FG Köln, Urteil vom 02.02.2021 - 8 K 1248/18
Fundstelle
openJur 2021, 16527
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. V R 6/21
Tenor

Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2016 vom 23.10.2020 wird die Umsatzsteuer 2016 in Höhe von ... € festgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu ... %, der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu ... %.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Zwischen der Klägerin, der A, und dem Beklagten ist streitig, ob bestimmte Leistungen der Klägerin im Bereich der von ihr erbrachten Postdienstleistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit sind.

Streitjahr ist das Jahr 2016, für das der Beklagte während des Klageverfahrens am 23.10.2020 einen Umsatzsteuerbescheid erließ, mit dem die von der Klägerin angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen 2016 in Gestalt der Teileinspruchsentscheidung vom 23.04.2018 sowie der Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 16.01.2020 geändert wurden.

Auf die Einspruchsentscheidung vom 23.04.2018 sowie die Umsatzsteuerbescheide 2016 vom 16.01.2020 und 23.10.2020 nebst Anlagen wird verwiesen.

Bei den streitigen Leistungen der Klägerin handelt es sich um folgende, durch sie oder eine ihrer Organgesellschaften erbrachte, vom Beklagten als umsatzsteuerpflichtig behandelte Produkte:

I. Umsätze in Euro Netto Brutto USt

1. DV-Freimachung

2. Handyporto

3. Teilleistungen

4. Brief zum Kilotarif

5. Nachnahme Brief

(-Porti € als steuerbefreit erklärt und festgesetzt)

(-Nachnahmeentgelt als umsatzsteuerpflichtig erklärt und festgesetzt)

-Nachnahmeübermittlungsentgelt (NNÜ)

6. Nachnahme Paket

7. Rolle/Sperrgut

gesamt

II. erklärte und festgesetzte Vorsteuern

1. DV-Freimachung

2. Handyporto

3. Teilleistungen4. Brief zum Kilotarif

5. Nachnahme Brief (NNÜ)

6. Nachnahme Paket

7. Rolle/Sperrgut

gesamt

Die Klägerin bietet flächendeckend im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit des postalischen Universaldienstes an.

Gemäß § 4 Nr. 11b S. 2 UStG hat sie mit Schreiben vom 27.04.2010 gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben. Das BZSt hat ihr am 23.06.2010 die diesbezügliche Bescheinigung erteilt, die regelmäßig geprüft und bestätigt wird.

Die Klägerin hatte im Jahr 2012 wegen Umsatzsteuer 2011 beim Finanzgericht Köln geklagt (Az. 1 K 2078/12 und 1 K 2540/12). Streitgegenstand war die Steuerbefreiung von Leistungen aus dem Bereich der Postdienstleistungen der Klägerin gemäß § 4 Nr. 11b UStG; teilweise handelte es sich um die gleichen Leistungen, über die im vorliegenden Verfahren zu entscheiden ist.

Auf den in dem Verfahren 1 K 2540/12 am 30.09.2014 ergangenen richterlichen Hinweis wird verwiesen (Anlage 24 zur Klagebegründung, Bl. 448 ff).

Der Beklagte erließ unter dem 02.02.2016 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2011.

Hierauf nahm die Klägerin am 04.05.2016 die Klagen zurück.

Mit der vorliegenden Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:

Mit der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b UStG habe der Gesetzgeber beabsichtigt, Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL auf nationaler Ebene umzusetzen und sich dabei an der Auslegung der Richtlinienvorschrift durch das EuGH-Urteil vom 23.04.2009 - C-357/07, TNT Post UK-Ltd., orientiert.

Danach bestimme sich gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL und der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl L15 vom 21.01.1998, Seite 14, L 23 vom 30.01.1998, Seite 39), zuletzt geändert durch die RL 2008/6/EG (Abl. L 52 vom 27.02.2008, Seite 3) - Postdienstrichtlinie (PostDRL) -), welche Leistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG als Universaldienstleistungen steuerbefreit seien. Die PostDRL werde gemäß dem Postgesetz (PostG) und der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) umgesetzt, wobei auch die Verträge des Weltpostvereins beachtlich seien.

Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 16.10.2019 - C-4/18 und 5/18, Winterhoff, weist die Klägerin darauf hin, dass mit diesem vor kurzem ergangenen Urteil die grundlegenden Feststellungen zum Anwendungsbereich der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL bekräftigt worden seien; insbesondere sei der Zusammenhang zwischen der Befreiungsvorschrift und der PostDRL, deren Zweck es sei, den Universalpostdienst sicherzustellen, festgeschrieben worden.

Aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 4 PostDRL ("mindestens") gehe laut EuGH Urteil vom 16.10.2019 - C-4/18 und 5/18, Winterhoff, Rn. 53, hervor, dass die Mitgliedstaaten die dort genannten Postdienstleistungen gewährleisten müssten. Es könnten aber auch weitere Postdienstleistungen als die durch Art. 3 Abs. 4 PostDRL beschriebenen als Universalpostdienstleistungen anzusehen sein. Entscheidend sei dafür, ob der Postdienstleister seine weiteren Postdienstleistungen auf einer besonderen rechtlichen Grundlage erbringe, die spezielle Verpflichtungen umfasse.

Im Einzelnen:

- DV-freigemachte Sendungen

Postkunden könnten Briefsendungen, die sie, die Klägerin, befördere, über ein DV-System frankieren.

Um die DV-Freimachung für Sendungen nutzen zu können, müsse der Kunde eine Vereinbarung gemäß ihrer "AGB DV-Anlagen" abschließen (siehe Anl. 29).

Gemäß der Produktbroschüre (Anl. 30 und 31) zur DV-Freimachung, auf die die "AGB DV-Anlagen" der Klägerin verweist, gelten neben dem Abschluss einer DV-Vereinbarung folgende Bedingungen für den Einsatz der DV-Freimachungen:

Die Briefsendungen müssen vom Kunden nach Postleitzahlen sortiert und fortlaufend nummeriert sein. Die DV-freigemachten Sendungen werden von den Kunden in den vereinbarten Großannahmestellen der Klägerin eingeliefert. Dabei sind die zu den Sendungen gehörigen Einlieferungsbelege und Protokolle zur Vollzähligkeitskontrolle sowie Versandpläne vorzulegen. Durchschnittliche Mindestmengen je Einlieferung sind 4000 Standard/Compactsendungen oder 200 Groß-/Maxisendungen (bei Einsatz des "AM -elektronisches Auftragsmanagement" - Verfahrens 2000 bzw. 100 Sendungen).

Für DV-freigemachte Sendungen gewähre sie, die Klägerin, einen unter der Preiskontrolle der Bundesnetzagentur stehenden 1%igen Rabatt.

Die Besteuerung des Umsatzes der DV-freigemachten Sendungen durch den Beklagten sei rechtswidrig.

Es sei unstreitig, dass die Beförderungen der DV-freigemachten Sendungen zu den steuerbefreiten Universaldienstleistungen zu rechnen seien, wären die Sendungen mit Briefmarken oder im AFM-Verfahren (AFM= Absenderfreistemplermaschine) frankiert worden.

Auch der 1%ige Rabatt spreche nicht gegen die Steuerbefreiung, da die Finanzverwaltung gemäß Abschnitt 4.11b.1. Abs. 3 S. 5 UStAE die Steuerbefreiung auch bei einem derartigen Rabatt für Sendungen, die mittels AFM freigemacht worden seien, gewähre.

