LAG München, Beschluss vom 20.03.2019 - 8 TaBV 37/18
Fundstelle
openJur 2021, 17371
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 2 bis 4 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 08.05.2018 - 1 BV 6/18 - abgeändert.

2. Die im Betrieb der Beteiligten zu 15 am 21.02.2018 durchgeführte Betriebsratswahl wird für unwirksam erklärt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der bei der Beteiligten zu 15 am 21.02.2018 durchgeführten Betriebsratswahl.

Bei der Beteiligten zu 1 handelt es sich um die A.; bei den Beteiligten zu 2 bis 4 handelt es sich um die Arbeitnehmer B, C und D, die wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb der Beteiligten zu 15 und gleichzeitig Betriebsratsmitglieder des gewählten Betriebsrats sind. Sowohl die Beteiligte zu 1 als auch die Beteiligten zu 2 bis 4 haben die Anfechtung der am 21.02.2018 durchgeführten Betriebsratswahl gerichtlich geltend gemacht; ihre Schriftsätze gingen jeweils am 09.03.2018 beim Arbeitsgericht Rosenheim ein.

Beim Beteiligten zu 5 handelt es sich um den am 21.02.2018 gewählten Betriebsrat, die Beteiligten zu 6 bis 14 sind die gewählten Betriebsratsmitglieder und der Beteiligte zu 15 ist die Arbeitgeberin.

Beim Beteiligten zu 15 handelt es sich um einen Lebensmitteldiscounter, der bundesweit über 4000 Filialen betreibt und in AAA-Stadt beim AAAA einen Lagerbetrieb unterhält, in dem derzeit 326 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind.

In diesem Betrieb der Beteiligten zu 15 wurde erstmals im Jahr 2018 eine Betriebsratswahl durchgeführt. Am 09.01.2018 erließ der Wahlvorstand, bestehend aus den Beteiligten zu 2 bis 4, Herrn B., Herrn C. und Herrn D., das Wahlausschreiben und hängte es im Betrieb der Beteiligten zu 15 am selben Tag aus.

Der Arbeitnehmer der Beteiligten zu 15, Herr G., reichte am 16.01.2018 eine aus vier Seiten bestehende Liste mit 35 Kandidaten und 35 Stützunterschriften mit dem Kennwort "Mit uns fahren Sie gut" beim Wahlvorstand ein. Ausweislich dieser Vorschlagsliste hatten sich die Kandidaten und Unterstützer mit verschiedenfarbigen Stiften auf der Liste eingetragen. Die Kandidatenliste wurde handschriftlich ausgefüllt. Aufgrund der gegebenen Umstände kam der Wahlvorstand zu dem Ergebnis, dass die Namen auf dem Kandidaten- und Unterstützerteil zeitgleich eingetragen worden sein müssten; deshalb teilte der Wahlvorstand mit Schreiben vom 22.01.2018 dem Listenvertreter, Herrn G., mit, dass bei der am 16.01.2018 eingereichten Vorschlagsliste ein unheilbarer Mangel festgestellt worden sei. Dies wurde damit begründet, dass die Stützunterschriften vor Abschluss des Kandidatenteils gelistet worden wären. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Wahlvorstands vom 22.01.2018 Bezug genommen.

Der Wahlvorstand hat sodann das Original der eingereichten Liste bei den Wahlunterlagen behalten und Herrn G. als Listenvertreter eine Kopie davon übergeben.

Daraufhin reichte Herr G. am 23.01.2018 erneut eine Vorschlagsliste mit dem Kennwort "Mit uns fahren Sie gut" ein; der Kandidatenteil dieser Vorschlagsliste war die vom Wahlvorstand gefertigte Kopie und der Unterstützerteil mit den Unterschriften war neu erstellt worden. Daraufhin erkannte der Wahlvorstand die erneut eingereichte Vorschlagsliste mit dem Kennwort "Mit uns fahren Sie gut" als gültig an. Insgesamt ließ der Wahlvorstand drei Vorschlagslisten zur Wahl zu: die Liste 1 mit dem Kennwort "Für uns", die Liste 2 mit dem Kennwort "Mit uns fahren Sie gut" und die Liste 3 mit dem Kennwort "Ein starkes Team für eine starke Niederlassung".

Der Wahlvorstand verwendete zur Stimmabgabe Stimmzettel, auf denen alle Kandidaten der drei Listen aufgeführt waren. Auf der Vorschlagsliste mit dem Kennwort "Für uns" - der Liste 1 - befanden sich 35 Wahlkandidaten/innen, auf dem Vorschlag "Mit uns fahren Sie gut" - der Liste 2 - befanden sich ebenfalls 35 Kandidaten/innen und auf der Liste 3 mit dem Kennwort "Ein starkes Team für eine starke Niederlassung" befanden sich 26 Kandidaten/innen. Die Stimmzettel für die Listenwahl führte die Listen 1, 2 und 3 nebeneinander auf (Querformat DIN A 4), beim Kennwort war jeweils ein Kreis für Stimmabgabe vermerkt. Der optische Eindruck sowie die Gestaltung der drei Listen war vollständig identisch, jedoch waren es bei der Liste 3 neun Kandidaten/innen weniger als bei den Listen 1 und 2.

Am 27.02.2018 machte der Wahlvorstand die gewählten Betriebsratsmitglieder bekannt. Das Betriebsratsgremium bestand aus drei Kandidaten der Liste 1, vier Kandidaten/innen der Liste 2 und zwei Kandidaten der Liste 3.

Sowohl die im Betrieb vertretene Beteiligte zu 1 (A) als auch die Beteiligten zu 2 bis 4, die gewählten Betriebsratsmitglieder B., C. und D., haben vor dem Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass die am 21.02.2018 im Betrieb der Beteiligten zu 15 durchgeführte Betriebsratswahl unwirksam sei, da gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden sei, eine Berichtigung nicht erfolgen könne und das Wahlergebnis dadurch im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrVG beeinflusst worden sei.

Die Beteiligte zu 1 hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, eine an unheilbaren Mängeln leidende Vorschlagsliste könne nicht korrigiert werden; wenn allerdings die Frist zur Einreichung von Vorschlagslisten noch nicht abgelaufen wäre, könnte innerhalb der Frist eine neue Liste eingereicht werden. Sofern allerdings keine Korrektur, sondern nur eine Ergänzung erforderlich wäre, wie etwa im Fall des § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO wegen nicht genügender Anzahl von Stützunterschriften, dann könne innerhalb der Frist zur Einreichung von Listen die Liste um die fehlende Anzahl von Stützunterschriften ergänzt und neu eingereicht werden. Hier liege allerdings kein Fall des § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO vor, so dass die Vorschlagsliste nicht nur ergänzt werden hätte können, sondern sie hätte komplett neu eingereicht werden müssen. Da der Listenvertreter, Herr I., diese jedoch nur um die neu gesammelten Stützunterschriften ergänzt habe, sei diese ungültig gewesen; der Wahlvorstand hätte sie zurückweisen müssen, was allerdings nicht erfolgt sei. Die Ungültigkeit der Vorschlagsliste sei nicht davon abhängig, dass der Wahlvorstand den Mangel festgestellt habe. Wenn dieser eine ungültige Liste als gültig behandelt, so wie hier geschehen, oder er eine gültige Vorschlagsliste zurückweise, dann sei eine Wahlanfechtung begründet.

Dieser wesentliche Verstoß habe auch zu einem anderen Wahlergebnis geführt, als es ohne den Verstoß gewesen wäre, oder es spreche zumindest eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für diese Annahme. Wenn der Wahlvorstand den Vorschlag "Mit uns fahren Sie gut" als ungültig zurückgewiesen und nicht zur Wahl zugelassen hätte, dann hätten die Wähler und Wählerinnen nur zwischen zwei Wahlvorschlagslisten statt zwischen drei wählen können und daher sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung und der Umstände des Einzelfalls es nicht ganz unwahrscheinlich, dass dann das Wahlergebnis anders ausgefallen wäre, weil vier der gewählten Betriebsratsmitglieder der Liste 2 nicht kandidiert hätten.

