzeug informieren und ein ihn interessierendes Fahrzeug anschauen und sogar probefahren. Neben dem speziellen Kaufrecht das weitaus allgemeinere Prospekthaftungsrecht anzuwenden, ist daher nicht veranlasst. Vielmehr hat es hier beim dem Grundsatz zu verbleiben, dass nach dem Gefahrübergang - wie hier - ein Rückgriff auf §§ 241 II, 311 II, III BGB nicht in Betracht kommt.

5.

Zu Recht weist die Beklagte zu 1) überdies darauf hin, dass die Klägerin, unstreitig kraft Gesetzes Vollkaufmann, ihrer Rügepflicht gem. § 377 HGB nicht nachgekommen ist. Arglist ist der Beklagten zu 1), wie dargestellt, nicht vorzuwerfen, so dass die Rüge nicht gem. § 377 V HGB entbehrlich war. Dass kein Käufer sich dauerhaft mit einem manipulierten Fahrzeug zufrieden gibt (Schriftsatz der Klägerin vom 15.01.2019, S. 25) und dass die Rüge entbehrlich ist, wenn der Verkäufer dies ohnehin weiß, mag zutreffen. Dies ändert aber nichts daran, dass der vollkaufmännische Käufer zeitnah das Fahrzeug zu untersuchen hat - insbesondere wenn wie hier der Kauf getätigt wird viele Monate, nachdem der "Diesel-Skandal" bekannt geworden ist und wenn dem Käufer bekannt sein kann, dass in dem gekauften Fahrzeug ein Motor aus dem ...-Konzern verbaut ist. Die zeitnahe Rüge- und Untersuchungspflicht hat gerade den Zweck, in derart zweifelhaften Fällen wie hier dem Verkäufer Gewissheit darüber zu verschaffen, ob der Käufer die Ware als vertragsgemäß hinnimmt oder nicht. Dass die Beklagte zu 2) - deren Verhalten der Beklagten zu 1) gerade nicht zuzurechnen ist - ein Software-Update angeboten hat, belegt entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht, dass für die Beklagte zu 1) klar war, dass die Klägerin das Fahrzeug nicht behalten wird.

6.

Der Kaufvertrag ist auch nicht nichtig gem. § 134 BGB, § 27 EG-FVG, so dass die Frage, welche Rechtsfolgen hieraus abzuleiten wären, dahinstehen kann. Denn der Vorschrift des § 27 EG-FVG fehlt zum einen der Drittschutzcharakter, so dass eine etwaige Verletzung dieser Vorschrift nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrages führt (s.u. II 3). Dies wäre zum anderen nämlich in der Regel und so auch hier nur dann der Fall, wenn sich die Regelung des § 27 gegen beide Vertragspartner richten würde (Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl., § 134 Rn. 8 f), was hier nicht der Fall ist. Die Beklagte verweist vielmehr zu Recht darauf, dass die Verletzung von bloßen Ordnungsvorschriften die Vertragsgeltung nicht in Frage stellt.

II.

Eine Haftung der Beklagten zu 2) besteht ebenfalls nicht.

Die Ausführungen zur Prospekthaftung gelten für die Beklagte zu 2) entsprechend.

Da die Klägerin mit der Beklagten zu 1), nicht aber mit der Beklagten zu 2) einen Kaufvertrag abgeschlossen hat, kann sie ihr Begehren gegenüber der Beklagten zu 2) nicht auf kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche stützen.

Die Klägerin kann ihre Schadensersatzforderung gegen die Beklagte zu 2) aber auch nicht

- aus Vertrauens- bzw. Garantiehaftung im Hinblick auf die EG-Übereinstimmungsbescheinigung

- aus § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB

- i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV

- i.V.m. § 16 UWG

- i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG

- aus § 826 BGB

- oder § 831 BGB

herleiten.

1.

Aus der ausgestellten EG-Übereinstimmungsbescheinigung ergibt sich weder eine Haftung aus §§ 311 III, 241 II BGB noch aus § 443 BGB.