Die DV-freigemachten Sendungen seien nicht gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b, 2. Alternative Fall 1 UStG steuerpflichtig. Sie könnten "nach den allgemein für jedermann zugänglichen Tarifen" von allen Nutzern in Anspruch genommen werden. Es gebe keine rechtlichen Einschränkungen des Nutzerkreises. Die DV-freigemachten Sendungen entsprächen bezüglich des potenziellen Nutzerkreises Art. 5 Spiegelstrich 2 und Art. 12 Spiegelstrich 5 der PostDRL. Sie würden entsprechend Art. 5 Spiegelstrich 2 PostDRL allen Nutzern, soweit vergleichbare Voraussetzungen gegeben seien, und gemäß Art. 12 Spiegelstrich 5 PostDRL neben Geschäftskunden, Massenversendern und Konsolidierern allen anderen Nutzern, insbesondere Privatkunden und kleinen und mittleren Unternehmen, die ihre Sendungen unter vergleichbaren Bedingungen anlieferten, gewährt.

Die Überlegung des Beklagten, ob DV-freigemachte Sendungen, obwohl sie jedermann zugänglich seien, nicht für den durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushaltes bestimmt sein könnten, sei für die Steuerbefreiung unerheblich. Dass eine Sendeform typischerweise von dem durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushaltes in Anspruch genommen werden müsse, um steuerbefreit zu sein, finde sich nicht im Gesetz und könne auch nicht im Wege der Auslegung des Gesetzes hergeleitet werden.

- Handyporto

Auch die Versendung per Handyporto sei gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit.

Insoweit werde auf das in dem Verfahren 1 K 2540/12 erfolgte richterliche Hinweisschreiben vom 30.09.2014 verwiesen. Eine bestimmte Art der Frankierung werde demnach weder durch die PostDRL, das PostG oder die PUDLV vorgeschrieben.

Sei die Art der Frankierung mit einem Sondertarif verbunden, der transparent und nicht diskriminierend sei sowie allen Nutzern zur Verfügung stehe, seien entsprechend freigemachte Sendungen steuerbefreit.

- Teilleistungen (Inland)

Sie, die Klägerin, sei im Rahmen ihrer Briefsendungen gemäß § 5 Abs. 1 PostG marktbeherrschend und verpflichtet, Teile der von ihr erbrachten Briefsendungen gesondert anzubieten (sogenannte Teilleistungen, § 28 Abs.1 PostG).

Dieser Verpflichtung komme sie durch das Angebot nach, Briefsendungen zu bestimmten Mindestmengen (50 Briefsendungen) in Briefzentren entgegenzunehmen, wenn der Kunde sogenannte Vorbereitungshandlungen (d.h. Teilleistungen wie Vorsortieren, Frankieren (über DV oder AFM), Transport zu Briefzentren) übernehme. Sie schließe mit den Kunden oder den Konsolidierern Vereinbarungen unter Einschluss ihrer "AGB Teilleistung Kunde Brief" bzw. "AGB Teilleistung gewerbsmäßige Konsolidierung Brief" (Anl. 15-18 zur Klagebegründung, Bl. 317 ff.) ab.

Aufgrund der geleisteten Vorbereitungshandlungen gewähre sie, die Klägerin, den Kunden bzw. Konsolidierern Rabatte (Entgeltermäßigungen), siehe § 28 Abs. 2 S. 3 PostG. Der Beklagte behandle die von ihr, der Klägerin, bzw. der B im Streitjahr 2016 erbrachten Teilleistungen an C und den E zu Unrecht als steuerpflichtig.

Die Begründung des Beklagten, Teilleistungen seien keine Universaldienstleistungen und gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b. 1. sowie 2. Alternative Fall 1 und Fall 2 UStG nicht steuerbefreit, berücksichtige nicht, dass die Absender von Briefsendungen bis 1000 g auf eigenen Wunsch und aus wirtschaftlichem Eigeninteresse Teile der Brief-Beförderungskette in Eigenleistung durchführten und sie, die Klägerin, gemäß § 28 PostG zum Angebot von Teilleistungen gesetzlich verpflichtet sei. Die Beförderung von Postsendungen sei gemäß § 4 Abs. 3 PostG das Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Postsendungen an den Empfänger. Zwar würde sie gemäß § 28 Abs. 2 S. 3 PostG sämtliche Bestandteile des Universaldienstes generell anbieten und habe demzufolge die Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b S. 2 UStG von dem BZSt erhalten. Das bedeute aber nicht, dass im Rahmen jeder einzelnen Beförderung sämtliche von ihr angebotenen Teilschritte des Universaldienstes für Briefe unter 1000 g durchlaufen werden müssten. So könne z.B. der Empfänger einer Briefsendung gemäß § 2 Nr. 4 PUDLV ohne weiteres auf die Zustellung eines Briefes verzichten, wenn er erkläre, den Brief in einer Filiale abzuholen. Die Durchführung von Teilleistungsverträgen aufgrund ihrer "AGB Teilleistung Kunde Brief" und "AGB Teilleistung gewerbsmäßige Konsolidierung Brief" führe demnach nicht zu einer die Steuerbefreiung ausschließenden Abweichung von den Qualitätsbedingungen gemäß §§ 2 ff. PUDLV für Universaldienstleistungen entsprechend § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 1. Alternative UStG.

Wie bereits für das Produkt DV-freigemachte Sendungen ausgeführt, sei der Tarif für eine Briefsendung, die aufgrund von Teilleistungsverträgen und den dazugehörigen AGB zu günstigeren Preisen als ein Brief zum Einzelsendungstarif jedermann zugänglich. § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alternative, Fall 1 UStG sei deshalb zur Begründung des Ausschlusses der Steuerbefreiung ebenfalls nicht einschlägig.

Gleiches gelte für den Ausschlussgrund gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alternative, Fall 2 UStG, der schon nach seinem Wortlaut nicht einschlägig sei. Die Beförderung von Briefen unter 1000 g unter Abschluss der von ihr benutzten Teilleistungsverträge führe nicht zu Preisen, die günstiger seien als die gemäß § 19 PostG genehmigten Entgelte. Sie, die Klägerin, vereinbare in den Teilleistungsverträgen eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Briefsendungen. Gemäß § 28 Abs. 2 PostG i.V.m. § 19 S. 2 PostG gelte § 19 S. 1 PostG, nach dem Entgelte für eine einzelne Briefsendung unter 1000 g (lizenzpflichtige Postdienstleistung gemäß § 5 Abs. 1 PostG) genehmigungspflichtig seien, wegen der Mindesteinlieferungsmenge von 50 Briefsendungen nicht für die von ihr vereinbarten Teilleistungen. Aus Erwägung 39 der Postdienstrichtlinie 2008/6/EG ergebe sich zudem, dass für Dienstleistungen, die von Universaldienstanbietern für alle Nutzer einschließlich Unternehmen, Masseversendern und Konsolidierern erbracht würden, flexiblere Preise im Einklang mit dem Grundsatz der Kostenorientierung gelten würden.

Ihre Tarife würden den im Vergleich zum kompletten Standarddienst - einschließlich Einsammeln, Sortieren, Transport und Zustellung einzelner Sendungen - eingesparten Kosten Rechnung tragen.

- Briefe International zum Kilotarif

Das Produkt Briefe International zum Kilotarif (BzK) sei das internationale Pendant zu den allein Inlandsendungen umfassenden Teilleistungen. Für die mit den Nutzern abgeschlossenen Beförderungsverträge würden die "AGB Brief International" (Anl. 25 zur Klagebegründung) sowie die Broschüren "Leistungen und Preise der A - LuP" (Anl. 18 zur Klagebegründung) und "Internationaler Briefversand: Wichtige Informationen für Gestaltung und Einlieferungen - "Broschüre" (Anl. 26 zur Klagebegründung) gelten.

Die Entgelte für die BzK seien nicht genehmigungspflichtig, unterlägen aber der Entgeltüberprüfung gemäß § 25 PostG. Die Verträge seien einheitlich gestaltet und würden für eine Vielzahl von Fällen vereinbart. Es seien keine Individualvereinbarungen gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. a UStG. Die Mindesteinlieferungsmenge liege bei 500 internationalen Briefen pro Monat. Abhängig von der monatlichen Einlieferungsmenge würden Rabatte gewährt.

