Hessischer VGH, Beschluss vom 07.04.2004 - 12 TG 649/04
Fundstelle
openJur 2021, 17072
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 18. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,-- € festgesetzt.

Gründe

Randnummer1Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146 Abs. 1, 4; 147 VwGO), aber nicht begründet.

Randnummer2Aufgrund der mit der Beschwerde gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 18. Februar 2004 vorgebrachten Bedenken, auf deren Überprüfung der beschließende Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO; vgl. Hess.VGH, 05.07.2002 - 12 TG 959/02 -, EZAR 037 Nr. 7), kann nicht festgestellt werden, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den ausländerbehördlichen Bescheid vom 11. November 2003 im Ergebnis zu Unrecht abgelehnt hat. Die Ausweisung und Abschiebungsandrohung sind nämlich offensichtlich rechtmäßig und im Hinblick darauf rechtfertigen es öffentliche Belange unter Berücksichtigung der hier gegebenen persönlichen Verhältnisse, welche die persönlichen Interessen des Antragstellers überwiegen und über das den angegriffenen Verwaltungsakt selbst rechtfertigende Interesse hinausgehen, den Rechtsschutzanspruch des Antragstellers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (BVerfG, 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 = EZAR 622 Nr. 1; BVerfG, 18.07.1973 - 1 BvR 23,155/73 -, BVerfGE 35, 382; BVerfG - Kammer -, 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 -; Hess. VGH, 09.11.1995 - 12 TG 2783/95 -; Hess. VGH, 22.09.1988 - 12 TH 836/88 -, EZAR 622 Nr. 6 = InfAuslR 1989, 14).

Randnummer3Das Verwaltungsgericht hat ebenso wie die Ausländerbehörde zu Recht zugrunde gelegt, dass dem Antragsteller erhöhter Ausweisungsschutz gemäß § 48 AuslG nicht zukommt, da er weder die Rechtsstellung eines Kontingentflüchtlings nach der Genfer Konvention im Sinne des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22.Juli 1980 (- HumHag - BGBl. I, S. 1057) inne hat noch eine der anderen in § 48 AuslG aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Die Rechtsstellung eines Kontingentflüchtlings kommt dem Antragsteller trotz des entsprechend verfassten Wortlauts der Bescheinigung des Antragsgegners vom 6. März 1996 (Behördenakte Bl. 11) nicht zu, da es sich bei dem Antragsteller nicht um einen Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention handelt, sondern um einen mit Wissen seines Heimatstaates ausgereisten Emigranten, der lediglich in entsprechender Anwendung der Vorschriften des HumHAG in Deutschland aufgenommen wurde, wie auch in den von dem Antragsgegner schon in dem angegriffenen Bescheid aufgeführten und dem Schriftsatz vom 5. April 2004 beigefügten Erlassen des HMdI vom 18. Oktober 2000 und des Auswärtigen Amtes vom 25. März 1997 klargestellt wird.

Randnummer4Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens unterliegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Ablehnung eines atypischen Ausnahmefalls keinen durchgreifenden Bedenken. Allein der Umstand, dass der Antragsteller nur wegen des Tatbeitrags in Form der Beihilfe verurteilt wurde, ist nicht geeignet, einen atypischen Ausnahmefall zu begründen, wie schon die Höhe der für ihn als Ersttäter verhängten Strafe zeigt und zudem aus den Beschlüssen des Landgerichts Giessen vom 5. September 2003 und vom 9. Januar 2004 hervorgeht, mit denen die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung aufgrund der Charakteristik der Tat und deren Nähe zu Menschenhandel und Zuhälterei abgelehnt wurde.

Randnummer5Auch die familiäre Situation des Antragstellers vermag einen atypischen Ausnahmefall nicht zu begründen, vielmehr stellt die schon infolge der Verhängung und Verbüßung von Freiheitsstrafen stattfindende Trennung von der Familie geradezu den Regelfall dar, und der Antragsteller hat über den Regelfall hinausgehende Umstände, die seine weitere Anwesenheit in Deutschland etwa zur Betreuung einzelner Familienmitglieder dringend erfordern würden, nicht dargelegt.

Randnummer6Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich die Rechtslage im Hinblick auf die Grundlagen einer Ausweisung mit dem Beitritt Lettlands zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 durch das nationale Recht überlagerndes Gemeinschaftsrecht ändern dürfte, insbesondere hinsichtlich der Frage der Befristung der Wirkung der Ausweisung. Außerdem können die Daten des Antragstellers mit Wirksamwerden des Beitritts von Lettland zur EU wohl nicht weiter im Schengener Informationssystem gespeichert bleiben (Art. 96 SDÜ).

Randnummer7Die Entscheidung über die Kosten und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Randnummer8Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

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