Durch die Entgegennahme der EG-Übereinstimmungsbescheinigung durch die Klägerin ist keine selbständige Garantie i.S. von § 443 BGB zustande gekommen, weil der Übereinstimmungsbescheinigung weder ihrem Wortlaut noch ihrem Zweck nach ein solcher Erklärungs- und Rechtsbindungswillen beigemessen werden kann.

Ihrem Wortlaut nach wird in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung, die nicht einmal an die Klägerin adressiert ist, sondern gem. § 6 I 1 EG-FGV lediglich dem Fahrzeug beizufügen ist, nur "bestätigt", dass der streitgegenständliche PKW mit dem in der Genehmigung beschriebenen Typ übereinstimmt. Der Zweck der Übereinstimmungsbescheinigung besteht in der Vereinfachung und Formalisierung des Zulassungsverfahrens: Die Zulassungsbehörden sollen allein aufgrund der vorgelegten Übereinstimmungsbescheinigung das jeweilige Fahrzeug zulassen (§ 6 III 1 FZV), d.h. ohne die von dem KBA im Genehmigungsverfahren geprüften materiellen Anforderungen erneut prüfen zu müssen. Die Übereinstimmungsbescheinigung dient also allein dazu, die problemlose Zulassung des jeweiligen Fahrzeugs zu gewährleisten.

Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne einer selbständigen Garantie zu einer über die gesetzliche Mängelgewährleistung des jeweiligen Verkäufers hinausgehenden Haftung verpflichten wollte.

2.

Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB wäre zunächst eine Täuschung der Klägerin durch die Beklagte zu 2). Es kann dahinstehen, ob die Klägerin überhaupt eine Täuschung über das streitgegenständliche Fahrzeug hinsichtlich der angeblich verbauten Manipulationssoftware substantiiert dargetan hat. Insoweit ist nämlich keine aktive Täuschungshandlung der Beklagten zu 2) ersichtlich, sondern allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über eine unzulässige Abschalteinrichtung. Eine solche Täuschung durch Unterlassen setzt aber eine Garantenstellung gem. § 13 I StGB voraus, d.h. dass der Täter als "Garant" für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat. Soweit es - wie hier - um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer, mit dem immerhin ein Vertragsverhältnis besteht, erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht. Das muss für den vertraglich nicht mit dem Käufer verbundenen, mithin weiter entfernten Fahrzeughersteller erst recht gelten. Eine Aufklärungspflicht der Beklagten zu 2) würde gleichwohl dann bestehen, wenn, wie die Klägerin meint, infolge der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für das Fahrzeug erloschen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Nach § 19 II, VII StVZO erlischt die Betriebserlaubnis in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung der Kammer sind damit jedoch nur Veränderungen gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 II StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass "die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen" und daher "gegenwärtig der Schluss gezogen werden [kann], dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist". Auch droht keine Entziehung der EG-Typgenehmigung insgesamt, weil das KBA ausweislich seines Bescheids gerade nicht eine Entziehung der EG-Typgenehmigung in die Wege geleitet hat. Die Behörde hat vielmehr Nebenbestimmungen zur bestehenden Typgenehmigung angeordnet. Doch selbst eine Entziehung der Typgenehmigung hätte erst dann die Nichtnutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs zur Folge, wenn die zuständige Landesbehörde daraufhin wiederum von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde.

Dass die Verwendung der - unterstellt - unzulässigen, aber allein durch ein freigegebenes Software-Update zu beseitigenden Abschalteinrichtung auf andere Weise einen wertbildenden Faktor darstellt, dem der Markt ein ganz besonderes Gewicht beimisst, ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich. Das gilt insbesondere für den von der Klägerin behaupteten Verbleib eines merkantilen Minderwerts. Hier gilt nämlich, dass ein etwaiger Wertverfall von Dieselfahrzeugen ganz oder überwiegend darin begründet ist, dass der Verbraucher unabhängig von konkreten Vorfällen oder Mängeln diesen Fahrzeugen Vorbehalte entgegenbringt - und zwar markenübergreifend -, die sich in niedrigeren Verkaufszahlen und damit einhergehend in niedrigeren Marktpreisen niederschlagen.