Der Beklagte behandle die von ihr, der Klägerin, im Streitjahr erfolgten Beförderungen der BzK (Bruttoumsatz ... €) zu Unrecht als steuerpflichtig.

Die Beförderung der BzK sei aus den gleichen Gründen wie die Teilleistungen von der Umsatzsteuer befreit.

- Nachnahme

Bei dem Produkt Nachnahme müsse zwischen Briefen mit Nachnahmedienst ins Inland und Ausland sowie Paketen mit Nachnahmedienst ins Inland und Ausland unterschieden werden.

Bei Briefen mit Nachnahmedienst im Inland sei im Streitjahr neben dem normalen Beförderungsentgelt für Briefe (Porto) für den Nachnahmedienst ein Nachnahmeentgelt angefallen, das von dem Absender für den Forderungseinzug seiner Geldforderung beim Empfänger sowie für den Rücktransport der Sendung im Falle einer nicht möglichen Übergabe der Sendung oder eines nicht möglichen Forderungseinzugs in Gestalt einer Nachnahmemarke zu bezahlen gewesen sei. Des Weiteren sei ein Nachnahmeübermittlungsentgelt (NNÜ) bei Überweisung des eingezogenen Betrages an den Absender angefallen, das ebenfalls vom Absender bezahlt würde.

Bei den Briefen mit Nachnahmedienst ins Ausland (EU und Drittländer) bestehe der einzige Unterschied darin, dass das NNÜ nicht anfalle.

Sie habe bei den Briefen mit Nachnahmedienst die Beförderungsleistung (Porto) als umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr. 11b UStG, den Forderungseinzug (Nachnahmeentgelt) als steuerpflichtig gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG (Steuerpflicht der Einziehung von Forderungen) und die Überweisung des eingezogenen Geldes (Nachnahmeübermittlungsentgelt, NNÜ) als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG (Steuerbefreiung des Zahlungsverkehrs) erklärt.

Der Beklagte habe die dem NNÜ zugrunde liegende Leistung neben dem Forderungseinzug (Nachnahmeentgelt) als steuerpflichtig behandelt. Entgegen seiner Rechtauffassung, dass bei Briefen mit Nachnahmedienst auch die Beförderungsleistung in Gestalt der Porti steuerpflichtig sei, habe er im Streitjahr die Beförderungsleistungen in Höhe von ... € versehentlich als steuerbefreit behandelt.

Pakete könnten auch als Nachnahmesendungen ins In- und EU-Ausland verschickt werden.

Bei Geschäftskunden würden Individualvereinbarungen getroffen, sodass die Nachnahme-Paketversendungen ins In- und Ausland unstreitig steuerpflichtig seien. Ebenfalls seien Versendungen von Paketen über 10 kg sowohl von Geschäftskunden als von Privatkunden ins In- und Ausland unstreitig steuerpflichtig.

Privatkunden würden ihre Sendungen entsprechend den "AGB Paket/Express National" Anl. 32, 33) in Zusammenhang mit einem Vertrag ohne Individualabrede versenden. Wie bei Briefen würden für Paketsendungen unter 10 Kg von Privatkunden Beförderungsentgelt sowie Nachnahmeentgelt und im Inland des Weiteren Nachnahmeübermittlungsentgelt (NNÜ) anfallen.

Sie habe für Privatkunden im Inland und International in ihren Steuererklärungen die Beförderungsleistung bei Paketen unter 10 Kg gemäß § 4 Nr. 11b UStG als steuerfrei, den Forderungseinzug (Nachnahmeentgelt) gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG als steuerpflichtig und die für Inlandssendungen in Rechnung gestellte Übermittlungsleistung (Nachnahmeübermittlungsentgelt, NNÜ) als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG behandelt. Für Geschäftskunden habe sie lediglich für Nachnahmesendungen im Inland das NNÜ als steuerbefreit erklärt.

Der Beklagte habe sämtliche Leistungen in Zusammenhang mit der Paketsendung mit Nachnahme als umsatzsteuerpflichtig behandelt.

Die durch den Beklagten erfolgte Besteuerung ihrer Umsätze aus Postsendungen mit Nachnahmedienst sei rechtswidrig.

In § 1 Abs. 2 Nr. 3 PUDLV werde die Nachnahmesendung (definiert als Briefsendung, die erst nach Einziehung eines bestimmten Geldbetrages an den Empfänger ausgehändigt wird) entgegen 4.11b. 1. Abs. 5 Nr. 4 UStAE als Sendeform eingeordnet, die unter die Briefbeförderung falle. Die Briefbeförderung (Briefe im Sinne des § 4 Nr. 2 PostG bis 2.000 Gramm) sei gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 PUDLV Teil des Universaldienstes.

Pakete mit Nachnahmedienst würden in § 1 Abs. 2 PUDLV zwar nicht erwähnt, allerdings habe der Gesetzgeber von einer abschließenden Umschreibung der Sendungsformen des Universaldienstes allein schon wegen des Weiterentwicklungsgebotes (Art. 5 Absatz 1 Spiegelstrich 4 der PostDRL) abgesehen.

Dass auch die Paketsendung mit Nachnahmedienst ein Teil des Universaldienstes sei, ergebe sich auch aus §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2 Post- und Telekommunikationsicherstellungsgesetz (PTSG). Dort sei geregelt, dass neben Briefsendungen mit Nachnahmedienst auch Pakete bis 10 Kg mit Nachnahmedienst im Katastrophenfall aufrechtzuerhaltende Postdienstleistungen seien.

Im Gegensatz zu der Auffassung des Beklagten, die Postsendung mit Nachnahmedienst sei insgesamt eine einheitliche steuerpflichtige Leistung, lägen tatsächlich bei einer Postsendung mit Nachnahmedienst zwei Leistungen vor, zum einen die einheitliche Leistung der Beförderung und Forderungseinziehung des Nachnahmebetrages und zum anderen die weitere Leistung der Überweisung des eingezogenen Nachnahmebetrages an den Absender. Hauptbestandteil der einheitlichen Leistung sei die Beförderung der Postsendung. Sie sei das prägende Element, während die Forderungseinziehung des Nachnahmebetrages eine Nebenleistung sei. Diese einheitliche Leistung aus Beförderung und Forderungseinzug sei wegen der Steuerbefreiung des prägenden Elements, der Beförderung, insgesamt gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit, auch wenn sie, die Klägerin, die von ihren Kunden für den Forderungseinzug zu kaufende Nachnahmemarke umsatzsteuerpflichtig vermarktet habe .

Die zweite Leistung im Rahmen des Nachnahmedienstes, die Überweisung des eingezogenen Nachnahmebetrages, sei nicht Teil der einheitlichen Leistung bestehend aus Postbeförderung und Forderungseinziehung oder eine Nebenleistung zu dieser einheitlichen Leistung, sondern gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerbefreit, denn mit der Übergabe der Sendung an den Empfänger und der Einziehung des Nachnahmebetrages trete eine Zäsur im Handlungsablauf ein. Das sei schon daran erkennbar, dass bei erfolgloser Übergabe der Postsendung oder erfolgloser Forderungseinziehung keine Überweisung des Nachnahmebetrages durch den Postzusteller stattfinde. Folglich werde die NNÜ (Entgelt für die Überweisung des Nachnahmebetrages) separat neben Porto und Nachnahmeentgelt in Rechnung gestellt, allerdings nur, wenn die Beförderung und die Forderungseinziehung erfolgreich gewesen seien.

- Sperrgut/Rolle

Die Produkte Sperrgut und Rolle befördere sie, die Klägerin, für Privatkunden im Inland, innerhalb der EU und in Drittländer.

Zusätzlich zu dem Beförderungsentgelt müsse der Absender einen sogenannten Sperrgutzuschlag entrichten bzw. eine sogenannte Rollenmarke erwerben.