Die Beteiligte zu 1 hat weiter die Auffassung vertreten, darin, dass alle Kandidaten einer Liste auf den Stimmzetteln aufgeführt worden seien, liege ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 WO. Nach dieser Bestimmung seien auf den Stimmzetteln die Vorschlagslisten nach der Reihenfolge der Ordnungsnummer sowie unter Angabe der von beiden an erster Stelle benannten Bewerberinnen und Bewerber und der Art der Beschäftigung im Betrieb untereinander aufzuführen, bei Listen, die mit Kennworten versehen seien, müsse auch das Kennwort angegeben werden. Nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein verstoße die Angabe aller Listenbewerber der Vorschlagslisten gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 WO und erweise sich als ein wesentlicher Verfahrensverstoß gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG. Nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln handle es sich bei § 11 Abs. 2 WO um eine wesentliche und zwingende Wahlvorschrift und eine Betriebsratswahl sei anfechtbar, wenn auf dem Stimmzettel alle Kandidaten aufgeführt werden würden. Dieser Verstoß sei im Lauf des Wahlverfahrens nicht durch den Wahlvorstand berichtigt worden. Es sei daher nicht auszuschließen, dass durch diesen Verstoß das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst worden sei. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung der beiden genannten Landesarbeitsgerichte könne hier nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Wählerinnen und Wähler bei ihrer Wahl durch die Anzahl der Bewerber hätten beeinflussen lassen, was auch daraus ersichtlich sei, dass die Liste 3 mit den wenigsten Bewerbern auch die wenigsten Stimmen erhalten habe. Es sei nicht auszuschließen, dass die Wahlberechtigten bei einer gesetzeskonformen Ausgestaltung der Stimmzettel anders abgestimmt hätten, als dies bei der Betriebsratswahl am 21.02.2018 geschehen sei.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten zu 1 wird auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen vom 09.03.2018 und auf die mit diesen Schriftsätzen übergebenen Anlagen Bezug genommen.

Die Beteiligten zu 2 bis 4 haben sich erstinstanzlich zusätzlich darauf berufen, bereits im Vorfeld zur Wahl habe es immer wieder Störungen und Eimischungen, vor allem durch die Vertreterin der Beteiligten zu 15, die Personalmanagerin Frau NN, gegeben. Die vom Wahlvorstand angeforderten aktuellen Wählerlisten habe die Beteiligte zu 15 erst nach zwei Wochen übersandt, der Briefkasten für den Wahlvorstand sei bis Anfang März nicht befestigt worden. Die Arbeitgeberseite habe für den Beteiligten zu 2 am Tag der Wahl einen Termin mit dem Betriebsarzt ausgemacht; er hätte aufgrund seiner Erkrankung auf körperliche und geistige Fitness untersucht werden sollen. Am 12.02.2018 seien vormittags von der Liste 1 erste Werbeflyer an die Beschäftigten verteilt worden, gegen 14:00 Uhr habe Frau NN den Beteiligten zu 3 angerufen und in "aggressiver Form" darauf hingewiesen, dass der Betriebsrat in AB, vor allem die dortige Betriebsratsvorsitzende, Frau NNN - auf die Liste 1 "sauer" wäre, weil diese mit einem Wahlflyer geworben habe, in dem ausgeführt worden sei, dass die Liste 1 nach der Wahl mit dem Betriebsrat in der Zentrale in AB zusammenarbeiten wolle. Frau NN habe daraufhin mitgeteilt, dass der Betriebsrat in AB dies nicht wolle. Unmittelbar nachdem der Gewerkschaftssekretär, Herr OO, am 09.01.2018 den Raum des Wahlvorstands verlassen hätte, sei Frau NN in das Büro des Wahlvorstands gegangen und habe "aggressiv" erklärt, wenn "M. nicht ein so guter Arbeitgeber wäre, wären die Arbeitnehmer B. und C. schon lange weg".

Am 19.01.2018 gegen 4:55 Uhr sei der Beteiligte zu 2, Herr B., auf dem Personalparkplatz angekommen und unmittelbar nach Ausstieg aus dem Auto ausgerutscht; zur Sicherheit habe er mit Arbeitsbeginn eine Unfallmeldung ausgefüllt und diese dem Schichtleiter in der Verwaltung gegeben. Etwa zehn Minuten danach sei Herr B. vom Lagerleiter, Herrn PP, im Treppenhaus in lautem Ton auf die Vorfälle angesprochen worden. Herr PP habe geäußert, dass in seinen Augen der Unfall nur fingiert worden wäre - wegen der ganzen "Betriebsratsscheiße". Er habe behauptet, dass Herr B. den Sachverhalt vorgetäuscht habe, um M zu schaden.

Am 06.02.2018 gegen 10:30 Uhr sei Frau NN mit drei Auszubildenden am Büro von Herrn D vorbeigegangen und eine der Auszubildenden habe einen Pappkarton in der Hand gehabt, aus welchem hochkant Werbeflyer herausragt hätten. Am 14.02.2018 ab 7:30 Uhr habe Herr I., damals Kandidat der Liste 3 und jetziger Betriebsratsvorsitzender, an einem Infotisch vor der Kantine kostenlos Schokoriegel verteilt; diese Schokoriegel wären an die Beteiligte zu 15 als Falschlieferung geliefert worden und vom Lieferanten nicht mehr zurückgenommen worden. Der Stand sei während der Arbeitszeit bis 14:00 Uhr mit drei Listenvertretern besetzt gewesen. Am 15.02.2018 gegen 11:00 Uhr habe Frau NN Herrn C. angerufen und behauptet, er hätte gemeinsam mit Herrn B. und Frau QQ Wahlwerbung gemacht und sich hierfür nicht ausgestempelt, worauf Herr C. erwidert habe, dass er zu dieser Zeit schon nicht mehr in der Arbeitszeit gewesen wäre. Am gleichen Tag sei es zwischen Frau NN und Herrn B. zu einem Gespräch im Schichtleiter-Büro gekommen; das Thema sei die von der Liste 1 geplante InfoVeranstaltung vom 20.02.2018 gewesen. Frau NN habe gegenüber Herrn B. erklärt, dass die Info-Veranstaltung beim Arbeitgeber hätte angemeldet werden müssen. Frau NN habe erklärt, dass es nicht erwünscht wäre, eine Besprechung im Schichtleiter-Büro mit Frau QQ und Herrn C. abzuhalten. Am 19.02.2018 gegen 11:00 Uhr hätten Herr C Frau NN im Sekretariat des Regionalleiters Logistik gesehen, als sie sich mit Listenvertretern der Liste 2 und 3 getroffen hätten. Nach dem Gespräch sei Herr L. von Herrn C. dahingehend angesprochen worden, ob die Listen mit dem Arbeitgeber zusammen schon eine "große Koalition" bilden würden.

Am Wahltag, dem 21.02.2018, seien Herr I. und Herr L. von 8:00 Uhr bis ca. 21:15 Uhr im Wahllokal anwesend gewesen, Herr L. mit Unterbrechungen. Als Führungskräfte seien sie deutlich präsent gewesen. Frau NN habe an diesem Tag regelmäßig im Wahllokal vorbeigeschaut. Der Schichtleiter Herr N., Kandidat der Liste 2, und Herr RR hätten die Beschäftigten aus ihren Bereichen geschlossen in das Wahllokal geführt, zeitgleich seien etwa 25 Personen im Wahllokal gewesen. Herr SS, der Fuhrparkdisponent und Kandidat der Liste 2, habe alle Fahrer in seinem Büro angesprochen, ob sie schon gewählt hätten, und er habe die Fahrer aufgefordert, zur Wahl zu gehen und Liste 2 zu wählen. Während der Stimmauszählung sei Frau NN anwesend gewesen; sie habe sich gegenüber dem Wahlvorstand in den Wahl- und Stimmzählungsablauf eingemischt, etwa mit der Bemerkung, die Briefwahlunterlagen müsse der Wahlvorstand extra aufführen. Am 23.02.2018 sei Frau NN um 7:30 Uhr in das Büro des Fuhrparkleiters, Herrn I., gekommen und sie hätte mit den Worten applaudiert, sie hätten gewonnen.

