VG Karlsruhe, Urteil vom 23.02.2021 - 12 K 670/20
Fundstelle
openJur 2021, 16790
  • Rkr:

1. In Anlehnung an die Maßgaben zur Berechnung von Vorausleistungen nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB steht der Gemeinde auch im Rahmen der Berechnung des Ablösebetrags nach § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB eine Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Ermittlung des mutmaßlichen beitragsfähigen Erschließungsaufwandes zu, was notwendigerweise mit einem gewissen Spielraum sowie einer das Ergebnis der Schätzung betreffenden Toleranz verbunden ist.

2. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit dieser Kostenschätzung ist nicht eine "centgenaue" Deckungsgleichheit mit dem erst nach Abschluss der Bauarbeiten und Eingang der letzten Unternehmerrechnung feststellbaren Erschließungsaufwand, sondern eine gewissenhafte Kostenschätzung unter Anwendung einer sachgerechten Schätzungsgrundlage.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 7. Januar 2020 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen.

Sie ist Eigentümerin des im Gemeindegebiet der Beklagten - Ortsteil ... - gelegenen Grundstücks Flurstück 360 ("..."), das eine Größe von 1.158 m² aufweist. Das Grundstück wurde aufgrund einer Baugenehmigung vom 14. April 1972 mit einem Wohnhaus bebaut und war damals über eine Zufahrtsbaulast an die Straße "..." angebunden. Am 17. Februar 1984 trat der den Ortsteil ... betreffende Bebauungsplan "..." in Kraft, in dessen räumlichem Geltungsbereich sich das Grundstück der Klägerin befindet. In dessen Planzeichnung ist das Grundstück noch als Flurstück ... und "..." bezeichnet. Der Bebauungsplan setzt für den räumlichen Bereich des Grundstücks ein allgemeines Wohngebiet, ein Vollgeschoss, eine Grundflächenzahl von 0,4 sowie eine Geschossflächenzahl von 0,6 fest. Zudem grenzt das Grundstück der Klägerin nach der Planzeichnung des Bebauungsplans noch an einen nördlich gelegenen, 2,50 m breiten Gemeindeweg an, der seinerseits im Norden an die rund 25 m lange Stichstraße "Straße C" angrenzt, die mit der parallel zu dem Gemeindeweg verlaufenden, 113,50 m langen "Straße B" verbunden ist. Für das Gebiet wurde in der Folge ein Umlegungsverfahren durchgeführt, das Ende 1997 abgeschlossen wurde. Im Zuge dieses Umlegungsverfahrens wurde der Gemeindeweg aufgelöst und dessen Flächen den angrenzenden Grundstücksflächen zugeschlagen, unter anderem auch dem Grundstück der Klägerin, so dass dieses nunmehr direkt an die "Straße C" angrenzt. Nach der Umlegung erhielt das Grundstück der Klägerin die heutige Flurstück-Nummer 360 und statt der Bezeichnung "..." die Bezeichnung "...".

Die Beklagte begann im Frühjahr 1998 mit dem Ausbau des "...", der sich aus den beiden in der Planzeichnung des Bebauungsplans als "Straße B" und "Straße C" bezeichneten Straßen, das heißt den heutigen Flurstücken ... und ... zusammensetzt. Hierbei wurde der Ausbau, der den Bau einer Kanalisation, der Wasserversorgungsanlagen sowie der Straße einschließlich der Beleuchtung beinhaltete, in zwei räumliche Abschnitte unterteilt. Von dem ersten Abschnitt umfasst ist der südwestliche Bereich zwischen der Straße "..." bis zum Beginn des Grundstücks Flurstück ... einschließlich des Stichwegs Flurstück ...; von dem zweiten Abschnitt der nordöstliche Bereich ab dem Grundstücks Flurstück ... bis zu dem im Nordosten verlaufenden "...".

Mit Schreiben vom 4. November 1998 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und teilte dieser mit, dass die Arbeiten an der Teilerschließung des "..." weit überwiegend abgeschlossen seien. Da sie in die Erschließungsarbeiten schon erhebliche Mittel investiert habe, müssten die Erschließungsbeiträge nunmehr erhoben werden. Nach ihrer Erschließungsbeitragssatzung (EBS 1987) seien hierfür zwei Möglichkeiten vorgesehen. Entweder bezahle sie den Erschließungsbeitrag in Höhe von 38.909.84 DM, der in dem dem Schreiben beiliegenden Vorausleistungsbescheid ausgewiesen sei. Der endgültige Erschließungsbeitrag - unter Zugrundelegung der tatsächlich entstandenen Kosten - ergehe dann nach Fertigstellung und Abnahme der gesamten Erschließungsmaßnahme. Oder sie löse den voraussichtlich entstehenden Erschließungsbeitrag in Höhe von 38.909 DM durch Abschluss des dem Schreiben ebenfalls beigefügten Ablösevertrags vom 4. November 1998 ab. Mit der unterschriftlichen Anerkennung dieser Vereinbarung sei der Erschließungsbeitrag voll abgegolten, egal was bei der endgültigen Abrechnung herauskomme. Sie habe sich also gegen eventuelle Kostenüberschreitungen abgesichert. Für welche Zahlungsweise sie sich entscheide, liege in ihrem Ermessen. Die Klägerin entschied sich schließlich für den Abschluss des Ablösevertrags, der der Beklagten am 7. Januar 1999 unterschrieben zuging. Zudem bezahlte sie an diese in der Folge den vereinbarten Ablösebetrag in Höhe von 38.909 DM.