Sie behandle die Sperrgutbeförderungsleistungen bis 10 Kg und den Sperrgutzuschlag sowie die Rollenbeförderungsleistungen und den Rollenzuschlag als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 11b UStG, weil es sich um Universaldienstleistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 PUDLV (Pakete), Art. 3 Abs. 4 Spiegelstrich 2 der PostDRL handele.

Der Beklagte habe auf ihre mit dem Produkt Sperrgut und Rolle erzielten Umsätze Umsatzsteuer erhoben. Dies sei rechtswidrig.

Was unter einem Paket zu verstehen sei, sei gesetzlich nicht genauer definiert. Nach allgemeinem Verständnis seien Pakete alle Postsendungen, die nach Größe, Gewicht und Inhalt nicht als Briefsendungen verschickt werden könnten. Die aus betrieblichen Gründen erfolgte Zuordnung von Paketen in ihrem, der Klägerin, Tarif "Sperrgut" könne nicht dazu führen, dass deren Beförderung nicht mehr zum Universaldienst gehöre, sofern sie die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 PUDLV i.V.m. den "Ergänzenden Paketpostbestimmungen 2005", RE 115 aus den Weltpostverträgen niedergelegten Maßen einhielten. Etwas anderes folge auch nicht aus § 1 Abs. 3 PUDLV, der regle, dass Sendungen, die einer besonderen betrieblichen Behandlung bedürften, nicht zu den Universaldienstleistungen zählten. Es stelle sich im Hinblick auf Artikel 3 Abs. 4 Spiegelstrich 2, Abs. 5 und Abs. 6 PostDRL auch die Frage, ob § 1 Abs. 3 PUDLV wirksam sei.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 23.10.2020 zu ändern und die Umsatzsteuer 2016 um ... € vermindert festzusetzen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass ein Postunternehmer mit einer Bescheinigung des BZSt gemäß § 4 Nr. 11b S. 2 UStG bezüglich seiner jeweiligen Produkte nur gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerfrei leiste, sofern diese Produkte Universaldienstleistungen seien und die Steuerbefreiung nicht nach S. 3 der Befreiungsvorschrift ausscheide.

Außerdem müsse der Postunternehmer einen für jedermann zugänglichen Tarif anbieten, der für den durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushaltes bestimmt sei. Inhalt, Umfang und Qualitätsmerkmalmerkmale der Postdienstleistungen ebenso die Definition des erschwinglichen Preises seien in der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) festgelegt. Hierzu werde auf Abschnitt 4.11b.1. Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 3, 5, 7, 8 und 9 UStAE verwiesen.

Aus der geschichtlichen Entwicklung des § 4 Nr. 11b UStG folge, dass diese nationale Befreiungsvorschrift Art. 132 Abs. 1a MwStSystRL umsetze, der seinerseits nur Einrichtungen erfasse, die dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten verfolgten. Deshalb müssten die Mitgliedstaaten für Postdienstleistungen einerseits sicherstellen, dass ein Universaldienst zur Verfügung stehe, der ständig flächendeckend postalische Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer anbiete, andererseits könnten nicht alle Postdienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit werden, sondern nur diejenigen, die dem Gemeinwohl dienten.

Entsprechend dem EuGH-Urteil vom 23.01.2009 - C-357/07, TNT Post UK Ltd., sollten daher nur diejenigen Post-Universaldienstleistungen in der Neufassung des § 4 Nr. 11b UStG ab dem 01.07.2010 von der Umsatzsteuer befreit werden, mit denen eine Grundversorgung der Bevölkerung zu einer bestimmten Qualität flächendeckend für alle Nutzer zu tragbaren Preisen gewährleistet sei. Ein tragbarer Preis liege vor, wenn er dem realen Preis für die durchschnittliche Nachfrage eines Privathaushaltes entspreche. Deshalb fielen die in § 4 Nr. 11b S. 3 UStG beschriebenen Leistungen nicht unter die Steuerbefreiung.

Aus den Ausführungen in der BT-Drucksache 17/506 lasse sich entnehmen, dass Postdienstleistungen, die eine Einlieferung beim Anbieter anböten und der Versand von Postsendungen ab einer bestimmten Einlieferungsmenge nicht steuerbefreit seien, da sie über die Grundversorgung der Bevölkerung hinausgingen und den besonderen Bedürfnissen von Wirtschaftsteilnehmern entsprächen. Deshalb seien alle Postdienstleistungen steuerpflichtig, die auf Sonderkonditionen beruhten. Unerheblich sei, ob die Sonderkonditionen individuell ausgehandelt oder durch AGB vereinbart würden (BT-Drucksache 17/813, Seite 9). Auch in "AGB verpackte" Sonderkonditionen stünden einer Steuerbefreiung entgegen.

Demzufolge könnten weder die Produkte DV-freigemachte Sendungen, Teilleistungen oder Brief International zum Kilotarif steuerbefreit sein, beinhalteten sie doch, auch wenn den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Kunden AGB zugrunde lägen, Individualvereinbarungen. Diese Produkte dienten allein dem Interesse von Großkunden, möglichst preiswert Post zu versenden, stünden aber nicht im Interesse der Allgemeinheit und dienten auch nicht dem Gemeinwohl.

Universaldienstleistungen lägen im Übrigen nur vor, wenn die jeweilige Postleistung nach § 19 S. 1 PostG genehmigungspflichtig sei.

Nachnahmesendungen seien zwar in § 1 Abs. 2 Nr. 3 PUDLV erwähnt, würden jedoch zu Qualifikationsmerkmalen erbracht, die von denjenigen in § 2 PUDLV abwichen. Auch der Gesetzgeber (BT-DRS 17/506, Seite 31) habe Nachnahmesendungen ausdrücklich "als nicht mehr umsatzsteuerbefreit" angesehen. Auf Abs. 4.11b.1. Abs. 5 Nr. 4 UStAE werde verwiesen. Die Nachnahmesendungen seien mit sämtlichen Leistungselementen - Beförderung, Forderungseinziehung und Überweisung des Nachnahmebetrages an den Absender - eine einheitliche steuerpflichtige Leistung.

Das Produkt Sperrgut/Rolle betreffe Postdienstleistungen, die durch ihre Abmessungen einer besonderen betrieblichen Behandlung bedürften, kein Postpaket im Sinne des Art. 3 Abs. 4 Spiegelstrich 2 PostDRL darstellten und dementsprechend gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 PUDLV nicht zu den Universaldienstleistungen zählten. Die Klägerin gehe ja auch selbst davon aus, dass Sperrgutsendungen keine Paketsendung im Sinne des Universaldienstes seien, da sie spezielle Tarife für die Beförderung berechne.

Die Grundsätze der EuGH-Entscheidung vom 16.10.2019 - C-4/18, - C-5/18, Winterhoff, beträfen den Sonderfall der förmlichen Zustellung durch Gerichte und Verwaltungsbehörden und könnten nicht auf die vorliegend im Streit stehenden Postprodukte angewandt werden.

Auf das gerichtliche Schreiben an die Klägerin vom 22.01.2021 sowie die Schriftsätze der Klägerin vom 29.01.2021 und 01.02.2021 wird verwiesen.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 23.10.2020 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als dort die Produkte DV-freigemachte Sendungen, Brief mit Handyporto, Teilleistungen, Brief International zum Kilotarif und Nachnahme Brief als umsatzsteuerpflichtig behandelt worden sind. Die genannten Produkte sind gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerfrei.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Die Produkte Nachnahme Paket und Sperrgut/Rolle hat der Beklagte zu Recht in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 23.10.2020 der Umsatzsteuer unterworfen.

1.

Gemäß § 4 Nr. 11b S. 1 UStG sind Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (im Folgenden Postdienstrichtlinie - PostDRL 97/67/EG), die zuletzt durch die Richtlinie 2008/6/EG (im folgenden PostDRL 2008/6/EG) geändert worden ist, durch Unternehmer gemäß § 4 Nr. 11b S. 2 UStG steuerbefreit.

2.

Unternehmer nach § 4 Nr. 11b S. 2 UStG ist derjenige, der sich gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Bereich der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit der Universaldienstleistungen oder einen Teilbereich dieser Leistungen gemäß § 4 Nr. 11b S. 1 UStG anzubieten und dafür eine Bescheinigung von dem BZSt erhalten hat.

Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin der Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b S. 2 UStG und damit Unternehmerin (Universalpostdienstleisterin) nach § 4 Nr. 11b S. 2 UStG.

3.

§ 4 Nr. 11b S. 3 UStG benennt Ausnahmen von der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b S. 1 UStG und hat folgenden Wortlaut:

Die Steuerbefreiung gilt nicht für Leistungen, die der Unternehmer erbringt

a) aufgrund individuell ausgehandelter Vereinbarungen oder

b) aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen

(Alternative 1:) zu abweichenden Qualitätsbedingungen oder

(Alternative 2:) zu günstigeren Preisen

(Fall 1:) als den nach den allgemein für jedermann zugänglichen Tarifen oder

(Fall 2:) als den nach § 19 PostG genehmigten Entgelten.

4.

Mit dem mit Wirkung ab dem 01.07.2010 neu gefassten § 4 Nr. 11b S. 2 UStG verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL im Einklang mit der zu dieser Richtlinienvorschrift ergangenen EuGH-Rechtsprechung in nationales Recht umzusetzen.

Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL besagt, dass die Mitgliedstaaten bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Umsätze von der Umsatzsteuer befreien, und zwar bezogen auf Postprodukte "die von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen und dazugehörigen Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen."

Der Wortlaut der Richtlinienvorschrift erweckt den Eindruck, dass jede Postdienstleistung, die von einer öffentlichen Posteinrichtung wie - unstreitig - der Klägerin erbracht wird, steuerbefreit ist. Dem ist aber entsprechend der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung nicht so.

Der EuGH verknüpft die Umsatzsteuerbefreiung gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL für postalische Dienstleistungen in seinen Urteilen vom 23.04.2009 - C-357/07, TNT, Post UK Ltd. (EuGH, Urteil vom 23.04.2009 - C-357/07, TNT, Post UK Ltd, juris, Rn. 33, 34, 35) und vom 16.10.2019, - C-4/18 und C-5/18, Winterhoff (EuGH, Urteil vom 16.10.2019, - C-4/18 und C-5/18, Winterhoff, juris, Rn. 49) mit dem in der PostDRL geregelten Begriff des Universaldienstes.

Demnach entspricht der mit den in Art. 132 MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiungen verfolgte Zweck, bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten zu fördern, im Postbereich dem Zweck, die postalischen Dienstleistungen, die den Grundbedürfnissen der Bevölkerung entsprechen, zu ermäßigten Kosten anzubieten. Dem wiederum entspricht der Zweck des in der PostDRL 97/67/EG geregelten Universaldienstes.

Hieraus schließt der erkennende Senat, dass zur richtlinienkonformen Bestimmung einer steuerfreien Universaldienstleistung im Sinne des § 4 Nr. 11b UStG neben der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung die PostDRL und die sie umsetzenden nationalen Bestimmungen in ihrer Gesamtheit und nicht entsprechend dem Wortlaut von § 4 Nr. 11b UStG lediglich Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG sowie § 19 des Postgesetzes (PostG) heranzuziehen sind.

Diese Auffassung vertritt im Ergebnis auch der Beklagte, der z.B. §§ 2 ff Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) heranzieht, um die Bedeutung des Begriffs "abweichende Qualitätsbedingungen" in § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 1. Alt. UStG (in seinem Sinn) bestimmen zu können und der zudem zur Begründung seiner hier vertretenen Rechtsauffassungen diverse Absätze des Abschn. 4.11b.1. UStAE zitiert, die ihrerseits auf Interpretationen der PUDLV und des PostG und ihres Zusammenspiels zur Bestimmung dessen, was eine steuerbefreite Post-Universalleistung gemäß § 4 Nr. 11b UStG ausmacht, zurückgreifen (siehe auch Bundestag Drucksache 17/506, Seite 30 rechte Spalte, Seite 31 linke Spalte).

Zielsetzung der insgesamt heranzuziehenden PostDRL ist gemäß Art. 1 PostDRL 97/67/EG u.a. die Bereitstellung und die Finanzierung eines Universalpostdienstes in der Gemeinschaft.

Entsprechend den Ausführungen des EuGH (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 - C-4/18 und 5/18, Winterhoff, juris, Rn. 51) werden die Eckpunkte des Begriffs "Leistungen des Universaldiensts" in Art. 3 Abs. 1 PostDRL 97/67/EG definiert.

Den Post-Universaldienst charakterisiert demnach das ständige Angebot flächendeckender postalischer Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer.

5.

Bezüglich der Nutzer des steuerbefreiten Post-Universaldienstes hat der EuGH (Urteil vom 16.10.2019 - C-4/18 und 5/18, Winterhoff, juris, Rn. 60) klargestellt, dass nach Art. 2 Nr. 17 PostDRL 97/67/EG Nutzer alle natürlichen und juristischen Personen sind, die den Universaldienst als Absender oder Empfänger in Anspruch nehmen.

Der so bestimmte Nutzerkreis des Post-Universaldienstes stimmt auch mit demjenigen in Art. 1.1 und Art. 3.1 des Weltpostvertrags, einem völkerrechtlicher Vertrag, abgeschlossen zwischen den dem Weltpostverein beigetretenen Staaten, u.a. auch Deutschland, überein.

Ob der Absender oder der Empfänger der Universaldienstleistung ein Privatkunde/Privathaushalt oder ein Geschäftskunde/Unternehmer ist, ändert an seiner Qualifizierung als Nutzer des Universaldienstes gemäß Art. 3 Abs. 1 PostDRL 97/67/EG nichts. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass nach dem 2. Erwägungsgrund der PostDRL 97/67/EG die Verwirklichung des Binnenmarktes im Postsektor für den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft von großer Bedeutung ist, da die Postdienste ein wichtiges Instrument für Kommunikation und Handel sind. Im 8. Erwägungsgrund der PostDRL 2008/6/EG wird des Weiteren die Bedeutung effizienter Postdienste für eine wettbewerbsfähige und dynamische Wirtschaft herausgestellt. Die Zielsetzung der PostDRL, u.a. die Bereitstellung und die Finanzierung eines Universalpostdienstes in der Gemeinschaft (vgl. Art. 1 PostDRL 97/67/EG) für alle Nutzer, findet sich auch in dem 39. Erwägungsgrund der PostDRL 2008/6/EG, nach dem Tarife für Teilleistungen, die von Universaldienstanbietern für alle Nutzer, einschließlich Unternehmen, Massenversendern und Konsolidierern, erbracht werden, günstiger als die Tarife für die kompletten Standarddienstleistungen sein sollten. In Art. 12 Spiegelstrich 5 PostDRL 2008/6/EG ist ausdrücklich von auch für Geschäftskunden zugänglichen Universaldienstleistungen die Rede.

Dementsprechend hat die Generalanwältin in dem EuGH-Verfahren TNT Post UK Ltd (Schlussanträge Generalanwältin vom 15.01.2009 - C-357/07, TNT Post UK Ltd., Celex-Nr. 62007CC0357, Rn. 85) festgestellt, dass es im Interesse des Gemeinwohls liegt, neben den Privatkunden/Privathaushalten den gewerblichen Kunden ein öffentliches Postnetz bereitzustellen.

Hieraus folgt, dass dann keine steuerfreie Universalleistung vorliegt, wenn eine Postdienstleistung nicht für alle Nutzer zugänglich ist, weil der Universalpostdienstleister die Dienstleistung einzelvertraglich mit einem Kunden unter Beachtung von dessen besonderen Bedürfnissen vereinbart hat (siehe § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. a UStG in Umsetzung von EuGH, Urteil vom 23.04.2009 - C-357/07, TNT, Post UK Ltd, juris, Rn. 44, 46, 47; siehe auch 15. Erwägungsgrund der PostDRL 97/67/EG)

6.

Neben Artikel 3 Abs.1 PostDRL 97/67/EG zieht der EuGH (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 - C-4/18 und 5/18, Winterhoff, juris, Rn. 51ff) explizit Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG zur Bestimmung der Merkmale einer gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL steuerbefreiten Universaldienstleistung heran.

In Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG werden die steuerbefreiten Universaldienstleistungen beschrieben, die in jedem Mitgliedstaat mindestens anzubieten sind, nämlich die Abholung, das Sortieren, der Transport und die Zustellung von Postsendungen bis 2 Kg und Postpaketen bis 10 Kg sowie Dienste für Einschreib- und Wertsendungen.

Der in Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG enthaltene Begriff "mindestens" verdeutlicht nach Auffassung des EuGH (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 - C-4/18 und C-5/18, Winterhoff, juris, Rn. 53), dass ein Mitgliedstaat sicherstellen muss, dass die dort genannten Leistungen gewährleistet sind (Mindestangebot). Daher kann ein Mitgliedstaat auch weitere Postdienstleistungen rechtlich als Universaldienstleistungen einordnen. Als Ergebnis können in den Mitgliedstaaten die zum Universaldienst rechnenden Postdienstleistungen differieren, sofern der jeweilige Mitgliedstaat das Mindestangebot an Universaldienstleistungen gewährleistet.

Die Einordnung von förmlichen Zustellungen (PZU) als Universaldienstleistungen durch das EuGH-Urteil vom 16.10.2019 - C-4/18 und C-5 -5/18, Winterhoff (EuGH, Urteil vom 16.10.2019 - C-4/18 und C-5 -5/18, Winterhoff, juris) zeigt zudem, wie ggf. durch die Rechtsprechung das aus der Verknüpfung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL mit der PostDRL in nationalen Gesetzen umgesetzte Mindestangebot an Universaldienstleistungen richtlinienkonform zu gewährleisten ist.

Eine weitere Konkretisierung der Universaldienstleistungen erkennt der EuGH in den in Art. 2 PostDRL 97/67/EG enthaltenen Definitionen.

Von Bedeutung für den Begriff der Universaldienstleistung ist auch Art. 5 Abs. 1 PostDRL 97/67/EG, der die Anforderungen an die Bereitstellung des Universaldienstes regelt, u.a. unter Spiegelstrich 2 durch gleiche Leistungen für die Nutzer, soweit vergleichbare Voraussetzungen gegeben sind, sowie unter Spiegelstich 5 durch Weiterentwicklung entsprechend den technischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten sowie gemäß den Bedürfnissen der Nutzer.

Für Sondertarife für Universaldienstleistungen regelt Art. 12 Spiegelstrich 5 PostDRL 2008/6/EG, dass diese Tarife allen Nutzern zu gewähren sind.

7.

National werden die in der PostDRL 97/67/EG beschriebenen Universaldienstleistungen im PostG und in der PUDLV ebenfalls beschrieben, was teilweise zu Überschneidungen, teilweise zu Konkretisierungen führt.

So sind Postsendungen gemäß Art. 2 Nr. 3 PostDRL 97/67/EG "adressierte Sendungen", und zwar sowohl Briefsendungen als auch Postpakete.

§ 4 Nr. 1 PostG definiert den Begriff Postdienstleistungen u.a. als die Beförderung von Briefsendungen und Paketen.

In dem in § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alt. Fall 2 UStG in Bezug genommenen § 19 PostG ist geregelt, dass der Postdienstleister Entgelte für Briefsendungen bis 1000 g (lizenzpflichtige Postdienstleistungen gemäß § 5 Abs. 1 PostG) durch die Bundesnetzagentur genehmigen lassen muss, sofern die Einlieferungsmenge unter 50 Briefsendungen liegt. § 28 PostG bestimmt, dass ein Postdienstleister, der marktbeherrschend ist, für lizenzpflichtige Postdienstleistungen gemäß § 5 Abs. 1 PostG (Briefsendungen bis 1000 g) bei entsprechender Nachfrage Teile der von ihm erbrachten Beförderungsleistungen (Teilleistungen) gesondert anzubieten hat.

§ 11 Abs. 1 PostG wiederholt - in Übereinstimmung mit Art. 3 ff. PostDRL im Zusammenspiel mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL -, dass Universaldienstleistungen ein Mindestangebot an Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 1 PostG sind, die flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden und allgemein als unabdingbar angesehen werden (so in etwa auch § 2 Abs. 2 Nr. 3 PostG).

Inhalt und Umfang des Universaldienstes sind gemäß § 11 Abs. 2 PostG in einer Rechtsverordnung festzulegen. Dies ist in Gestalt der PUDLV geschehen.

Soweit hier relevant definiert § 1 PUDLV die Postdienstleistungen, die der nationale Gesetzgeber als Universaldienstleistungen einordnet.

Dies sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PUDLV die Beförderung von Briefsendungen im Sinne des § 4 Nr. 2 PostG sowie die Beförderung von adressierten Paketen. Nachnahmesendungen (Briefsendungen, die erst nach Einziehung eines bestimmten Geldbetrages dem Empfänger ausgehändigt werden) werden gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 PUDLV als von der Briefbeförderung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 PUDLV umfasste Sendungsformen ebenfalls als Universaldienstleistungen eingeordnet.

Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 PUDLV ist die Beförderung unter anderem von Paketen, die

wegen ihres Inhalts oder ihrer Abmessungen einer besonderen betrieblichen Behandlung bedürfen, keine Universaldienstleistung.

Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung und der Paketbeförderung im Universaldienst werden in § 2 und § 3 PUDLV aufgezählt. Demnach muss eine gewisse Anzahl von stationären Einrichtungen vorhanden sein, in denen Beförderungsleistungen von Briefen oder Paketen abgewickelt werden können. Briefkästen müssen ausreichend überall zur Verfügung stehen und sind in einem bestimmten Rhythmus zu entleeren. Die Beförderungsdauer ist ebenso wie die Art und Weise der Zustellung der Brief- und Paketsendungen festgelegt.

§ 6 Abs. 1 PUDLV regelt, dass das Entgelt für die Beförderung von Briefsendungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 PUDLV dann als erschwinglich gilt, wenn es den am 31.12.1997 geltenden realen Preis für die durchschnittliche Nachfrage eines Privathaushalts nach einer Beförderung von derartigen Briefsendungen nicht übersteigt.

Aus § 6 Abs. 2 S. 2 PUDLV folgt, dass § 6 Abs. 1 PUDLV nicht gilt, wenn eine Beförderung von Briefsendungen mit einer Mindesteinlieferungsmenge von über 49 Stück je Einlieferungsvorgang stattfindet. In diesen Fällen gilt § 6 Abs. 2 S. 1 PUDLV, nach dem der Preis als erschwinglich gilt, der sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientiert.

8.

Unter Zugrundelegung der zitierten EuGH-Rechtsprechung im Zusammenspiel mit Art. 132 Abs. 1 Buchst.a MwstSystRL, den angeführten Regelungen der PostDRL 97/67/EG / 2008/6/EG und nationalen Vorschriften zu Universaldienstleistungen (PostG und PUDLV) ergibt sich, dass die Produkte

- DV-freigemachte Briefsendungen,

- Brief mit Handyporto,

- Teilleistungen,

- Brief International zum Kilotarif und

- Nachnahme Brief

im Gegensatz zu den Produkten

- Nachnahme Paket und

- Sperrgut/Rolle

Leistungen des Universalpostdienstes sind, die unter richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 11b UStG steuerfrei sind.

9.

DV-freigemachte Briefsendungen sind Universaldienstleistungen, die gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit sind.

9.1

Briefsendungen, die die Klägerin befördert, können DV-freigemacht werden.

Die Beförderung von Briefsendungen ist entsprechend den obigen Ausführungen grundsätzlich eine gemäß § 4 Nr. 11b S.1 UStG steuerbefreite Universaldienstleistung.

Um die DV-Freimachung für Briefsendungen einsetzen zu können, schließt die Klägerin mit dem jeweiligen Kunden eine Vereinbarung gemäß ihrer "AGB DV-Anlagen" ab.

9.2

Der erkennende Senat kann in den von der Klägerin benutzten "AGB DV-Anlagen" nicht die von dem Beklagten für eine Verneinung der Steuerbefreiung angeführten, auch in der Bundestag-Drucksache 17/813, Seite 9, erwähnten, "verpackten" Sonderkonditionen feststellen, die nach Auffassung des Beklagten zu einer Verneinung der Steuerbefreiung der DV-freigemachten Briefsendungen als Sondervereinbarungen gemäß oder analog § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. a UStG führen sollen.

Gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei, dem Kunden, bei Abschluss eines Vertrages stellt. Das Merkmal "Stellen der Vertragsbedingungen" ist erfüllt, wenn eine Vertragspartei die vorformulierten Bedingungen in die Verhandlungen einbringt und deren Einbeziehung in den Vertrag verlangt. Das "Stellen" entfällt nicht schon dadurch, dass der Kunde zwischen verschiedenen Regelungsalternativen wählen kann oder der Formulartext die Aufforderung zu Änderungen oder Streichungen enthält, sondern erst dann, wenn der Kunde in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen, so dass die Einbeziehung auf einer freien Entscheidung beruht. (BGH, Urteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 67/09, juris; BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 26/15, juris).

Aushandeln ist das Gegenteil von "Stellen". Eine Individualvereinbarung kennzeichnet gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 BGB, dass der Verwender und der Kunde die Vertragsbedingungen im Einzelnen aushandeln.

Im Streitfall können die Kunden der Klägerin die Vertragsbedingungen für die DV-Freimachung nur so, wie von der Klägerin gestellt, akzeptieren. Die entsprechend den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Formularen zu treffende individuelle Bestimmung der jeweiligen Einlieferungsstelle für die DV-freigemachten Sendungen ändert daran nichts.

9.3

Dass die Briefsendungen vom Kunden fortlaufend zu nummerieren, in den vereinbarten Einlieferungsstellen der Klägerin abzugeben, die zu den Sendungen gehörigen Einlieferungsbelege und Protokolle sowie Versandpläne vorzulegen und bestimmte Mindestmengen an Briefen einzureichen sind, führt nicht gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 1. Alt. UStG zu einer Verneinung der Steuerbefreiung.

Danach scheidet die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b UStG aus, wenn der Unternehmer Postdienstleistungen aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu "abweichenden Qualitätsbedingungen" erbringt.

Welche Qualitätsbedingungen Universaldienstleistungen auszeichnen, lässt sich nicht aus § 4 Nr. 11b UStG entnehmen, sondern nur unter Zugrundelegung der bereits zitierten EuGH-Rechtsprechung zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwstSystRL, den angeführten Regelungen der PostDRL 97/67/EG // 2008/6/EG, dem PostG und der PUDLV ableiten.

Als Qualitätsmerkmale der Briefbeförderung sind in § 2 PUDLV im Wesentlichen das Vorhandensein einer gewissen Anzahl von stationären Einrichtungen, in denen Beförderungsleistungen von Briefen abgewickelt werden können, die Beförderungsdauer und die Art und Weise der Zustellung der Briefsendungen festgelegt.

Der erkennende Senat vermag nicht zu erkennen, inwiefern die beschriebene freiwillige Mitwirkung der Kunden im Rahmen der DV-Freimachung bis zur Ablieferung der Briefsendungen in der vereinbarten Einlieferungsstelle an diesen Qualitätsmerkmalen des Universaldienstes etwas ändert. Auch bei anderen Sendungsformen, z.B. den Einschreibsendungen, die aufgrund ihrer Erwähnung in Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG unstreitig zum Universaldienst gehören, hat der Kunde Mitwirkungspflichten. Er muss einen Rückschein ausfüllen und diesen auf der Sendung befestigen.

Die für die DV-Freimachung erforderliche durchschnittliche Mindestmenge je Einlieferung kombiniert mit einem Rabatt ist auch kein dem Universaldienst fremdes Qualitätsmerkmal. Art. 12 Spiegelstrich 5 PostDRL 2008/6/EG sieht für Universaldienstleistungen an Geschäftskunden, Massenversender oder Konsolidierer, die per se nicht aus der Beförderung eines einzigen Standardbriefes bestehen, ausdrücklich Sondertarife vor.

9.4

Die Steuerbefreiung entfällt auch nicht wegen des 1%igen Rabattes, den die Klägerin den Kunden bei Briefsendungen mit DV-Freimachung gewährt.

Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alt. Fall 1 UStG, nach der keine steuerfreie Universaldienstleistung vorliegt, wenn eine Postdienstleistung aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu günstigeren Preisen als den nach den allgemein für jedermann zugänglichen Tarifen erbracht wird, sind nicht gegeben.

Die DV-Freimachung kann nach Aktenlage von allen Kunden in Anspruch genommen werden.

Die Sendungsform entspricht damit Art. 12 Spiegelstrich 5 PostDRL 2008/6/EG, der Universaldienstleistungen wie die Beförderung von Briefsendungen mit DV-Freimachung durch Geschäftskunden, Massenversender oder Konsolidierer Sondertarife ausdrücklich an die Bedingung knüpft, dass diese Tarife auch allen anderen Nutzern gewährt werden, insbesondere Privatkunden und kleinen und mittleren Unternehmen, die Sendungen unter vergleichbaren Bedingungen einliefern. Dem entspricht Art. 5 Spiegelstrich 2 PostDRL 97/67/EG, der bestimmt, dass der Universaldienst gleiche Leistungen für die Nutzer, soweit vergleichbare Voraussetzungen gegeben sind, voraussetzt.

§ 6 Abs. 2 S. 2 PUDLV regelt für (Brief-)Sendungen bei einer Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück, dass eine Universaldienstleistung zu einem erschwinglichen Preis gemäß § 11 Abs. 1 PostG vorliegt, wenn sich das Entgelt an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientiert. Dass diese Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt ist, ist nicht vorgetragen worden und nach Aktenlage nicht feststellbar.

Für das vom Beklagten angeführte Kriterium/Qualitätsmerkmal zur Bejahung einer Universaldienstleistung bei DV-freigemachten Briefsendungen - die Erschwinglichkeit des für diese Sendungen geltenden Entgelts für die durchschnittliche Nachfrage eines Privathaushalts bzw. das "allgemeine Bevölkerungsgrundbedürfnis" -, findet der erkennende Senat hingegen keine Rechtsgrundlage.

Nur die Nachfrage eines Privathaushalts heranzuziehen zur Bestimmung, ob eine Universaldienstleistung im Postbereich vorliegt, verbietet sich nach Auffassung des erkennenden Senats auch schon deshalb, weil nach der zitierten EuGH-Rechtsprechung Nutzer des Universalpostdienstes Privathaushalte ebenso wie Geschäftskunden sind.

9.5

Nicht einschlägig ist auch § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alt. Fall 2 UStG.

Danach gilt die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b UStG nicht für Leistungen, die der Unternehmer aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu günstigeren Preisen als den nach § 19 PostG genehmigten Entgelten erbringt.

§ 19 S. 2 PostG bestimmt ausdrücklich, dass für Briefsendungen ab einer Mindesteinlieferungsmenge von 50 Briefsendungen das Erfordernis einer Genehmigung der angewandten Entgelte nach § 19 S. 1 PostG, auf das sich § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alt. Fall 2 UStG bezieht, nicht gilt.

DV-freigemachte Briefsendungen haben stets eine höhere Mindesteinlieferungsmenge.