Hinsichtlich des formellen Ablaufs der Einreichung der Liste 2 mit dem Kennwort "Mit uns fahren Sie gut" haben sich die Beteiligten zu 2 bis 4 auf dieselben rechtlichen Argumente wie die Beteiligte zu 1 berufen. Der Wahlvorstand habe dadurch, dass er die erneut eingereichte Liste "Mit uns fahren sie gut" nicht als ungültig zurückgewiesen habe, obwohl diese nicht neu erstellt worden sei, sondern der Listenführer den Kandidatenteil der zunächst eingereichten Vorschlagsliste übernommen und nur den Unterstützungsteil neu erstellt habe, gegen wesentliche Vorschriften gegen das Wahlverfahren verstoßen. Das Bundesarbeitsgericht habe mit Beschluss vom 18.07.2012 ausgeführt, dass vieles für die Unwirksamkeit eines Wahlvorschlags spreche, wenn nach der Anbringung von Stützunterschriften weitere Kandidaten auf die Liste gesetzt werden würden, anschließend weitere Stützunterschriften gesammelt würden, die für sich genommen das Quorum des § 14 Abs. 4 BetrVG erfüllen würden und die nachträgliche Ergänzung der Kandidatenliste nicht kenntlich gemacht worden sei. Eine an unheilbaren Mängeln leidende Vorschlagsliste könne nicht korrigiert werden.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten zu 2 bis 4 in erster Instanz wird auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen vom 01.03.2018 und auf die mit diesem Schriftsatz übergebenen Anlagen Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 1 und die Beteiligten zu 2 bis 4 haben vor dem Arbeitsgericht folgende Anträge gestellt:

Die im Betrieb der Beteiligten zu 15 am 21.02.2018 durchgeführte Betriebsratswahl wird für unwirksam erklärt.

Der Beteiligte zu 5 (Betriebsrat) und die Beteiligte zu 15 (Arbeitgeberin), haben beantragt,

Die Anträge werden abgewiesen.

Der Beteiligte zu 5 (Betriebsrat) hat den Abweisungsantrag vor dem Arbeitsgericht damit begründet, der Sachvortrag sowohl der Beteiligten zu 1 als auch der Beteiligten zu 2 bis 4 hinsichtlich der behaupteten Beeinflussung der streitigen Betriebsratswahl durch die Arbeitgeberseite sei unzutreffend, es habe zu keiner Zeit eine Beeinflussung der Betriebsratswahl durch die Arbeitgeberin gegeben, auch nicht durch die leitenden Angestellten. Zu keiner Zeit seien einzelne Listenbewerber bevorzugt oder benachteiligt worden. Insbesondere sei es unzutreffend, dass der Betriebsratsvorsitzende, Herr L., von Frau NN aufgefordert worden wäre, dass er im Hinblick auf die Tätigkeit der Vertreter der anderen Listen noch etwas machen müsse und sich melden könne, wenn er noch Ausdrucke benötige. Es werde bestritten, dass Wahlbewerber einer Liste bei der Anfertigung von Kopien bevorzugt oder benachteiligt worden seien; die Möglichkeit, sich Kopien anfertigen zu lassen, hätte für alle Bewerber unabhängig von der Listenzugehörigkeit bestanden.

Was den Sachvortrag in Bezug auf die Schokoriegel betreffe, müsse davon ausgegangen werden, dass diese Teil einer Fehllieferung gewesen seien, die bereits mehrere Tage lang für alle Mitarbeiter zugänglich in der Kantine ausgelegen hätten, bevor Herr L. einige Riegel auch an seinem Stand ausgelegt habe. Die Arbeitgeberseite habe die Riegel für alle Mitarbeiter - wie schon in der Vergangenheit, wenn so ein Vorfall geschehen sei, zur kostenlosen Mitnahme in der Kantine aufgelegt.

Eine Verletzung des Wahlgeheimnisses habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden; der Betriebsrat schließe sich insoweit dem Sachvortrag der Arbeitgeberseite an.

Des Weiteren hat der Beteiligte zu 5 in Bezug auf die nachträgliche Korrektur der Stützunterschriften sich darauf berufen, es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern sich aus der Verwendung der Kopie der Wahlliste eine Anfechtungsmöglichkeit der Wahl ergeben solle. Der von den Beteiligten zu 2 bis 4 zitierte Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 18.07.2012 betreffe einen anderen Sachverhalt. Im hier streitgegenständlichen Sachverhalt sei lediglich, nachdem zuvor der Wahlvorstand angenommen habe, dass bei noch unvollständiger Kandidatenliste bereits Stützunterschriften angebracht worden seien, die vom Wahlvorstand erstellte Kopie geändert worden, um dafür vollinhaltlich neue Stützunterschriften zu sammeln. Es habe keine nachträgliche Änderung der Kandidatenliste stattgefunden, die Kopie sei unverändert zum erneuten Sammeln von Stützunterschriften vorgelegt worden und sie sei bei Vorlage an die zur Unterstützung unterzeichneten Mitarbeiter vollständig gewesen. Die Kopie sei somit wie eine neu erstellte Liste behandelt worden und daraufhin sei nach dem üblichen Vorgehen die Anbringung der Stützunterschriften erfolgt. Diese Liste sei dann auch fristgerecht eingereicht worden. Es sei demzufolge nicht erkennbar, weshalb die eingereichte Liste gegen Vorgaben der Wahlordnung verstoßen solle.

Hinsichtlich des Umstands, dass sich alle Kandidaten auf der Liste befunden hätten, hat der Beteiligte zu 5 darauf hingewiesen, dass sich gemäß § 11 Abs. 2 WO auf den Stimmzetteln die Vorschlagslisten nach der Reihenfolge der Ordnungsnummern sowie unter Angabe der beiden an erster Stelle benannten Bewerber befinden müssten. Grundsätzlich schließe es die Bestimmung des § 11 Abs. 2 WO jedoch nicht aus, dass alle Bewerber der Vorschlagslisten auf den Stimmzetteln aufgeführt werden könnten. Die Bestimmung schreibe lediglich vor, dass die beiden ersten Bewerber jeder Liste aufzuführen seien; aus dem Wortlaut ergebe sich nicht, dass nicht alle Bewerber aufgeführt werden dürften. Die Angabe aller Kandidaten auf den Listen könne nur dann einen Anfechtungsgrund darstellen, wenn dieser Umstand Einfluss auf das Wahlergebnis habe oder gehabt haben könne. Die Angabe aller Kandidaten und die damit verbundene Optik auf dem Stimmzettel habe im konkreten Fall keinen Einfluss auf die Wahl gehabt, weil die Liste 1 und die Liste 2 gleich viele Bewerber gehabt hätten, mithin 35 und eine unterschiedliche Anzahl an Stimmen bei der Wahl erhalten hätten. Auch die Anzahl der Stimmen für die Liste 3, welche weniger Bewerber gehabt habe, wäre nicht signifikant geringer gewesen. Diese Umstände würden zeigen, dass die Listenlänge nicht entscheidend für das Wahlverhalten der Wähler gewesen sei.

Des Weiteren hat der Betriebsrat darauf hingewiesen, die von den Beteiligten zu 1 bis 4 zitierten Beschlüsse würden auf die optische Erscheinung der Listen abstellen, welche auf die Stimmabgabe einwirken könnten. Bei objektiver Betrachtung der auf dem Wahlzettel abgebildeten Listen erweise es sich, dass diese nicht derartig unterschiedlich in der Länge gewesen seien, dass die Einheitlichkeit der Gesamtdarstellung verloren gegangen wäre. Die Angabe aller Bewerber eröffne es den Wählern, insbesondere denjenigen, die sich vor der Wahl (noch) nicht umfassend über alle Bewerber der jeweiligen Listen informiert hätten, nochmals zu prüfen, welche Bewerber für die von ihnen gewählten Listen repräsentieren, um sodann eine entsprechende Wahl zu treffen.

Hinsichtlich der gerügten Verletzung der Neutralitätspflicht durch die Beteiligten zu 1 bis 4 hat der Betriebsrat bestritten, dass dies seitens der Arbeitgeberseite erfolgt wäre; er hat darauf verwiesen, dass grundsätzlich auch Arbeitgeber ein Grundrecht auf Meinungsfreiheit hätten; auch wenn § 20 Abs. 2 BetrVG unlautere Beeinflussungen des Wählerwillens verbiete, schließe er keine Meinungsäußerung zu den verschiedenen Kandidaten bzw. Listen aus, wie das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 25.10.2017 entschieden habe.

Hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Wahlgeheimnisses durch Herrn SS hat der Betriebsrat darauf hingewiesen, es liege kein Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl oder eine Verletzung des Wahlgeheimnisses vor, weil Herr SS die Fahrer nicht aufgefordert habe, dass sie die Liste 2 wählen sollten, sondern lediglich über die Wahl als solche gesprochen habe und eine Nachfrage von Fahrern, die erstmalig gewählt hätten, beantwortet habe. Die Nachfrage habe sich darauf bezogen, welche Liste Herr I. vertrete, woraufhin Herr SS mitgeteilt habe, dass er die Liste 2 repräsentiere. Eine Aufforderung, die Liste 2 zu wählen, sei damit nicht verbunden gewesen.

Hinsichtlich der behaupteten Wahlbeeinflussung durch Frau NN hat der Betriebsrat auf den Vortrag der Beteiligten zu 15 Bezug genommen und sich diesem angeschlossen; hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Wahlrechts von Leih-Arbeitnehmern hat der Betriebsrat ebenso auf das Vorbringen der Arbeitgeberseite Bezug genommen, und zwar in dem Sinne, dass diese Leiharbeitnehmer kein Wahlrecht gehabt hätten und demzufolge nicht bei der Wahl hätten mitwirken dürfen.

Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens des Beteiligten zu 5 wird auf seine schriftsätzlichen Ausführungen vom 30.04.2018 Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin - die Beteiligte zu 15 - hat den Abweisungsantrag dahingehend begründet, der Vorwurf, es wäre im Vorfeld der streitgegenständlichen Betriebsratswahl zu Störungen und Einmischungen, insbesondere von Frau NN, gekommen, müsse zurückgewiesen werden, und auch eine Verletzung der Neutralitätspflicht der Arbeitgeberseite habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Unzutreffend sei, dass die Beteiligte zu 15 die vom Wahlvorstand angeforderte aktuelle Wählerliste erst zwei Wochen später an ihn übersandt habe; der Wahlvorstand habe mit Schreiben vom 07.12.2017 beim Niederlassungsleiter der Logistik in I-Stadt, Herrn TT, gebeten, dass bis zum 15.12.2017 die Unterlagen für die Betriebsratswahl zugesandt würden, und am Vormittag des 15.12.2017 habe Herr TT die Wählerliste dem Wahlvorstand, Herrn G. zur Verfügung gestellt. Herr C. sei längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt gewesen; aufgrund der Fürsorgepflicht habe die Arbeitgeberseite eine betriebsärztliche Untersuchung angeordnet, der Termin vom 21.02.2018 sei vom Betriebsarzt vorgegeben worden und nicht beeinflussbar gewesen. Mit der Betriebsratswahl habe dieser Termin nichts zu tun gehabt. Auf Wunsch von Herrn C. sei sogar der Termin der betriebsärztlichen Untersuchung auf den 06.02.2018 verlegt worden.

Die Beteiligte zu 15 hat bestritten, dass Frau NN am 12.02.2018 gegen 14:00 Uhr Herrn E., den Vertreter der Liste 1, angerufen und aggressiv darauf hingewiesen habe, dass der Betriebsrat in AB "sauer" auf die Liste 1 sei, da im Wahlflyer damit geworben worden sei, dass die Liste 1 nach der Wahl mit dem Betriebsrat in der Zentrale zusammenarbeiten möchte. Frau NN habe Herrn E. lediglich freundlich aus persönlichem Interesse heraus gefragt, ob ein Wahlversprechen der Liste existiere, wonach aufgrund der Einführung des neuen Entgelttarifwerks die Eingruppierung gemeinsam mit dem Betriebsrat in AB überarbeitet und geprüft werde. Es werde bestritten, dass Frau NN am 09.01.2018 die Äußerung abgegeben habe, wenn "M. ein nicht so guter Arbeitgeber wäre, wären C. und E. schon lange weg". An diesem Tag habe sich Frau NN nicht in I-Stadt aufgehalten, sondern in der Zentrale in AB, zu keinem Zeitpunkt sei diese Äußerung abgegeben worden. Unzutreffend sei es auch der Eindruck, den die Beteiligten zu 2 bis 4 erwecken würden, am 06.02.2018 gegen 10:30 Uhr habe Frau NN mit drei Auszubildenden an mehreren Büroscheiben Werbeflyer ausgehängt; an diesem Tag habe sich Frau NN in AB befunden.

Zutreffend sei, dass die Liste 3 am 14.02.2018 ab 7:30 Uhr eine Informationsveranstaltung in der Kantine abgehalten habe, bei dieser Informationsveranstaltung habe der Listenvertreter, Herr L., ein paar Schokoriegel auf den Tisch gelegt. Hierin könne keinerlei Beeinflussung der bevorstehenden Betriebsratswahl gesehen werden. Bei den Schokoriegeln habe es sich um Falschlieferungen gehandelt, die vom Lieferanten nicht mehr abgeholt worden seien. Sie hätten in der Kantine jedem Mitarbeiter kostenlos zur Verfügung gestanden. Mit der Betriebsratswahl habe dies rein gar nichts zu tun gehabt. Mit den Schokoriegeln sei verfahren worden wie mit anderen Gegenständen, die fehlerhaft geliefert worden und vom Lieferanten nicht mehr abgeholt worden seien. Hinsichtlich des Verhaltens gegenüber Herrn C. gelte, dass Frau NN ihn freundlich darauf aufmerksam gemacht habe, dass er bei Wahlwerbung ausstempeln müsse; unzutreffend sei, sie hätte von Herrn E. eine Bestätigung verlangt, dass Herr C. während der Arbeitszeit Wahlwerbung gemacht habe, ohne hierfür "auszustempeln".

Am Wahltag hätten die Schichtleiter N. und RR den Mitarbeitern kurz und in der anstehenden Pause den Hinweis gegeben, dass jetzt sie beide zur Wahl gehen würden, und dass, wer möchte, sich anschließen könne. Es sei lediglich der Hinweis gegeben worden, dass erst nach dem Wahlvorgang das Ausstempeln erfolgen müsse, da es sich beim Wahlvorgang um bezahlte Arbeitszeit handle.

Die Beteiligte zu 15 hat ferner bestritten, dass sich Frau NN am 19.02.2018 im Sekretariat des Regionalleiters Logistik mit Herrn I., Herrn L., Herrn Q., Herrn N. und Frau K. zu einer Besprechung über die Betriebsratswahl aufgehalten habe. An diesem Tag sei lediglich mit dem Fuhrparkleiter, Herrn I., und dessen Stellvertreterin, Frau K., eine Besprechung in Bezug auf einen abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich vorgenommen worden. Über die Betriebsratswahl sei zu diesem Zeitpunkt nicht gesprochen worden. Frau NN habe auch am 15.02.2018 nicht zu Herrn L. gesagt, dass die Liste 1 am Vortag der Wahl Werbung mache und die anderen dies auch tun sollten. Unzutreffend sei, dass Frau NN sich gegenüber dem Wahlvorstand in den Wahl- und Stimmzählablauf eingemischt habe, etwa mit der Äußerung, die Briefwahlunterlagen müsse der Wahlvorstand extra aufführen. Als die Briefwahlunterlagen vom Wahlvorstand lose gebracht worden seien, habe Frau NN nur interessehalber gefragt, ob diese nicht separat in einer Wahlurne aufbewahrt werde würden.

Hinsichtlich des behaupteten Vorfalls, dass der Lagerleiter, Herr PP, am 19.01.2018 um 5:30 Uhr morgens Herrn C. im Treppenhaus angeblich mit "lautem Ton" angesprochen habe und dass Herr PP angedeutet habe, dass in seinen Augen der Unfall nur fingiert worden wäre wegen der ganzen "Betriebsratsscheiße", hat die Beteiligte zu 15 darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Beteiligten zu 2 bis 4 diesbezüglich nicht zutreffend sei. Herr PP habe an diesem Tag seinen Dienst im Lager erst um 7:10 Uhr begonnen; vorher habe er diese behaupteten Äußerungen gar nicht tätigen können. An diesem Tag habe ein Gespräch zwischen Herrn PP und Herrn C. stattgefunden; hierbei sei es ausschließlich um den Unfall und die Unfallmeldung gegangen. Herr PP habe sich lediglich über den Unfall informieren wollen.

In rechtlicher Hinsicht hat sich die Beteiligte zu 15 dem Vorbringen des Betriebsrats angeschlossen und darauf verwiesen, dass der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 18.07.2012 eine andere Sachverhaltskonstellation betroffen habe, nämlich die, dass von einem Wahlvorschlag, nachdem bereits Stützunterschriften angebracht worden wären, nachträglich Kandidaten gestrichen oder hinzugefügt worden seien und die danach gesammelten Stützunterschriften das Quorum nicht erfüllt hätten. Etwaige Mängel der am 16.01.2018 eingereichten Vorschlagsliste mit dem Kennwort "Mit uns fahren Sie gut" seien verfahrensmäßig überholt. Die am 23.01.2018 eingereichte Vorschlagsliste mit diesem Kennwort sei in jeglicher Hinsicht als rechtskonform anzusehen. Aus § 14 Abs. 4 BetrVG ergebe sich, dass ein Wahlvorschlag und die Stützunterschriften eine einheitliche Urkunde bilden müssten. Die Einheitlichkeit der Urkunde sei hier unstreitig gewahrt worden; weitere Voraussetzungen als dieses Merkmal stelle die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht auf.

Es wäre sinnwidrig, eine bestimmte textliche Herstellung der Vorschlagsliste vorzuschreiben oder zu verbieten. Im Hinblick auf das Wahlverfahren könne es betriebsverfassungsrechtlich keinen Unterschied machen, ob eine Vorschlagsliste handschriftlich, maschinenschriftlich aufgrund einer Word-Datei oder durch Fotokopie hergestellt worden sei. Der wesentliche Punkt sei, dass sämtliche Stützunterschriften durch die Vorschlagsliste gedeckt seien. Jeder der Mitarbeiter, der seine Stützunterschrift geleistet habe, hätte damit die vollständige und einheitliche Vorschlagsliste mit den 35 Kandidaten unterschrieben. Eine nachträgliche Änderung der Vorschlagsliste mit den Kandidaten nach Leistung einer Stützunterschrift habe unstreitig nicht stattgefunden.

Des Weiteren hat die Beteiligte zu 15 darauf verwiesen, die Listen 1 und 2 hätten die gleiche Anzahl von Bewerbern gehabt und der Unterschied zur Anzahl der Bewerber der Liste 3 könne in keiner Weise als signifikant angesehen werden. Auf jeden Fall fehle es an der erforderlichen Kausalität; nach allgemeiner Lebenserfahrung und den konkreten Umständen des Einzelfalls müsse die Möglichkeit eines anderen Ergebnisses nicht gänzlich unwahrscheinlich sein. Nach der Lebenserfahrung sei es allerdings kaum wahrscheinlich, dass ein Wähler bei der verfahrensgegenständlichen Betriebsratswahl, bei der insgesamt neun Betriebsratsmitglieder zu wählen gewesen waren, seine Wahlentscheidung davon abhängig gemacht habe, ob eine Liste über 26 Bewerber oder 35 Bewerber verfüge.

Schließlich hat die Beteiligte zu 15 darauf verwiesen, eine Wahlbeeinflussung durch sie habe nicht stattgefunden; sie hat bestritten, dass nach Auszählung der Stimmen Frau NN eine Äußerung des Inhalts, "wir haben gewonnen" getätigt habe. Selbst wenn sie dies so gesagt haben sollte, könne dies keine Rechtsverletzung darstellen. Frau NN habe sich weder gegenüber dem Wahlvorstand noch in sonstiger Weise in den Wahl- und Stimmenzählablauf eingemischt. Die Behauptung, dass Herr SS alle Fahrer in seinem Büro angesprochen habe, ob sie schon gewählt hätten und wenn nicht, dann sollten sie "raufgehen und Liste 2 wählen", sei vollständig unzutreffend. Auch wenn diese Behauptung - wie nicht - gefallen wäre, so könnte kein Wahlverstoß gesehen werden, da der Grundsatz der geheimen Wahl umgesetzt worden sei. Dieser Grundsatz bedeute, dass für Dritte nicht erkennbar sein dürfe, wie der Wähler gewählt habe; ob jemand überhaupt gewählt habe, sei nicht Gegenstand des Wahlgeheimnisses.

Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten zu 15 wird auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen vom 23.04.2018, 04.05.2018 und auf die mit diesen Schriftsätzen übergebenen Anlagen Bezug genommen.

Ergänzend wird weiter auf die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 08.05.2018 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 08.05.2018 - 1 BV 6/18 - hat das Arbeitsgericht Rosenheim die Anträge abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die zulässigen Anträge seien unbegründet. Die Beteiligte zu 1 sei als im Betrieb der Beteiligten zu 15 vertretene Gewerkschaft zwar ebenso anfechtungsberechtigt wie die Beteiligten zu 2 bis 4 als Arbeitnehmer des Betriebes, und sowohl die Beteiligte zu 1 als auch die Beteiligten zu 2 bis 4 hätten die Anfechtungsfrist gem. § 19 Abs. 1 BetrVG eingehalten. Das Arbeitsgericht vertrete jedoch den Standpunkt, dass keinerlei Verstöße vorlägen, die zu einer erfolgreichen Anfechtbarkeit der Wahl führen könnten. Zwar sei § 11 Abs. 2 Satz 1 WO nicht vollständig eingehalten worden; aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls sei allerdings davon auszugehen, dass dieser formelle Mangel auf die Wahl keinen Einfluss habe nehmen können, weil im Übrigen die erforderlichen Vorgaben zur Gestalt des Wahlzettels eingehalten worden seien. Die Listen 1 und 2 hätten identisch ausgesehen, die Liste 3 habe sich in dieses Gefüge eingefügt, wenn die Liste auch um 9 Personen kürzer ausgefallen sei. Nachdem vier Bewerber/innen der Vorschlagsliste 2, drei Bewerber der gleichgroßen Vorschlagsliste 1 und zwei Bewerber der Vorschlagsliste 3 in den Betriebsrat gewählt worden seien, repräsentiere das Wahlergebnis in etwa die Zahl der Kandidaten/innen, die auf den Listen zur Wahl angetreten seien, mit dem Ergebnis, dass der Formverstoß sich nicht auf das Ergebnis der Wahl habe auswirken können.

Zur hier maßgeblichen Frage, ob eine Anfechtbarkeit anzunehmen sei, wenn jeweils alle 35 Wahlbewerber der Listen 1 und 2 und alle 26 Wahlbewerber der Liste 3 auf dem Wahlzettel wiedergegeben worden seien, könne angesichts des Wahlergebnisses regelmäßig davon ausgegangen werden, dass nicht der Eindruck erweckt worden sei, die Listen 1 und 2 seien der kürzeren Liste 3 vorzuziehen. Insbesondere liege kein so krasses Missverhältnis der Wahlbewerber vor, wie es in den Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15.09.2011 - 5 TaBV 3/11 und des Landesarbeitsgerichts Köln vom 05.03.2012 - 5 TaBV 29/11 der Fall gewesen sei. Eine Benachteiligung der Liste 3 hätte regelmäßig nur dann eintreten können, wenn diese nicht einmal die Hälfte der Wahlkandidaten aufgewiesen hätte. Der Abstand von acht Bewerbern zu den anderen beiden Listen sei dagegen nicht signifikant bezüglich der möglichen Beeinflussung des Wahlergebnisses. Auf den Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 WO könne angesichts des Wahlergebnisses und aufgrund der ansonsten ordnungsgemäß ausgestalteten Wahlzettel nicht die Annahme gestützt werden, der Fehler sei bestimmend für das Wahlergebnis gewesen, sodass er die Wahlanfechtung nicht begründen könne.

Hinsichtlich der zunächst zurückgewiesenen Liste 2 vertrete das Arbeitsgericht den Standpunkt, dass kein zur Anfechtbarkeit führender formeller Mangel vorliege.

Auch hinsichtlich der von den Beteiligten 1 bis 4 vorgetragenen weiteren Umstände, die auf eine Wahlbeeinflussung durch die Arbeitgeberseite hinauslaufen würden, liege ebenfalls kein wirksamer Anfechtungsgrund vor.

Ergänzend wird auf die Feststellungen und Erwägungen des Arbeitsgerichts im angegriffenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung, die der Beteiligten zu 1 und auch den Beteiligten zu 2 bis 4 jeweils am 18.05.2018 zugestellt wurde, wenden sich die Beteiligte zu 1 und die Beteiligten zu 2 bis 4 mit ihren jeweils am 05.06.2018 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Beschwerden. Die Begründung der Beteiligten zu 1 ist am 04.07.2018 eingegangen, die Begründung der Beteiligten zu 2 bis 4 am 13.08.2018 und damit innerhalb der bis zum 18.08.2018 verlängerten Frist.

Zur Begründung ihrer Beschwerden bringen die Beteiligte zu 1 sowie die Beteiligten zu 2 bis 4 - weitgehend übereinstimmend - Folgendes vor:

Die streitgegenständliche Betriebsratswahl sei entgegen der Ansicht des Erstgerichts unwirksam. Noch zutreffend sei es davon ausgegangen, dass gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 WO verstoßen worden sei, weil bei allen drei Listen nicht lediglich der erste und der zweite Bewerber aufgeführt worden sei, sondern alle Bewerber. Dem Arbeitsgericht könne aber nicht darin gefolgt werden, dass dieser formelle Mangel keinen Einfluss auf die Betriebsratswahl habe nehmen können. Bei § 11 Abs. 2 Satz 1 WO handle es sich um eine zwingende Vorschrift, was aus ihrem Wortlaut und vor allem auch aus ihrem Normzweck folge. Der Wahlvorstand solle durch die Gestaltung des Stimmzettels keinen Einfluss auf die Wahl nehmen können. Aus der herangezogenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein habe das Arbeitsgericht die falschen Schlüsse gezogen. Entscheidend sei lediglich, dass im dortigen wie im vorliegenden Fall die Liste, die die wenigsten Kandidaten/innen zu verzeichnen gehabt habe, die wenigsten Stimmen und somit auch die wenigsten Sitze im Gremium erhalten habe. Das Fehlen eines krassen Missverhältnisses erkläre sich daraus, dass vorliegend nur neun Betriebsratsmitglieder zu wählen gewesen seien. Es erschließe sich auch nicht, wie das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis habe kommen können, dass eine Benachteiligung der Liste 3 regelmäßig nur dann hätte eintreten können, wenn diese nicht einmal die Hälfte der Kandidaten gehabt hätte. Wenn, wie vorliegend, von der kürzesten Liste die wenigsten Kandidaten ins Gremium einziehen würden, spreche dies entgegen der Ansicht des Ausgangsgerichts dafür, dass der Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 WO ausschlaggebend für das Wahlergebnis gewesen sei.

Entgegen der Ansicht des Ausgangsgerichts hätte die erneut eingereichte Liste "Mit uns fahren Sie gut" als ungültig zurückgewiesen werden müssen, weil sie nicht neu erstellt worden sei. Da bei der gebotenen Zurückweisung die Wähler nur zwischen zwei Wahlvorschlägen hätten wählen können, sei es nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass das Wahlergebnis anders ausgefallen wäre. Im Übrigen sei es bereits im Vorfeld der Wahl zu massiven Wahlbeeinflussungshandlungen seitens der Arbeitgeberin gekommen. Sie habe ihre Neutralitätspflicht in mehrfacher Weise verletzt. Überdies sei gegen den Grundsatz der geheimen Wahl verstoßen worden.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts sei daher abzuändern.

Die Beteiligte zu 1 und die Beteiligten zu 2 bis 4 beantragen übereinstimmend:

I.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 08.05.2018, Az. 1 BV 6/18, wird abgeändert.

II.

Die im Betrieb der Beteiligten zu 15 am 21.02.2018 durchgeführte Betriebsratswahl wird für unwirksam erklärt.

Die Beteiligten zu 5 und zu 15 beantragen sinngemäß:

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 sowie der Beteiligten zu 2 bis 4 gegen den Beschuss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 08.05.2018 (Az.: 1 BV 6/18) werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 5 und zu 15 verteidigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Der Beteiligte zu 5 bringt zweitinstanzlich vor, dass seines Erachtens entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer von § 11 WO gerade nicht ausgeschlossen werde, dass auch noch weitere Bewerber aufgeführt werden können. Die Norm gebe dem Wahlvorstand durchaus eine Gestaltungsmöglichkeit. Die wichtigen Punkte, die es zu beachten gelte, seien in § 11 Abs. 2 WO normiert. Eine Einschränkung auf nur zwei Bewerber sei jedoch gerade nicht getroffen worden. Zwingend sei somit lediglich, dass mindestens die beiden an erster Stelle genannten Bewerber angegeben werden.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer habe die vollständige Abbildung aller Bewerber auch keinen Einfluss auf den Ausgang der Wahl gehabt. Das herangezogene Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15.09.2011 sei vorliegend nicht anwendbar. Die Anzahl der aufgeführten Bewerber sei vielmehr nicht vergleichbar. Zutreffend sei das Erstgericht davon ausgegangen, dass streitgegenständlich kein derart grobes Missverhältnis wie dort geherrscht habe. Die Diskrepanz der von den jeweiligen Listen in den Betriebsrat entsandten Kandidaten sei im Übrigen nicht derart groß, dass es sich dabei nicht auch um einen zufälligen Wahlausgang handeln könnte. Es sei vorliegend nicht sehr wahrscheinlich, dass die Wahl bei einer anderen Gestaltung der Stimmzettel anders ausgefallen wäre. Es wäre daher vollkommen unverhältnismäßig, wegen eines Ergebnisses, das auch bei anderer Gestaltung der Stimmzettel so hätte ausfallen können, die gesamte Wahl als unwirksam zu beurteilen. Nicht nachvollziehbar sei, woraus die Beteiligte zu 1 die Annahme herleite, es komme mangels Vergleichbarkeit der Gremiengröße im vorliegenden und in dem vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschiedenen Fall nur darauf an, dass letztlich die Listen mit den wenigsten Bewerbern auch die wenigsten Stimmen erhalten hätten. Es handle sich um eine reine Mutmaßung. Vorliegend bestehe weder bei der Länge der Liste noch bei der Verteilung der Stimmen ein krasses Missverhältnis. Die Schlussfolgerung der Beteiligten zu 1, wonach ein krasses Missverhältnis nur bei großen Gremien entstehe, erschließe sich nicht, da dieses nicht nur zahlenmäßig, sondern auch verhältnismäßig bestehen müsse; beides treffe hier nicht zu. Eine Verletzung des § 11 Abs. 2 Satz 1 WO vermöge die Anfechtung mithin nicht zu begründen. Im Übrigen sei zu beachten, dass die Anzahl der Wahlbewerber auf Liste 3 alleine ausreichend für die Besetzung aller Betriebsratssitze gewesen wäre. Dass die Listen 1 und 2 länger gewesen seien, sei somit bereits dem Grunde nach nicht wahlbeeinflussend gewesen.

Es sei des Weiteren nicht nachvollziehbar, weshalb die Beteiligte zu 1 aufgrund des Umstands, dass die Liste "Mit uns fahren Sie gut" als Kopie eingereicht worden sei, einen Anfechtungsgrund für die Wahl erkennen wolle. Es existiere keine Regelung, nach der die korrigierte Liste handschriftlich neu hätte abgefasst werden müssen.

Die erstinstanzlich monierten angeblichen Verletzungen der Neutralitätspflicht und weitere angeblich rechtswidrige Wahlbeeinflussungen seien zweitinstanzlich nur von den Beteiligten zu 2 bis 4 angesprochen worden, wobei in keiner Weise nachvollziehbar sei, warum dies erneut moniert worden sei. Der Arbeitgeber habe zu keiner Zeit, weder selbst noch durch leitende Angestellte, seine Neutralitätspflicht verletzt oder die Wahl in irgendeiner Weise beeinflusst. Neues sei zweitinstanzlich nicht vorgetragen worden.

Diese gelte auch für den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl. Die Betriebsratswahl sei rechtmäßig durchgeführt worden.

Auch die Beteiligte zu 15 geht zweitinstanzlich davon aus, dass das Erstgericht zutreffend entschieden habe. Dem Arbeitsgericht sei zunächst insoweit zuzustimmen, als dass nach der Zurückweisung der am 16.01.2018 eingereichten Vorschlagsliste "Mit uns fahren Sie gut" als ungültig eine Ergänzung derselben um rechtswirksame Unterstützerunterschriften ausreichend gewesen sei.

Dem Ausgangsgericht sei im Ergebnis auch darin zu folgen, dass die Gestaltung der Stimmzettel keinen Anfechtungsgrund nach sich ziehe. Jedoch vertrete sie die Auffassung, dass schon kein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 WO vorliege. Der Wortlaut der Bestimmung lasse vielmehr zu, dass sämtliche Bewerberinnen oder Bewerber der jeweiligen Liste aufgeführt werden. Ein Verstoß gegen die neutrale Gestaltung der Stimmzettel wäre erst dann gegeben, wenn bei einer Liste nur die beiden erstgenannten, bei einer anderen Liste sämtliche Bewerber aufgeführt würden. Vorliegend seien aber bei allen drei Listen sämtliche Kandidaten angegeben worden.

Wenn aber doch ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 WO zu sehen wäre, hätte dieser letztendlich keinen Einfluss auf das Ergebnis der Wahl gehabt. Mit der herangezogenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15.09.2011 - 5 TaBV 3/11 - sei der vorliegende Fall nicht vergleichbar, was sich bereits daraus ergebe, dass dort ein 29-köpfiger, hier nur ein 9-köpfiger Betriebsrat zu wählen gewesen sei. Bei einem Gremium von 29 Betriebsräten werde sich der durchschnittliche Wähler für eine möglichst große Liste entscheiden wollen, die möglichst alle Sitze abdecken könne, weil kleinere Listen nicht in der Lage seien, das Betriebsratsgremium aufzufüllen. Bei einem nur 9-köpfigen Betriebsrat sei es dagegen völlig gleich, ob eine Liste 26 oder 35 Bewerber habe. Wegen der vorliegend engen Begrenzung der Mandate sei es denknotwendig so, dass von vorneherein von den 26 Bewerbern der Liste 3 siebzehn nicht gewählt werden konnten. Grundlage der Argumentation des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein sei gewesen, dass sich die Wählerinnen und Wähler durch die hohe Anzahl der Bewerber der ersten Liste hätten beeinflussen lassen. Dabei handle es sich um eine generelle Mutmaßung über Gründe für das Wählerverhalten, die nicht wissenschaftlich belegt sei. Es gehe jedenfalls zu weit anzunehmen, dass mit zunehmender Bewerberzahl entsprechend proportional auch der Zuspruch seitens der Wähler steige. Ferner müsse man sich vor Augen halten, dass für die Wahlentscheidung eine Fülle anderer Faktoren entscheidend sei. Deshalb müsste die unterschiedliche Anzahl der Bewerber der einzelnen Listen schon sehr stark hervorstechen, in den Sinne, dass eine Liste nicht nur mehr Bewerber habe als die andere Liste, sondern schon wesentlich mehr. In dem vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschiedenen Fall sei dies gegeben gewesen, vorliegend jedoch nicht. Im Übrigen müsse für die Frage, ob ein formeller Verstoß Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt habe, auf einen objektivierbaren Umstand abgestellt werden. Das Wahlergebnis eigne sich hierzu nicht, da in dieses eine Fülle von Motiven hineingelesen werden könne. Hiervon könne die Rechtswirksamkeit der Betriebsratswahl nicht abhängen. Einen objektivierbaren Umstand stelle jedoch die Anzahl der Bewerber der jeweiligen Listen dar. Insoweit sei es zutreffend, dass die Liste 3 nur dann hätte benachteiligt sein können, wenn sie nicht einmal die Hälfte der Wahlkandidaten der anderen Listen gehabt hätte.

Das Ausgangsgericht habe auch zutreffend festgestellt, dass eine Verletzung der Neutralitätspflicht sowie des Wahlgeheimnisses durch die Beteiligte zu 5 nicht erkennbar sei. Eine Verletzung der Neutralitätspflicht habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.

Ergänzend wird wegen des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten zu 1 vom 04.07.2018 und vom 30.08.2018, auf den Schriftsatz der Beteiligten zu 2 bis 4 vom 13.08.2018, auf den Schriftsatz des Beteiligten zu 5 vom 29.08.2018, auf den Schriftsatz der Beteiligten zu 15 vom 10.10.2018 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 20.03.2019 Bezug genommen.

Die anderen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren weder schriftsätzlich geäußert noch waren sie im Termin zur Anhörung erschienen oder vertreten. II.

Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerden sind zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 87 Abs. 1 ArbGG. Sie wurden form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 89 Abs. 1, Abs. 2, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6, Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

2. Die Rechtsmittel sind auch begründet. Den Voraussetzungen des § 19 BetrVG ist genügt.

2.1. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die formalen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung gemäß § 19 Abs. 2 BetrVG erfüllt sind. Sowohl die Beteiligte zu 1 als eine unstreitig im Betrieb vertretene Gewerkschaft wie auch die Beteiligten zu 2 bis 4 als drei am Wahltag Wahlberechtigte waren gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Anfechtung berechtigt. Sie haben auch die zweiwöchige Frist zur Wahlanfechtung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, die an den Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses anknüpft, eingehalten (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB), weil das Wahlergebnis unstreitig am 27.02.2018 bekanntgegeben wurde und die Anträge im Beschlussverfahren vor Ablauf des 13. 03.2018, nämlich jeweils am 09.03.2018, beim Arbeitsgericht Rosenheim eingegangen sind.

Dass der Beteiligte zu 3 mittlerweile aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 15 ausgeschieden und damit nicht mehr nach § 7 Satz 1 BetrVG wahlberechtigt ist, ändert an seiner Anfechtungsbefugnis nichts (vgl. BAG, Beschluss vom 23.07.2014 - 7 ABR 23/12, Juris).

2.2. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sind auch die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 BetrVG erfüllt. Danach kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wahlbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

2.2.1. Zu den wesentlichen Vorschriften über das Wahlverfahren im Sinne der genannten Norm zählen jedenfalls zwingende Bestimmungen der Wahlordnung, unter Umständen auch - was hier unerheblich ist - Sollvorschriften, wenn sie elementare Grundprinzipien der Betriebsratswahl enthalten oder tragende Grundsätze des Betriebsverfassungsrechts berühren und deshalb von ihrer Zwecksetzung her als wesentlich einzustufen sind.

Vorliegend hat der Wahlvorstand gegen die zwingende Bestimmung in § 11 Abs. 2 Satz 1 WO verstoßen, indem er auf den Stimmzetteln jeweils nicht nur die beiden an erster Stelle benannten Bewerberinnen oder Bewerber, sondern sämtliche Bewerberinnen und Bewerber der jeweiligen Listen aufgeführt hat.

a) Die Norm ist keine bloße Sollregelung, sondern hat zwingenden Charakter, und sie schreibt nicht nur einen Mindestinhalt vor, sondern regelt die Benennung der Bewerberinnen bzw. Bewerber abschließend.

aa) Den zwingenden Charakter zeigt die Verwendung des Wortes "sind"; bereits nach dem Wortlaut handelt es sich um verbindliche gesetzgeberische Anordnung hinsichtlich der Gestaltung der Stimmzettel.

bb) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sowie der Beteiligten zu 5 und zu 15 folgt aus dieser Vorschrift, dass ausschließlich die beiden an erster Stelle benannten Bewerberinnen bzw. Bewerber pro Liste aufgeführt werden dürfen. Für eine Auslegung des Inhalts, dass es sich um eine Mindestverpflichtung handelt, die dem Wahlvorstand Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Aufnahme weiterer Bewerberinnen und Bewerber in die Stimmzettel lässt, ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift kein Raum. Formulierungen wie "mindestens" oder "regelmäßig", die für die Ansicht des Arbeitsgerichts bzw. der Beteiligten zu 5 und zu 15 sprechen könnten, enthält die Norm nicht. Dafür, dass die Regelung sich darauf beschränken wollte, einen Mindestinhalt festzulegen und die Gestaltung im Übrigen dem Wahlvorstand überlassen wollte, fehlt nach dem Wortlaut vielmehr jeder Hinweis.

cc) Eine vom klaren Wortlaut abweichende Auslegung ist auch nicht mit Blick auf den Zweck der Vorschrift möglich. Sie will vermeiden, dass der Wahlvorstand durch die Gestaltung des Stimmzettels Einfluss auf die Wahl nehmen kann. Denn dieser hat Neutralität zu wahren und die Wahlvorschlagslisten auf dem Stimmzettel von der optischen Gestaltung her einheitlich darzustellen. Zur Einheitlichkeit gehört auch, dass er bei jeder Vorschlagsliste jeweils nur die ersten beiden Listenvertreter auf dem Stimmzettel aufführt. Das Wahlverfahren muss so ausgestaltet sein und vom Wahlvorstand so durchgeführt werden, dass dabei nicht schon durch die Ausgestaltung des Verfahrens und die dabei eingesetzten Mittel, insbesondere durch die den Wählern vom Wahlvorstand zur Verfügung gestellten Stimmzettel, auf die Wahlberechtigten in einem bestimmten Sinne eingewirkt wird oder eingewirkt werden kann. Bei der Stimmabgabe darf keine Wahlbeeinflussung mehr stattfinden; der Wahlkampf findet nur vorher statt.

dd) Es fehlen auch andere Anhaltspunkte, die eine vom Wortlaut abweichende Auslegung der Vorschrift rechtfertigen könnten. Der Wahlvorstand ist hiernach verpflichtet, die Stimmzettel so zu gestalten, wie angegeben.

ee) Die Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (vgl. Beschluss vom 15.09.2011 - 5 TaBV 3/11, Juris, insbesondere Rn. 28) und des Landesarbeitsgerichts Köln (Beschluss vom 05.03.2012 - 5 TaBV 29/11, Juris, insbesondere Rn. 35).

ff) Den hiergegen gerichteten Bedenken der Beteiligten zu 5 und zu 15 vermag die erken nende Beschwerdekammer nicht zu folgen. Es fehlt an einer tragfähigen Begründung für die Annahme, dem Wahlvorstand solle hinsichtlich der Zahl der aufzuführenden Bewerberinnen und Bewerber ein Gestaltungsspielraum verbleiben. Nicht im Ansatz nachzuvollziehen ist das Argument, der Wortlaut stütze ihre Auffassung.

b) Durch die Wiedergabe sämtlicher Bewerber auf den Stimmzetteln wurde mithin gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren verstoßen. Soweit die Beteiligte zu 15 einen Verstoß erst dann annehmen will, wenn bei einer Liste nur die beiden erstgenannten, bei einer anderen aber sämtliche Bewerber aufgeführt werden, lässt sie auch hierfür eine nachvollziehbare Begründung vermissen.

2.2.2. Eine Berichtigung des Verstoßes ist nicht erfolgt. Derartiges wird auch von den Beteiligten zu 5 und zu 15 nicht geltend gemacht.

2.2.3. Der genannte Verstoß würde nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG nur dann nicht zur Anfechtung berechtigen, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte.

a) Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte.

aa) Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss also nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Beschwerdekammer anschließt (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 18.07.2012 - 7 ABR 21/11, Juris, insbesondere Rn. 30, m. w. N.).

bb) Sollte der Beteiligte zu 5 dem entgegenhalten wollen, die Möglichkeit - wie immer definierter - geringfügiger Auswirkungen könne aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vernachlässigt werden, so kann dem nicht gefolgt werden. Dem steht schon der Wortlaut des § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG entgegen, wonach es erforderlich ist, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Einer Relativierung in dem Sinne, dass es ausreiche, wenn das Wahlergebnis nicht wesentlich geändert oder beeinflusst werden konnte, ist im Wortlaut nicht ansatzweise angelegt. Im Übrigen ist auch sonst kein Grund ersichtlich, warum eine - wie immer definierte - geringfügige Verfälschung des Wahlergebnisses hinzunehmen wäre.

cc) Sollte die Beteiligte zu 15 postulieren wollen, für eine erfolgreiche Anfechtung sei die Kausalität positiv festzustellen, so trifft dies nicht zu; diese Ansicht ist vielmehr mit der Systematik des § 19 Abs. 1 BetrVG, dessen letzter Halbsatz mit "es sei denn" eingeleitet wird, unvereinbar. Danach kommt die Unerweislichkeit der Kausalität den Anfechtenden zu Gute. Wenn die Beteiligte zu 15 in diesem Zusammenhang einwendet, es fehle an fundierten Untersuchungen zum Wahlverhalten, das von vielen Faktoren beeinflusst werden könne, so trifft dies nicht den Kern der Sache: daraus folgt lediglich die Unaufklärbarkeit des Verstoßes hinsichtlich einer Beeinflussung des Ergebnisses, der sich, wie ausgeführt, zu Gunsten der Anfechtenden auswirkt.

b) Die Feststellung, dass bei einer dem § 11 Abs. 2 Satz 1 WO entsprechenden Gestaltung der Stimmzettel zwingend dasselbe Wahlergebnis zustande gekommen wäre, kann nicht getroffen werden. Es ist auch nicht richtig, dass eine Auswirkung eine nur theoretisch denkbare Möglichkeit wäre.

aa) Soweit die Beteiligten zu 5 und zu 15 die Auffassung vertreten, die Wiedergabe der vollständigen Listen auf dem Stimmzettel sei in keinem Falle geeignet, die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler zu beeinflussen, so kann dieser nicht zugestimmt werden. Ein entsprechender Erfahrungssatz existiert nicht. Vielmehr ist es hier nicht auszuschließen, dass sich die Wählerinnen und Wähler bei ihrer Wahlentscheidung durch die Höhe der Anzahl der Bewerberinnen bzw. Bewerber pro Liste beeinflussen ließen und vermeiden wollten, ihre Stimme durch die Unterstützung einer "schwachen" Liste zu "verschwenden" (vgl. hierzu LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.09.2011 - 5 TaBV 3/11, Juris, Rn. 28).

bb) Soweit das Arbeitsgericht und die Beteiligten darauf hingewiesen haben, dass die Verteilung der abgegebenen Stimmen im Wesentlichen der Länge der Listen entspreche, spricht dies nicht gegen diese Annahme, sondern vielmehr dafür.

cc) Soweit das Arbeitsgericht und die Beteiligte zu 15 angenommen haben, eine Beeinflussung scheide hier aus, weil der Unterschied von acht Bewerberinnen und Bewerbern nicht signifikant sei, und eine solche erst dann zu erwägen wollen, wenn die "kürzeste" Liste weniger als die Hälfte der Bewerberinnen und Bewerber der anderen Listen aufweise und damit ein "krasses" Missverhältnis vorliege, fehlt für die Richtigkeit dieser Thesen jeglicher Anhaltspunkt.

dd) Soweit die Beteiligten zu 5 und zu 15 die Auffassung vertreten, eine Beeinflussung sei erst denkbar, wenn eine Liste nicht genügend Bewerber aufweist, um alle Sitze des zu wählenden Betriebsrats besetzen zu können, kann auch dieser nicht zugestimmt werden; es gibt auch insoweit keinen Erfahrungssatz, dass der o.g. Effekt nur dann in Betracht zu ziehen wäre.

ee) Dasselbe gilt für den Hinweis auf die unterschiedliche Größe der zu wählenden Gremien im vorliegenden bzw. in dem vom LAG Düsseldorf (a. a. O.) entschiedenen Fall.

c) Da mithin die Feststellung gemäß § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG nicht zu treffen war, und für eine bloße Berichtigung des Wahlergebnisses hier jede Grundlage fehlt, konnte der Anfechtung der Erfolg nicht versagt bleiben.

d) Ob weitere Verfahrensverstöße die erklärten Anfechtungen stützen könnten, kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen.

III.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind. Insbesondere liegt - anders, als die Beteiligte zu 15 wohl meint - kein Fall der Divergenz im Sinne von § 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG vor.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Entscheidung ist mithin kein Rechtsmittel gegeben.

Die Beteiligten zu 5 und zu 15 werden auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 92a i.V.m. § 72 a ArbGG hingewiesen.