VG Stuttgart, Beschluss vom 25.01.2021 - 10 K 452/20
Fundstelle
openJur 2021, 16778
  • Rkr:

Ein Anspruch auf Zuweisung eines außerkapazitären Studienplatzes im Rahmen des zentralen Vergabeverfahrens besteht nicht, wenn der Studienbewerber zuvor einen ihm angebotenen, von ihm selbst höher priorisierten Studienplatz abgelehnt hat.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studiengang "Medienwirtschaft Bachelor of Arts" bei der Antragsgegnerin.

Die am ...2000 geborene Antragstellerin bewarb sich für das Sommersemsester 2020 mit Antrag vom 26.12.2019 bei der Antragsgegnerin zum Erststudium "MW7 - Medienwirtschaft". Mit Schreiben vom 15.01.2020 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin zudem, ihr für das Sommersemester 2020 einen Studienplatz im Studiengang "Medienwirtschaft Bachelor of Arts" im 1. Fachsemester außerhalb der festgesetzten Kapazität zu überlassen, hilfsweise ihr einen solchen Studienplatz vorläufig, hilfsweise im Wege der Verlosung zu überlassen. Zudem beantragte die Antragstellerin die Zulassung im vorgenannten Studiengang zum Sommersemester im 1. Fachsemester innerhalb der festgesetzten Kapazität sowie die Beteiligung an einer eventuellen Verlosung freier Studienplätze.

Mit Ablehnungsbescheid vom 24.02.2020 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihrem Antrag auf Zuweisung eines Studienplatzes nicht entsprochen werden konnte. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen des Auswahlverfahrens der Hochschule habe sich ein Grenzrang von 156 ergeben und die Antragstellerin belege Rang 272; für die Wartezeit liege die Grenze bei 23, der Rang der Antragstellerin bei 137.

Am 21.01.2020 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, sie habe den Studiengang bei der Antragsgegnerin mit der ersten Priorität versehen und weitere Bewerbungen zurückgezogen. Daher könne auch kein Zulassungsangebot einer anderen Hochschule mit höherer Priorisierung vorliegen; andernfalls wäre auch beim streitgegenständlichen Studiengang der Status "ausgeschieden" erschienen. Inwieweit bei der G.-Universität der Status "ausgeschieden" entstanden sei, sei nicht nachvollziehbar, jedoch auch irrelevant, da die Antragstellerin im Studiengang "Medienwirtschaft" keine anderweitige Zulassung erhalten habe. Ferner könne die Inanspruchnahme eines verfassungsrechtlich verbrieften Rechts nicht davon abhängig sein, ob eine anderweitige Zulassungsmöglichkeit in dem angestrebten Studiengang andernorts bestehe. Dies würde die Vorgabe zur Kapazitätsausschöpfung leerlaufen lassen. Schließlich bestehe für die Antragstellerin nicht die Möglichkeit, den Studiengang "Medienwirtschaft" an den von der Antragsgegnerin benannten Hochschulen zulassungsfrei zu studieren. An der J.-Hochschule gebe es nur den Studiengang "Medienwirtschaft und Journalismus", an der TU C existiere der Studiengang "Medienwirtschaft" nicht und an der TU I werde der Studiengang nicht zum Sommersemester, sondern ausschließlich zum Wintersemester angeboten. Zur Zulassung von 77 Studierenden im Wege der Überbuchung sei anzumerken, dass die infolge der Überbuchung eingetretene deutliche Überlast vorliegend 18,46 % betrage. Insoweit sei davon auszugehen, dass die Überbuchungspraxis der Antragsgegnerin auf einer fehlerhaften Prognose beruhe. Die für die Beurteilung erforderlichen historischen Daten oder Erfahrungswerte habe die Antragsgegnerin nicht vorgelegt, weshalb nicht nachvollzogen werden könne, ob die Prognose anhand geeigneter Kriterien erfolgt sei. Auch sei nicht ersichtlich, ob ein Nachrückverfahren hierfür verantwortlich sei. Soweit die Antragsgegnerin meine, die Daten aus den Jahren 2017-2019 seien nicht anwendbar, fehle es an der Darlegung, inwieweit ein kausaler Zusammenhang zwischen den neuen Koordinierungsregeln sowie dem Annahmeverhalten von Studienplatzbewerbern bestehe. Auch sei nicht klar, anhand welcher Kriterien von einer höheren Annahmequote ausgegangen worden sei. Angezeigt wäre es vor dem Hintergrund der von der Antragsgegnerin vorgelegten Zahlen gewesen, die eingebuchte Kapazität sowie die Zulassungsangebote nach dem Sommersemester 2019 nicht zu erhöhen, sondern für das Sommersemester 2020 zu reduzieren, um eine Überlast zu vermeiden.

Die Antragstellerin hat einen Screenshot ihrer Bewerbung vorgelegt, aus dem sich als von der Antragstellerin abgegebene Bewerbungen ergeben: "Priorität: 1, Bewerbung: Hochschule ... Stuttgart, MW7 - Medienwirtschaft (NC), Status: Zulassungsangebot aktuell nicht möglich; Priorität: 2, Bewerbung: G.-Universität ..., Bachelor Wirtschaftswissenschaften (Vers 2009) (NC), Status: ausgeschieden".

Die Antragstellerin beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugehen, der Antragstellerin nach den Rechtsverhältnissen im Sommersemester 2020 einen Studienplatz im Studiengang "Medienwirtschaft Bachelor of Arts" im 1. Fachsemester außerhalb der festgesetzten Kapazität zu überlassen, hilfsweise die Antragstellerin an einem gerichtlich angeordneten Vergabeverfahren teilnehmen zu lassen, hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, eine Verlosung offener Studienplätze vorzunehmen und die Antragstellerin hieran zu beteiligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt sie insbesondere aus, der Antragstellerin fehle es am Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Kapazitätsüberprüfung. Dies ergebe sich daraus, dass der Antragstellerin im Sommersemester 2020 die Aufnahme eines von ihr angestrebten Studienganges im Bundesgebiet möglich gewesen wäre, der Studienplatz von ihr jedoch nicht angenommen worden sei. Im Zulassungsverfahren zum Sommersemester 2020 seien seitens der Stiftung Hochschulstart neue Koordinierungsregeln zur Vergabe von Studienplätzen eingesetzt worden. Bei diesen komme der Priorisierung von Bewerbungen eine außerordentliche Bedeutung zu. Liege einem Bewerber ein Studienangebot für eine höher als im Studiengang "Medienwirtschaft Bachelor of Arts" priorisierte Bewerbung vor, würde ein Angebot der Antragsgegnerin auf den Studiengang "Medienwirtschaft Bachelor of Arts" aufgrund der Koordinierungsregeln im regulären Bewerbungsverfahren unmittelbar storniert werden. Ein Rechtschutzbedürfnis der Antragstellerin für den vorliegenden Antrag bestehe daher nur dann, wenn ihr kein Angebot für eine höher priorisierte Bewerbung vorliege. Hiervon sei jedoch auszugehen, da am 21.02.2020 keine der Bewerbungen der Antragstellerin ausgeschlossen worden und die Bewerbung an der G. -Universität ... zum "Bachelor Wirtschaftswissenschaften" "ausgeschieden" gewesen sei. Der Status "ausgeschieden" entstehe nur, wenn ein anderes Zulassungsgebot angenommen werde, ein vorhandenes Zulassungsangebot durch das Zulassungsangebot für eine höher priorisierte Bewerbung durch die Koordinierungsregel verfalle oder für ein anderes Zulassungsangebot eine Rückstellung beantragt werde, um beispielsweise ein freiwilliges soziales Jahr zu absolvieren. Da die Antragstellerin jedoch kein Studium aufgenommen habe und auch eine Rückstellung für die Absolvierung eines Dienstes auszuschließen sei, belege der Status "ausgeschieden", dass der Antragstellerin zwei Zulassungsangebote vorgelegen haben müssten, nämlich das vorhandene Zulassungsangebot der G.-Universität ... für den Studiengang "Bachelor Wirtschaftswissenschaften" mit dem Status "ausgeschieden" sowie ein Zulassungsangebot für eine höher priorisierte Bewerbung, die von der Antragstellerin zurückgezogen worden sei. Hätte die Antragstellerin die Bewerbung nicht zurückgezogen, wäre sie automatisch zugelassen worden. Den Nachweis über die Bewerbungen zum Beginn des Koordinierungsverfahrens sowie deren Priorisierung habe die Antragstellerin zu erbringen. Anhand der zurückgezogenen Bewerbungen sei nicht zu erkennen, welche Rangpositionen im Zeitpunkt der Bewerbung vorgelegen hätten. Der Antragstellerin stehe zudem ein Studium der Medienwirtschaft ohne Zulassungsbeschränkungen an der J Hochschule in YY, an der TU C oder der TU I zur Verfügung.

Die festgesetzte Höchstzahl sei darüber hinaus kapazitätserschöpfend. Die Festsetzung der in der Zulassungsverordnung fixierten Zulassungszahlen erfolge durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg nach eingehender Prüfung der von den Hochschulen vorgelegten Kapazitätsberechnungen. Diese wiederum fänden ihre Grundlage in den Vorgaben der Kapazitätsverordnung. Kapazitätsrechtlich sei der Studiengang Medienwirtschaft mit den Studiengängen "Crossmedia-Redaktion/Public Relations, Audiovisuell Medien und Werbung" und "Marktkommunikation" zur "Lehreinheit 2" zusammengefasst. Gemäß der Kapazitätsberechnung für das Studienjahr 2019/2020 liege für den Studiengang Medienwirtschaft eine jährliche Aufnahmekapazität von 130 Studienplätzen vor. 65 Studienplätze entfielen auf das Wintersemester 2019/2020 und weitere 65 auf das Sommersemester 2020. Die für das Sommersemester 2020 zur Verfügung stehenden 65 Studienplätze seien alle besetzt. Die Antragsgegnerin habe im Wege der Überbuchung insgesamt 77 Studierende für den Studiengang im Sommersemester 2020 zugelassen, so dass die festgesetzte Kapazität mehr als erschöpft sei. Ein freier Studienplatz, der an die Antragstellerin vergeben werden könne, stehe daher nicht zur Verfügung.

Die Studieneingangskapazität der Antragsgegnerin sei durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg auf 783 Studienplätze pro Jahr festgelegt und die Kapazität könne innerhalb der Hochschule auf die Bachelorstudiengänge verteilt werden. Zu dieser Eingangskapazität komme eine studiengenau festgelegte Eingangskapazität aus dem Ausbauprogramm "Hochschule 2012". Zum verfügbaren Deputat sei anzumerken, dass die Lehreinheit 2 zum für die Berechnung der Kapazität maßgeblichen Stichtag am 01.01.2019 über 40 Stellen für Professoren und 14 weitere Professorenstellen aus dem Ausbauprogrammen verfügt habe. Privatdozenten und außerplanmäßige Professoren gebe es an der Hochschule für angewandte Wissenschaft nicht. Honorar- und Gastprofessoren sowie Mitarbeiter an Hochschulen für angewandte Wissenschaft, die an sich keine Lehrverpflichtung hätten, denen aber explizit ein Lehrauftrag genehmigt worden sei, seien in einer Auflistung der "erteilten Lehraufträge" erhalten. Lehrveranstaltungen von Drittmittelbeschäftigen seien nicht kapazitätsrelevant. Gleiches gelte für Lehraufträge, die aus Drittmitteln finanziert und als Ersatzlehraufträge Freistellungen von hauptamtlich Lehrenden ersetzten. Insoweit ergäben sich hinsichtlich der Lehraufträge im Sommersemester 2018 insgesamt 125 Semesterwochenstunden (davon Lehrbeauftragte: 123 Semesterwochenstunden und Mitarbeiter: 2 Semesterwochenstunden) und im Wintersemester 2018/2019 insgesamt 145 Semesterwochenstunden (davon Lehrbeauftragte: 139 Semesterwochenstunden und Mitarbeiter: Sechs Semesterwochenstunden). In die Kapazitätsberechnung würden weiterhin bei der Lehreinheit 2 aufgrund der Dienstleistungsverflechtung 37 Semesterwochenstunden einfließen. Der Curricularwert für den Studiengang Medienwirtschaft liege bei 99,27 % und als Schwundausgleichsfaktor sei ein Wert von 0,886 berücksichtigt worden. Es habe keine Zunahme der Bestandszahlen durch Zulassungen zu einem höheren Fachsemester vorgelegen; etwaige Zunahmen ergäben sich durch Einstufungen infolge von Urlaubssemestern oder der Verschiebung des praktischen Studiensemesters. Neben der Schwundberechnung lägen keine weiteren kapazitätsbestimmenden Kriterien vor, die sich auf das Berechnungsergebnis auswirkten. Die Antragsgegnerin hat zur Konkretisierung der Kapazitätsberechnung einen Erlass des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg zur Festsetzung von Zulassungszahlen für das Studienjahr 2019/2020 vom 19.12.2018, Erläuterungen des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg zur Kapazitätsberechnung, die Zulassungszahlenverordnung, die Einschreibeliste, eine Übersicht zum Ausbauprogramm "Hochschule 2012", eine Übersicht der Deputatsnachlässe für das Sommersemester 2018 und für das Wintersemester 2018/2019, eine funktionsbezogene Darstellung der Deputatsnachlässe, Informationen über den Deputatsnachlass im Sommersemester 2018 und Wintersemester 2018/2019, eine Liste der Lehrbeauftragten für das Sommersemester 2018 und Wintersemester 2018/2019, die Berechnung des Curricularwertes sowie des Schwundausgleichsfaktors vorgelegt.

Soweit die Antragstellerin moniere, es lägen keine historischen Daten zur Ermittlung des Überbuchungsfaktors vor, beruhe dies darauf, dass solche aufgrund der neu beschlossenen Koordinierungsregelungen nicht vorliegen könnten und die Daten aus den Jahren 2017-2019 aufgrund der fundamentalen Änderungen im Zulassungsverfahren der Stiftung Hochschulstart nicht anwendbar seien. Veränderungen habe es insbesondere aufgrund der Möglichkeit zur Priorisierung sowie der Möglichkeit zur laufenden Veränderung der Priorisierung gegeben. Aufgrund der erwarteten Auswirkungen der veränderten Koordinierungsregelungen, die eine deutlich höhere Annahmequote erwarten ließen, habe die Antragsgegnerin erstmalig eingebuchte Kapazität für das Sommersemester 2020 um circa 10 % gegenüber der ersten Kapazität des Sommersemesters 2019 reduziert. Gleichwohl habe sich eine um 10 % höhere Anzahl von Studienanfängern ergeben. Der Einsatz statistischer Methoden sei zur Abschätzung nicht möglich gewesen. Die Antragsgegnerin versuche daher auf der Basis folgender Faktoren eine möglichst passgenaue Anzahl von Einschreibungen zu ermöglichen: relative Bewerberquote in den Vorjahren, Veränderungen in der Verteilung der Anzahl der Bewerbungen in den Prioritäten 1 bis 3 und Beobachtung des Zeitverlaufs der Einschreibungen im aktuellen Bewerbungsverfahren im Vergleich zu den Vorjahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörenden Behördenakte, die dem Gericht vorliegt, verwiesen.

II.

1. Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

Das Gericht kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint. Dabei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, weil ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren aus besonderen Gründen unzumutbar ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller in der Hauptsache bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 15.01.2014 - 10 S 1748/13 - juris Rn. 4). Welche Anforderungen im Einzelfall an die Erfolgsaussichten zu stellen sind, hängt maßgeblich von der Schwere der dem Antragsteller drohenden Nachteile und ihrer Irreversibilität, aber auch davon ab, inwieweit durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird. Führt die begehrte Maßnahme zur endgültigen und unumkehrbaren Vorwegnahme, kann die einstweilige Anordnung nur erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht und für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht ergeht, dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile entstünden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 15.01.2014 - 10 S 1748/13 - juris Rn. 5; VG Düsseldorf, Beschluss v. 04.08.2010 - 2 L 1153/10 - juris Rn. 4).

a.) Gemessen hieran ist zwar der erforderliche Anordnungsgrund gegeben. Denn die Antragstellerin möchte so bald als möglich mit dem Studium beginnen und ihr ist ein Zuwarten bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren, die in aller Regel erst geraume Zeit nach Abschluss des Bewerbungssemesters ergehen kann, nicht zumutbar.

b.) Allerdings hat die Antragstellerin den weiter erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Dabei kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Antragsgegnerin entgegen ihrer Darstellung noch über einen weiteren, sogenannten "außerkapazitären" Studienplatz in dem von der Antragstellerin angestrebten Studiengang "Medienwirtschaft Bachelor of Arts" verfügt. Denn es ist von der Antragstellerin bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden, dass sie einen Anspruch auf einen solchen Studienplatz tatsächlich hätte.

aa.) Das Recht zur Aufnahme eines Studiums ist als Teil der Berufswahlfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Es umfasst im Grundsatz nicht nur das Recht darauf, einen Platz im gewünschten Studiengang zu erhalten, sondern auch das Recht, dieses Studium an der gewünschten Hochschule aufzunehmen. Dieser grundrechtliche Schutz gebietet es, dass sämtliche Ausbildungskapazitäten an sämtlichen Hochschulen tatsächlich zu Ausbildungszwecken zur Verfügung stehen. Daher besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Zuerkennung eines Studienplatzes auch dann, wenn zwar sämtliche in der einschlägigen Anlage zur einschlägigen Verordnung genannten Studienplätze vergeben sind, sich aber bei detaillierter Überprüfung der dieser Angabe zugrundeliegenden Berechnung doch eine höhere Zahl an zur Verfügung stehenden Studienplätzen ergibt. Ein Anspruch auf einen solchen "außerkapazitären" Studienplatz besteht bereits im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, auch wenn damit faktisch die Streitigkeit in der Hauptsache vorweggenommen wird (vgl. BVerfG, Urteile v. 18.07.1972 - 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71 - juris Rn. 60 und v. 19.12.2017 - 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14 - juris Rn. 106; Niedersächsisches OVG, Beschluss v. 28.11.2019 - 2 NB 1/19 - juris Rn. 14).

Allerdings sind bei der Realisierung dieses Anspruchs die Modalitäten der Vergabe der Studienplätze, insbesondere wenn dies in einem zentralen Vergabeverfahren geschieht, zu beachten. Auch ein solches Vergabeverfahren dient der Optimierung der Nutzung der zur Verfügung stehenden Studienplätze und damit der Erfüllung des Anspruchs aus Art. 12 Abs. 1 GG. Ein Verhalten, das geeignet ist, die in dieser Weise optimierte Verteilung von Studienplätzen zu stören, ist daraufhin zu prüfen, ob dem allgemeinen Interesse an einer gerechten Verteilung der vorhandenen Kapazitäten der Vorrang vor der Durchsetzung eines individuellen Studienanspruchs gebührt. Insbesondere dann, wenn eine studierwillige Person einen ihr angebotenen Studienplatz nicht angenommen hat, erscheint es denkbar, dass sie damit ihren Anspruch auf Zuteilung eines Studienplatzes für das jeweilige Semester aufgegeben hat. Dies gilt vor allem dann, wenn es sich nicht um einen nachrangig, sondern um einen vorrangig eingestuften Studienplatz handelt. Denn wenn ein Studienplatz abgelehnt wird, der aus Sicht des Betroffenen selbst als der geeignetere angesehen worden ist, als derjenige, dessen außerkapazitäres Vorhandensein behauptet wird, steht dem subjektiven Interesse des Studienbewerbers an einem nach Studiengang und Hochschule als ideal angesehenen Studienplatz das allgemeine Interesse nach einer ausgewogenen und in dieser Weise optimierten Verteilung der Studienplätze auf sämtliche Studierwillige entgegen. Könnte sich der subjektive Anspruch auf einen bestimmten Studienplatz entgegen der objektiven Zuteilung durchsetzen, würde dadurch das System einer allgemeinen Verteilung der zur Verfügung stehenden Studienplätze innerhalb einer bemessenen Zeit und damit in einer Weise, die es einer möglichst großen Anzahl künftiger Studierenden erlaubt, das von ihnen gewünschte Studium im kommenden Semester zu beginnen, konterkariert und im Extremfall ad absurdum geführt. Um einen angemessenen Ausgleich zwischen subjektivem Ausbildungsanspruch und objektivem allgemeinem Ausbildungsangebot zu schaffen, kann daher ein subjektiver Anspruch auf einen bestimmten Studienplatz nur dann geltend gemacht werden, wenn nicht vor der Behauptung des Vorhandenseins eines entsprechenden - außerkapazitären - Studienplatzes ein von derselben Person als prioritär eingestufter Studienplatz abgelehnt, ein entsprechendes Angebot also nicht angenommen worden ist.

bb.) Vorliegend hat die Antragstellerin bei ihrer Bewerbung um einen Studienplatz zunächst die von ihr gewünschten Studienmöglichkeiten angegeben, die sich sowohl in der Wahl des Studienganges als auch nach den Hochschulen unterschieden. Unstreitig ist, dass ihr ein bestimmter Studiengang angeboten wurde, den sie abgelehnt und somit nicht in Anspruch genommen hat. Streitig ist hingegen, ob dieser ihr angebotene Studienplatz in der ursprünglichen Prioritätenliste, mit der die Antragstellerin in das Auswahlverfahren gegangen ist, mit einer höheren oder einer niedrigeren Priorität eingestellt worden ist als der nun bei der Antragsgegnerin noch als zusätzlich vorhanden behauptete Studienplatz im Studiengang "Medienwirtschaft Bachelor of Arts". Hierauf kommt es streitentscheidend an, da sich die Antragstellerin, wie soeben ausgeführt, nur dann auf ihr Grundrecht auf Ausbildung berufen kann, wenn der nun von der Antragstellerin begehrte Studienplatz schon zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr ein anderer Studienplatz angeboten wurde, von ihr erkennbar favorisiert worden war. Es ist damit Sache der Antragstellerin, diese - somit entscheidende - Reihenfolge von gewünschten und angebotenen Studienmöglichkeiten glaubhaft zu machen.

Zu dem Studienangebot hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar und schlüssig vorgetragen, dass der Status "ausgeschieden", der ausweislich des von der Antragstellerin vorgelegten Screenshots hinsichtlich der Bewerbung an der G.-Universität ... für den Studiengang "Bachelor Wirtschaftswissenschaften" vergeben wurde, vorliegend - da die Antragstellerin kein anderes Studienangebot angenommen hat und auch nicht für ein anderes Zulassungsangebot eine Rückstellung beantragt wurde - nur dadurch entstehen konnte, dass der Antragstellerin ein Zulassungsangebot für eine höher priorisierte Bewerbung vorgelegen hat. Daraus ergibt sich, dass der Antragstellerin also neben dem Zulassungsangebot der G.-Universität ... für den Studiengang "Bachelor Wirtschaftswissenschaften" noch ein weiteres Zulassungsangebot bezüglich eines Studienganges einer Hochschule vorgelegen haben muss, das von der Antragstellerin höher priorisiert wurde, diese Bewerbung jedoch, wie sich aus dem vorgelegten Screenshot hinsichtlich des Status der übrigen Bewerbungen ebenfalls ergibt, von der Antragstellerin zurückgezogen wurde.

Vor diesem Hintergrund besteht die Möglichkeit, dass der der Antragstellerin angebotene Studienplatz zum Zeitpunkt dieses Angebots von ihr selbst als gegenüber dem hier begehrten Studienplatz bei der Antragsgegnerin prioritär angesehen worden ist. Diese Möglichkeit hat die Antragstellerin, trotz mehrerer gerichtlicher Hinweise und Aufforderungen, nicht durch ihren Vortrag substantiell erschüttert und demzufolge auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie kein Zulassungsangebot für einen von ihr zunächst höher priorisierten Studienplatz erhalten hat. Soweit die Antragstellerin hierzu geltend macht, im Falle eines Zulassungsangebots hinsichtlich einer höher priorisierten Bewerbung zu einem Studiengang müsste der streitgegenständliche Studiengang "Medienwirtschaft Bachelor of Arts" bei der Antragsgegnerin ebenfalls den Status "ausgeschieden" erhalten haben, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Status "ausgeschieden" entsteht lediglich in den oben beschriebenen Fällen, nämlich der Annahme eines Studienangebots, des Antrages auf Rückstellung oder des Vorliegens eines Zulassungsangebots für eine höher priorisierte Bewerbung, nicht aber, wenn eine Bewerbung zurückgenommen wird. Dass der Antragstellerin derzeit der von ihr gewünschte Studienplatz "Medienwirtschat Bachelor of Arts" bei der Antragsgegnerin begehrenswerter erscheint als der Studienplatz, dessen Angebot sie abgelehnt hat, ist offenkundig, reicht aber aus den angeführten Gründen zur Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs nicht aus.

Mangels Glaubhaftmachung kommt es demnach auf die Frage, ob die Kapazität der Antragsgegnerin im Studiengang "Medienwirtschaft Bachelor of Arts" bereits erschöpft ist und ob sie sich auf die Kapazitätserschöpfung berufen kann, nicht mehr an. Mangels eines glaubhaft gemachten Anspruchs auf Erhalt eines außerkapazitären Studienplatzes bestehen auch die mit den Hilfsanträgen geltend gemachten Ansprüche auf die Durchführung eines Vergabe- oder Losverfahrens nicht. Letzteres würde zudem eine Mehrzahl von Anspruchsinhabern voraussetzen; dies ist nicht erkennbar.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

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