Eine Garantenpflicht der Beklagten zu 2) zugunsten der Klägerin ergibt sich schließlich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist. Den Erwägungsgründen (1) bis (6) und (27) der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist aber zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen, insbesondere mit dem Ziel der erheblichen Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte. Der von der Klägerin geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.

3.

Entsprechendes gilt für § 823 II BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV. Denn unabhängig davon, ob die Beklagte zu 2) diese Vorschriften verletzt hat, fehlt ihnen der von § 823 II BGB vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Norm als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf den Inhalt und den Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Bei Vorschriften, die - wie hier die EG-FGV - Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie - hier der Richtlinie 2007/46/EG - an. Den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) zufolge bezweckt die Richtlinie 2007/46/EG die Vollendung des Binnenmarkts und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. An keiner Stelle lässt sich hingegen ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV (S. 36 der BR-Drucks. 190/09) in Übereinstimmung damit ausführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll.

4.

Soweit die. Klägerin ihre Schadensersatzforderung auf § 823 II BGB i.V.m. § 16 UWG stützt, dient § 16 UWG zwar dem Schutz des Verbrauchers. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 2) i.S.v. § 16 I UWG den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorrufen wollte. Der Vorwurf der Klägerin geht im Kern dahin, dass die Beklagte zu 2) mit der Einhaltung der Grenzwerte der Euro-Norm geworben hat. Diese mussten aber alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten. Damit wäre also kein besonderer Vorteil angepriesen.

5.

Ob § 4 Nr. 11 UWG in der Fassung vom 03.03.2010 auch ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB darstellt, kann hier dahinstehen, weil die Beklagte zu 2) jedenfalls nicht gegen Vorschriften verstoßen hat, deren Einhaltung § 4 Nr. 11 a.F. UWG schützt. §§ 1, 4, 5 Pkw-EnVKV gebieten lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte zu nennen sind (vgl. Begriffsbestimmungen in § 2 Nr. 5 u. 6 Pkw-EnVKV). Die Klägerin bezweifelt aber selbst nicht, dass die genannten Werte im Typgenehmigungsverfahren (Fahrkurven des NEFZ) erzielt wurden.

6.

a) Für eine Haftung aus § 826 reicht allein ein etwaiger Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84, juris Rn. 15 m.w.N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen, und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 nicht verzichtet werden kann. Wie bereits ausgeführt, dient die EG-Verordnung aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen. Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht. Wie bereits im Zusammenhang mit der Garantenstellung (§ 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB) ausgeführt, trifft das zum einen auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und zum anderen auf die außerhalb einer vertraglichen Beziehung zur Klägerin stehende Zweitbeklagte nicht zu.

b) Die deliktische Haftung aus § 826 BGB scheidet im Übrigen schon deshalb aus, weil die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargestellt hat, dass im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Vorstandsmitglieder der Beklagten von der angeblich verbauten Manipulationssoftware Kenntnis hatten.

aa) Dies wäre aber erforderlich gewesen, um eine Haftung der Beklagten zu 2) begründen zu können. Sie haftet nämlich gem. § 31 BGB nur für das Verhalten von Vorstandsmitgliedern. Substantiiertes und mit Beweisangeboten unterlegtes Vorbringen der Klagepartei, welches (namentlich zu benennende) Vorstandsmitglied zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (Kaufvertragsabschluss am 05.08.2016) von welchen Vorgängen Kenntnis gehabt haben soll, ist aber nicht erfolgt. Dies ist indes unverzichtbar, weil nicht auf die Feststellung verzichtet werden kann, ob der damalige Vorstand der Beklagten (oder ein sonstiger verfassungsmäßiger Vertreter i.S.d. § 31 BGB) die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH v. 28.06.2016, VI ZR 536/15 - NJW 2017, 250 Rn. 27). Unzutreffend ist demgegenüber die sichtlich bei der Klägerin herrschende Auffassung (Klageschrift S. 31 ff), sämtliches, bei allen Mitarbeitern der Beklagten zu 2) oder gar anderer mit dem ...-Konzern irgendwie verbundener Unternehmen irgendwie vorhandenes Wissen sei bei der Beklagten zu 2) zusammenzurechnen. Dies ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar.