Im Jahr 1999 wurde der Ausbau des ersten Abschnitts des "...", im Jahr 2015 der des zweiten Abschnitts abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2016 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Korrektur der ihr Grundstück betreffenden Erschließungsbeiträge, da dieses, anders als von der Beklagten angenommen, lediglich eine Größe von 615 m² und nicht von 1.158 m² habe. Hierauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 1. August 2016 unter anderem mit, dass deren Grundstück zwar in der Vergangenheit eine Größe von 615 m² gehabt habe. Im Rahmen der Baulandumlegung seien dem Grundstück jedoch weitere Flächen zugeteilt worden, mit der Folge, dass es bereits im Zeitpunkt des Abschlusses der Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 eine Größe von 1.158 m² aufgewiesen habe. Weiterhin wandte sich das Landratsamt ...mit Schreiben vom 2. Februar 2018 an die Klägerin und erklärte, dass man aufgrund ihrer Vorsprache im Jahr 2016 die umfangreichen Unterlagen gemeinsam mit der Beklagten gesichtet und überprüft habe. Hierbei sei man zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 von Anfang an unwirksam sei, da der Beitrag nicht in Übereinstimmung mit den seinerzeitigen Ablösebestimmungen berechnet worden sei. Aufgrund der jetzt erfolgten Fertigstellung des "..." werde die Beklagte die Erschließungsbeitragsabrechnung durchführen und den Erschließungsbeitrag auch für das Grundstück der Klägerin neu berechnen. Hierbei werde der bereits abgelöste Erschließungsbeitrag von 38.909 DM (= 19.893,86 €) auf den neuen Beitrag angerechnet, wobei nach jetzigem Stand nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich der Erschließungsbeitrag erhöhen werde.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 18. Juli 2018 mit, dass sich die Kosten für die Erschließung gegenüber der zugrundeliegenden Berechnung aus dem Jahr 1998 erhöht hätten und für ihr Grundstück nun eine Nachzahlung in Höhe von 3.095,26 Euro zu erheben sei. Mit Bescheid vom selben Tag setzte sie daher gegenüber der Klägerin eine Nachzahlung für die Neufestsetzung der Erschließungsbeiträge in Höhe von 3.095,26 Euro fest. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass sich die umlagefähigen Erschließungskosten auf insgesamt 116.851,43 Euro beliefen und auf die erschlossenen Grundstücke des Abrechnungsgebiets in dem Verhältnis verteilt würden, in dem die Nutzungsflächen der einzelnen Grundstücke zueinander stünden. Die Nutzungsflächen der Grundstücke ergäben sich durch Vervielfachung der Grundstücksfläche mit einem Nutzungsfaktor entsprechend ihrer Ausnutzbarkeit (§§ 7 ff. EBS). Eckgrundstücke, die durch mehrere Anbaustraßen erschlossen würden, erhielten gemäß § 14 Abs. 2 EBS eine entsprechende Ermäßigung. Der Beitragssatz errechne sich durch Teilung der umlagefähigen Erschließungskosten in Höhe von 116.851,43 Euro durch die Summe der Nutzungsflächen der Grundstücke im Abrechnungsgebiet von 5.886 m² und betrage daher 19,85243459055386 Euro/m². Für das Grundstück der Klägerin ergebe sich damit angesichts einer erschlossenen und beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 1.158 m², einer maßgebenden Zahl der Vollgeschosse von "I" und einem Nutzungsfaktor von "1", eine Nutzungsfläche von 1.158 m² und somit ein neuberechneter Erschließungsbeitrag in Höhe von 22.989,12 Euro. Auf diesen sei die bereits entrichtete Ablösesumme von 19,893,86 Euro anzurechnen, sodass ein Betrag von 3.095,26 Euro nachzuzahlen sei.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2018 am 2. August 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass in § 5 der von ihr mit der Beklagten geschlossenen Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 geregelt sei, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung der Erschließungsbeitrag für ihr Grundstück abgelöst und das Entstehen einer Beitragspflicht ausgeschlossen sei. Die Ablösevereinbarung sei auch wirksam. Sie sei auf Grundlage des damals maßgeblichen § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB in Verbindung mit § 16 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 1. Dezember 1987 (EBS 1987) geschlossen worden. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB sei die Beklagte berechtigt, Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen vor Entstehung der Beitragspflicht zu treffen. Von dieser Ermächtigung habe die Beklagte in § 16 EBS 1987 Gebrauch gemacht, wo bestimmt worden sei, dass sich der Betrag der Ablösung nach der Höhe des voraussichtlich entstehenden Beitrags bemesse. Diese Voraussetzungen seien bei Abschluss der Ablösevereinbarung gegeben gewesen. Der Ermittlung des Ablösebetrags von 33,6009 DM pro Quadratmeter maßgeblicher Fläche hätten die damals ermittelten Baukosten für die Erschließungsanlage zugrunde gelegen. Es sei ein Abschlag von 25 % für die Straßenentwässerung und ein Abzug des damals festgesetzten Gemeindeanteils von 10 % vorgenommen worden. Die beitragsfähige Erschließungsfläche sei mit 5.886 m² angegeben. Unter Berücksichtigung der anlagefähigen Kosten habe sich der angesetzte Betrag von 33,6009 DM je Quadratmeter maßgebliche Grundstücksfläche ergeben. Dieser Betrag sei der Ablösevereinbarung zugrunde gelegt worden. Als maßgebliche Grundstücksfläche seien 1.158 m² angenommen worden. Der Ablösebetrag sei mithin exakt nach den Vorgaben der Erschließungsbeitragssatzung ermittelt worden.Dass diese Berechnungsmethode zutreffend sei, ergebe sich auch aus dem jetzt erlassenen Beitragsbescheid. Dieser unterscheide sich gegenüber der Beitragsberechnung, die der Ablösevereinbarung zugrunde liege, nur dadurch, dass höhere Erschließungskosten zugrunde gelegt und lediglich ein Gemeindeanteil von 5 % abgesetzt worden sei. Letzteres entspreche der neueren Rechtslage. Alle anderen maßgebenden Bemessungsgrundlagen seien einschließlich des Abzugs von 25 % für die Straßenentwässerung identisch.Die Angaben im Erschließungsbeitragsbescheid, die Ablösevereinbarung sei unwirksam, weil sie nicht mit den seinerzeit geltenden Ablösebestimmungen berechnet worden sei, seien unzutreffend. Der jetzt höhere Beitrag ergebe sich allein dadurch, dass die damals angenommenen Baukosten für die Errichtung der Erschließungsanlage nicht eingehalten worden seien und zwischenzeitlich der von der Beklagten zu tragende Anteil auf mindestens 5 % reduziert worden sei. Dies führe jedoch weder zur Unwirksamkeit der Ablösevereinbarung, noch werde die Beklagte aus sonstigen Gründen zu einer Nachberechnung berechtigt. Die Ablösevereinbarung habe die Wirkung, dass ein Beitrag überhaupt nicht mehr zur Entstehung gelange und es deshalb grundsätzlich keine Nachberechnung des abgelösten Beitrags geben könne, auch wenn sich die Kostenentwicklung in unvorhergesehener Weise ändere. Darin realisiere sich das ablösungstypische Risiko das für beide Seiten mit Abschluss des Vertrags abgegolten werde.

Das Landratsamt ... wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 2020 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der angegriffene Bescheid seine Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 2 KAG in Verbindung mit der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Beklagten habe. Danach hätten die Gemeinden zur Deckung ihrer anderweitig nicht gedeckten Kosten für die erstmalige endgültige Herstellung von Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag zu erheben. Der Ausbau des "..." sei im Jahr 2015 abgeschlossen worden. Die Voraussetzungen für die endgültige Herstellung zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht habe der Gemeinderat der Beklagten mit Beschluss vom 20. März 2018 geschaffen, gegen den keine Bedenken bestünden.Mit Blick auf die Ablösungsvereinbarung vom 4. November 1998 werde zwar die Auffassung geteilt, dass die Beklagte mit § 16 EBS 1987 eine rechtswirksame Regelung im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB getroffen gehabt habe. Dies allein genüge jedoch nicht für eine wirksame Ablösevereinbarung. Vielmehr sei zudem erforderlich, dass der Ablösebetrag in Übereinstimmung mit den erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen berechnet worden sei. Die Beklagte habe mit ihrer Regelung in § 16 Satz 1 EBS 1987 ausdrücklich festgelegt, dass sich "der Betrag einer Ablösung nach § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB (...) nach der Höhe des voraussichtlich entstehenden Beitrags" bestimme. Die Regelung besage somit, dass der Ablösebetrag wie der Erschließungsbeitrag berechnet werden müsse und habe bereits damals der Mustersatzung des Gemeindetags Baden-Württemberg entsprochen. Sie sei nach der Rechtsprechung für eine rechtssichere Ablösebestimmung auch ausreichend. Der erschließungsbeitragsfähige Aufwand begrenze sich nach den erschließungsbeitragsrechtlichen Regelungen auf die tatsächlichen Kosten (vgl. § 3 Abs. 1 EBS a. F.). Kalkulatorische oder fiktive Kosten seien nicht beitragsfähig. Entsprechendes gelte für den Ablösebetrag. Dieser müsse auf der Grundlage der voraussichtlich entstehenden, geschätzten tatsächlichen Kosten ermittelt und verteilt werden. Pauschale, nicht näher begründete Kostenzuschläge wie zum Beispiel Positionen "Unvorhersehbares" seien nicht beitragsfähig. Der Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 habe eine Berechnung zugrunde gelegen, die solche Positionen einbezogen habe. Der Kostenvoranschlag habe Gesamtbaukosten von 194.400 DM für Straßenbau und Beleuchtung ermittelt. Unter Ziffer 59 seien "für Unvorhergesehenes ca. 6 %" (8.500,50 DM) und unter Ziffer 66 "für Unvorhergesehenes und Anschlussarbeiten ca. 3 %" (285 DM) eingestellt worden. Die 6 % beziehungsweise 3 % seien gewissermaßen als Kostensicherheitszuschlag einberechnet worden, was nicht zulässig sei, da sie eben keine echten tatsächlichen Kosten darstellten. Die Berechnungsgrundlage, auf die sich die jeweiligen Prozentsätze bezögen, könnten zudem aus dem Kostenvoranschlag nicht nachvollzogen werden. Die Ablösungsvereinbarung vom 4. November 1998 sei aus den vorgenannten Gründen wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot von Anfang an unwirksam. Der mit einer rechtsgrundlosen Zahlung aus einem unwirksamen Ablösungsvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 b KAG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO entstandene Erstattungsanspruch bleibe davon unberührt. Der Umstand, dass die Gemeinde selbst als Beitragsberechtigte wegen Nichtbeachtung ihrer Ablösebestimmungen die Nichtigkeit der Ablösevereinbarungen zu vertreten habe, stehe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg der Festsetzung eines (höheren) Erschließungsbeitrags als des vereinbarten Ablösebetrags nicht entgegen.

Die Klägerin hat am 5. Februar 2020 Klage bei dem Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass ihre erneute Heranziehung zur Zahlung eines Erschließungsbeitrages für ihr Grundstück gegen die Bestimmungen der Ablösevereinbarung verstoße und deshalb rechtswidrig sei. Die Auffassung der Beklagten, die Ablösevereinbarung sei nichtig und stehe deshalb dem Erlass des Erschließungsbeitragsbescheides nicht entgegen, sei unzutreffend. Die Ablösevereinbarung sei mit § 16 EBS 1987 auf Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung der Beklagten erfolgt. Danach bestimme sich die Ablösung nach der Höhe des voraussichtlich entstehenden Beitrags. Maßgeblich sei mithin die Grundstücksfläche, der Nutzungsfaktor, sowie der voraussichtlich entstehende Erschließungsaufwand der Gemeinde. Wie dieser Begriff zeige, handele es sich hierbei um geschätzte Kosten der Erschließungsanlage. Diese Kosten seien von der Beklagten anhand eines Kostenvoranschlags ermittelt und der Bemessung des Ablösebetrages zugrunde gelegt worden. Die von der Widerspruchsbehörde vertretene Auffassung sei hingegen unzutreffend, wonach der Ablösebetrag wie der Erschließungsbeitrag berechnet werden müsse und deshalb Pauschalen für Unvorhergesehenes in eine solche Kostenermittlung nicht einbezogen werden dürften, weil dies auch bei der Ermittlung der durch Bescheid festzusetzenden Erschließungsbeiträge unzulässig sei. Sie verkenne, dass zum Zeitpunkt der Ermittlung des Erschließungsbeitrags die Erschließungsmaßnahme abgeschlossen sei und deren Kosten feststehe. In der Tat hätten hier Schätzpositionen keinen Platz mehr. Demgegenüber beruhe die Ermittlung des Ablösebetrages nach der Satzung der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt auf den voraussichtlich entstehenden Kosten, also auf einer Kostenschätzung. Nach den Bestimmungen der Satzung folge sie damit nicht den gleichen Regeln wie die Ermittlung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands. Jeder Kostenschätzung sei immanent, dass sie auf zu erwartenden Preisen und Annahmen beruhe und auch die Kosten für Unvorhergesehenes mitberücksichtige, weil diese Kosten schon begrifflich nicht alle in einzelnen Positionen erfasst werden könnten. Dies sei bei der Ermittlung des zu veranlagenden Erschließungsbeitrages anders, da hier auch der Umfang zunächst unvorhergesehener Maßnahmen zum Abrechnungszeitpunkt feststünde. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass es sich bei der Ablösevereinbarung um einen Vertrag zwischen den Beteiligten handele, die in ihrer Entscheidung völlig frei seien, ob sie einen solchen Vertrag abschließen wollten. Beiden Parteien sei dabei bewusst, dass die Kostenermittlung auf bloßen Schätzungen beruhe und die endgültig entstehenden Kosten höher oder niedriger ausfallen könnten. Dies werde von den Beteiligten einer Ablösevereinbarung bewusst in Kauf genommen. Wäre die Auffassung der Widerspruchsbehörde zutreffend, liefe dies letztlich darauf hinaus, dass wirksame Ablösevereinbarungen gar nicht abgeschlossen werden könnten. Denn in derartigen Fällen bestehe immer die Situation, dass, um Kostensicherheit zu erlangen, Kostenpuffer eingebaut werden müssten. Ob dies dadurch erfolge, dass Positionen für Unvorhergesehenes eingesetzt oder aber die Ansätze von Teilarbeiten entsprechend erhöht würden, sei für das Ergebnis unerheblich. Wäre die Rechtsauffassung der Widerspruchsbehörde zutreffend, hinge die Wirksamkeit einer Ablösevereinbarung davon ab, welche Darstellung die Ermittlung der zugrundeliegenden Erschließungskosten gefunden habe. Dies könne indes nicht richtig sein.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 7. Januar 2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die geschlossene Ablösungsvereinbarung unwirksam sei und damit der Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag nicht entgegenstehe. Zwar sehe § 16 Satz 1 EBS 1987 Regelungen zur Ablösung eines Erschließungsbeitrages vor. Die Ablösungsvereinbarung entspreche diesen Regelungen jedoch nicht.Gemäß § 16 Satz 1 EBS 1987 bestimme sich die Höhe des Ablösungsbetrags nach der Höhe des voraussichtlich entstehenden Beitrags.Aus der Notwendigkeit, vor dem Abschluss von Ablösungsvereinbarungen (ausreichende) Ablösebestimmungen zu erlassen, folge, dass die Ablösungsvereinbarungen nur in Übereinstimmung mit den Ablösungsbestimmungen geschlossen werden dürften und dass eine Ablösungsvereinbarung, deren Ablösungsbetrag in Abweichung von den anzuwendenden Bestimmungen ermittelt worden sei, nichtig sei.Messe man die Ablösungsvereinbarung an den Ablösungsbestimmungen, so müsse festgehalten werden, dass die Ablösungsvereinbarung den mutmaßlichen Erschließungsaufwand nicht entsprechend der einschlägigen Erschließungsbeitragssatzung berechnet habe. Demnach berechne sich der beitragsfähige Erschließungsaufwand nach den tatsächlichen Kosten (§ 3 Abs. 1 EBS 1987). Fiktive Kosten dürften nicht berücksichtigt werden. Eine solche Schätzung der tatsächlichen Kosten habe aber gerade nicht stattgefunden. Grundlage der Vereinbarung sei vielmehr der Kostenvoranschlag des beauftragten Ingenieurbüros vom 19. Dezember 1997 Dieser enthalte unter Ziffer 9. (gemeint ist wohl Nr. 59) insbesondere auch den Posten "Unvorhergesehenes ca. 6 %", welcher für beide Bauabschnitte mit 8.500,50 DM angegeben werde sowie eine Ziffer 66., die ebenfalls eine 3 %-Pauschale für Unvorhergesehenes vorsehe.Dieser Sicherheitszuschlag für Unvorhersehbares stelle aber eben gerade keine tatsächlichen Kosten dar und dürfe nicht Gegenstand der Beitragsermittlung sein.Sie dürfe sich auch auf die Nichtigkeit der Ablösungsvereinbarung berufen. Hieran ändere die Tatsache nichts, dass final ein höherer Erschließungsbeitrag festgesetzt worden sei. Die Verbindlichkeit einer nichtigen Vereinbarung könne grundsätzlich nicht unter Berufung auf den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben aufrechterhalten werden.Denn im Erschließungsbeitragsrecht komme allgemein dem öffentlichen Interesse an einer rechtmäßigen Beitragserhebung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften mehr Gewicht zu, als den Interessen eines Anliegers, der sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufe.Die nichtige Vereinbarung hindere daher nicht die Entstehung des Erschließungsbeitrags. Der angegriffene Bescheid sei daher rechtmäßig.Andere Gründe, die für die Rechtswidrigkeit des Bescheides sprechen, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Kammer liegen die den Vorgang betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Widerspruchsakte des Landratsamts ... vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird hierauf sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

I.

Die zulässig Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 7. Januar 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Erhebung des Erschließungsbeitrags ist § 20 Abs. 2 KAG in Verbindung mit der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten in der Fassung vom 3. November 2009. Gemäß § 20 Abs. 2 KAG erheben die Gemeinden zur Deckung ihrer anderweitig nicht gedeckten Kosten für die erstmalige endgültige Herstellung der in § 33 Satz 1 Nr. 1 und 2 KAG genannten Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag. Erschließungsanlagen im Sinne des § 33 Satz 1 Nr. 1 KAG sind öffentliche zum Anbau bestimmte Straßen und Plätze (Anbaustraßen).

1. Der angegriffene Bescheid ist zwar formell rechtmäßig. Insbesondere war die Beklagte für den Erlass des Bescheids gemäß § 20 Abs. 2 KAG zuständig. Ob der Klägerin mit dem Schreiben des Landratsamts ... vom 2. Februar 2018 die nach § 28 Abs. 1 LVwVfG erforderliche Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, kann demgegenüber dahinstehen. Denn eine fehlende Anhörung wurde jedenfalls im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geheilt (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG).

2. Der angegriffene Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig. Ein Anspruch der Beklagten auf den festgesetzten Erschließungsbeitrag besteht schon dem Grunde nach nicht. Denn der Heranziehung der Klägerin zu einem Erschließungsbeitrag für das Grundstück Flurstück 360 ("Höhenweg 6") steht die zwischen ihr und der Beklagten geschlossene Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 entgegen.

a) Die Überprüfung der Rechtswirksamkeit der zwischen den Beteiligten geschlossenen Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 ist anhand von § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB vorzunehmen und nicht dagegen nach Maßgabe des § 26 Abs. 1 und 2 KAG, da sie noch vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geschlossen wurde. Nach § 49 Abs. 1 Satz 2 KAG gilt jedoch § 26 Abs. 3 KAG, wonach die beitragsbefreiende Wirkung der Ablösung mit dem Abschluss des Ablösungsvertrags eintritt, sofern nichts anderes vereinbart wurde, auch für Ablösungsvereinbarungen, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes abgeschlossen worden sind.

b) Gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB entsteht die Beitragspflicht des Eigentümers eines Grundstücks für den darauf entfallenden Anteil am beitragsfähigen Erschließungsaufwand mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Ist die Erschließung demnach grundsätzlich von der Gemeinde vorzufinanzieren, so kann diese gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB schon vor Entstehung der Beitragspflicht Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag erheben. Alternativ hierzu eröffnet § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB den Gemeinden als Ausnahme von dem gesetzlichen Verbot vertraglicher Vereinbarungen über Erschließungskosten die Möglichkeit, mit dem Eigentümer eines Grundstücks vor Entstehung der Beitragspflicht einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Ablösung des gesamten Erschließungsbeitrags zu schließen. Ein solcher Ablösungsvertrag bewirkt, dass ein anderenfalls mit Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht begründetes abstraktes Schuldverhältnis zwischen der Gemeinde und dem Grundeigentümer gar nicht erst entsteht, indem schon in einem Zeitpunkt, in dem die Anlage noch nicht endgültig hergestellt und folglich die Höhe des dafür anfallenden Aufwands nicht bekannt ist, eine abschließende vertragliche Regelung über die Belastung eines Grundstücks mit Erschließungskosten getroffen wird (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2015 - 9 C 1.14 - juris, Rn. 10; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2007 - 2 S 2218/06 - juris, Rn. 6).

Der zwischen den Beteiligten geschlossene Ablösungsvertrag ist wirksam. Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen eines solchen Vertrags ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB, dass - wie hier - eine Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen und vor Entstehen der Beitragspflicht für ein später der Beitragspflicht unterliegendes Grundstück erfolgt (dazu unter aa)). Darüber hinaus liegen der Vereinbarung Ablösungsbestimmungen der Gemeinde zugrunde, die festlegen, wie der mutmaßliche Erschließungsaufwand ermittelt und verteilt werden soll (dazu unter bb)). Die Notwendigkeit, vor dem Abschluss von Ablösungsverträgen (ausreichende) Ablösungsbestimmungen zu erlassen, bedeutet zugleich, dass die Ablösungsverträge nur in Übereinstimmung mit den Ablösungsbestimmungen geschlossen werden dürfen und dass ein Ablösungsvertrag, dessen Ablösebetrag in Abweichung von den anzuwendenden Bestimmungen ermittelt worden ist, nichtig ist. Auch diese Vorgaben sind gewahrt (dazu unter cc)). Dieses Erfordernis ergibt sich aus dem mit der Regelung des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB verfolgten Ziel, im Interesse der dem Erschließungsbeitragsrecht immanenten Grundsätze der Abgabengerechtigkeit und Abgabengleichheit eine möglichst gleichmäßige Handhabung aller Ablösungsfälle sicherzustellen. Macht aber das Gesetz die Befugnis zum Abschluss von Ablösungsverträgen mit Rücksicht auf die vorbezeichneten Grundsätze von der Erfüllung dieser einzig auf die Ermittlung der Höhe der Ablösebeträge ausgerichteten Voraussetzungen abhängig, verlangt es zugleich die Offenlegung der Ablösebeträge (dazu unter dd)).Denn ohne eine solche Offenlegung können die genannten Ermächtigungsschranken praktisch nicht greifen, weil sich ohne eine Offenlegung nicht überprüfen lässt, ob der Betrag etwa willkürlich oder aber in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Ablösungsbestimmungen ermittelt worden ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1982 - 8 C 24.81 - juris, Rn. 15 ff., vom 1. Dezember 1989 - 8 C 44.88 - juris, Rn. 19, und vom 21. Januar 2015 - 9 C 1.14 - juris, Rn. 11; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 26. Juni 2003 - 2 S 2567/01 - juris, Rn. 25, und vom 14. April 2011 - 2 S 2898/10 - juris, Rn. 33, sowie Beschluss vom 26. April 2007 - 2 S 2218/06 - juris, Rn. 7). Soweit sich schließlich die Unwirksamkeit einer Ablösevereinbarung beziehungsweise ein auf deren Anpassung gerichteter Anspruch auch daraus ergeben kann, dass zwischen dem vereinbarten Ablösebetrag und dem das Grundstück betreffenden Erschließungsbeitrag ein grobes Missverhältnis besteht, liegt ein solches hier nicht vor (dazu unter ee)).

aa) Mit der betreffenden Ablösevereinbarung erfolgte unzweifelhaft eine Ablösung des Erschließungsbeitrags im Ganzen und vor Entstehen der Beitragspflicht für das später der Beitragspflicht unterliegende Grundstück der Klägerin.

bb) Weiterhin lagen der Ablösevereinbarung auch ausreichende Ablösungsbestimmungen zugrunde.

Zum unverzichtbaren Mindestinhalt von Ablösungsbestimmungen gehört eine Aussage darüber, wie der zu vereinbarende Ablösebetrag im Einzelfall errechnet werden soll. Dazu genügt es, wenn die Bestimmungen die Kriterien für die Faktoren festlegen, die die Höhe des Ablösebetrags entscheidend beeinflussen, das heißt bestimmen, wie der mutmaßliche Erschließungsaufwand - entweder nach Einheitssätzen oder auf der Grundlage der voraussichtlich entstehenden, geschätzten tatsächlichen Kosten - ermittelt und verteilt werden soll. Die Gemeinde kann in diesem Zusammenhang die Regelungen über die Art der Ermittlung und Verteilung des beitragsfähigen Aufwands aus ihrer Beitragssatzung in die Ablösungsbestimmungen übernehmen. Sie kann dies auch in der Weise tun, dass in den Ablösungsbestimmungen auf Satzungsvorschriften Bezug genommen wird. Eine solche Bezugnahme braucht nicht unbedingt ausdrücklich zu erfolgen. Es genügt, wenn sich der Wille der Gemeinde, auf den Inhalt der Satzungsvorschrift Bezug zu nehmen, hinreichend deutlich aus den Ablösungsbestimmungen ergibt. Das ist etwa noch der Fall, wenn die Ablösungsbestimmungen - wie hier die einschlägige Regelung in § 16 Satz 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 1. Dezember 1987 (im Folgenden: EBS 1987) - lediglich festlegen, der Betrag einer Ablösung nach § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB solle sich nach der Höhe des voraussichtlich entstehenden Beitrags richten (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1982 - 8 C 24.81 - juris, Rn. 23; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2007 - 2 S 2218/06 - juris, Rn. 8).

cc) Die in Rede stehende Ablösevereinbarung wurde auch in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Ablösungsbestimmungen geschlossen. Insbesondere wurde der in § 4 der Vereinbarung geregelte Ablösebetrag - entgegen der Auffassung der Beklagten - entsprechend den Vorgaben des § 16 Satz 1 EBS 1987 ermittelt.

Nach § 16 Satz 1 EBS 1987 bestimmt sich der Ablösebetrag im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB nach der Höhe des voraussichtlich entstehenden Beitrags. Mit dieser auf den voraussichtlich entstehenden Beitrag bezugnehmenden Formulierung kommt zum Ausdruck, dass zur Bestimmung des Ablösebetrags zunächst der mutmaßliche beitragsfähige Erschließungsaufwand in der Art ermittelt wird, die für die Beitragserhebung vorgesehen ist und auf der Grundlage des so ermittelten mutmaßlichen Erschließungsaufwands unter Anwendung des für eine Beitragserhebung maßgeblichen, in der Satzung vorgesehenen Verteilungsmaßstabs der Ablösungsbetrag errechnet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1982 - 8 C 24.81 - juris, Rn. 23).

(1) Anders als die Beklagte meint, wurde der mutmaßliche beitragsfähige Erschließungsaufwand in der Art ermittelt wird, die für die Beitragserhebung vorgesehen ist.

(a) Maßgeblich ist insoweit § 3 Abs. 1 EBS 1987, wonach der beitragsfähige Erschließungsaufwand nach den tatsächlichen Kosten ermittelt wird. Für den mutmaßlichen beitragsfähigen Erschließungsaufwand bedeutet dies, dass dieser auf der Grundlage der voraussichtlich entstehenden, geschätzten tatsächlichen Erschließungskosten zu ermitteln ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1982 - 8 C 24.81 - juris, Rn. 19; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2007 - 2 S 2218/06 - juris, Rn. 8). In Anlehnung an die Maßgaben zur Berechnung von Vorausleistungen nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist somit auch bei der Ermittlung des Ablösebetrags nach § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB davon auszugehen, dass die Gemeinde den mutmaßlichen beitragsfähigen Erschließungsaufwand im Wege der Kostenschätzung ermitteln darf und ihr damit auch eine diesbezügliche Schätzungsbefugnis zusteht. Dies ist notwendigerweise mit einem gewissen Spielraum sowie mit einer das Ergebnis der Schätzung betreffenden Toleranz verbunden (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 10. September 2009 - 6 CS 09.1435 - juris, Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. März 2010 - OVG 9 S 3.09 - juris, Rn. 9; OVG Saarland, Urteil vom 27. September 2005 - 1 R 9/05 - juris, Rn. 50 ff.). Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der Kostenschätzung ist hierbei nicht eine "centgenaue" Deckungsgleichheit mit dem erst nach Abschluss der Bauarbeiten und Eingang der letzten Unternehmerrechnung feststellbaren Aufwand. Vielmehr bedarf es einer gewissenhaften Kostenschätzung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. März 2009 - 6 A 10750/08 - juris, Rn. 30) unter Anwendung einer sachgerechten Schätzungsgrundlage (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. September 1993 - 2 S 462/92 - juris, Rn. 24; Bayerischer VGH, Beschluss vom 10. September 2009 - 6 CS 09.1435 - juris, Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. März 2010 - OVG 9 S 3.09 - juris, Rn. 9; OVG Saarland, Urteil vom 27. September 2005 - 1 R 9/05 - juris, Rn. 50 ff.; VG München, Beschluss vom 10. Februar 2015 - M 2 S 14.5356 - juris, Rn. 36).

(b) Hieran gemessen ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - davon auszugehen, dass die der betreffenden Ablösevereinbarung zugrundeliegende Schätzung der voraussichtlich entstehenden, tatsächlichen Erschließungskosten rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Die Beklagte hat zu diesem Zweck die den Straßenbau sowie den Bau der Kanalisation betreffenden Kostenvoranschläge des beauftragten Ingenieurbüros herangezogen, was grundsätzlich als sachgerechte Schätzungsgrundlage zu bewerten ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. September 1993 - 2 S 462/92 - juris, Rn. 24; VG Köln, Urteil vom 26. April 2016 - 17 K 5739/14 - juris, Rn. 51; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 5. Dezember 2012 - 9 A 94/10 - juris, Rn. 30). Zwar enthalten diese Kostenvoranschläge unter den Nrn. 59 und 66 (Straßenbau) beziehungsweise Nr. 40 (Kanalisation) jeweils den Posten "Unvorhergesehenes" und einen diesbezüglichen Prozentsatz in Höhe von circa 3 % beziehungsweise circa 6 %. Dies hat indes nicht zur Folge, dass damit die betreffenden Kostenvoranschläge nicht als sachgerechte Schätzungsgrundlage zur gewissenhaften Schätzung der voraussichtlich entstehenden, tatsächlichen Kosten der in Rede stehenden Erschließungsanlage zu bewerten wären.

Zunächst erscheint es durchaus sachgerecht, dass das beauftrage Ingenieurbüro in seinem Kostenvoranschlag mit den Posten "Unvorhergesehenes" für sich eine gewisse finanzielle Reserve einkalkuliert hat. Denn vor dem Hintergrund, dass es bei Bauprojekten regelmäßig zu nicht ohne Weiteres vorhersehbaren Umständen und damit einhergehenden Kostensteigerungen kommt, wird damit dem nachvollziehbaren Bedürfnis Rechnung getragen, über einen gewissen finanziellen Puffer zu verfügen, um auf solch außerplanmäßige Situationen angemessen reagieren zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich dieser Puffer - wie vorliegend - in einem angemessenen Rahmen hält. Denn dieser beträgt 11.478,49 DM (5.868,86 Euro) und damit bezogen auf die der Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 zugrundeliegenden voraussichtlich entstehenden, geschätzten tatsächlichen Kosten von 219.750 DM (112.356,39 Euro) lediglich rund 5,22 %.

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei einer solchen finanziellen Reserve auch nicht um rein fiktive Kosten. Vielmehr liegt deren Einkalkulierung die empirisch gestützte Überlegung zugrunde, dass es bei Bauprojekten regelmäßig zu unvorhersehbaren Umständen und damit einhergehenden Kostensteigerungen kommt. "Unvorhersehbar" sind somit lediglich die Umstände, auf denen solche Kostensteigerungen beruhen, nicht aber die Kostensteigerungen selbst, sodass es sich bei diesen durchaus um voraussichtlich entstehende, tatsächliche Erschließungskosten handelt. Vor diesem Hintergrund ist gegen die Berücksichtigung solcher Kostensteigerungen bei der Schätzung der voraussichtlich entstehenden, tatsächlichen Erschließungskosten zur Ermittlung des Ablösebetrags jedenfalls dann nichts zu erinnern, wenn hierfür - wie vorliegend - ein angemessener Betrag in Ansatz gebracht wird. Dabei braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden, wo der Schätzungsspielraum der Gemeinde in solchen Fällen endet und nicht mehr von einem angemessenen, von der Schätzungsbefugnis noch gedeckten Betrag gesprochen werden kann. Denn jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem der in Ansatz gebrachte Betrag von 11.478,49 DM (5.868,86 Euro) bezogen auf die der Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 zugrundeliegenden voraussichtlich entstehenden, geschätzten tatsächlichen Kosten von 219.750 DM (112.356,39 Euro) lediglich rund 5,22 % beträgt, ist von einem noch angemessenen, von der Schätzungsbefugnis gedeckten Betrag auszugehen. Dies gilt umso mehr, als die tatsächlich entstandenen Kosten, die dem mit dem angegriffenen Bescheid festgesetzten Erschließungsbeitrag zugrunde liegen, 123.001,51 Euro betragen und damit die von der Beklagten geschätzten Kosten - trotz der Einbeziehung des Kostenpuffers - sogar übersteigen.

Gegen die Angemessenheit und damit für ein Überschreiten des der Beklagten eingeräumten Schätzungsspielraums spricht auch nicht entscheidend, dass von einer "geringfügigen Kostenüberdeckung" im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 20 Abs. 1 Satz 3 KAG nur dann auszugehen sein dürfte, wenn das prognostizierte Abgabenaufkommen die prognostizierten ansatzfähigen Kosten um nicht mehr als 5 vom Hundert übersteigt (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 17. März 2020 - 2 K 2005/18 - juris, Rn. 63, unter Verweis auf LT-Drucks. 13/3966, S. 41). Denn ungeachtet dessen, dass eine mögliche Fünfprozentgrenze nur unwesentlich überschritten wäre, geht es vorliegend nicht um die "Geringfügigkeit" einer (nachträglich eingetretenen) Kostenüberdeckung, zumal es hier - wie soeben ausgeführt - gerade nicht zu einer Kostenüberdeckung gekommen ist. Vielmehr stellt sich die Frage, inwieweit im Rahmen der Schätzung der voraussichtlich entstehenden, tatsächlichen Erschließungskosten zur Ermittlung des Ablösebeitrags etwaigen Kostensteigerungen Rechnung getragen werden kann, was sich nach Auffassung der Kammer aber nicht nach Maßgabe starrer Prozentsätze, sondern allein anhand der Umstände des Einzelfalls beantworten lässt.

Der Berücksichtigung einer angemessenen Kostenreserve kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Gemeinde bei der Schätzung der voraussichtlich entstehenden, tatsächlichen Erschließungskosten zur Ermittlung des Ablösebetrags nur solche Kosten berücksichtigen darf, die auch bei der endgültigen Heranziehung beitragsfähig sind. Denn dies ist zwar durchaus zutreffend (so für die Vorausleistung nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB: Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, Seite 526; VG Köln, Urteil vom 20. November 2012 - 17 K 6367/11 - juris, Rn. 41). Indes ist damit keineswegs gesagt, dass deshalb eine angemessene Kostenreserve zur Abdeckung zu erwartender Kostensteigerungen im Rahmen der Kostenschätzung zur Bestimmung des Ablösebetrags stets außen vor zu bleiben hätte. Denn eine solche Sichtweise ließe die strukturellen Unterschiede unberücksichtigt, die naturgemäß zwischen der Kostenschätzung zur Bestimmung des Ablösebetrags und der Kostenermittlung zur Bestimmung des endgültigen Erschließungsbeitrags bestehen. Denn während erstere stets aus der Ex-ante-Perspektive stattfindet und sich auf zu diesem Zeitpunkt noch ungewisse Kosten bezieht, geschieht letztere stets aus der Ex-post-Perspektive und hat bereits definitiv feststehende Kosten zu Gegenstand, sodass hier keine Notwendigkeit mehr besteht, dem Problem etwaiger Kostensteigerungen Rechnung zu tragen. Dass bei der Kostenschätzung zur Bestimmung des Ablösebetrags nur solche Kosten berücksichtigt werden dürfen, die auch bei der endgültigen Heranziehung beitragsfähig sind, bedeutet somit lediglich, dass auch bei der Kostenschätzung zur Bestimmung des Ablösebetrags nur solche Kosten berücksichtigungsfähig sind, die den in § 35 Abs. 1 KAG genannten Zwecken dienen, das heißt insbesondere von den in der Satzung geregelten Merkmalen der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage gedeckt sind (vgl. Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, Seite 526). Da die in den betreffenden Kostenvoranschlägen vorgesehene Kostenreserve aber gerade der endgültigen Herstellung der Straße "Höhenweg" einschließlich ihrer Beleuchtung und Entwässerung dient, ist sie weder hinsichtlich § 35 Abs. 1 Satz 1 KAG noch § 14 Abs. 1 EBS 1987 zu beanstanden.

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die in den Kostenvoranschlägen unter den Nrn. 59 und 66 (Straßenbau) beziehungsweise Nr. 40 (Kanalisation) enthaltene Rechnungsposten "Unvorhergesehenes" nicht als voraussichtlich entstehende, tatsächlichen Kosten zu betrachten sind, hätte dies nicht zur Folge, dass deshalb der der Beklagten zustehende Schätzungsspielraum bereits überschritten und ein Verstoß gegen § 16 Satz 1 EBS 1987 anzunehmen wäre. Denn vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um lediglich drei von insgesamt rund einhundert in den Kostenvoranschlägen enthaltenen Rechnungsposten handelt, die bezogen auf den der Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 zugrundeliegenden mutmaßlichen beitragsfähigen Erschließungsaufwand von 219.750 DM (112.356,39 Euro) lediglich rund 5,22 % betragen, sind dadurch weder die Gewissenhaftigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Schätzung noch die Tauglichkeit der Kostenvoranschläge als sachgerechte Schätzungsgrundlage insgesamt in Frage gestellt.

Im Übrigen ist die Beklagte in der der Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 beigefügten Anlage "Vorläufige Berechnung der Straßenerschließungskosten" auch zutreffend davon ausgegangen, dass sich die voraussichtlich entstehenden, tatsächlichen Erschließungskosten nicht nur aus den voraussichtlichen Kosten des Straßenbaus und der Beleuchtung zusammensetzen, sondern auch die voraussichtlichen Kosten der Straßenentwässerung anteilig zu berücksichtigen sind. Dabei ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg insbesondere nicht zu beanstanden, dass sie hierbei von einem Kostenanteil in Höhe von 25 % ausgegangen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Oktober 2004 - 2 S 2806/02 - juris, Rn. 48 f., sowie Beschlüsse vom 25. August 1992 - 2 S 1298/92 - juris, Rn. 7, und vom 20. September 2010 - 2 S 136/10 - juris, Rn. 10 ff.).

(2) Darüber hinaus wurde der in § 4 der Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 bestimmte Ablösebetrag auch unter Anwendung des für die Beitragserhebung maßgeblichen, in der Satzung vorgesehenen Verteilungsmaßstabs errechnet.

Ausgehend von einem geschätzten beitragsfähigen Erschließungsaufwand in Höhe von 219.750 DM ist die Beklagte abzüglich eines Gemeindeanteils in Höhe von 10 % (§ 4 EBS 1987) - das heißt 21.975 DM - zutreffend zu einem geschätzten umlagefähigen Erschließungsaufwand von 197.775 DM gelangt. Hieraus hat sie unter Zugrundelegung der Summe der Nutzungsflächen aller Grundstücke im Abrechnungsgebiet von 5.886 m² zutreffend einen Ablösungssatz von 33,6009 DM pro m² Nutzfläche errechnet. Weiterhin hat die Beklagte in § 3 Abs. 2 der Ablösevereinbarung unter Anwendung des § 7 Abs. 1 EBS 1987 zu Recht einen Nutzungsfaktor von "1,00" für das Grundstück der Klägerin angenommen, da der Bebauungsplan für dieses als Zahl der zulässigen Vollgeschosse "I" vorsieht und ist danach zutreffend zu einer mit Grundstücksgröße identischen Nutzungsfläche von 1.158 m² gelangt (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 EBS 1987). Schließlich hat sie auch die in § 4 Satz 2 der Ablösevereinbarung geregelte Ablösesumme in Höhe von 38.909 DM zutreffend durch Vervielfachung der Nutzungsfläche in Höhe von 1.158 m² mit dem Ablösungssatz von 33,6009 DM errechnet.

dd) Die Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 verstößt auch nicht gegen das Gebot der Offenlegung des Ablösebetrags (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1989 - 8 C 44.88 - juris, Rn. 20 f., VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2003 - 2 S 2567/01 - juris, Rn. 25 f.). Denn nicht nur wird in der Vereinbarung selbst (§§ 2 bis 4) ein relevanter Teil der maßgeblichen Größen zur Berechnung des Ablösebetrags genannt. Vielmehr lag dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 4. November 1998, in dem sie dieser das Angebot zum Abschluss der Ablösevereinbarung unterbreitet hat, auch das auf den 22. Januar 1998 datierende Schreiben "Vorläufige Berechnung der Straßenerschließungskosten" bei, in dem sie alle maßgeblichen Größen zur Berechnung des Ablösebetrags im Einzelnen aufgeschlüsselt hat. Insbesondere sind darin die Kosten des Straßenbaus und der Straßenentwässerung getrennt voneinander ausgewiesen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Juni 2003 - 2 S 2567/01 - juris, Rn. 26).

ee) Schließlich ist die Ablösevereinbarung vom 4. November 1998 auch nicht deshalb unwirksam, weil der das Grundstück der Klägerin betreffende endgültige Erschließungsbeitrag in Höhe 22.989,12 Euro den vereinbarten Ablösebetrag in Höhe von 19.893,86 Euro (38.909 DM) um 3.095,26 Euro übersteigt.

Zwar ist das Bundesverwaltungsgericht in seiner älteren Rechtsprechung davon ausgegangen, dass das Erschließungsbeitragsrecht dem Ausmaß einer von den Vertragspartnern hinzunehmenden Differenz zwischen der Höhe eines Ablösungsbetrags und der Höhe eines (ohne die Ablösung) auf ein Grundstück entfallenden Erschließungsbeitrags eine absolute Grenze ohne Rücksicht darauf setze, ob diese Differenz auf ablösungstypische Risiken zurückgehe. Der Ablösungsbetrag sei als ein vorgezogener Erschließungsbeitrag in das Regelungssystem des gesetzlichen Erschließungsbeitragsrechts eingebettet. Aus der gesetzlichen Beitragserhebungspflicht sowie dem Gebot der Abgabengerechtigkeit folge eine Missbilligungsgrenze, welche überschritten werde, wenn der Betrag, der dem Grundstück als Erschließungsbeitrag zuzuordnen sei, mindestens das Doppelte oder höchstens die Hälfte des vereinbarten Ablösungsbetrags ausmache. Im ersten Fall stehe der Gemeinde ein Nacherhebungsrecht, im zweiten dem Grundeigentümer ein Rückzahlungsanspruch zu (BVerwG, Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 - juris, Rn. 15). Doch zum einen ist diese Missbilligungsgrenze vorliegend bei weitem noch nicht erreicht, da der endgültige Erschließungsbeitrag in Höhe 22.989,12 Euro den vereinbarten Ablösebetrag in Höhe von 19.893,86 Euro (38.909 DM) allein um 3.095,26 Euro und damit lediglich um rund 15,6 % übersteigt. Und zum anderen hat das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsprechung inzwischen aufgegeben und geht stattdessen davon aus, dass sich die Grenze, bis zu der ein Auseinanderfallen von Ablösungsbetrag und Erschließungsbeitrag hinzunehmen ist, vielmehr im Einzelfall nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anhand einer Abwägung aller sich im Zusammenhang mit Ablösungsverträgen ergebenden Umstände und gegenläufigen Interessen bestimmt (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2015 - 9 C 1.14 - juris, Rn. 15 ff.). Dass die Voraussetzungen für einen solchen Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegend gegeben wären, hat indes weder die Beklagte vorgetragen, noch sind dahingehende Anhaltspunkte für die Kammer ersichtlich. Im Übrigen hätte dies auch nicht zur Folge, dass die Beklagte ein sich hieraus ergebendes Nacherhebungsrecht unmittelbar durch Erschließungsbeitragsbescheid durchsetzen darf. Vielmehr bedarf es der Geltendmachung des Anpassungsverlangens gegebenenfalls im Wege der auf Vertragsanpassung gerichteten Leistungsklage.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht keinen Anlass, die Entscheidung wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO).

III.

Die Berufung war gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Denn sowohl die Frage, inwieweit der Gemeinde bei der Ermittlung der voraussichtlich entstehenden, tatsächlichen Erschließungskosten zur Bestimmung des einer Ablösevereinbarung zugrunde zu legenden Ablösebetrags eine Schätzungsbefugnis zusteht, als auch die hieran anschließende Frage, welche Anforderungen hierbei an eine sachgerechte Schätzungsgrundlage zu stellen sind, insbesondere ob diese in gewissem Umfang auch eine finanzielle Reserve zur Abfederung zu erwartender Kostensteigerungen enthalten darf, ist eine bislang noch nicht abschließend geklärte Rechtsfrage, deren einheitliche Beantwortung im Interesse der Allgemeinheit liegt.

Beschluss vom 23. Februar 2021

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG auf 3.095,26 Euro festgesetzt.

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