VG des Saarlandes, Urteil vom 24.02.2021 - 5 K 796/19
Fundstelle
openJur 2021, 16837
  • Rkr:

1. Ein im Jahr 2011 festgestelltes (europarechtliches) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. unterfällt nach heutigem Recht und Verständnis dem subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.

2. Zum Erfordernis der beachtlichen und nachhaltigen Änderung der der ursprünglichen Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Tatsachen für einen Widerruf subsidiären Schutzes (hier verneint).

3. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer bietet in Afghanistan bei einer anzunehmenden Betroffenheit von privater Verfolgung - in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls - ggf. auch die Hauptstadt Kabul keinen dauerhaften internen Schutz im Verständnis von § 3e AsylG bzw. Art. 8 ARL.

4. Ein beachtlicher Teil der neueren verwaltungsgerichtlichen und zunehmend auch der obergerichtlichen Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass nach der aktuellen Erkenntnislage derzeit nicht mehr an dem Grundsatz festzuhalten ist, dass jeder alleinstehende, gesunde junge Mann im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage sein wird, dort wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu führen (vgl. OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 - und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, jew. juris; ebenso wohl OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.11.2020 - 13 A 11421/19 -, juris, Rz. 136; ähnlich bzw. teilweise noch weitergehend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris, Rz. 104 ff.).

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17.05.2019 wird aufgehoben.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf eines festgestellten Abschiebungsverbots durch die Beklagte.

Nach seinen Angaben ist der Kläger am ...02.1994 in Afghanistan geboren (Provinz Herat, Dorf ...), afghanischer Staatsangehöriger, islamisch-sunnitischer Religionszugehörigkeit, ledig, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und spricht als Muttersprache Dari.

Am ...04.2011 wurde der Kläger bei der Einreise mit einem Bus von Paris nach Frankfurt am Grenzübergang BAB 6 Goldene Bremm in A-Stadt bundespolizeilich ohne Ausweisdokumente aufgegriffen. Dabei gab er u.a. an, er sei am 01.01.1994 geboren und in Afghanistan zwei Jahre alt gewesen, als sein Vater im Krieg verstorben sei. In Afghanistan sei es üblich, dass nach dem Tod des Vaters die Kinder der Mutter entzogen würden. Er sei bei seiner Großmutter aufgewachsen. Seine Mutter habe dann wieder geheiratet. Vor neun Jahren habe sein Onkel beschlossen, dass er in den Iran gehen solle. In den Iran sei er legal mit seiner Schwester und einem Bruder eingereist. Bei der Einreise sei ihnen vom Iran eine Identitätskarte ausgestellt worden. Dort seien sie bei der Tante mütterlicherseits untergebracht worden. Sie hätten legal im Iran gelebt. Ca. drei Jahre später sei dann seine Mutter mit ihrem damaligen Mann nachgereist. Er, der Kläger, habe ein Problem gehabt und aus diesem Grund habe er den Iran verlassen. Er sei mit einem Freund im Urlaub gewesen. Dieser sei bei einem Badeunfall ums Leben gekommen. Die Familie habe ihn beschuldigt, dass er ihn umgebracht habe; sie hätten ihn gesucht. Seine Mutter habe ihn gewarnt, dass er nicht nach Hause kommen solle. Er habe dann wieder für ein paar Tage zu seinem Onkel nach Afghanistan zurückgewollt. Doch dieser habe ihn davor gewarnt, dass es zu gefährlich sei. Er sei 20 Tage in Mashad geblieben. Sein Onkel habe ihm gesagt, dass ihn ein Mann anrufe und ihm etwas vorschlage. Sein Onkel habe gemeint, dass dieser Mann ihn in die Türkei bringe und von da aus nach Europa. Dieser Mann habe ihn einen Tag später angerufen. Er habe ihn mit einem Taxi in die Grenzstadt Orumieh gebracht. Er kenne den Namen des Mannes nicht. Von dort aus hätten ihn andere Männer zu Fuß über die Grenze begleitet; dies habe ca. acht Stunden gedauert. In der Türkei sei er einer anderen Gruppe zugeteilt worden. Diese habe sie dann mit einem Kleintransporter mit ca. sieben bis acht Sitzplätzen nach Istanbul gebracht. Es seien fünf Männer gewesen. Sie hätten nicht reden dürfen. Dort seien sie wieder einer anderen Gruppe übergeben worden. Sie hätten ca. drei Stunden zu Fuß gehen müssen und seien mit einem Boot über die Grenze nach Griechenland und dann mit dem Zug nach Athen gebracht worden. Sie hätten sich selbst bei der griechischen Polizei gemeldet; dort seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Sie hätten ihnen einen Monat Zeit gegeben, das Land zu verlassen. Daraufhin habe er in Griechenland Kontakt zu einem Schleuser aufgenommen. Ihm sei aus dem Iran Geld geschickt worden, von dem er die Weiterreise finanziert habe. Die Schleusung habe 2.700.- € kosten sollen. Mit einem Lkw seien sie nach Italien gebracht worden. Mit einem anderen Lkw seien sie zu einem Bahnhof in Italien gebracht worden. Die Stadt kenne er nicht. Dort sei ihm ein Ticket ausgehändigt worden, mit dem er nach mehrmaligem Umsteigen nach Frankreich gefahren sei. In Frankreich sei ihnen das Busticket gegeben worden. Auf dem Busticket habe Frankfurt gestanden. Die Reise von Athen bis hierher habe drei Tage gedauert. Er wolle hier in Deutschland Schutz vor den genannten Problemen. Im Besitz eines Passes sei er nicht. Im Iran habe er eine beschränkte Aufenthaltsgenehmigung nur für den Iran gehabt. Als früheren Wohnsitz gab er Teheran an (Stadtteil ... Straße ...).

Am 09.05.2011 stellte der Kläger einen förmlichen Asylantrag. Dabei gab er an, er sei am 01.01.1994 geboren.

Bei seiner Bundesamtsanhörung am 17.05.2011 (§ 25 AsylVfG a.F.) führte der Kläger u.a. aus, er spreche neben Dari noch Farsi. Er sei Tadschike und habe keine Personalpapiere dabei. Im Iran habe er Unterlagen gehabt, so eine Art Duldung, die immer habe verlängert werden müssen, er habe dort keine Anerkennung gehabt. Er habe auch keine sonstigen Dokumente dabei über seine Person. Er sei illegal eingereist. Seine letzte Anschrift im Heimatland sei Provinz Herat, Bezirk ..., Dorf .... Seit acht Jahren sei er zusammen mit einem Bruder und einer Schwester im Iran gewesen (in Teheran, Stadtteil ..., Straße ...), unter dieser Anschrift habe er die letzten vier Jahre gelebt. Er sei zwischenzeitlich nie mehr nach Afghanistan zurückgekehrt. Er sei ledig. Sein Vater sei verstorben, als er zwei Jahre alt gewesen sei. Seine Mutter lebe im Iran, sie habe wieder geheiratet, leider sei ihr zweiter Ehemann auch bereits verstorben; aus der zweiten Ehe habe sie auch zwei Kinder. Seine Mutter, sein Bruder und zwei Halbgeschwister sowie eine Tante mütterlicherseits lebten im Iran. In Afghanistan lebten seine verheiratete Schwester, ein Onkel väterlicherseits und ein Onkel mütterlicherseits, sie lebten alle in der Provinz Herat. Er habe zwei Jahre die Schule in Afghanistan besucht. Mit sechs Jahren habe er im Iran in der Blumenzucht gearbeitet. Als er älter gewesen sei, habe er auf dem Bau als Hilfsarbeiter gearbeitet, und zwar die letzten vier Jahre, bis etwa zwei Wochen vor seiner Ausreise im September/Oktober 2010. Er habe in keinem anderen Land einen Asylantrag gestellt und wolle, dass sein Asylantrag in Deutschland bearbeitet werde. Er sei mit Hilfe eines Schleppers ausgereist. Der Schlepper habe 1.500.- $ dafür gewollt, dass er ihn in die Türkei bringe. Für die Weiterreise nach Griechenland habe er 1.300.- $ haben wollen. Das Geld habe irgendwo hinterlegt werden sollen. Er sei illegal in die Türkei eingereist. Sie hätten zu Fuß laufen müssen und seien in einer Gruppe von mehreren Flüchtlingen unterwegs gewesen, acht oder neun Personen. Der Schlepper habe sie dann etwa 20 Tage bei sich in Istanbul untergebracht. Danach habe er sie nach Griechenland gebracht, er habe zwei Stunden lang zu Fuß laufen und auch einen Fluss überqueren müssen. Sobald sie in Griechenland angekommen seien, seien sie von der griechischen Polizei aufgegriffen und ihre Fingerabdrücke genommen worden. Er sei nach Athen geschickt worden und mit dem Zug dorthin gefahren. Dort habe er vier bis fünf Monate verbracht, teilweise in einem Gasthaus, teilweise habe er sich auch im Freien aufgehalten. In Griechenland habe er dann einen anderen Schlepper gefunden, der ihn für 2.500.- € habe weiterbringen sollen. Er habe sich zunächst auf einer griechischen Insel befunden und sei dann mit einem Lkw weitertransportiert worden. Der Schlepper habe ihn dann auf der ganzen weiteren Fahrt weiter begleitet. Er sei dann teilweise mit einem Lkw und teilweise mit dem Zug weitergefahren. Die letzte Strecke sei dann eine Busfahrt gewesen. Der Schlepper sei nicht die ganze Zeit dabei gewesen, sondern er sei überall, wo er angekommen sei, von einem Schlepper in Empfang genommen und weitergeleitet worden. Er wisse nicht, durch welche Länder er von Griechenland aus gefahren sei. Als er hier in Deutschland angekommen und von der deutschen Polizei aufgegriffen worden sei, habe er erst mitbekommen, dass er aus Frankreich mit dem Bus gekommen sei. Diese Reise habe etwa fünf Tage gedauert, davon drei Tage mit dem Lkw. Er wisse wirklich nicht, durch welche Länder er gefahren sei. Auf Vorhalt: Er habe auch bei der Bundespolizei nie gesagt, dass er über Italien und Frankreich gefahren sei. Auf weiteren Vorhalt: Es könne sein, dass er über Italien und Frankreich gekommen sei, er wisse das wirklich nicht; so etwas habe er auch bei der Polizei nicht gesagt, er könne sich aber jetzt erinnern, dass er dem Schlepper 2.700.- € gegeben habe. Insgesamt habe er 2.800.- $ für den Schlepper nach Griechenland und 2.700.- € bis hier nach Deutschland bezahlt; außerdem habe er noch 500 bis 600 € eigene Ausgaben unterwegs gehabt. Das Geld habe die Familie zusammengelegt; er habe selbst etwas Geld gehabt, sein Onkel und seine Tante hätten ihm geholfen und sie hätten auch etwas Geld ausgeliehen. Sein in Afghanistan lebender Onkel mütterlicherseits habe die Ausreise organisiert. Dieser habe viele Bekannte im Iran, die sich mit so etwas auskennen würden. Als er sich in Mashad aufgehalten habe, habe er zu ihm gesagt, er solle auf den Anruf eines Schleppers warten und so sei er mit dem Schlepper in Kontakt gekommen. In Griechenland habe er den Schlepper selbst gefunden. Sein Bruder sei älter als er, er habe eine eigene Familie und arbeite auch auf Baustellen. Sein Onkel mütterlicherseits, der in Afghanistan lebe, arbeite in der Landwirtschaft. Zu seinem Verfolgungsschicksal befragt, gab er im Wesentlichen an, er habe Schwierigkeiten gehabt. Er habe im Iran einen Freund gehabt, der auch aus Herat gestammt habe. Er sei allerdings Paschtune gewesen, habe aber seine Sprache auch sprechen können. An einem verlängerten Wochenende sei er mit ihm zusammen ans Kaspische Meer in Urlaub gefahren. Sie seien nach Anschali gefahren. Sie seien Schwimmen gegangen, dabei hätten auch ein paar Mädchen zugesehen. Auf dem Meer hätten sich Bojen befunden, die angezeigt hätten, wie weit man hinausschwimmen dürfe. Sein Freund habe aber weiter als diese Bojen hinausschwimmen wollen. Er habe ihn zurückhalten wollen und ihm erklärt, dass das doch sehr gefährlich sei und auch schon Leute ertrunken seien. Sein Freund sei aber trotzdem weiter hinausgeschwommen und er sei dann auch wirklich ertrunken. Er habe den Rettungsdienst benachrichtigt, es habe drei oder vier Stunden gedauert, bis man seine Leiche gefunden habe. Er habe dann seine Familie angerufen und auch die Familie seines Freundes und habe erzählt, was passiert sei. Es sei so gewesen, dass die Polizei ihm ermöglicht habe, seine Familie und auch die Familie seines Freundes anzurufen. Dann habe die Polizei gesagt, dass er gehen könne. Als er dann mit seiner Mutter telefoniert habe, habe sie ihm gesagt, dass er keinesfalls nach Teheran zurückkommen solle. Die Familie seines Freundes, vor allem dessen Brüder, seien sehr böse auf ihn. Sie würden ihn für den Tod seines Freundes verantwortlich machen. Er habe seiner Mutter erklärt, dass das doch überhaupt nicht stimme, sie habe aber gesagt, die Leute würden ihn verantwortlich machen und deshalb solle er auf keinen Fall zurückkehren. Deshalb sei er dann nicht nach Teheran, sondern nach Mashad gegangen. Von dort aus habe er wieder seine Mutter angerufen und sie habe ihn wiederum gewarnt, nicht nach Teheran zu kommen. Die Familie seines verstorbenen Freundes sei wirklich sehr böse auf ihn. Er wolle noch sagen, dass es im Iran ein Blutgeld gebe, das heiße, dass die Familie des Verstorbenen eine hohe Summe von dem Urheber verlangen könne; wahrscheinlich hätten die Brüder das erreichen wollen. Er habe dann seinen Onkel mütterlicherseits in Afghanistan angerufen und ihm gesagt, dass er nach Afghanistan kommen wolle. Sein Onkel kenne auch die Familie seines verstorbenen Freundes. Da er nicht in Teheran erschienen sei, habe dessen in Herat lebender Bruder gedacht, dass er nach Afghanistan geflüchtet sei. Deshalb hätten die dann bei seinem Onkel nach ihm gesucht. Er habe natürlich seinem Onkel auch erzählt, dass er keine Schuld an dem Tod seines Freundes gehabt habe, dass er einfach ertrunken sei. Diese Familie habe sich auf so etwas aber gar nicht eingelassen, die hätten ihn unbedingt haben wollen. Sein ertrunkener Freund habe einen Bruder und auch noch weitere Verwandte in Afghanistan und im Iran lebten noch zwei Brüder und sein Vater. Sein Onkel habe ihm dann geraten, zunächst noch ein paar Tage zu bleiben und abzuwarten, was passiere. Er habe auch noch dazu sagen wollen, dass ein weiterer Bruder aus dieser Familie schon bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden sei. Die Familie habe damals von dem Verursacher 8 Millionen iranische Tuman bekommen, sie sei sehr versiert auf diesem Gebiet. Das sei alles. Auf Fragen: Der Vorfall, bei dem sein Freund ertrunken sei, sei im September/Oktober 2010 gewesen. Danach habe er sich noch 15 bis 16 Tage im Iran aufgehalten. Für den Fall, dass er nach Afghanistan zurückkehren müsse, wisse er nicht, ob sie ihn töten würden oder Geld haben wollten, auf jeden Fall seien sie sehr gefährlich; sie hätten damals Afghanistan verlassen, weil sie die Taliban unterstützt hätten, damit wolle er nur unterstreichen, wie gefährlich diese Leute seien. Als er der Familie seines Freundes mitgeteilt habe, dass dieser ums Leben gekommen sei, sei zuerst seine Mutter am Telefon gewesen, er habe ihr das aber nicht sagen können, er habe dann nach dessen älterem Bruder gefragt; dieser habe natürlich auch mitbekommen, dass er am Telefon geweint habe und selbst total schockiert gewesen sei und habe dann einfach aufgelegt. Die Leiche seines Freundes sei etwa gegen fünf Uhr nachmittags gefunden worden. Er habe zuerst die Familie seines Freundes angerufen und gegen Mitternacht seine Mutter. Sie habe ihm erzählt, dass Angehörige dieser Familie schon abends bei ihnen erschienen seien und ihn für den Tod seines Freundes verantwortlich machten. Er habe sich direkt, nachdem ihm seine Mutter gesagt habe, dass er nicht nach Teheran zurückkommen solle, ein Busticket gekauft und sei dann gegen halb drei Uhr morgens mit dem Bus nach Mashad gefahren. Dort habe er sich bei einem Freund aufgehalten. Zu seiner Mutter und seinem im Iran lebenden Bruder habe er jetzt noch Kontakt. Sie hätten ihm erzählt, dass sie immer wieder von den Leuten dieser Familie belästigt würden; seit zwei Monaten wohnten sie unter einer anderen Adresse. Die seien immer wieder gekommen und hätten bei seiner Familie das Haus durchsucht nach ihm, das meine er mit Belästigung. Seine Mutter habe dann auch eine Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Polizei habe auch erst gesagt, dass sie etwas unternähme, wenn diese Leute wiederkämen, und man sie dann benachrichtigen solle; die Polizei habe aber dann doch nichts unternommen. Er habe von Mittwoch bis Freitag bleiben wollen, am Donnerstag sei dann der Unfall passiert. Eine Blutgeldforderung sei hier nicht möglich, da müsse man selbst da sein; man könne dann von keinem anderen Geld verlangen, es sei nicht möglich gewesen, das von seinem älteren Bruder zu verlangen. Da es keinen Anlass für eine Beschuldigung durch die Familie seines Freundes gegeben habe, wisse auch er keinen Grund und keinen Anlass, das sei ihm auch bis heute nicht klar geworden.

Mit Bescheid vom 03.11.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen; zugleich stellte sie fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG (a.F.) hinsichtlich Afghanistan vorliegt. In der Begründung heißt es u.a., die Berufung auf das Asylgrundrecht sei aufgrund der Einreise aus Frankreich als sicherem Drittstaat ausgeschlossen (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a AsylVfG a.F. und Anl. I). Es bestehe auch kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a.F.). Die von ihm geltend gemachte Bedrohung durch die Familie seines verstorbenen Freundes knüpfe nicht an asylerhebliche Merkmale an.

Es liege jedoch ein (europarechtliches) Verbot der Abschiebung gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Der Kläger habe zur Überzeugung der Entscheiderin glaubhaft dargetan, dass er befürchten müsse, bei einer Rückkehr in sein Heimatland einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung seitens der Familie seines verstorbenen Freundes ausgesetzt zu sein. Es sei auch davon auszugehen, dass staatlicher oder quasistaatlicher Schutz nicht ausreichend zur Verfügung stehe. Auch eine inländische Schutzalternative stehe ihm nicht zur Verfügung. In Kabul, wohin er am ehesten zurückkehren könne, fehle ein aufnahmebereiter Familienverband, der für seine Existenzsicherung sorgen könne. Ein Überleben auf Dauer sei auch hier für ihn als besonders verletzliche Person nicht gegeben. Aufgrund seines Alters und seiner individuellen Situation sei er eine besonders schutzwürdige Person. Hinzu komme, dass er in den letzten acht Jahren vor seiner Ausreise nicht mehr in Afghanistan gelebt habe. Nach Feststellung des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG erübrige sich die Prüfung der anderen europarechtlichen sowie der nationalen Abschiebungsverbote. Vom Erlass einer Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG werde abgesehen, da dem Ausländer nach Feststellung eines europarechtlichen Abschiebungsverbots ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei, wenn nicht zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegenstünden (Art. 24 Abs. 2 QualfRL); diese Prüfung erfolge durch die zuständige Ausländerbehörde. Die positive Feststellung zu § 60 Abs. 2 AufenthG werde mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung bestandskräftig.

Der Bescheid vom 03.11.2011 wurde am 07.11.2011 an den Kläger mittels Postzustellungsurkunde (PZU) zur Post gegeben; die PZU kam zurück mit dem Vermerk vom 09.11.2011, der Adressat sei unter der angegebenen Anschrift (Jugendherberge A-Stadt) nicht zu ermitteln gewesen. Eine Kopie des Bescheides wurde ebenfalls am 07.11.2011 an den Amtsvormund des Klägers übersandt. Die Beklagte vermerkte am 11.01.2011, die Zustellung gelte hier gemäß § 10 Abs. 2 AsylVfG mit der Aufgabe zur Post am 07.11.2011 als bewirkt. Der Zentralen Ausländerbehörde des Saarlandes (Ausländerbehörde) teilte die Beklagte mit Schreiben vom 11.11.2011 und 03.01.2012 mit, der Bescheid sei am 07.11.2011 teilbestandskräftig und am 22.11.2011 (im Übrigen) bestandskräftig geworden. Klage gegen den Bescheid vom 03.11.2011 wurde nicht erhoben.

Auf entsprechende Anforderung der Ausländerbehörde reichte der Kläger am 13.04.2012 einen vom Generalkonsulat Afghanistans am 29.02.2012 ausgestellten und bis zum 28.02.2017 gültigen afghanischen Reisepass ein; als Geburtsdatum ist darin der "03.02.1994" angegeben. Sodann wurde dem Kläger am 17.04.2012 erstmals eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt (§ 25 Abs. 3 AufenthG).

Nach einem entsprechenden Vorbereitungskurs erreichte der Kläger am 18.06.2013 seinen Hauptschulabschluss. Der Iran erteilte ihm für den Zeitraum vom 10.07.2014 bis zum 07.11.2014 ein Visum. Ab Anfang 2015 nahm der Kläger verschiedene Berufstätigkeiten auf.

Am 28.02.2017 beantragte der Kläger die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 26 Abs. 4 AufenthG). Auf entsprechende Anforderung der Ausländerbehörde reichte der Kläger einen vom Generalkonsulat Afghanistans am 09.11.2017 ausgestellten neuen (biometrischen) Reisepass ein; als Geburtsdatum ist darin der "03.02.1991" angegeben. Außerdem reichte er eine in Afghanistan ausgestellte Tazkira ein; darin heißt es, der Kläger sei im Jahr 1395 (islamischer Zeitrechnung) 25 Jahre alt gewesen.

Die Ausländerbehörde bat die Beklagte mit Schreiben vom 24.11.2017 um Mitteilung, ob hinsichtlich des Bescheids vom 03.11.2011 ein Widerrufsverfahren eingeleitet werde. Laut neu ausgestelltem Nationalpass sei der Kläger am 03.02.1991 geboren und damit bei seiner Einreise am 29.04.2011 entgegen seinen Angaben nicht minderjährig gewesen. Auf entsprechende Anfrage der Beklagten vom 29.12.2017 teilte sie dieser mit Schreiben vom 26.01.2018 mit, dass im Falle eines Widerrufs eine Aufenthaltsbeendigung konkret beabsichtigt sei; der Kläger sei laut neuem Reisepass drei Jahre älter und damit entgegen seinen Angaben nicht minderjährig eingereist.

Die Staatsanwaltschaft A-Stadt stellte ein aufgrund entsprechender Anzeige der Ausländerbehörde eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen unerlaubter Einreise mit Beschluss vom 22.01.2018 - ... - gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, ein Tatnachweis sei nicht zu führen.1

Der Kläger nahm gegenüber der Ausländerbehörde mit Anwaltsschreiben vom 06.03.2018 dahingehend Stellung, er habe, nachdem es in Afghanistan neue Pässe gegeben habe, mithilfe seines Stiefvaters in Herat die Ausstellung einer Tazkira beantragt, mit deren Hilfe er dann den neuen afghanischen Reisepass habe beantragen wollen. Auf der Tazkira sei dann plötzlich ein anderes Geburtsdatum angegeben gewesen, nämlich der ...02.1991, und dies, obwohl sein Stiefvater bei den Behörden in Herat seinen Impfpass vorgelegt habe, aus dem sich das Geburtsdatum ...02.1994 ergeben habe. Auf Nachfrage durch den Stiefvater sei diesem beschieden worden, die afghanischen Behörden legten das Geburtsdatum nach dem Aussehen auf vorgelegten Lichtbildern fest. Die Behörden seien nicht zu bewegen gewesen, das in dem alten Pass amtlich bestätigte Geburtsdatum wiederaufzunehmen. Auch seine Bemühungen gegenüber dem afghanischen Generalkonsulat in Deutschland hätten zu keiner Änderung der Haltung der Behörden geführt. Von Seiten des Generalkonsulats sei ihm erklärt worden, das von den Behörden in Herat angegebene Geburtsdatum sei für sie bindend. Das geänderte Geburtsdatum beruhe nicht auf falschen Angaben seinerseits. Sein alter afghanischer Reisepass sei von den afghanischen Behörden selbst mit dem Geburtsdatum ...02.1994 versehen worden. Die Argumentation der Behörden in Herat bei Ausstellung der Tazkira, für die Bestimmung des Alters sei für sie sein Aussehen ausschlaggebend, sei hanebüchen und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Ihm dürften aufgrund des Verhaltens der afghanischen Behörden keine Rechtsnachteile entstehen.2

Die Beklagte stellte mit Vermerk vom 20.12.2018 fest, dass die Voraussetzungen für die Einleitung eines Widerrufsverfahrens vorlägen (§ 73b Abs. 1 und 2 AsylVfG); seit der positiven Entscheidung habe sich die Sach- und Rechtslage in der Person des Ausländers entscheidungserheblich verändert. Unterstellt, er sei 1994 geboren, habe er inzwischen die Volljährigkeit erreicht, so dass die Voraussetzung für den zuerkannten Schutzstatus weggefallen sei und er auf den internen Schutz im Herkunftsland verwiesen werden könne. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Einleitung eines Rücknahmeverfahrens vor (§ 73b Abs. 3 AsylVfG); die getroffene Entscheidung beruhe auf unrichtigen Angaben bzw. sei infolge des Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden, da der Kläger in seinem Anerkennungsverfahren falsche Angaben hinsichtlich seiner Minderjährigkeit gemacht habe, die für die damals getroffene Entscheidung kausal gewesen seien, mit der die bestehende interne Schutzalternative aufgrund seiner Minderjährigkeit und mithin Vulnerabilität abgelehnt worden sei. Mit internem Vermerk vom 27.12.2018 wurde der Einleitung eines Aufhebungsverfahrens zugestimmt.

Mit Schreiben vom 11.01.2019 hörte die Beklagte den Kläger zu dem beabsichtigten Widerruf des festgestellten Abschiebungsverbots an. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 04.02.2019 persönlich wie folgt Stellung: Da er keine Tazkira gehabt habe, sei sein Stiefvater vom Iran nach Afghanistan gegangen, um ihm eine ausstellen zu lassen. Er sei insgesamt sechsmal in Bonn bei der afghanischen Botschaft gewesen und habe ein Jahr gewartet, bis er die Tazkira überhaupt erhalten habe. Als er sie dann endlich bekommen habe, sei das Geburtsdatum aber falsch gewesen. Die Behörde in Herat habe aufgrund seines Fotos entschieden, sein Geburtsdatum auf das Jahr 1991 festzulegen und das sei so in seinen Reisepass übernommen worden. Damit sei er dann in Deutschland mehrmals zur Ausländerbehörde gegangen, um nachzufragen, was er mit dem Geburtsdatum machen solle. Die Ausländerbehörde habe das neue Geburtsdatum zuerst nicht akzeptiert und die afghanische Botschaft in Bonn habe auch nichts ändern können. Er sei dann bei einen Anwalt, der gemeint habe, er könne bei den afghanischen Behörden nichts machen, habe aber an die Ausländerbehörde geschrieben, woraufhin diese schließlich das Jahr 1991 als Geburtsjahr akzeptiert habe. Davor habe er drei Jahre lang einen Ausweis der afghanischen Behörde mit seinem richtigen Geburtsdatum 1994 gehabt, was diese aber nach der Ausstellung der Tazkira nicht mehr habe akzeptieren wollen. Wie die Behörde in Herat sein Geburtsdatum aufgrund seines Fotos auf 1991 habe festlegen können, sei ihm selbst unverständlich.

Mit Bescheid vom 17.05.2019 widerrief die Beklagte die mit Bescheid vom 03.11.2011 getroffene Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt; zugleich wurde der subsidiäre Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AsylG nicht zuerkannt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylG sei gemäß § 73b Abs. 1 AsylG zu widerrufen, wenn die Umstände, die zu seiner Zuerkennung geführt hätten, nicht mehr bestünden oder sich in einem Maße verändert hätten, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich sei. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG, das heute dem subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG entspreche, lägen nicht mehr vor. Vorliegend habe sich die persönliche Situation des Ausländers seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes geändert. Unterstellt, er sei tatsächlich 1994 geboren, habe er zwischenzeitlich die Volljährigkeit erreicht. Durch seine Volljährigkeit sei die Voraussetzung für den zuerkannten Schutzstatus weggefallen. Der Ausländer könne auf den internen Schutz im Herkunftsland verwiesen werden. Die Gewährung subsidiären Schutzes hänge davon ab, ob die Betreffenden in anderen Teilen ihres Heimatlandes, in denen derartige Gefahren nicht bestünden, internen Schutz gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG finden könnten. Danach benötige ein Betroffener keinen internationalen Schutz, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr bestehe, dass er einen ernsthaften Schaden erleide, er sicher und legal in diesen Landesteil reisen könne, dort aufgenommen werde und vernünftigerweise erwartet werden könne, dass er sich dort niederlasse; die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers zum Zeitpunkt der Entscheidung seien zu berücksichtigen. Gemessen daran sei die Annahme subsidiären Schutzes nicht mehr gerechtfertigt. Denn auch unter Zugrundelegung der Rückkehrregion Herat scheide - ungeachtet der angenommenen Gefahr eines ernsthaften Schadens durch die dort lebende verfeindete Familie - ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes aus, weil der Ausländer nunmehr jedenfalls in Kabul internen Schutz erlangen könne. Stichhaltige Gründe, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung in Kabul begründen könnten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung könne Kabul mit Blick auf die dortige Sicherheits- und Versorgungslage als interne Schutzalternative einen Anspruch auf die Zuerkennung des entsprechenden Schutzstatus ausschließen, wobei die Einschätzung im Einzelfall abhängig von dem jeweiligen persönlichen Risikoprofil zu treffen sei; ein günstiges Risikoprofil, das die Annahme internen Schutzes rechtfertige, liege dabei insbesondere bei arbeitsfähigen, gesunden, alleinstehenden Männern auch dann vor, wenn sie im Falle der Rückkehr nach Afghanistan ohne nennenswertes Vermögen oder familiären Rückhalt seien.3 Darüber hinaus weise der Ausländer auch im Übrigen ein die Annahme internen Schutzes rechtfertigendes günstiges Risikoprofil auf. Bei ihm handele es sich um einen arbeitsfähigen, gesunden und alleinstehenden Mann. Seit seinem Aufenthalt in Deutschland habe er an Lebenserfahrung gewonnen und sei zum Teil eigenständig in einer fremden Kultur zurechtgekommen. Durch den Aufenthalt in der Bundesrepublik habe er einen gewissen Grad an Reife und Eigenständigkeit erreicht und könne sich somit ein Existenzminimum in Afghanistan erwirtschaften. Auch die Tatsache, dass er im Iran einen Großteil seines Lebens verbracht habe und sich lediglich für einen kurzen Zeitraum in Afghanistan aufgehalten habe bzw. haben wolle, rechtfertige keine abweichende Einschätzung. Insbesondere könne nicht angenommen werden, dass er mit den Lebensverhältnissen in Afghanistan nicht zurechtkommen werde. Insoweit sei in Rechnung zu stellen, dass der genannte Afghanistanaufenthalt "kurz vor seiner Ausreise nach Europa stattgefunden" habe. Zudem sei es dem Ausländer, der die afghanische Sprache Dari ohne Weiteres beherrsche, dort offenbar möglich, sich zu verständigen. Nach dem Auswärtigen Amt seien seit 2002 5,8 Mio. afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, wobei es sich bei der größten Gruppe zurückgekehrter Flüchtlinge um solche aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan handele; darüber hinaus hielten sich derzeit noch ca. 3 Mio. offiziell registrierte afghanische Flüchtlinge in Iran und in Pakistan auf. Hinzu kämen unregistrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung nicht als Flüchtlinge anerkannt seien.4 Auch wenn der Ausländer ohne Netzwerk den überwiegenden Teil seines Lebens außerhalb Afghanistans verbracht habe, seien persönliche Umstände, die einer Eingliederung in die afghanische Gesellschaft entgegenstünden, nicht erkennbar. Im Hinblick auf die Basisinfrastruktur in Afghanistan und auf die persönlichen Umstände des Ausländers sei eine Niederlassung beispielsweise auch im Großraum Kabul oder anderen großen Städten zumutbar. Es sei nicht ersichtlich, dass er in eine völlig aussichtslose Lage gerate. Zwingende Gründe, aus denen er gemäß § 73b Abs. 1 Satz 2 AsylG die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ablehnen könne, seien nicht ersichtlich.

Des Weiteren lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 AsylG nicht vor. Dem Ausländer drohe weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe noch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Maßgeblicher Bezugspunkt sei grundsätzlich die Herkunftsregion des Betroffenen, in die er typischerweise zurückkehren werde. Zum einen sei vorliegend bezogen auf Herat festzustellen, dass angesichts der in der Provinz und auch in der Stadt Herat herrschenden Situation vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen sei; ein Gefährdungsgrad für Zivilpersonen, der die Feststellung einer erheblichen individuellen Gefahr allein auf Grund einer Rückkehr nach Herat und der Anwesenheit dort rechtfertige, könne jedoch nicht angenommen werden, wie ausführlich dargelegt wird. Zum anderen sei maßgeblich auf Kabul als interne Schutzmöglichkeit abzustellen; angesichts der im Gebiet der Hauptstadt herrschenden Situation sei zwar von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen, ein Gefährdungsgrad für Zivilpersonen, der die Feststellung einer erheblichen individuellen Gefahr allein auf Grund einer Rückkehr nach Kabul und der Anwesenheit dort rechtfertige, könne jedoch trotz der durchaus schwierigen Sicherheitslage nicht angenommen werden, wie wiederum ausführlich dargelegt wird. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Eine Abschiebung gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG sei unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der EMRK und insbesondere aus deren Art. 3 ergebe. In Bezug auf Gefahren einer Verletzung des Art. 3 EMRK, die individuell durch einen konkret handelnden Täter drohten, sei aber keine andere Bewertung als bei der Prüfung des subsidiären Schutzes denkbar. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne hingegen nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu bewerten sein. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Ausländers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR gestellten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt, wie näher ausgeführt wird. Zwar müssten insbesondere mittellose Rückkehrer aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Voraussetzungen und der humanitären Umstände häufig ein Leben am Rande des Existenzminimums führen. Dennoch könne nicht für sämtliche Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, denen es in Kabul oder in Afghanistan insgesamt an Beziehungen oder Unterstützungsnetzwerken fehle, angenommen werden, dass die schlechten Rahmenbedingungen generell und bei allen diesen Rückkehrern ganz außerordentliche individuelle Umstände darstellten und die hohen Anforderungen zur Bejahung des Art. 3 EMRK erfüllten, wie weiter dargelegt wird. Soweit Gutachter von weiteren Sicherheitsrisiken für Rückkehrer aus dem europäischen Ausland berichteten, lasse sich aus den geschilderten Einzelfällen schließen, dass der Eintritt eines schädigenden Ereignisses zwar möglich, die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit aber nicht überschritten sei.5 Auch im Hinblick auf die Sicherheitslage sei kein Verstoß gegen § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK festzustellen; die Gefahrendichte in Kabul entspreche nicht der, wie sie im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zur Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderlich sei. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Ausländers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Es sei daher davon auszugehen, dass der Ausländer als volljähriger, gesunder Mann, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten habe, auch ohne nennenswertes Vermögen, ohne abgeschlossene Berufsausbildung und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr in der Lage sei, durch Gelegenheitsarbeiten etwa in Kabul, aber auch in seiner Heimatprovinz, wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen, und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.6 Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Es drohe dem Ausländer auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Es müsse eine besondere Fallkonstellation gegeben sein, die als gravierende Beeinträchtigung die Schwelle der allgemeinen Gefährdung deutlich übersteige. Anhaltspunkte hierfür seien nicht ersichtlich.

Auf den ihm am 25.05.2019 zugestellten Widerrufsbescheid hat der Kläger am 31.05.2019 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Situation, die dazu geführt habe, dass das Bundesamt ihm mit dem früheren Bescheid vom 03.11.2011 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG zuerkannt habe, habe sich nicht geändert. Weiterhin werde er von der Familie des ertrunkenen Freundes, die ihn für den Tod seines Freundes verantwortlich mache, gesucht und verfolgt. Soweit die Beklagte geltend mache, die Situation habe sich dadurch geändert, dass er zum Zeitpunkt seiner Ersteinreise sowie der Durchführung des Asylerstverfahrens entgegen damaliger Annahme bereits volljährig gewesen sei, ändere dies an dem Sachverhalt, der seinerzeit zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG geführt habe, nichts. Er habe die größte Zeit seines Lebens im Iran gelebt und habe bei der Asylantragstellung nach bestem Wissen und Gewissen sein Geburtsdatum mit dem 03.02.1994 angegeben. Erst durch Erlangung des afghanischen Reisepasses habe er selbst in Erfahrung gebracht, dass er bereits am 03.02.1991 geboren sein solle. Eine bewusste Täuschung der Behörden liege damit nicht vor. Nicht gefolgt werden könne der Beklagten im Übrigen darin, dass bei Unterstellung der Geburt im Jahr 1994 aufgrund zwischenzeitlichen Erreichens der Volljährigkeit die von ihm geschilderte Gefährdung weggefallen sei. Er müsse bei Rückkehr nach Afghanistan befürchten, aufgrund der dort praktizierten Blutrache von der Familie seines Freundes getötet zu werden. Diese Gefährdung aufgrund von Blutrache sei durch das Erreichen der Volljährigkeit nicht entfallen. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 AsylG lägen vielmehr weiterhin vor, und zwar landesweit. Aufgrund der Verhältnisse in Afghanistan sei es ihm nur möglich, sich dort irgendwo niederzulassen, wenn er nachweisen könne, dass er am Ort seiner Niederlassung für die dort Lebenden keine Gefahr darstelle. Die soziale Kontrolle in Afghanistan unterscheide sich grundlegend von der hierzulande vorhandenen sozialen Kontrolle des Lebens. Wer sich in Afghanistan niederlassen wolle, müsse zunächst einmal angeben, von wo er ursprünglich stamme. Insoweit müsse er dann auch einen Leumund benennen können, der bezeugen könne, dass er aus dem von ihm genannten Gebiet stamme und sein Ruf tadellos sei. Aufgrund der im Land herrschenden Gefährdungslage würden von dem Ort aus, an dem der Betreffende sich niederlassen wolle, Nachforschungen hinsichtlich seiner Person an dem von ihm benannten Herkunftsort durchgeführt. In seinem Fall käme heraus, dass er von Seiten der Familie seines verstorbenen Freundes für den Tod des Sohnes der Familie verantwortlich gemacht und deshalb auch gesucht werde. Aufgrund dieser Situation sei er an jedwedem Ort in Afghanistan, an dem er sich niederlassen wolle, ein Sicherheitsrisiko und habe deshalb keine Möglichkeit, sich dort wirklich niederzulassen. Abgesehen davon lebten in Afghanistan zwischenzeitlich keine Verwandten mehr, die ihn unterstützen könnten. Der von ihm anlässlich seiner Anhörung vom 17.05.2011 im Asylerstverfahren genannte Onkel mütterlicherseits sei vor 1 1/2 Jahren in Afghanistan verstorben. Seine Schwester und sein Onkel väterlicherseits seien zwischenzeitlich in den Iran gezogen und lebten dort. Beide seien, getrennt voneinander, vor ca. drei Jahren in den Iran gegangen. Mithin habe er niemanden, der ihn dort unterstützen könne. Da er sich den größten Teil seines Lebens im Iran aufgehalten habe, wisse er auch nicht, wie er in Kabul oder in einer anderen Stadt Afghanistans überleben könne. Er kenne sich mit den Verhältnissen in Afghanistan aufgrund seines Lebens außerhalb des Landes nicht aus und wisse auch nicht, wie er Arbeit finden könne. Auch was das Finden einer Arbeitsstelle anbelange, sei es in Afghanistan bekanntlich so, dass man ohne einen Gewährsmann eine solche nicht finden könne. Soweit das Bundesamt der Auffassung sei, er habe durch den Aufenthalt in der Bundesrepublik einen gewissen Grad an Reife und Eigenständigkeit erreicht und könne somit ein Existenzminimum in Afghanistan erwirtschaften, könne dem nicht gefolgt werden. Vielmehr sei er aufgrund seines Lebens in der Bundesrepublik so geprägt, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan dort als "Westler" identifiziert werden könne. Als solchem aber werde ihm im strenggläubigen Afghanistan unterstellt, sich zu den "Gottlosen" begeben zu haben und damit selbst ein "Gottloser" geworden zu sein. Damit aber drohe ihm bei Rückkehr nach Afghanistan der Tod.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17.05.2019 aufzuheben,

hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 17.05.2019 zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AsylG zuzuerkennen,

des Weiteren hilfsweise, zu seinen Gunsten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Ausländerakten der Zentralen Ausländerbehörde des Saarlandes Bezug genommen; dieser war ebenso wie die in der Anlage zur Sitzungsniederschrift bezeichneten Teile der Dokumentation Afghanistan Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Da die Beklagte ordnungsgemäß und mit einem Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 102 Abs. 2 VwGO zur mündlichen Verhandlung geladen wurde, konnte ohne sie verhandelt und entschieden werden.

Die Klage ist zulässig und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.05.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen für den mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Widerruf eines Abschiebungsverbotes sind im vorliegenden Einzelfall nicht gegeben.

Für den Kläger wurde mit Bescheid der Beklagten vom 03.11.2011 ein (europarechtliches) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt.7 Nach heutigem Recht und Verständnis8 unterfällt eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung wegen nichtstaatlicher Verfolgung, aus der zum Zeitpunkt der Entscheidung die Schutzfeststellung aus dem Tatbestand des § 60 Abs. 2 AufenthG hergeleitet wurde, - wie auch der angefochtene Widerrufsbescheid insofern zutreffend ausführt - dem subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.9

Nach der für den Widerruf des subsidiären Schutzes einschlägigen Vorschrift des § 73b Abs. 1 AsylG ist dessen Gewährung zu widerrufen, wenn die Umstände, die zu seiner Zuerkennung geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maß verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist; § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG gilt entsprechend. Gemäß Abs. 2 der Vorschrift ist bei Anwendung des Abs. 1 zu berücksichtigen, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass der Ausländer, dem subsidiärer Schutz gewährt wurde, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden;10 nach Abs. 4 der Norm gelten § 73 Abs. 2b Satz 3 und Abs. 2c bis 6 AsylG (und damit auch § 73 Abs. 3 AsylG) entsprechend. § 73b Abs. 1 AsylG verlangt wie seine Vorgängerregelung (§ 73 Abs. 3 AsylVfG a.F.) eine beachtliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse. Bei der vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Feststellung einerseits und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Sachlage andererseits muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Gefährdungsprognose hinsichtlich des jeweiligen Schutzstatus ergeben, die dem Test genügen muss, dass der bislang Schutzberechtigte tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.11 Im Wesentlichen entsprechend der den Widerruf von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG regelnden Vorschrift des § 73c AsylG12 bedarf es also auch für den Widerruf subsidiären Schutzes nach § 73b AsylG im Ergebnis der Feststellung einer derartigen Veränderung der Sachlage, dass die Voraussetzungen für den festgestellten Schutzstatus entfallen sind. Aufgrund der in § 73b Abs. 4 AsylG erklärten entsprechenden Anwendung von § 73 Abs. 3 AsylG ist in diesem Fall auch darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz oder diejenigen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG - d.h. aus anderen Gründen - vorliegen.13 Insgesamt bedarf es also einer beachtlichen, wesentlichen und nachhaltigen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sowie darüber hinaus der Prüfung, ob nicht - aus anderen Gründen - die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz oder diejenigen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen.

Dabei ist der Widerrufsbescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, wobei auch vom Kläger nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe sowie von der Behörde nicht angeführte Widerrufsgründe einzubeziehen sind. Denn die Aufhebung eines solchen, nicht im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsaktes setzt nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unter anderem seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er aus einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Liegt der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund nicht vor, so ist eine Klage erst dann begründet, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Dies entspricht der im Asylverfahren geltenden Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen.14

Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung15 liegen fallbezogen die Voraussetzungen für einen Widerruf subsidiären Schutzes nicht vor. Es fehlt vorliegend bereits an einer beachtlichen und nachhaltigen Änderung der der ursprünglichen Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Tatsachen.

Die Beklagte hat ihren Widerrufsbescheid vom 17.05.2019 ausweislich dessen Begründung im Kern darauf gestützt, dass sich "die persönliche Situation des Ausländers seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes geändert" habe, nachdem "dieser zwischenzeitlich die Volljährigkeit erreicht" habe und "nunmehr jedenfalls in Kabul gemäß § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e AsylG internen Schutz erlangen" könne. Ein günstiges Risikoprofil, das nach der (jedenfalls damaligen) obergerichtlichen Rechtsprechung die Annahme internen Schutzes rechtfertige, liege dabei insbesondere bei arbeitsfähigen, gesunden, alleinstehenden Männern auch dann vor, wenn sie im Falle der Rückkehr nach Afghanistan ohne nennenswertes Vermögen oder familiären Rückhalt seien. Weiter heißt es in Bezug auf den Kläger: "Bei ihm handelt es sich um einen arbeitsfähigen, gesunden und alleinstehenden Mann. Seit seinem Aufenthalt in Deutschland hat der Ausländer an Lebenserfahrung gewonnen und ist zum Teil eigenständig in einer fremden Kultur zurecht gekommen. Durch den Aufenthalt in der Bundesrepublik hat er einen gewissen Grad an Reife und Eigenständigkeit erreicht und kann sich somit ein Existenzminimum in Afghanistan erwirtschaften. Auch die Tatsache, dass der Ausländer im Iran einen Großteil seines Lebens verbracht hat und sich lediglich für einen kurzen Zeitraum in Afghanistan aufgehalten hat bzw. haben will, rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass der Ausländer mit den Lebensverhältnissen in Afghanistan nicht zurechtkommen wird. Insoweit ist in Rechnung zu stellen, dass der genannte Afghanistanaufenthalt des Ausländers kurz vor seiner Ausreise nach Europa stattgefunden hat ...".16

Daran trifft zweifellos zu, dass der, wie auch der angefochtene Widerrufsbescheid annimmt, Anfang Februar 1994 geborene Kläger17 inzwischen 27 Jahre alt geworden ist, die deutsche Sprache erlernt sowie sich in Deutschland erfolgreich beruflich und privat integriert hat. Allerdings geht die Beklagte schon in tatsächlicher Hinsicht offenbar zumindest insofern von falschen Tatsachen aus, als der Kläger nach seinem im ursprünglichen Bescheid vom 03.11.2011 ausdrücklich als glaubhaft angesehenen Vortrag bereits im Jahre 2002/2003 und damit im Alter von acht bzw. neun Jahren18 in den Iran ausgereist und nie mehr nach Afghanistan zurückgekehrt sowie im Herbst 2010 aus dem Iran ausgereist ist, wohingegen der Widerrufsbescheid nunmehr ohne jede Begründung unterstellt, sein Afghanistanaufenthalt habe "kurz vor seiner Ausreise nach Europa stattgefunden". Abgesehen von den insofern ausgelösten Zweifeln an einer sorgfältigen fallbezogenen Widerrufsentscheidung der Beklagten ist der ursprüngliche Bescheid vom 17.05.2011, mit dem ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG festgestellt wurde, seinerzeit nicht allein auf die damalige Minderjährigkeit des Klägers als solche und seine damals fehlende persönliche Reife sowie eine allein dadurch hervorgerufene fehlende inländische Fluchtalternative und daher zu bejahende individuelle besondere Schutzbedürftigkeit gestützt. Vielmehr hat sie ausgeführt:19

"Der Antragsteller hat zur Überzeugung der Unterzeichnerin glaubhaft dargetan, dass er befürchten müsste, bei einer Rückkehr in sein Heimatland einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung seitens der Familie seines verstorbenen Freundes ausgesetzt zu sein. Es ist auch davon auszugehen, dass staatlicher oder quasistaatlicher Schutz nicht ausreichend zur Verfügung steht. Auch eine inländische Schutzalternative steht dem Antragsteller nicht zur Verfügung. In Kabul, wohin er am ehesten zurückkehren könnte, fehlt ein aufnahmebereiter Familienverband, der für seine Existenzsicherung sorgen könnte. Ein Überleben auf Dauer wäre auch hier für ihn als besonders verletzliche Person nicht gegeben. Aufgrund seines Alters und seiner individuellen Situation ist der Antragsteller eine besonders schutzwürdige Person (...). Hinzu kommt, dass der Antragsteller in den letzten acht Jahren vor seiner Ausreise nicht mehr in Afghanistan gelebt hat ...".

Die Beklagte hat die seinerzeitige Feststellung eines Abschiebungsverbotes also nicht allein auf die damalige Minderjährigkeit des Klägers als solche sowie seine damals noch mangelnde persönliche Reife, sondern ganz wesentlich auch darauf gestützt, dass ihm in Afghanistan eine erhebliche private Verfolgung droht, vor der ihm dort weder staatlicher noch quasistaatlicher Schutz sowie, auch in Kabul, keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht, weil es an einem existenzsichernden aufnahmebereiten Familienverband fehlt, so dass er wegen all dieser Umstände aufgrund seines Alters und seiner individuellen Situation eine besonders schutzwürdige Person ist, zumal er bereits Jahre vor seiner Ausreise nicht mehr in Afghanistan gelebt hat. Daran hat sich indes in wesentlichen Umständen nichts geändert: Denn auch heute noch wäre der Kläger in Afghanistan seitens der, wie er in der mündlichen Verhandlung, zu der die Beklagte nicht erschienen ist, plausibel und widerspruchsfrei und damit glaubhaft ausgeführt hat, dorthin zurückgekehrten Familie seines ertrunkenen Freundes ernstlich von privater Verfolgung bedroht. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der inzwischen volljährige und womöglich als wohlhabender "Westler" geltende Kläger inzwischen erst recht der Gefahr von Blutgeldforderungen und/oder der Blutrache ausgesetzt wäre. Ebenso würde es auch weiterhin, wie es der Bundesamtsbescheid vom 03.11.2011 formuliert hat, in Afghanistan, auch in Kabul, an einem aufnahmebereiten Familienverband fehlen, der für seine Existenzsicherung sorgen könnte. Vielmehr gilt dies heute noch umso mehr, als die Voraussetzungen einer Existenzsicherung sich, wie noch auszuführen sein wird, mit Blick auf die auch in Afghanistan grassierende Corona-Pandemie und deren dortigen gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen zumindest nicht zum Besseren gewandelt haben. Darüber hinaus ist der inzwischen 27 Jahre alte Kläger nach wie vor bereits als Kind im Alter von acht bzw. neun Jahren aus Afghanistan ausgereist, so dass er weiterhin mit den dortigen Lebensverhältnissen nicht mehr vertraut ist; dies gilt sogar erst recht, nachdem der im April 2011 im Alter von seinerzeit 17 Jahren eingereiste Kläger inzwischen seit nahezu zehn Jahren in Deutschland und seit ca. 18 Jahren nicht mehr in Afghanistan lebt, die deutsche Sprache erlernt, einen bedeutenden Abschnitt seiner Persönlichkeitsentwicklung in der Bundesrepublik verbracht und sich dabei beruflich und privat erfolgreich in die deutsche und westliche Kultur integriert hat.

Des Weiteren stünde dem Kläger in Afghanistan auch heute noch kein adäquater staatlicher oder quasistaatlicher Schutz vor der nach dem überzeugend begründeten und überdies bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 03.11.2011 als glaubhaft zugrunde zu legenden Gefahr einer privaten Verfolgung zur Verfügung, und zwar auch nicht in Kabul, so dass es entgegen der Auffassung der Beklagten im angefochtenen Widerrufsbescheid vorliegend auch an einer inländischen Fluchtalternative fehlt. Afghanistan ist etwa nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes20 durch eine anhaltend komplexe Sicherheitslage geprägt, die Elemente terroristischer Gewalt ebenso einschließt wie organisierte Kriminalität. Das Bundesverfassungsgericht spricht in Bezug auf Afghanistan gleichfalls von einem Land, das "aufgrund der Dynamik des dort herrschenden Konflikts von einer äußerst volatilen und zudem regional sehr unterschiedlichen Sicherheitslage geprägt ist und in dem wegen einer stetigen Verschlechterung der Sicherheitslage in den letzten zwei Jahren die Gefahr besteht, dass die Schwelle des § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG überschritten sein könnte".21

Nach der Auskunftslage kann in Afghanistan von bewaffneten Gruppierungen eine nichtstaatliche Verfolgung im Verständnis von § 3c Nr. 3 AsylG ausgehen, der gegenüber der afghanische Staat nicht zur entsprechenden Schutzgewährung in der Lage ist. So sind etwa die Taliban eine Organisation, die einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets, insbesondere Teile von Süd- und Ostafghanistan, gewissermaßen beherrscht;22 in mehreren Provinzen übt zudem der IS (ISKP) die Kontrolle aus (bzw. wird diese von sich zum IS bekennenden Gruppen ausgeübt).23 Jedenfalls sind diese bewaffneten Gruppierungen als nichtstaatliche Akteure im Sinne von Art. 6 Anerkennungsrichtlinie zu qualifizieren, gegen die derzeit weder der afghanische Staat noch internationale Organisationen in der Lage sind, hinreichenden Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem Schaden zu bieten. Insbesondere muss Schutz vor Verfolgung wirksam und darf dieser nicht nur vorübergehender Art sein, wie sich aus § 3d Abs. 2 Satz 1 AsylG und Art. 7 Abs. 2 Satz 1 Anerkennungsrichtlinie ergibt. Demgegenüber lässt sich die gegenwärtige militärische Lage nach Einschätzung der NATO als Patt bezeichnen.24 Der afghanische Staat ist unter diesen Umständen hier nicht zur entsprechenden Schutzgewährung in der Lage. Zur Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der afghanischen Sicherheitsbehörden heißt es etwa allgemein im "Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage" der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30.09.2013 (Seite 15):

"Die schwache Regierungsführung, verbreitete Korruption sowie die Tatsache, dass diejenigen Akteure, welche den Schutz der Zivilbevölkerung gewährleisten sollen, selber immer wieder Menschenrechtsverletzungen begehen und dafür mit Straffreiheit ausgehen, unterminieren die Schutzfähigkeit der afghanischen Regierung. Zudem kann die Polizei in weiten Teilen des Landes nicht auf ein funktionierendes Justizsystem zurückgreifen und wird in zahlreichen Fällen von der Regierung nicht unterstützt. Weiter wird die Schutzfähigkeit des afghanischen Staates durch die schlechte Sicherheitslage stark eingeschränkt. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, etwa von regierungsfeindlichen Gruppierungen illegal ausgeführte menschenrechtsverachtende "Strafen" strafrechtlich zu verfolgen."

Auch das Auswärtige Amt bestätigt in einer Auskunft an das Bundesamt der Beklagten vom 08.11.2016,25 dass der Zugriff der afghanischen Sicherheitsbehörden "nur sehr begrenzt" ist. Näher ist in einem umfangreichen Gutachten von F. Stahlmann an das VG Wiesbaden vom 28.03.2018,26 in dem von einem "kriminalitäts- und kriegsbedingt hohen Gewaltniveau" (dort S. 136) berichtet sowie eine "mangelnde Kapazität und Kompetenz der Polizei zum Schutz der öffentlichen Ordnung" (dort S. 139) konstatiert wird, ausgeführt (dort S. 134):

"So müssen auch Polizeikräfte als aktive Kriegspartei selbst einen immensen Aufwand zur Eigensicherung betreiben, was ihre Fähigkeit zu klassischer Polizeiarbeit meist deutlich einschränkt. Sie erhalten aufgrund der vielen Gefahren, welche die staatlichen Sicherheitskräfte für die Zivilbevölkerung bergen, und der spezifischen Reputation der Polizei oft jedoch auch keine Unterstützung aus der Bevölkerung. Viele haben zudem keinerlei Ausbildung, die sie zu einer rechtsstaatlich gedeckten Wahrung der öffentlichen Ordnung qualifizieren würden. Die Kombination aus mangelnder Akzeptanz, fehlender Qualifikation und Korruption macht die Polizei zu einem unzuverlässigen bis unbrauchbaren Partner in der Durchsetzung gerichtlicher Autorität ...".

Weiter heißt es dort (S. 139 f. und S. 141):

"Aufklärung von Verbrechen oder Unterstützung bei der Aufklärung von Rechtsbrüchen scheitert von staatlicher Seite jedoch auch an der mangelnden Unterstützung von Seiten der Polizei.

Das liegt zum einen daran, dass Polizei und Staatsanwaltschaften die nötige Aufklärungsarbeit aus Befangenheit, Angst oder Kapazitätsgrenzen nicht leisten wollen oder können ...

Die begrenzte Bedeutung der Polizei hat jedoch auch damit zu tun, dass sie primär zur Verteidigung von Gemeinschaften gegen Feinde von außen eingesetzt wird, was weitere Ressourcen von Strafverfolgung oder der Aufrechterhaltung von Ordnung im Inneren abzieht. Nicht zuletzt entspricht diese Rolle in vielen Gegenden auch dem Selbstverständnis und den Erwartungen an die Polizei. Denn während in den Städten angesichts der immensen Kriminalität der Ruf nach Polizei im Alltag lauter wird ..., ist für große Teile der Bevölkerung das Konzept einer Polizei, die sich für Sicherheit im Alltag zuständig fühlen würde, eine sehr fremde Vorstellung - inklusive der betroffenen Polizisten ...

Wenn man Opfer von Übergriffen wird, ein Überfall passiert oder man sonst Bedarf an Schutz hat, ist der erste und einzig realistische Schritt, Solidargruppen zur Verteidigung oder Abschreckung zu mobilisieren. Nicht zuletzt versuchen sich inzwischen auch Nachbarschaftsverbände in Kabul gegen die zunehmende Kriminalität zu schützen, indem sie nachts in ihren Wohngebieten patrouillieren ... ".27

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer bietet - in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls - ggf. auch die Hauptstadt Kabul keinen dauerhaften internen Schutz im Verständnis von § 3e AsylG bzw. Art. 8 ARL.28 Dies gilt unter Zugrundelegung der im ursprünglichen Bescheid vom 03.11.2011 dargelegten Gefahren zur Überzeugung des Gerichts fallbezogen auch für den Kläger. Aufgrund des Umstandes, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer privaten Verfolgungsgefährdung seitens einer offenbar den Taliban nahestehenden Familie ausgesetzt wäre, ist davon auszugehen, dass er früher oder später auch in Kabul entdeckt und bedroht würde. Dies ist hier auch für die anderen größeren Städte wie Herat oder Mazar-e Sharif sowie die afghanischen Provinzen anzunehmen. Dabei kommt es im Übrigen auf die Frage, ob dem Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung gestanden hätte, nicht mehr an; denn im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung bzw. des subsidiären Schutzes kann - anders als im Rahmen des Asylrechts nach Art. 16a GG - eine Verfolgung nicht allein wegen einer zum Zeitpunkt der Ausreise bestehenden Fluchtalternative in einem anderen Teil des Herkunftsstaates verneint werden, sofern diese nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung unverändert fortbesteht.29

Von einer eine Widerrufsentscheidung rechtlich allein tragenden beachtlichen und nachhaltigen Änderung der der ursprünglichen Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Tatsachen kann mithin vorliegend keine Rede sein. Sie lässt sich mit Blick auf die die ursprüngliche Feststellung eines Abschiebungsverbotes tragenden wesentlichen Tatsachen namentlich auch nicht darauf stützen, dass der Kläger volljährig geworden ist und an Lebenserfahrung gewonnen hat, weil seine damalige Vulnerabilität als unbegleiteter Minderjähriger zwar auch, aber wie dargestellt nicht allein für die damalige Feststellungsentscheidung maßgeblich war und die weiteren für diese Entscheidung wesentlichen Tatsachen sich nicht im positiven Sinne, geschweige denn nachhaltig, geändert haben. Eine Auseinandersetzung mit all diesen wesentlichen weiteren Gründen für die seinerzeitige Feststellung eines Abschiebungsverbots lässt der angefochtene Widerrufsbescheid hingegen vermissen. Hinzu kommt, dass bereits dessen weitere - und zumindest bisher auch von der Kammer vertretene - Annahme, er sei als arbeitsfähiger, gesunder und alleinstehender Mann im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiären Rückhalt in der Lage, sich in Afghanistan ein Existenzminimum zu erwirtschaften, in dieser Allgemeinheit jedenfalls nach Teilen der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung durchaus Bedenken begegnet, wie noch näher auszuführen sein wird. Vor allem aber hat der Kläger fallbezogen glaubhaft dargelegt, dass sein Vater und sein Onkel mütterlicherseits verstorben sind und seine im Iran lebende Mutter chronisch herzkrank ist sowie seine Geschwister und Halbgeschwister und auch weitere Familienangehörige ebenfalls im Iran leben, so dass unter diesen Umständen auch nicht etwa seine im - bekanntlich seinerseits unter einer Wirtschaftskrise leidenden - Iran lebende und dort offenbar selbst unter schwierigen Umständen existierende Familie in der Lage wäre, ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan dort nennenswert wirtschaftlich zu unterstützen, erst recht nicht unter Berücksichtigung der (noch näher darzulegenden) auch längerfristigen wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Pandemie. Vielmehr ist davon auszugehen, dass für den Kläger in Afghanistan, das bereits vor der COVID-19-Pandemie, auch in Kabul, eine der weltweit geringsten Erwerbstätigkeitsquoten, einen extrem niedrigen Anteil formaler Beschäftigungsverhältnisse sowie eine hohe Arbeitslosenquote aufwies, realistischerweise und auf absehbare Zeit allenfalls Beschäftigungen als Tagelöhner in Betracht kämen, für die indes - ihm fehlende - persönliche Kontakte und lokale Netzwerke eine essentielle Rolle spielen, wohingegen formale Qualifikationen von untergeordneter Bedeutung sind, und sich die ohnehin schon große Konkurrenz um solche Gelegenheitsarbeiten durch die voraussichtlich mehrere Jahre dauernden wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie weiter erheblich verschärft hat.30

Mithin fehlt es fallbezogen jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits an einer beachtlichen und nachhaltigen Änderung der der ursprünglichen Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Tatsachen als Voraussetzung eines Widerrufs des dem Kläger zuerkannten (europarechtlichen) Abschiebungsschutzes.

Selbst wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folgen wollte, so wäre dann in Bezug auf den Kläger im Rahmen des sich aus § 73b Abs. 4 i.V.m. § 73 Abs. 3 AsylG ergebenden Entscheidungsprogramms nunmehr wohl (wenn nicht erneut subsidiärer Schutz, so doch zumindest) ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art 3 EMRK festzustellen. Denn auch wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für das konkret festgestellte Abschiebungsverbot entfallen wären, so wäre zudem zu prüfen, ob nationaler zielstaatsbezogener Abschiebungsschutz aus anderen Gründen besteht.31 Das wäre hier voraussichtlich der Fall und ergibt sich aus Folgendem:

Ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art 3 EMRK ist gegeben, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene durch eine Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Dies hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen sowie ggf. von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen;32 insofern sind die Verhältnisse im Abschiebungszielstaat landesweit in den Blick zu nehmen.33

Nach der (zumindest bisherigen und ständigen) Rechtsprechung der Kammer ist die Situation dabei weder in der Zentralregion mit Kabul noch sonst in Afghanistan derart, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK und somit ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG darstellen würde.34 Auch nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR ist die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst anzusehen, dass eine Abschiebung dorthin ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellt.35 Ebenso hat der VGH Baden-Württemberg (noch) mit Urteil vom 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -36 festgestellt, dass selbst im Falle eines langjährigen Aufenthalts im benachbarten Ausland Afghanistans (dort: im Iran) für einen erwachsenen und leistungsfähigen afghanischen Mann ohne Unterhaltsverpflichtung, auch wenn er keine familiären oder sozialen Unterstützungsnetzwerke hat, im Allgemeinen - wenn nicht besondere, individuell erschwerende Umstände hinzukommen - in Afghanistan, insbesondere auch in Kabul, trotz der schlechten humanitären Bedingungen und Sicherheitslage keine Gefahrenlage besteht, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK und infolgedessen zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG führt.

Hinsichtlich der aktuellen Lage in Afghanistan wird in der Rechtsprechung der Kammer von Folgendem ausgegangen:37

"Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 16.07.2020 (Stand: Juni 2020) aus, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei. Auf dem Weg zu einem voll funktions- und fiskalisch lebensfähigen Staat habe Afghanistan verstärkt eigene Anstrengungen unternommen, sei aber weiterhin auf umfangreiche internationale Unterstützung angewiesen. Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in der ersten Jahreshälfte 2020 auf das Gesundheitssystem, den Arbeitsmarkt und die Nahrungsmittelversorgung hätten den humanitären Bedarf weiter erhöht.38 Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe geprägt von der schwierigen Sicherheitslage sowie schwacher Investitionstätigkeit. Das Wirtschaftswachstum habe sich zuletzt erholen können und habe 2019 bei 2,9 % gelegen. Für 2020 gehe die Weltbank bedingt durch Covid-19 von einer Rezession (bis zu - 8 % BIP) aus. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was in besonderem Maße für Rückkehrer gelte. Die bereits prekäre Lage habe sich seit März 2020 durch die Covid-19-Pandemie weiter verschärft. Die Weltbank prognostiziere einen weiteren Anstieg der Armutsrate von 55 % aus dem Jahr 2016 aufgrund der Covid-19-Krise und der Absorption des Wirtschaftswachstums durch die hohen Geburtenraten. Dabei bleibe das Gefälle zwischen urbanen Zentren und ländlichen Gebieten Afghanistans eklatant. Das rapide Bevölkerungswachstum von rund 2,7 % p.a. bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebenserwartung sei neben der Sicherheitslage die zentrale Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote in den letzten Jahren zwar gesunken, bleibe aber auf hohem Niveau (laut ILO 2017 bei 11,2 %) und dürfte wegen der Covid-19-Pandemie wieder steigen. Der Mangel an Arbeitsplätzen stelle für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar, wobei auch Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen könnten.39 Die Versorgung von hunderttausenden Rückkehrern sowie Binnenvertriebenen stelle das Land vor große Herausforderungen. Die größeren Städte kämen als Ausweichorte grundsätzlich in Betracht. Die Inanspruchnahme der - durch die hohe Zahl der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer aus dem Ausland bereits stark in Anspruch genommenen - Ausweichmöglichkeiten hänge maßgeblich vom Grad der sozialen Verwurzelung, der Ethnie und der finanziellen Lage ab. Die sozialen Netzwerke vor Ort und deren Auffangmöglichkeiten spielten eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz.40 Die afghanische Regierung habe 2017 mit der Umsetzung des Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen, der auch ein Verfahren zur Landvergabe an Rückkehrer beinhalten soll. IOM biete Unterstützung bei der Ankunft in Kabul mit bis zu 2-wöchiger Unterkunft und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits. Auch die Bundesrepublik Deutschland und die EU förderten Reintegrationsprojekte, etwa im Zusammenhang mit der Existenzgründung und der Integration in den Arbeitsmarkt.41

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe42 führt aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt bleibe und die Armutsrate aufgrund der Covid-19-Pandemie 2020 von 54,5 % auf 60-72 % steigen werde. Insgesamt seien ca. 9,4 Millionen Menschen von akuter humanitärer Not betroffen. Aufgrund der Covid-19-Pandemie und dem Zusammenbruch der Versorgungsketten sei die Lebensmittelversorgung von ca. 14 Millionen Menschen gefährdet. Die Pandemie habe zu einem Anstieg der Preise für Grundnahrungsmittel und weiterer Güter geführt. Die Weltbank gehe für 2019 von einem Wirtschaftswachstum von 2,9 % aus. Die wirtschaftlichen Aussichten seien ungewiss, wenn nicht sehr düster. Es sei davon auszugehen, dass wegen der gigantischen weltweiten Kosten infolge der Corona-Pandemie die Entwicklungshilfe für Afghanistan massiv zurückgehen werde, was für den Finanzhaushalt des Landes katastrophale Folgen haben werde. Afghanistan weise eine der weltweit niedrigsten Beschäftigungsraten auf. ¼ der arbeitsfähigen Bevölkerung sei arbeitslos, mit steigender Tendenz; zudem bestehe ein hoher Anteil an Unterbeschäftigung und unsicheren Arbeitsplätzen. Jährlich strömten 400.000 neue Arbeitssuchende auf den Arbeitsmarkt und die hohe Zahl der Rückkehrer und intern Vertriebenen setze die Arbeitsmöglichkeiten zusätzlich unter Druck. Der Arbeitsmarkt werde von der Landwirtschaft dominiert, in der 44 % der Menschen beschäftigt seien. Viele Haushalte seien von informeller Beschäftigung abhängig, die äußerst anfällig für wirtschaftliche Schwankungen sei. Covid-19-Maßnahmen hätten die Wirtschaft massiv getroffen und zu einem Verlust von Arbeitsmöglichkeiten sowie einem deutlichen Rückgang von Auslandsüberweisungen geführt. Die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung lebe in sehr schlechten Wohnverhältnissen. Über 70 % der Unterkünfte in städtischen Gebieten seien informell und inadäquat. Die Regierung habe die Bereitstellung erschwinglicher Unterkünfte zur Priorität erklärt und wolle den Aufenthalt von rund 1 Million Menschen in informellen Siedlungen mittels Zertifikaten formalisieren. Die große Mehrheit der Bevölkerung, insbesondere in ländlichen Gebieten, verfüge nur über einen eingeschränkten Zugang zu Elektrizität und habe weder Zugang zu einer sicheren Wasserversorgung noch zu ausreichenden sanitären Einrichtungen. Trotz hoher internationaler Investitionen in das Gesundheitssystem habe weiterhin die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung keinen Zugang zu qualitativ guter Gesundheitsversorgung und diese sei auf die größten Städte konzentriert. Ca. 87 % der Bevölkerung könne innerhalb von zwei Stunden eine medizinische Einrichtung erreichen. Das afghanische Gesundheitswesen sei aufgrund der Armut, dem Jahrzehnte andauernden Krieg, der schlechten Wasser- und Hygienebedingungen, mangelnder sanitärer Einrichtungen, Ausbrüchen von eigentlich heilbaren Krankheiten sowie den Rückkehrerströmen überfordert und nicht in der Lage, der steigenden Nachfrage nachzukommen. Das Gesundheitssystem stehe weiterhin vor enormen Herausforderungen wie beschädigter Infrastruktur, Mangel an ausgebildetem Gesundheitspersonal und unzureichend ausgestatteter Gesundheitszentren. Aufgrund des schwachen Gesundheitssystems bestehe eine besondere Verletzlichkeit Afghanistans durch die Covid-19-Pandemie. Bis Ende August seien in 2020 knapp 500.000 Afghanen aus anderen Staaten zurückgekehrt, insbesondere aufgrund der Covid-19- und Wirtschaftskrise im Iran. Die Rückkehrer würden oft zu intern Vertriebenen, die dem Risiko erneuter Vertreibungen ausgesetzt seien. Ende 2019 lebten ca. 4,2 Mio. als intern Vertriebene in Afghanistan und bis zum 6. September 2020 seien weitere 150.000 hinzugekommen. Rückkehrer und intern Vertriebene lebten häufig in informellen Siedlungen, hätten nur eingeschränkten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, nur begrenzte Beschäftigungsmöglichkeiten, litten unter Nahrungsmittelunsicherheit und Verschuldung und seien häufiger von gesundheitlichen Problemen betroffen. Die hohe Zahl der Rückkehrer und intern Vertriebenen, insbesondere in Kabul und Nangarhar, setze die begrenzten Dienstleistungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten in den städtischen Zentren massiv unter Druck. Durch die Covid-19-Pandemie habe sich die Lage noch verschärft. Die Verletzlichkeit zwinge die Menschen zu negativen Überlebensmechanismen, etwa Zwangsheirat oder Kinderarbeit, und in den Gastgemeinden komme es zu Konkurrenz um den Zugang zu begrenzten Ressourcen.

Der UNHCR weist in seinen Richtlinien zu Afghanistan vom 30.08.2018 darauf hin, dass die Sicherheitslage in Afghanistan volatil bleibe. Es sei eine kontinuierliche Verschlechterung der Sicherheitssituation und eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in den Jahren nach dem Rückzug der internationalen Truppen in 2014 zu verzeichnen gewesen. Die Taliban setzten ihre Offensive zur Erreichung der Kontrolle über eine größere Zahl von Distrikten fort, während sich die Regierung auf die Verteidigung der Bevölkerungszentren und strategischen ländlichen Gebiete beschränke. Die zivilen Opferzahlen lägen trotz der Tatsache, dass die Zahl der zivilen Opfer in Afghanistan im Jahre 2017 gegenüber dem Vorjahr um 9 % gesunken sei, auf einem hohen Niveau. Die Zahl der konfliktbedingt intern Vertriebenen habe am Ende des Jahres 2017 bei geschätzt über 1,8 Millionen gelegen, 2017 sei hierbei ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr bei den neu Vertriebenen zu verzeichnen gewesen. Zusätzlich seien im Jahr 2016 über 1 Million Afghanen aus den Nachbarländern Iran und Pakistan zurückgekehrt und weitere 620.000 im Jahre 2017. Die wirtschaftliche Situation habe sich seit 2013/2014 aufgrund der Unsicherheit und dem hohen Bevölkerungswachstum verschlechtert. Zwar habe sich das Wirtschaftswachstum in 2017 gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht, allerdings leide der Landwirtschaftssektor unter einer schweren anhaltenden Trockenzeit, vor allem in den nördlichen und westlichen Regionen des Landes. Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der nationalen Armutsgrenze leben müsse, habe sich von 38,3 % in 2011/2012 auf 55 % in 2016/2017 erhöht. Die Arbeitslosenrate habe sich von 22 auf 24 % erhöht. 3,3 Millionen Afghanen würden 2018 einen akuten humanitären Bedarf aufweisen, 1,9 Millionen müssten mit ernsthafter Nahrungsunsicherheit leben. 4,5 Millionen Menschen hätten keinen Zugang zu primären essenziellen Gesundheitsdienstleistungen. Afghanistan bleibe eines der ärmsten Länder der Welt und liege daher auf Rang 169 von 188 Ländern im UN Human Development Index. In den größeren Städten sei zudem zu berücksichtigen, dass sich dort eine sehr hohe Zahl von Rückkehrern und intern Vertriebenen ansiedle, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten geführt habe. Dies gelte insbesondere für die Stadt Kabul, wo zusätzlich die Gefahr von Anschlägen mit hohen Opferzahlen zu berücksichtigen sei. Dort übersteige das Bevölkerungswachstum die Kapazitäten der erforderlichen Infrastruktur, Hilfs- und Arbeitsmöglichkeiten, so dass geschätzte 70 % der Bevölkerung in informellen Siedlungen leben müssten. Trotz dieser Einschätzung, für die der UNHCR seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält dieser daran fest, dass bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt.

Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die derzeit in Afghanistan festzustellende Ausbreitung des Corona-Virus und die damit einhergehenden staatlichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens keine dauerhafte Beeinträchtigung darstellen. Der durch die Regierung zur Eindämmung der Pandemie verfügte landesweite "Lockdown", durch welchen unter anderem tägliche Aktivitäten, das Geschäftsleben und das gesellschaftliche Leben eingeschränkt und begrenzt wurden,43 besteht derzeit jedenfalls in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif nicht fort.44 Berichten zufolge wurden die Beschränkungen allerdings nicht immer konsequent durchgesetzt; so sind in vielen Städten etwa Ladengeschäfte und Restaurants geöffnet.45

Am 21.08.2020 wurde der Grenzübergang Spin Boldak zwischen Afghanistan und Pakistan wieder vollständig geöffnet, nachdem er seit Juni 2020 im Wesentlichen komplett geschlossen war. Zwischenzeitlich sind auch weitere Grenzübergänge zu Pakistan (Ghulam Khan, Torkham, Angor Adda und Kharlachi) an sechs Tagen pro Woche wieder offen. Entsprechendes gilt für die wichtigen Grenzübergänge Milak (Nimroz) und Islam Qala-Dogharoon (Herat) zum Iran. Die Grenzen zu Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan sind hingegen weiterhin nur für den Handelsverkehr und die Rückreise von Passbesitzern nach Afghanistan geöffnet. Die zwischenzeitliche Schließung der Grenzen beeinträchtigte vor allem den Handelsverkehr: Händler, deren Geschäfte von offenen Grenzen abhängen, protestierten in Chaman und Spin Boldak und blockierten damit den Verkehr. Als Reaktion darauf leiteten einige Händler ihre Lieferwege um und benutzten informelle Grenzen in Helmand, was aufgrund der entlang dieser unbefestigten Straßen platzierten Sprengfallen problematisch war. Die Grenzbeschränkungen wirkten sich auch erheblich auf die Nahrungsmittelpreise auf den lokalen Märkten aus. Der Beginn der Erntesaison und die Wiedereröffnung der Grenzen haben zu einem Rückgang der Lebensmittelpreise im Vergleich zum Juni 2020 geführt, gleichzeitig hat sich die Kaufkraft von Gelegenheitsarbeitern und Viehzüchtern verbessert.46

Es gehen damit freilich neue Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche einher. Verglichen mit dem Monat März 2020 war im Juli 2020 zudem ein mitunter deutlicher Anstieg der Preise für Weizenmehl, Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis zu verzeichnen, wodurch besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen wie behinderte Menschen und Familien, die zur Erzielung ihres Einkommens auf Gelegenheitsarbeiten angewiesen sind, hart getroffen wurden.47 Geschätzte 12,4 Mio. Menschen sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen.48

Wenngleich für den städtischen Bereich noch eine weitere Steigerung der Anzahl von Nahrungsmittelunsicherheit betroffener Personen erwartet wird, wird insgesamt nach der Ernte mit einer Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung gerechnet.49 So stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem landesweiten wöchentlichen Marktpreisbulletin für die erste Septemberwoche (Stand: 02.09.2020) keine wesentlichen Preisänderungen gegenüber der Vorwoche fest.50 Für eine ungebremste Steigerung der Lebensmittelpreise oder allgemeine Engpässe bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln ist daher derzeit nichts ersichtlich.51

Die soeben geschilderten wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben allerdings auch zu einer erheblichen Ausweitung humanitärer Unterstützung geführt, aufgrund derer Millionen von Menschen erreicht werden konnten52 und die gleichsam kompensatorisch gewirkt hat. Neben der Durchführung von Aktivitäten, die die Ausbreitung der SARS-CoV-2-Pandemie eindämmen, reagieren die Hilfsorganisationen auch auf andere aufkommende humanitäre Bedürfnisse. So konnte - wie schon gezeigt - Hilfe wegen neuer Vertreibungen infolge von lokalen Konflikten gewährt werden. Von den 12 Millionen Menschen, die humanitäre Hilfe und Schutzhilfe benötigten, haben knapp 8 Millionen Menschen Soforthilfe erhalten.53 Ferner konnte Menschen geholfen werden, die in verschiedenen Teilen des Landes von Überschwemmungen betroffen sind. Zehntausende Frauen erhielten prä- und postnatale Betreuung durch Hebammen, die in mobilen Gesundheitsteams (Mobile Health Teams, MHTs) eingesetzt werden. Etwa 1.500 Personen erhielten eine Traumabehandlung und hunderte Kinder unter 5 Jahren erhielten routinemäßige Impfungen durch MHTs. Bei tausenden unterernährten Kindern im Alter von 6 bis 59 Monaten konnte die Mangelernährung beseitigt werden. Risikokinder unter 5 Jahren erhielten eine pauschale Zusatznahrung. Knapp 15.000 Kinder konnten an Fernunterricht teilnehmen oder wurden von spezifisch entwickelten häuslichen Lernmaterialien erreicht. Zehntausende schwangere und stillende Frauen erhielten Unterstützung durch gezielte Zusatzernährungsprogramme (TSFP), andere ebenfalls pauschale Zusatznahrung.

Ende April begann die Regierung Afghanistans mit der Verteilung von Fladenbrot ("Naan") an arme städtische Haushalte in Kabul und später auch in anderen Städten Afghanistans. Ursprünglich war das Programm in drei Phasen angelegt. Während der ersten Phase erhielt jeder Haushalt zwei Naan pro Mitglied (durchschnittlich 10 pro Haushalt) pro Tag. Nach Angaben der Stadtverwaltung von Kabul erstreckte sich die erste Phase über 40 Tage und umfasste 311.320 Haushalte in Kabul, wobei 15 Millionen Naans verteilt wurden. Das Programm wurde nach der faktischen Aufhebung des Lockdowns gestoppt, was zumindest teilweise auf Haushaltszwänge zurückzuführen ist. Im Rahmen seiner regulären Programmplanung verteilte das World Food Programme (WFP) allein zwischen dem 13.08.2020 und dem 19.08.2020 116.288 Nahrungsmittel an von Ernährungsunsicherheit betroffene Menschen.54 Zwischen dem 01.03.2020 und dem 26.08.2020 wurden vom WFP über 65.000 Millionen Tonnen Nahrungsmittel verteilt und über 7,4 Millionen Dollar in Form von Bargeldtransfers ausgezahlt. Insgesamt wurden zwischen dem 01.03.2020 und dem 26.08.2020 mehr als 7,5 Millionen Menschen mit Nahrungsmittelhilfe erreicht.55 Die afghanische Regierung und die Weltbank haben eine nationale Verteilung von Nahrungsmitteln und Saatgut angekündigt, das Food Security and Agriculture Cluster (FSAC) hat im Norden des Landes bereits hunderttausende Personen mit einer spezifischen Nahrungsmittelhilfe in Reaktion auf den Lockdown erreicht. Die Wiedereröffnung des wichtigen Grenzübergangs Spin Boldak hat positive Auswirkung auf die Marktpreise für Grundnahrungsmittel und deren Verfügbarkeit.56 Die Partner des FSAC arbeiten an der Wiederherstellung eines vollständigen Nahrungsmittelangebots, wobei der Beschaffung von Weizen-Soja-Mischungen und Pflanzenöl Priorität eingeräumt wird. Mit diesen Gütern können wieder vollständigere Nahrungsmittelhilfepakete zusammengestellt werden, die es den am stärksten gefährdeten afghanischen Haushalten ermöglichen, ihre tägliche Mindestkalorienzufuhr zu decken.57

Die WHO und UNICEF haben medizinische Hilfsgüter im Wert von 3 Millionen US-Dollar - darunter persönliche Schutzausrüstung, Laborbedarf und Krankenhausausrüstung - beschafft, die in Afghanistan eingetroffen sind und zur weiteren Verteilung übergeben wurden. Eine Vielzahl von Menschen widmet sich der Seuchenbekämpfung und informiert über die einzuhaltenden (infektionsschützenden) Regeln. Gleichwohl ist das Bewusstsein der Bevölkerung für die Gefahren durch den SARS-CoV-2-Virus nach wie vor unzureichend ausgeprägt.58 Nach einer im Ärzteblatt vom 05.08.2020 mitgeteilten Einschätzung des afghanischen Gesundheitsministers Ahmad Dschawad Osmani hätten sich im gesamten Land bereits 10 Millionen Menschen oder 31,5 % der Gesamtbevölkerung mit dem SARS-CoV-2-Virus angesteckt, in Kabul sei die Infektionsrate mit 50 % besonders hoch. Sollten sich diese - auf einer Studie beruhenden - Ergebnisse bewahrheiten, hat die Stadt Kabul den Höhepunkt des Infektionsgeschehens bereits hinter sich.59

In den Briefing Notes des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14.12.2020 heißt es, dass im Westen Afghanistans ein starker Anstieg der Covid-19-Erkrankungen und Infektionen gemeldet wurde und das Gesundheitsministerium am 10.12.2020 erneut an die Bürger appellierte, die Schutzmaßnahmen einzuhalten. Die Impfplattform COVAX (Covid-19 Vaccines Global Access) kündigte an, dass 2021 ein Impfstoff für Afghanistan verfügbar sei und die Impfkosten für bis zu 20 % der Bevölkerung übernommen würden. Allerdings gebe es noch logistische Probleme, insbesondere bei der Einhaltung der Kühlketten. Ein Plan für die Impfung der übrigen 80 % werde erarbeitet."

Auf dieser Grundlage wurde auch in der jüngsten Rechtsprechung der Kammer im Grundsatz weiterhin davon ausgegangen, dass - in Fortführung der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts des Saarlandes60 sowie verschiedener Oberverwaltungsgerichte61 - im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtung und ohne bestehendes familiäres oder soziales Netzwerk bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland in Kabul die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht erfüllt sind, sofern nicht besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können.62 Danach gerät ein derartiger Rückkehrer nach Afghanistan auch aufgrund der dortigen allgemeinen Verhältnisse sowie der derzeitigen Covid-19-Pandemie nicht in eine § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK verletzende besondere Ausnahmesituation.63

Zugleich vertritt ein beachtlicher Teil der neueren verwaltungsgerichtlichen und zunehmend auch der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung, dass nach der aktuellen Erkenntnislage derzeit nicht mehr an dem Grundsatz festzuhalten ist, dass jeder alleinstehende, gesunde junge Mann im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage sein wird, dort wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu führen.64 Vielmehr ergeben sich etwa nach der jüngeren Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Bremen und Rheinland-Pfalz65 aus den seit März 2020 weiter erheblich verschlechterten humanitären Lebensbedingungen in Afghanistan auch für junge, alleinstehende und arbeitsfähige Rückkehrer höhere Anforderungen an die individuelle Belastbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit, um ihre elementarsten Bedürfnisse an Nahrung und Obdach zu befriedigen, und ist im Rahmen einer sorgfältigen Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, die nachteilige Faktoren, aber auch begünstigende Umstände des jeweils Betroffenen berücksichtigt, zu ermitteln, ob eine solche Belastbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit vorliegt.

Erst recht ist nach der aktuellen Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg, mit der dieser auch seine frühere gegenteilige und von der Kammer regelmäßig in Bezug genommene Rechtsprechung "zumindest vorerst" aufgibt, davon auszugehen, dass derzeit angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Afghanistan infolge der COVID-19-Pandemie auch im Falle eines leistungsfähigen, erwachsenen Mannes ohne Unterhaltsverpflichtungen bei Rückkehr aus dem westlichen Ausland die hohen Anforderungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK regelmäßig erfüllt sind, wenn in seiner Person keine besonderen begünstigenden Umstände vorliegen. Derartige Umstände können danach insbesondere dann gegeben sein, wenn der Schutzsuchende in Afghanistan ein hinreichend tragfähiges und erreichbares familiäres oder soziales Netzwerk hat, er nachhaltige finanzielle oder materielle Unterstützung durch Dritte erfährt oder über ausreichendes Vermögen verfügt. Dabei geht der VGH Baden-Württemberg darüber hinaus und in ausdrücklicher Abgrenzung zur Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Rheinland-Pfalz und Bremen nicht davon aus, dass eine besondere Belastbarkeit, Durchsetzungsfähigkeit oder fachliche Qualifikation des Betreffenden Umstände sind, die für sich allein bewirken, dass er im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan in der Lage wäre, dort aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums nachhaltig zu sichern.66

Unabhängig von diesen grundsätzlichen Divergenzen in der einschlägigen neueren bundesdeutschen verwaltungsgerichtlichen Afghanistan-Rechtsprechung spricht allerdings im vorliegenden Einzelfall vieles dafür, dass nach allen derzeit insoweit rechtlich in Betracht kommenden Sichtweisen jedenfalls hinsichtlich des Klägers die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorlägen. Denn zum einen sind bei ihm besondere, individuell erschwerende Umstände festzustellen und zum andern fehlt es ihm im Rahmen einer sorgfältigen Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls an einer hinreichenden Belastbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit; erst recht mangelt es in seiner Person an hinreichenden besonderen begünstigenden Umständen.

Der inzwischen 27 Jahre alte Kläger gehört zwar zur Gruppe der jungen, gesunden, arbeitsfähigen und alleinstehenden Männer. Wie bereits dargelegt, kann er jedoch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan auf keine nennenswerte familiäre Unterstützung zurückgreifen. Seine Eltern, seine Geschwister sowie seine weiteren Familienangehörigen leben sämtlich bereits seit vielen Jahren im Iran; verwandtschaftliche Beziehungen nach Afghanistan sind danach nicht mehr gegeben. Er ist zwar die ersten acht bis neun Jahre seines Lebens in Afghanistan und dann weitere etwa acht bis neun Jahre seines Lebens im Iran und damit in einem muslimischen Kulturkreis aufgewachsen, ist aber, wie bereits dargelegt, vor nahezu zehn Jahren nach Deutschland eingereist und hat hier bedeutende Phasen seiner persönlichen Entwicklung durchlebt. Mithin weist er biographische Merkmale auf, die sowohl im Rahmen der zu ermittelnden Durchsetzungsfähigkeit als hierfür nachteilig erscheinen, als auch besondere, individuell erschwerende Umstände darstellen, geschweige denn besondere begünstigende Umstände begründen. Auch wenn der Kläger mittlerweile in Deutschland erfolgreich und seit mehreren Jahren eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, verfügt er dennoch über keine Erfahrung bzgl. einer Erwerbstätigkeit zumindest in Afghanistan selbst; an die von ihm berichtete Tätigkeit als Kinderarbeiter in der Blumenzucht im Iran wird er bei einer Rückkehr nach Afghanistan kaum anknüpfen können. Er hat zudem den Iran bereits Ende 2010 und im Alter von 16 Jahren verlassen67 und ist dann mit 17 Jahren nach Deutschland eingereist; seine Sozialisation war also auch in dem Nachbarland Afghanistans, obschon dieses einem vergleichbaren Kulturkreis zuzurechnen ist, noch nicht abgeschlossen.68 Er ist daher mit den äußerst schwierigen Anforderungen des Alltagslebens in Afghanistan kaum mehr vertraut; ferner verfügt der aus einem Dorf in der Provinz Herat stammende Kläger über keine Erfahrungen bzgl. eines Lebens in Kabul selbst. Der alters- und ausbildungsbedingte Erfahrungs- und Wissenszuwachs des Klägers dürfte ihm angesichts der derzeitigen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, der Corona-Pandemie sowie der hohen Zahl an Rückkehrern aus dem Iran und an Binnenflüchtlingen keinen deutlichen Vorteil verschaffen. Dass der Kläger zeitnah in Kabul eine Stelle finden wird, erscheint daher eher spekulativ. Vielmehr müsste er sich aller Voraussicht nach wie eine Vielzahl von Rückkehrern als Tagelöhner durchschlagen oder gar, wie offenbar derzeit nicht selten, zu rechtswidrigen Mitteln der Existenzsicherung greifen und sich an illegalen Aktivitäten beteiligen oder erneut illegal ausreisen.69 Gerade der Arbeitsmarkt für Tagelöhner ist in Afghanistan jedoch seit Beginn der Corona-Pandemie eingebrochen und weiterhin stark umkämpft.70 Hinzu kommt, dass in Afghanistan häufig und erst recht in der gegenwärtigen Pandemie ein großes Misstrauen gegenüber Rückkehrern aus dem westlichen Ausland besteht, was den Kläger auf dem derzeit und auf absehbare Zeit überaus prekären afghanischen Arbeitsmarkt zusätzlich benachteiligen würde.71 Illegale Existenzsicherungswege wie etwa das Anheuern bei aufständischen Gruppierungen und/oder das Abgleiten in die Kriminalität mögen hingegen in tatsächlicher Hinsicht geeignet sein, drohende Verelendungen zunächst abzuwenden, sind aber schon im Rahmen der nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK anzustellenden Prognose nicht zu berücksichtigen und erscheinen außerdem auch wenig nachhaltig.72

Zwar trifft es zu, dass der Kläger als Rückkehrer von verschiedenen Rückkehrhilfen profitieren kann (z.B. im Rahmen der Programme Assisted Voluntary Return, REAG/GARP und ERRIN),73 die neben finanziellen Hilfen entweder für einen begrenzten Zeitraum selbst eine Unterkunft bereitstellen oder bei der Suche nach einer Unterkunft behilflich sind, und erscheinen diese Hilfen auch grundsätzlich geeignet, die für Rückkehrer anzunehmenden Startschwierigkeiten in Afghanistan fürs Erste aufzufangen. Zugleich muss aber gesehen werden, dass derartige Rückkehr- und Starthilfen nicht dauerhaft zur Verfügung stehen und irgendwann aufgebraucht sein werden, so dass ihre Verfügbarkeit die sich für Rückkehrer ergebenden Gefahren einer Verelendung lediglich aufschieben, aber wohl nicht verlässlich aufheben dürften; namentlich ein Zugang zum Arbeitsmarkt lässt sich damit nicht "erkaufen".74 Eine nachhaltige Existenzsicherung, wie sie aber für eine Widerrufsentscheidung vorauszusetzen ist, vermögen diese Hilfen daher mit Blick auf die insoweit festzustellenden besonderen individuell erschwerenden und erst recht nicht begünstigenden Umstände, aber auch die seine Durchsetzungsfähigkeit nachteilig beeinflussenden Faktoren, nicht hinreichend zuverlässig zu gewährleisten.

Unter sorgfältiger Berücksichtigung all dieser Umstände ist das erkennende Gericht daher nicht davon überzeugt, dass hier in der Gesamtschau eine hinreichende Belastbarkeit und Durchsetzungsfähigkeit des Klägers in Bezug auf die sich im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan und insbesondere auch nach Kabul stellenden allgemeinen und aktuellen hohen Anforderungen gegeben ist, die es ihm ermöglichen würde, in seinem Heimatland und insbesondere auch in Kabul (wenigstens) ein Leben am Rande des Existenzminimums zu führen. Vielmehr sind bei ihm besondere, individuell erschwerende Umstände festzustellen und fehlt es in seiner Person erst recht an hinreichenden besonderen begünstigenden Umständen, so dass fallbezogen nach jeder nach der divergierenden aktuellen verwaltungs- und obergerichtlichen Rechtsprechungen in Betracht kommenden Sichtweisen davon auszugehen ist, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen allgemeinen Verhältnisse sowie der derzeitigen Covid-19-Pandemie in eine § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK verletzende besondere Ausnahmesituation geriete.

Auch wenn sonach vieles dafür spräche, dass bei dem Kläger zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt im konkreten Einzelfall zumindest aus anderen Gründen ein Abschiebungsverbot festzustellen wäre, so kann dies hier letztlich gleichwohl dahinstehen. Denn nach den obigen Ausführungen ist bereits davon auszugehen, dass sich die, die seinerzeitige Feststellung eines Abschiebungsverbots begründenden, wesentlichen Tatsachen, wie ausgeführt, nicht beachtlich, geschweige denn nachhaltig, geändert haben, so dass die Voraussetzungen des § 73b Abs. 1 AsylG im Ergebnis nicht vorliegen und sich der angefochtene Widerrufsbescheid jedenfalls daher als rechtswidrig erweist.

Nach allem ist der Klage bereits im Hauptantrag und mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Fussnoten

1 Im Einzelnen: "Nach den durchgeführten Ermittlungen ist ein Tatnachweis gegen den Beschuldigten im Hinblick auf den Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung nicht zu führen. Es ist nicht feststellbar, ob und inwieweit der Beschuldigte den Inhalt des am 29.02.2012 ausgestellten Nationalpasses durch unzutreffende Angaben beeinflusst hat.

Im Hinblick auf die im Rahmen der Asylantragstellung gemachten falschen Angaben liegt vorliegend ein strafrechtlich relevantes Verhalten nicht vor. Insbesondere ist ein Verstoß gegen § 95 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG nicht gegeben. Das Asylverfahrensgesetz enthält im Gegensatz zur Vorschrift des § 95 AufenthG keine Strafandrohung hinsichtlich des Asylbewerbers, der die Anerkennung durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschleicht ... Aufgrund dieser speziellen Regelung im Asylverfahrensgesetz werden falsche Personalangaben im Zusammenhang mit der Asylantragstellung weder vom Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG noch von dem des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfasst. Die bloße Angabe falscher Personalien bei der Antragstellung im Asylverfahren erfüllt mithin keinen Straftatbestand, sondern kann allenfalls wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt werden ...

Der mit der Einreise am ...04.2011 verwirklichte Vorwurf der unerlaubten Einreise ist mittlerweile verjährt.".

2 Anm.: Die Ausländerbehörde leitete weder den Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft noch die anwaltliche Stellungnahme an die von ihr um Einleitung eines Widerrufsverfahrens ersuchte Beklagte weiter..

3 vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.03.2016 - 13 A 1828/09. A -, juris, Rn. 79, sowie Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11. A-, juris, Rn. 189 ff..

4 vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31. Mai 2018 (Stand: Mai 2018), S. 28.

5 vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -.

6 vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2018 - A 11 S 1265/17 -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 04.01.2018 - 9 LA 160/17 -, juris.

7 Die Vorschrift lautete damals:

"Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden.".

8 vgl. dazu nur Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 73b Rz. 1.

9 § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG lautet:

Die Vorschrift lautet:

"Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Heimatland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

... 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ...".

Dementsprechend verweist § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG n.F. nunmehr auf § 4 Abs. 1 AsylG..

10 vgl. BVerwG, Urteil vom 01.06.2011 - 10 C 25/10 -, juris, Rz. 24; vgl. auch Marx, a.a.O., § 73c Rz. 5, m.w.N..

11 vgl. Marx, a.a.O., § 73b Rz. 4, m.w.N..

12 vgl. dazu nur Urteil der Kammer vom 24.02.2021 - 5 K 738/19 -.

13 vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10-, juris, Rn. 17(zu § 73 Abs. 3 AsylVfG); OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.03.2016 - 13 A 1828/09.A-, juris, Rn. 36.

14 vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.10.2011 - 10 B 24.11 -, vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - und vom 29.06.2015 - 1 C 2.15 -, jew. juris.

15 vgl. ebenfalls hinsichtlich der Anfechtung eines Widerrufsbescheides: BVerwG, Urteil vom 29.06.2015 - 1 C 2.15 -, juris.

16 siehe Bundesamtsbescheid vom 17.05.2019 (S. 3 f.).

17 Anm.: Nach der Aktenlage und den glaubhaften, weil durchgängigen, widerspruchsfreien und plausiblen, Erläuterungen des Klägers auch in der mündlichen Verhandlung sowie seinem äußeren Erscheinungsbild ist auch das erkennende Gericht davon überzeugt, dass das von ihm angegebene und auch durch seine früheren Personaldokumente belegte Geburtsdatum 03.02.1994 zutreffend ist und er entgegen seiner nachträglich in seiner Abwesenheit in Afghanistan anhand eines früheren Fotos ausgestellten Tazkira nicht etwa bereits am 03.02.1991 geboren wurde..

18 Anm.: Nach seinen Angaben bei seiner polizeilichen Vernehmung nach seiner Einreise im April 2011 war der Kläger neun Jahre zuvor und damit im Jahr 2002 in den Iran ausgereist; nach seinen Angaben bei seiner Bundesamtsanhörung im Mai 2011 war er seit acht Jahren und damit seit 2003 im Iran. Der nach seinen, wie dargestellt, als zutreffend zugrunde zu legenden Angaben im Februar 1994 geborene Kläger ist also im Alter von acht bzw. neun Jahren in den Iran ausgereist..

19 Seite 5 des Bundesamtsbescheides vom 03.11.2011 (Hervorhebungen nicht im Original).

20 Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, vom 16.07.2020 in der Fassung vom 14.01.2021, Gz. 508-516.80/3 AFG (dort unter Abschnitt I, S. 5).

21 Kammerbeschluss vom 25.04.2018 - 2 BvR 2435/17 -, juris, Ls. 3 und Rn. 34.

22 vgl. auch Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 10.01.2012, S. 12; UNHCR vom 11.11.2011, S. 2.

23 Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31.05.2018, Abschn. II.4.

24 Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31.05.2018, Abschn. II.4.

25 Az. 508-516.80/48924.

26 zu Az. 7 K 1757/16.WI.A.

27 Ein Polizeikommandant wird in dem genannten Gutachten im Übrigen wie folgt zitiert (dort S. 140 f.):

".. you have to understand - it is only recently that Afghanistan has had a police force. People still haven’t got used to the idea of going to the police - they will go to village elders. They still do what they have traditionally done ... Most people don’t have police they can go to! Even in the most modern Afghan towns, most people won’t go to the police about crimes - they will try to solve things their own way or the traditional way ... <The State> and <the police> are pretty far from most people’s experience in Afghanistan - it’s not like Britain or the US!”.

28 vgl. nur Urteile vom 01.03.2019 - 5 K 267/17 und 357/17 -, 03.08.2018 - 5 K 1377/16 -, 12.07.2018 - 5 K 1339/16 -, 30.05.2018 - 5 K 1199/16 und 1262/16 - sowie vom 29.01.2018 - 5 K 1398/16 und 5 K 1360/16 -; vgl. auch Urteile der Kammer vom 11.05.2016 - 5 K 61/15 -, 06.05.2015 - 5 K 2100/14 -, 03.09.2014 - 5 K 391/14 - und 20.08.2014 - 5 K 60/14 -.

29 vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.2009 - 10 C 52/07 -, juris, Rn. 29, m.w.N.; OVG des Saarlandes, Urteil vom 18.01.2018 - 2 A 287/17 -, juris; vgl. auch Marx, AsylG, a.a.O., § 3e Rn. 1.

30 vgl. OVG Bremen, Urteil vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris, Rz. 39 f., m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris, Rz. 50 ff.-; siehe auch Schwörer, Sachverständigenanhörung vor dem VGH Baden-Württemberg in Sachen A 11 S 2042/20 u.a., wonach es auf dem Tagelöhnermarkt regelmäßig nur um körperliche Arbeit geht und das Netzwerk wichtiger ist als Berufserfahrung und Fähigkeiten (Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2020, S. 3 ff.).

31 vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10-, juris, Rn. 17(zu § 73 Abs. 3 AsylVfG); OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.03.2016 - 13 A 1828/09.A-, juris, Rn. 36.

32 vgl. dazu nur Niedersächsisches OVG, Urteil vom 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris, Rn. 25, m.w.N..

33 st. Rspr., vgl. etwa VG Lüneburg, Urteil vom 14.08.2017 - 3 A 146/15 -, juris, Rn. 46, m.w.N..

34 vgl. nur Urteil der Kammer vom 30.05.2018 - 5 K 2720/16 -; vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 31.08.2017 - 13a ZB 17.30756 -, juris; VG München, Urteil vom 05.12.2017 - M 26 K 17.33766 -, juris.

35 Urteile vom 20.01.2009 - 32621/06, F.H./Sweden -, HUDOC Rn. 90; vom 28.6.2011 - 8319/07 und 11449/07, Sufi and Elmi/United Kingdom -, HUDOC Rn. 218 und 241; vom 29.01.2013 - 60367/10, S.H.H./United Kingdom -, HUDOC Rn. 73 und 79; vom 09.04.2013 - 70073/10 und 44539/11, H. and B./United Kingdom -, HUDOC Rn. 91 f.; vom 04.06.2015 - 59166/12, J.K. u.a./Sweden -, HUDOC Rn. 53; vgl. auch Urteile vom 12.01.2016 - 25077/06, A.W.Q. and D.H./The Netherlands -, HUDOC Rn. 67; - 8161/07, S.D.M. and others/The Netherlands -, HUDOC Rn. 74; - 39575/06, S.S./The Netherlands -, HUDOC Rn. 62; - 46856/07, M.R.A. and others/The Netherlands - HUDOC Rn. 106; - 13442/08, A.G.R./The Netherlands -, HUDOC Rn. 54.

36 juris; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2018 - A 11 S 924/17 -, juris, Rn. 336, sowie Urteil vom 12.12.2018 - A 11 S 1923/17 -.

37 vgl. nur Urteile vom 05.01.2021 - 5 K 755/19 und 5 K 1920/19 -.

38 Laut UN-OCHA: 2020 bis zu 14 Mio. Menschen..

39 Zu letzterem: Republik Österreich, BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung 13.11.2019, Aktualisierung vom 29.06.2020, S. 323..

40 So auch Republik Österreich, BFA, Länderinformation zur Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung vom 29.06.2020, S. 343..

41 Vgl. auch Republik Österreich, BFA, Länderinformation zur Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung vom 29.06.2020, S. 343..

42 Afghanistan: Gefährdungsprofile vom 30.9.2020, S. 15 ff..

43 Vgl. Republik Österreich, BFA, Kurzinformation der Staatendokumentation - COVID-19 Afghanistan, 21.7.2020, S. 3..

44 Vgl. Republik Österreich, BFA, Länderinformation zur Staatendokumentation Afghanistan, Aktualisierung vom 16.12.2020 - Version 2 -..

45 Vgl. OCHA, Afghanistan - Stratetic Situation Report: COVID-19, Nr. 65, 26.07.2020, S. 2..

46 OCHA, C-19 Access Impediment Report, Stand Ende August 2020, S. 2..

47 Vgl. OCHA, Afghanistan COVID-19 Multi-Sectoral Response - Operational Situation Report, 22.07.2020, S. 1..

48 Vgl. OCHA, Afghanistan COVID-19 Multi-Sectoral Response - Operational Situation Report, 22.07.2020, S. 7..

49 IPC, Afghanistan - Acute Food Insecurity Analysis April 2020- November 2020, May 2020, S. 3..

50 Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes vom 14.9.2020, allgemein abrufbar unter https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw38-2020.html?nn=282314..

51 Vgl. dazu auch VG Freiburg, Urteil vom 08.09.2020 - A 8 K 10988/17 -, juris: Nach einem starken Anstieg der Lebensmittelpreise insbesondere im März und April 2020 haben sich diese mittlerweile - wenn auch auf einem hohen Niveau - weitestgehend stabilisiert und sind zum Teil bereits wieder gesunken (vgl. FEWS, Afghanistan Price Bulletin [Stand: Juni 2020]; International Monetary Fund, Policy Responses to Covid-19, Islamic Republic of Afghanistan [Stand: 14.07.2020]). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge stieg der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14.03.2020 und dem 26.08.2020 um 9 Prozent, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im selben Zeitraum um 26 Prozent, 21 Prozent, 30 Prozent bzw. 18 Prozent stiegen. Gegenüber dem Monat April sind die im Juli 2020 ermittelten Durchschnittspreise für Weizen und Mehl bereits wieder gesunken (FEWS, Afghanistan Food Security Outlook Update August, S. 2 [Abbildung 2]), liegen aber immer noch recht deutlich über den Vorjahrespreisen. Dieser Preisanstieg geht einher mit einer sinkenden Kaufkraft von Gelegenheitsarbeitern und Viehzüchtern, die sich im Vergleich zum 14.03.2020 um 5 bzw. 7 Prozent verschlechtert hat (OCHA, Afghanistan - COVID-19 Multi-Sectoral Response, Operational Situation Report, Stand 26.08.2020), nunmehr aber im Begriff ist, sich zu erholen (FEWS, Afghanistan Food Security Outlook Juni 2020 bis Januar 2021, Update August, S. 2: Steigerung der Löhne für Gelegenheitsarbeiter im Juli 2020 gegenüber Mai 2020 um 5 %)..

52 OCHA, Afghanistan, Strategic Situation Report: COVID-19, Stand 27.08.2020, S. 2..

53 Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, S. 4..

54 OCHA, Afghanistan - COVID-19 Multi-Sectoral Response, Operational Situation Report, Stand 26.08.2020..

55 OCHA, Afghanistan - COVID-19 Multi-Sectoral Response, Operational Situation Report, S. 7..

56 Vgl. auch zur Bedeutung der Grenzöffnungen: Konrad-Adenauer-Stiftung, Covid-Krise in Afghanistan, Juli 2020, S. 3..

57 OCHA, Afghanistan - COVID-19 Multi-Sectoral Response, Operational Situation Report, Stand 26.08.2020 S. 8..

58 Vgl. zu den entsprechenden Umfrageergebnissen: OCHA, Afghanistan - COVID-19 Multi-Sectoral Response, Operational Situation Report, Stand 26.08.2020, S. 5..

59 Vgl. allerdings auch die deutlich abweichenden Zahlen der Johns Hopkins Universität für Afghanistan; s. auch Konrad-Adenauer-Stiftung, Covid-Krise in Afghanistan, Juli 2020, S. 2..

60 vgl. u.a. Urteil vom 30.10.2019 - 5 K 111/19 -, n.v..

61 so u.a. Bayerischer VGH, Urteile vom 03.02.2011 - 13a B 10.30394 - und vom 22.03.2013 - 13a B 12.30044 -, Beschlüsse vom 31.07.2015 - 13a ZB 15.30116 - und vom 12.04.2018 - 13a ZB 18.30135 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 19.06.2008 - 20 A 4676/06.A - und vom 03.03.2016 - 3 A 1828/09.A - sowie Beschlüsse vom 26.10.2010 - 20 A 964/10.A -, vom 20.07.2015 - 13 A 1531/15.A, vom 14.03.2018 - 13 A 341/18.A - und vom 26.02.2019 - 13 A 3992/18.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.03.2012 - A 11 S 3177/11 -, unter Aufgabe seiner noch im Urteil vom 14.05.2009 - A 11 S 610/08 - vertretenen Auffassung, sowie Urteile vom 05.12.2017 - A 11 S 1144/17 -, vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - und vom 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.03.2012 - 8 A 11050/10.OVG -; Hessischer VGH, Urteile vom 30.01.2014 - 8 A 119/12.A - und vom 23.08.2019 - 7 A 2750/15.A -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse vom 29.09.2014 - 3 L 136/12 - und vom 17.12.2018 - 3 L 382/18 -, jew. juris.

62 vgl. nur Urteile vom 05.01.2021 - 5 K 755/19 und 5 K 1920/19 -.

63 ebenso Bayerischer VGH, Urteil vom 01.10.2020 - 13a B 20.31004 -, juris, Rz. 32, 41, 43 ff.; VG Würzburg, Urteil vom 26.11.2020 - W 1 K 20.31152 -, juris; VG Köln, Urteil vom 08.12.2020 - 14 K 4963/17 -, juris; VG Freiburg, Urteil vom 19.05.2020 - A 8 K 9604/17 -, asylnet, Rz. 40 bb, und Urteil vom 08.09.2020 - A 8 K 10988/17 -, juris; VG München, Urteil vom 28.09.2020 - M 24 K 17.38700 -, jew. juris; so grundsätzlich auch VG Berlin, Urteil vom 01.09.2020 - VG 10 K 184.17 A -, UA S. 21, n.v..

64 so ausdrücklich OVG Bremen, Urteile vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 - und vom 22.09.2020 - 1 LB 258/20 -, jew. juris; ebenso wohl OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.11.2020 - 13 A 11421/19 -, juris, Rz. 136; ähnlich bzw. teilweise noch weitergehend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris, Rz. 104 ff.; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 05.05.2020 - 21 K 19075/17.A -, juris, Rn. 265 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 15.05.2020 - A 19 K 16467/17 -, juris, Rn. 99 ff.; VG Cottbus, Urteil vom 29.05.2020 - 3 K 633/20 A -, juris, Rn. 45 ff., und Urteil vom 21.08.2020 - 2 K 1561/16.A -, juris, Rn. 48 ff.; VG Arnsberg, Urteil vom 02.07.2020 - 6 K 2576/17.A -, juris, Rz. 48 ff.; VG Hannover, Urteil vom 09.07.2020 - 19 A 11909/17 -, juris, Rn. 21 ff.; VG Hamburg, Urteil vom 07.08.2020 - 1 A 3562/17 -, juris, Rz. 53 ff., und Urteil vom 30.09.2020 - 1 A 2533/20 -, juris, Rz. 64 ff.; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 18.05.2020 - A 1 K 18261/17 -; VG Freiburg, Urteil vom 22.05.2020 - A 10 K 573/17 -, und Urteil vom 27.08.2020 - A 15 K 2954/17 -; VG Sigmaringen, Urteil vom 22.05.2020 - A 2 K 7775/17 - sowie Urteil vom 08.06.2020 - A 10 K 9182/17 -; VG Magdeburg, Urteil vom 28.05.2020 - 4 A 123/20 MD -; VG Wiesbaden, Urteil vom 19.08.2020 - 7 K 5030/17.WI.A -, UA S. 11, jew. n.v..

65 a.a.O..

66 Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris, Rz. 104 ff..

67 Nach seinen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung nach seiner Einreise im August 2014 hat er den Iran ca. sechs Monate zuvor verlassen, so dass der im Februar 1998 geborene Kläger Anfang des Jahres 2014 aus diesem ausgereist sein dürfte..

68 ebenso OVG Bremen, Urteil vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris, Rz. 59.

69 vgl. dazu auch OVG Bremen, Urteil vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris, Rz. 50, m.w.N..

70 vgl. Schwörer, Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Lage in Afghanistan, S. 22, 23; vgl. auch OVG Bremen, Urteil vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris.

71 vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris, Rz. 90, m.w.N..

72 vgl. nur OVG Bremen, Urteil vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris, Rz. 50.

73 vgl. auch Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 16.07.2020, Seite 24.

74 vgl. OVG Bremen, Urteil vom 24.11.2020 - 1 LB 351/20 -, juris, Rz. 46, m.z.w.N.; ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 -, juris, Rz. 110 f., m.w.N..

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