bb) Die Klägerin hat zwar vorgetragen, der frühere ... den sie als Zeugen benennt, habe zum Zeitpunkt der Manipulationen hiervon Kenntnis gehabt. Dies mag zutreffen. Das Gericht hat aber in der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2019 darauf hingewiesen, dass gerichtsbekannt ist, dass der Zeuge ... bereits im Jahr 2015, also schon vor dem hiesigen Kaufvertragsabschluss, aus dem Vorstand der Zweitbeklagten ausgeschieden ist; bezeichnenderweise weist die klägerseits vorgelegte Anlage K 27 Herrn ... zwar als Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten, aber als ... der ... AG, nicht aber der Beklagten aus. Für den Ausnahmefall, dass auch Aufsichtsratsmitglieder eine Haftung des Unternehmens im Zusammenhang des § 31 BGB begründen können (BeckOGK/Offenloch, BGB, § 31 Rn. 44), hat die Klägerin nichts vorgetragen. Dass das Wissen des Herrn ... (wie und bei wem konkret?) im Vorstand verblieben wäre bis zum hier maßgeblichen Datum 05.08.2016, hat die Klägerin gleichfalls nicht behauptet.

cc) Von vornherein unerheblich sind Kenntnisse von Personen, die in anderen Unternehmen tätig waren, so etwa der benannten Zeugen ... oder ... von der ... AG. Gleiches gilt für Personen, die Mitglieder im Vorstand des Motorenherstellers, der ... AG, waren, oder die diesem Vorstand gar nur zugearbeitet haben. Weshalb die Beklagte zu 2) für - hier zugunsten der Klägerin unterstellte - Fehler von ... Mitarbeitern haften sollte, wird nicht deutlich. Die bloße Behauptung der Klägerin, die ... Motoren hätte für ... angepasst werden müssen, begründet weder, weshalb Wissen von ... der Beklagten zuzurechnen sein sollte, noch dass Wissen von ... positiv Wissen von Vorstandsmitgliedern der Beklagten geworden wäre. Dass "selbstverständlich" die Abgasproblematik auch dem Vorstand der Beklagten berichtet worden sei (Klageschrift S. 37), ist eine durch nichts belegte und sichtlich ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung.

7.

Auch eine Haftung der Beklagten aus § 831 BGB kommt nicht in Betracht. Zwar stellt § 831 BGB eine eigenständige Haftungsgrundlage dar, die neben andere deliktische Haftungstatbestände tritt (Palandt/Sprau, BGB, 77., Aufl., § 831 Rn. 2). Die Beklagte wendet aber auch insoweit zutreffend ein, dass die Klägerin keinen relevanten Vortrag dazu gehalten hat, welcher exakt zu benennende Mitarbeiter auf Weisung exakt welchen Vorstandsmitgliedes exakt welche unerlaubte Handlung zum Nachteil der Klägerin begangen haben soll; erforderlich wäre weiterhin gewesen, hinsichtlich des zu benennenden Mitarbeiters in dessen Person die Verwirklichung sämtlicher objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale einer unerlaubten Handlung vorzutragen. Dies ist nicht geschehen.

C.

Eine Haftung der Beklagten scheidet daher schon dem Grunde nach aus, so dass auch die Ansprüche gem. Ziffern 3 und 4 der Klageanträge abzuweisen waren.

D.

Kosten: § 91 ZPO

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO