SG Landshut, Urteil vom 28.01.2016 - S 5 AS 702/14
Fundstelle
openJur 2021, 17110
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit dem 01.02.2013.

Der Kläger bezog seit dem Jahr 2005 Leistungen vom Beklagten. Bereits in den Jahren 2008, 2009 und 2012 wurden Leistungen wegen fehlender Mitwirkung des Klägers versagt. Zuletzt lehnte der Beklagte den Leistungsantrag des Klägers vom 31.12.2013 wegen fehlenden Nachweises der Hilfebedürftigkeit ab.

Der Kläger ist Eigentümer eines Wohnhauses in R. Er selbst bewohnt eine andere Wohnung zur Miete. Seit Leistungsbeginn weist der Beklagte den Kläger darauf hin, dass die in seinem Eigentum stehende Immobilie zu verwerten sei, sofern sie kein Schonvermögen darstelle. Diverse Male wurde der Kläger vom Beklagten aufgefordert, Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere bezüglich seiner Immobilie zu machen und Nachweise zu erbringen.

Mit Bescheiden vom 19.07.2012 wurden dem Kläger für die Zeit vom 01.05.2012 bis 30.09.2012, mit Bescheid vom 05.10.2012 für den Monat Oktober 2012 und mit Bescheid vom 02.11.2012 und Änderungsbescheid vom 24.11.2012 für die Zeit vom 01.11.2012 bis 31.01.2013 letztmalig Leistungen in Höhe von monatlich 705,00 €, für Januar 2013 in Höhe von 713,00 € gewährt.

Dieser Leistungsgewährung ging eine mündliche Verhandlung am Bayerischen Landessozialgericht am 15.05.2012 voraus, in welcher vereinbart wurde, dass dem Kläger trotz bisher ausbleibender Mitwirkung zunächst vorläufig weiter Leistungen zu gewähren seien, damit diesem ausreichend Zeit zur Verfügung stehe, seine Hilfebedürftigkeit nachzuweisen. Insbesondere müsse festgestellt werden, ob der Wert seiner Immobilie unter den Betrag seines Schonvermögens falle. Weiter erkannte der Beklagte an, auf der Grundlage eines Antrages vom 04.03.2010 einen neuen Bescheid zu erlassen und sämtliche Versagungsbescheide bezüglich dieses Zeitraumes aufzuheben.

Am 19.07.2012 erging eine Aufforderung zur Mitwirkung an den Kläger, wonach u.a. der Nachweis des aktuellen Verkehrswertes des Grundstücks des Klägers erforderlich und zu erbringen sei.

Gelegentlich übersandte der Kläger Kontostandmitteilungen zu bestimmten Stichtagen, so etwa für den 19.07.2012 oder den 01.02.2010. Er reichte eine Anlage EK ein, welche keine konkreten Angaben zu seinem Einkommen enthielt, sondern u.a. die Auskunft des Klägers, dass für seine Immobilie ein Wohnrecht vorliege und ein weiterer Verwertungsnachweis nicht erforderlich sei, bzw. die Verwertung eine besondere Härte darstelle. Er gestatte keine Anforderung von Unterlagen.

Der Beklagte erhielt aufgrund einer in einer Niederschrift vom 31.05.2012 erteilten Erlaubnis des Klägers von der Sparkasse Umsatzanzeigen über Konten des Klägers bis August 2012. Daraus gingen unter anderem Umsätze hervor, die dem handwerklichen Bereich zuzuschreiben sind, z.B. Internetkäufe über Handwerksgeräte, Kosten für Kfz-Steuern, aber auch nicht unerhebliche Einzahlungen, etwa im August 2012 in Höhe von 1.000,00 €. Oft erfolgten Bareinzahlungen und anschließend Auszahlungen an eine Firma ... M. ..., die auf dem Gebiet der Überlassung von Baumaschinen tätig ist.

Weiter überließ der Kläger dem Beklagten eine handschriftliche Liste von Darlehen aus Juli 2012. Darin befinden sich etwa Vorgänge aus den Jahren 2000 und 2005 mit "Cirkabeträgen", unter anderem für die Tochter des Klägers.

Am 14.09.2012 widerrief der Kläger seine Erklärungen, er habe nichts genehmigt und keine Vollmacht erteilt.

Auch nach diversen Vorsprachen des Klägers beim Beklagten und Aufzeigen der leistungsrechtlichen Situation, etwa am 31.05.2012, 20.06.2012, 04.10.2012 und 17.01.2013 blieben nähere Angaben zu Darlehensverhältnissen und zum Wert seiner Immobilie aus. Der Kläger erklärte, dass keine Auskünfte über sich und seine Angelegenheiten an Dritte weitergegeben werden dürfen.

Am 25.01.2013 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 01.02.2013. Im Antrag führte er u.a. aus: "Keine Anrufe an Wohngenossenschaft, keine Auskünfte und Anforderungen nicht gestattet, keine Anfragen an Dritte ohne mein Einverständnis, keine Vollmacht für Banken oder Grundbuchamt o.ä.".

Mit Bescheid vom 01.02.2013 wurde der Leistungsantrag wegen Nichtfeststellbarkeit der Hilfebedürftigkeit abgelehnt. Der Kläger sei bereits in der Vergangenheit mehrfach schriftlich und mündlich aufgefordert worden, seine Hilfebedürftigkeit nachzuweisen. Ihm sei genügend Zeit zur Erbringung der Nachweise eingeräumt worden, bisher seien jedoch keinerlei Unterlagen eingegangen. Es seien auch keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der Kläger sein Verhalten ändern werde. Eine nach einer mündlichen Verhandlung am Landessozialgericht München erteilte Vollmacht zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit von Amts wegen, sei widerrufen worden.

Am 06.02.2013 legte der damals Bevollmächtigte des Klägers gegen diesen Ablehnungsbescheid Widerspruch ein. Am 24.04.2013 wurde der Kläger vom Beklagten aufgefordert, nach Mandatsniederlegung seines Bevollmächtigten selbst Nachweise über seine Einkünfte seit März 2010 vorzulegen, diverse Darlehensverträge beizubringen und Nachweis über den Verkehrswert seines Grundstücks zu führen. Nachdem keinerlei Nachweise eingingen, wurde der Widerspruch mit Bescheid des Beklagten vom 05.07.2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Am 05.08.2013 erhob der Kläger dagegen Klage zum Sozialgericht Landshut, welche unter dem Aktenzeichen S 5 AS 401/13 geführt wurde.

Einen Weiterbewilligungsantrag vom 31.12.2013 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22.08.2014 wiederum wegen des mangelnden Nachweises der Hilfebedürftigkeit ab.

Am 18.12.2014 stellte der Kläger einen weiteren Leistungsantrag beim Beklagten. Bei Antragstellung wurde ein Termin zur Abgabe am 05.01.2014 um 9.30 Uhr vereinbart. Am 19.12.2014 gab der Kläger das unterschriebene Antragsformular ab und gab an, in eine 50 qm große Wohnung gezogen zu sein. Er bezahle eine Grundmiete von 360,00 € zuzüglich 140,00 € Heizkosten. Er legte eine vom Vermieter nicht unterzeichnete Mietbescheinigung vor.

Den Termin am 05.01.2015 sagte der Kläger telefonisch ab. Er wurde zu einem neuen Termin am 29.01.2015 eingeladen.

Mit Schreiben vom 21.01.2015 forderte der Beklagte den Kläger auf, eine Meldebestätigung, den Mietvertrag, eine Mietbescheinigung sowie ein Wertgutachten über seine Immobilie vorzulegen und mitzuteilen, wie er seinen Lebensunterhalt seit Januar 2013 gesichert habe, sowie eine Aufstellung der Geldzuflüsse und entsprechende Nachweise vorzulegen. Außerdem wurden ihm die Kontaktdaten eines Immobiliensachverständigen genannt, mit dem sich der Kläger bezüglich der Erstellung eines Wertgutachtens in Verbindung setzen solle.

Der Kläger erklärte daraufhin, dass er keine Einnahmen habe und forderte den Beklagten auf, seine Immobilie begutachten zu lassen oder ihm einen Gutschein zu geben oder eine Kostenübernahme zuzusagen.

Mit Schreiben vom 26.01.2015 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass es möglich sei, ein Verkehrswertgutachten im Wege der Amtshilfe kostenfrei durch das Jobcenter einzuholen. Er werde gebeten, eine entsprechende Einverständniserklärung zu unterzeichnen. Am 30.01.2015 bat der Kläger telefonisch um Fristverlängerung. Diese wurde ihm durch den Beklagten bis zum 17.02.2015 unter dem Hinweis, dass ggf. Leistungen gemäß §§ 66 ff Sozialgesetzbuch (SGG) versagt werden könnten, gewährt.

Am 19.02.2015 wurde der Kläger nochmals darauf hingewiesen, dass er die Unterlagen letztmalig bis zum 09.03.2015 einreichen könne, ansonsten werde eine Entscheidung nach Aktenlage ergehen.

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 30.03.2015 lehnte der Beklagte sodann den Antrag vom 18.12.2014 mit der Begründung ab, dass der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen habe. Dagegen legte der Kläger am 19.04.2015 Widerspruch ein.

Am 31.12.2014 erhob der Kläger gegen diese Ablehnungsentscheidung Klage zum Sozialgericht Landshut, welche unter dem Aktenzeichen S 5 AS 702/14 geführt wird.

Im laufenden Klageverfahren legte der Kläger am 23.03.2015 die vom Vermieter unterzeichnete Mietbescheinigung, wonach der Kläger am 01.02.2013 in die 57 qm große Wohnung zu einer Gesamtmiete in Höhe vom 360,00 € eingezogen sei, sowie die Meldebestätigung vor. Weiter reichte er eine Verkaufsanzeige für ein Grundstück, welches seinem eigenen Grundstück sehr ähnlich sei, zu einem Verkaufspreis in Höhe von 15.000,00 €, ein Schreiben über den Beitragsrückstand bei der Krankenversicherung, sowie ein Schreiben über die Einstellung der Energieversorgung per Fax ein. Insgesamt 12 weitere Faxseiten gingen leer bei Gericht ein. Trotz der Mitteilung an den Kläger, dass drei Faxsendungen als leere Seiten dem Gericht vorliegen, erfolgte keine weitere Reaktion des Klägers.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid des Beklagten vom 01.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2013 und den Bescheid des Beklagten vom 30.03.2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab dem 01.02.2013 fortlaufend Leistungen nach SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang, sowie die gerichtliche Verfahrensakte Bezug genommen.

Gründe

Streitgegenstand ist ein Anspruch des Klägers auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum vom 01.02.2013 bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung. Bei Komplettablehnungen ohne eine zeitliche Begrenzung ist grundsätzlich der gesamte Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung einer Tatsacheninstanz zu prüfen (vgl. BSG Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 45/06 R, juris, Rn. 28; BSG, Urt. vom 16.05.2007 - B 11b AS 37/06 R, Rn.15; BSG, Urt. vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/06 R, Rn. 13 sowie BSG, Urteil vom 11.11.2007 - B 8/9b SO 12/06). Dies gilt dann nicht, wenn - was vorliegend nicht der Fall ist - der Zeitraum durch den streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid ausdrücklich begrenzt worden ist oder seine Wirkung durch einen Folgebescheid verliert (so etwa BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 99/11 R -, SozR 4-4200 § 12 Nr. 18, Rn. 11; BSG Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 45/06 R, juris, Rn. 28).

Die gem. § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da diese rechtmäßig sind.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum, weil die erforderliche Hilfebedürftigkeit gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9 SGB II nicht festgestellt werden kann.

Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Im vorliegenden Fall bleibt durch die fehlende Mitwirkung des Klägers bereits seit Jahren unklar, wie es um seine wirtschaftlichen Verhältnisse steht. Zum einen ist der Kläger Eigentümer einer Immobilie, zum anderen lassen Bewegungen auf dem Konto des Klägers den Schluss zu, dass der Kläger Einkommen erzielt und es kann nicht nachvollzogen werden, wie der Kläger seit Februar 2013 seinen Lebensunterhalt sichert.

Bereits seit dem Jahr 2005 wird der Kläger immer wieder auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen, es erfolgten wiederholt Aufklärungen in diversen Klage-, einstweiligen Rechtsschutz- und Beschwerdeverfahren auch durch das Sozialgericht und das Bayerische Landessozialgericht, dass der Kläger für die Prüfung eines Leistungsanspruches zwingend seine wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen müsse.

Der Kläger verweigert jedoch jegliche Mitwirkung. Er legt weder fortlaufende, vollständige Kontoauszüge vor, noch gibt er Erklärungen zu, dem Beklagten bekannten, Kontovorgängen ab, noch nimmt er die Unterstützung des Beklagten bezüglich der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens für seine Immobilie an.

Eine Aufklärung, ob der Kläger seinen Lebensunterhalt durch Einkommen oder Vermögen sichern kann, ist somit nicht möglich.

Der Kläger trägt die Beweislast für die Feststellung seiner Hilfebedürftigkeit (BSG Urteil vom 18.02.2010 - B 14 AS 32/08 R - in juris Rn. 18; Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 10/08 R - in juris Rn. 21; vgl. auch BVerfG Beschluss vom 01.02.2010 - 1 BvR 20/10 in juris).

Denn die Unerweislichkeit einer Tatsache, vorliegend die Hilfebedürftigkeit, geht zu Lasten desjenigen Beteiligten, der aus ihr eine günstige Rechtsfolge herleitet (vgl. BSG Urteil vom 24.05.2006 - B 11a AL 7/05 R - in juris Rn. 32).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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