AG Gießen, Urteil vom 16.07.2020 - 521 OWi 902 Js 4028/20
Fundstelle
openJur 2021, 16608
  • Rkr:

Ist ein Messgerät von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugleassen und ist das Messgerät im Rahmen der Zulassungsvorgabe verwendet worden, ist das Tatgericht grundsätzlich von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zur Funktionsweise des Messgeräts, enthoben.

Tenor

Der Betroffene ist der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h schuldig.

Es wird deswegen gegen ihn eine Geldbuße von 80 Euro festgesetzt.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Betroffene ist 45 Jahre alt. Er ist verheiratet und Berufskraftfahrer. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet. Er ist straßenverkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Am 15.10.2019 um 09.14 Uhr befuhr der Betroffene mit dem Lkw der Marke Volvo mit dem amtlichen Kennzeichen "..." in Fernwald die B 457 in Richtung Gießen, wo die Gemeinde Fernwald in Höhe des Anschlusses Lahnstraße eine Messstelle eingerichtet hatte. Im dortigen Bereich war die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen 274 der StVO auf 80 km/h beschränkt. Für Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t galt gem. § 3 Abs. 3 StVO eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h.

Der Betroffene befuhr diesen Streckenabschnitt im Bereich der Messstelle - nach Berücksichtigung eines Toleranzwertes von 3 km/h - mit einer gemessenen Geschwindigkeit von 82 km/h.

Die Geschwindigkeitsmessung wurde mit dem von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassenen und störungsfrei arbeitenden mobilen Geschwindigkeitsmessgerät der Firma Leivtec Verkehrstechnik GmbH XV 3 mit der Gerätenummer 100415 durch den an dem Gerät ausgebildeten Zeugen "..." vorgenommen, der bei der Bedienung die Vorgaben der Bedienungsanleitung einhielt.

Das Gerät wurde am 26.09.2019 geeicht, so dass eine Gültigkeit der Eichung bis Ende 2020 vorlag. Anhaltspunkte für eine Fehlmessung lagen nicht vor.

Bei Anspannung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Betroffene die geltende Geschwindigkeitsbeschränkung erkennen und seine gefahrene Geschwindigkeit darauf einrichten können und müssen.

III.

Dieser Sachverhalt steht nach Durchführung der Hauptverhandlung aufgrund der durch seinen Verteidiger abgegebenen Einlassung des Betroffenen, des in die Hauptverhandlung eingeführten Messprotokolls, des Eichscheins vom 30.09.2019, des Ausbildungsnachweises des Zeugen "...", der Lichtbilder Bl. 5 d. A., auf die gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen wird, sowie der Auskunft aus dem Fahreignungsregister vom 26.06.2020 zur Überzeugung des Gerichts fest.

Die Feststellungen zur Person des Betroffenen beruhen auf den diesbezüglichen Angaben seines Verteidigers. Der Betroffene hat die Fahrereigenschaft durch seinen Verteidiger eingeräumt, jedoch wird die ordnungsgemäße Durchführung der Messung angezweifelt.

Das Gericht hat keine Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der im Rahmen eines standardisierten Verfahrens durchgeführten Messung (OLG Frankfurt 2 Ss-Owi 694/12; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 3 StVO Rn. 61). Anhaltspunkte für eine Fehlmessung liegen nicht vor. Ausweislich des Messprotokolls und der Eichbescheinigung wurden die für eine eichgenaue und ordnungsgemäße Messung maßgeblichen Voraussetzungen durch den am Einsatz des Geräts ausgebildeten Messbeamten Krönung eingehalten. Insbesondere wurde das eingesetzte Messgerät entsprechend den Vorgaben des Herstellers in Gebrauch genommen und keine Beschädigung der bis Ende 2020 gültigen Eich- und Sicherungsmarken festgestellt. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Richtigkeit der Messung objektiv in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich.

Wie aus der Dateneinblendung des Messfotos Blatt 5 der Akte ersichtlich ist, wurde der Pkw des Betroffenen mit einer Geschwindigkeit von 85 km/h gemessen, wovon nach Abzug einer Toleranz von 3 km/h eine Fahrgeschwindigkeit von mindestens 82 km/h vorwerfbar bestehen bleibt.

Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass die Messung eindeutig dem Fahrzeug des Betroffenen zuzuordnen und auch die Höhe der gemessenen Geschwindigkeit nicht zu beanstanden ist. Das Lichtbild auf Bl. 5 der Akte zeigt ausschließlich das Fahrzeug des Betroffenen. Andere Fahrzeuge sind nicht abgebildet.

Ist ein Messgerät von der PTB zugelassen und ist das Messgerät im Rahmen der Zulassungsvorgaben verwendet worden, ist das Tatgericht grundsätzlich von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zur Funktionsweise des Messgeräts, enthoben. Die Zulassung durch die PTB ersetzt diese Prüfung. Damit soll erreicht werden, dass bei dem Massenverfahren im Bußgeldbereich nicht jedes Amtsgericht bei jedem einzelnen Verfahren die technische Richtigkeit der Messung jeweils neu überprüfen muss. Ist die Messung im Rahmen der Zulassung erfolgt, kann das Gericht grundsätzlich von der Richtigkeit der Messung ausgehen. (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04. Dezember 2014 - 2 Ss-OWi 1041/14 -, juris sowie OLG Bamberg, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - 2 Ss OWi 641/15 -, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Juli 2015 -2 (7) SsBs 212/15 - AK 108/15 -, juris und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juli 2015 - IV-1 RBs 200/14, 1 RBs 200/14 -, Rn. 15, juris).

IV.

Der Betroffene hat den Bußgeldtatbestand der §§ 3 Abs. 3 Ziff. 2b, 49 StVO, 24 StVG verwirklicht, indem er die zulässige Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h überschritt.

Mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte geht das Gericht zu Gunsten des Betroffenen von fahrlässigem Verhalten aus. Bei Anspannung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkung erkennen können und müssen und seine gefahrene Geschwindigkeit entsprechend einrichten können.

V.

Innerhalb des Bußgeldrahmens für fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeiten von 5,00 - 1.000,00 Euro (§ 24 Abs. 2 StVG, § 17 Abs. 1, Abs. 2 OWiG) hat das Gericht sodann eine Geldbuße von 80,00 Euro festgesetzt

Die von dem Betroffenen begangene Ordnungswidrigkeit ist nach §§ 3 Abs. 3 Ziff. 2b, 49 StVO, 24 StVG; Nr. 11.1.5 BKat mit einer Regelgeldbuße von 80,00 € belegt. Das Gericht hat von der Möglichkeit der Verhängung der Regelbuße Gebrauch gemacht.

VI.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen, da er verurteilt worden ist, §§ 46 OWiG in Verbindung mit §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 StPO.

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