9.6

Als Ergebnis der Steuerbefreiung des Produkts DV-freigemachte Briefsendungen entfällt Umsatzsteuer in Höhe von ... € unter Hinzurechnung von Vorsteuer in Höhe von ... €.

10.

Das Produkt Brief mit Handyporto ist als Universaldienstleistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit.

10.1

Mit Handyporto konnten im Streitjahr (bis Anfang 2021) Briefsendungen auf einem anderen Weg freigemacht werden als mittels der klassischen Briefmarke. Das Entgelt erfolgte über eine Mobilfunkabwicklungsgebühr, die höher war als das Entgelt für eine entsprechende Briefmarke.

Wegen der anderen Art von Bezahlung und Vertriebsweg erkennt der Beklagte in der Briefsendung mit Handyporto zu Unrecht eine Postdienstleistung zu "abweichenden Qualitätsbedingungen" gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 1. Alt UStG, und formuliert des Weiteren, mit dem Produkt werde das "allgemeine Bevölkerungsgrundbedürfnis" nicht angesprochen.

Hierzu ist zu vermerken, dass Universaldienstleistungen gemäß Art. 5 Abs. 1 Spiegelstrich 5 PostDRL 97/67/EG entsprechend den technischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten sowie gemäß den Bedürfnissen der Nutzer weiterzuentwickeln sind.

Dieser Qualitätsbedingung entsprach die Briefversendung mittels Handyporto nach Auffassung des erkennenden Senats, denn sie ermöglichte der Bevölkerung, die im Streitjahr bereits fast flächendeckend über Handys verfügte, die Freimachung und Versendung von Briefen ohne die lästige Suche nach einem funktionierenden Briefmarkenautomaten, machte unabhängig von Öffnungszeiten der Postämter und erübrigte die Vorratshaltung von Briefmarken mit der Gefahr, dass diese wegen der häufigen Gebührenänderungen zur Freimachung nicht ausreichten.

10.2

Als Ergebnis entfällt Umsatzsteuer in Höhe von ... €. Vorsteuer ist in Bezug auf das Produkt Brief mit Handyporto nach unstreitigem Vortrag der Klägerin nicht angefallen.

11.

Das Produkt Teilleistungen und sein internationales Pendant, das Produkt Brief International zum Kilotarif (BzK), sind als Universaldienstleistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit.

Sofern die Klägerin als Organträgerin eine Organgesellschaft als Konsolidiererin eingeschaltet hat, die mit Kunden einen Teilleistungsvertrag abgeschlossen hat, sind die Dienstleistungen der Organgesellschaft als unselbstständige Bestandteile der von der Klägerin als Organträgerin im weiteren Verlauf bezüglich der beförderten Briefe erbrachten Universaldienstleistungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG steuerbefreit.

Die aufgrund der vorliegenden Verträge erzielten Umsätze bilden unstreitig nur einen minimalen Teil der von der Klägerin im Streitjahr mit Teilleistungen erzielten Umsätze ab. Allerdings hat die Klägerin nur die Umsätze, die sie aufgrund der dem Gericht vorgelegten drei Verträge über Teilleistungen bzw. BzK erzielt hat, gegenüber ihren Kunden ohne Umsatzsteuerausweis berechnet. Vorsteuern sind nach unbestrittenem Vortrag der Klägerin auf Teilleistungen nicht erklärt worden und die hinsichtlich der steuerpflichtig abgerechneten Teilleistungen vereinnahmte Umsatzsteuer ist erklärt und festgesetzt worden.

11.1

Die Klägerin ist mit der Beförderung von Briefen gemäß § 5 Abs. 1 PostG marktbeherrschend und verpflichtet, Teile der von ihr angebotenen Beförderungsleistung gesondert anzubieten (sogenannte Teilleistungen gemäß § 28 Abs. 1 PostG).

Dieser Verpflichtung kommt die Klägerin durch das Angebot nach, teilleistungsfähige Briefsendungen zu bestimmten Mindestmengen (50 Briefsendungen bei Teilleistungen und monatlich 500 Briefsendungen bei BzK) in ihren Briefzentren entgegenzunehmen, wenn der Kunde sogenannte Vorbereitungshandlungen (d.h. das Vorsortieren, das Frankieren (über DV oder Absenderfreistempelmaschine -AFM-), den Transport zum Briefzentrum) vorab erledigt hat.

Die Klägerin schließt mit den Kunden zu diesem Zweck Vereinbarungen zu den in ihren "AGB Teilleistung Kunde Brief" bzw. "AGB Teilleistung gewerbsmäßige Konsolidierung Brief" und "AGB Brief International" festgelegten Bedingungen ab. Sofern B als Konsolidiererin mit Kunden einen Vertrag über Teilleistungen abschließt, sind die "AGB B" einschlägig (Bl. 441, 442 Prozessakte).

Den Kunden werden abhängig von der monatlichen Einlieferungsmenge Rabatte (Entgeltermäßigungen) gemäß § 28 Abs. 2 S. 3 PostG direkt durch die Klägerin oder über die Konsolidiererin gewährt.

11.2

Im Streitjahr hat die Klägerin mit C einen Teilleistungsvertrag über teilleistungsfähige Briefsendungen abgeschlossen (Anl. 20 zum klägerischen Schriftsatz vom 31.10.2018). Danach verpflichtete sich C dazu, bei der Klägerin Briefsendungen einzuliefern, die es zuvor unter Verwendung eines auf einer AFM geladenen Guthabens freigemacht hatte.

Mit dem Kunden D hat die Klägerin einen Vertrag über die Beförderung von BzK abgeschlossen, in dem sich der Kunde entsprechend den "AGB Brief International" verpflichtet hat, die Freimachung der Sendungen unter Anbringung des Vermerks Priority/Prioritaire/Luftpost vorzunehmen und die Sendungen mit vollständig ausgefüllter Einlieferungsliste bei einer der Annahmestellen der Klägerin einzuliefern (Anl. 27, 28 zum klägerischen Schriftsatz vom 31.10.2018).

Gemäß § 28 Abs. 2 S. 3 PostG hat die Klägerin ihren Kunden Rabatte gewährt.

11.3

Die Klägerin hat mit den Teilleistungen zu einem geringeren Preis, der den durch die Vorleistungen der Kunden eingesparten Kosten Rechnung trägt, in Einklang mit der PostDRL, dem PostG und der PUDLV Universaldienstleistungen erbracht.

Zwar hat die Klägerin nicht den bei einer Beförderung von Briefen grundsätzlich anfallenden Standarddienst (Einsammeln, Sortierung, Transport und Zustellung der Briefe) komplett erbracht, sondern entsprechend ihrer Verpflichtung gemäß § 28 Abs. 1 PostG Teilleistungen angeboten.

Indem die Klägerin der gesetzlichen Verpflichtung, Teilleistungen anzubieten, nachkommt, verlieren diese Leistungen nach Auffassung des erkennenden Senats nicht ihre Qualität als Universaldienstleistungen.

Dies folgt zum einen aus den in § 2 PUDLV festgelegten Qualitätsmerkmalen des Universaldienstes. Gemäß § 2 Nr. 4 PUDLV kann der Empfänger einer Briefsendung auf die Zustellung eines Briefes verzichten, wenn er erklärt, den Brief in einer Filiale abzuholen, ohne dass die Beförderung des Briefes dadurch ihren Charakter als Universaldienstleistung verliert. Auf derselben Ebene liegt, wenn ein Kunde die Sortierung oder Freimachung seiner Briefsendungen freiwillig übernimmt.

Die Qualität der Teilleistung als Universalleistung folgt des Weiteren aus der Erwägung 39 PostDRL 2008/6/EG. Danach können Universaldienstanbieter für Dienstleistungen flexiblere Preise im Einklang mit dem Grundsatz der Kostenorientierung ansetzen, wenn sie damit dem Umstand Rechnung tragen, dass die Beförderungskosten durch Teilleistungen im Vergleich zum kompletten Standarddienst geringer ausfallen.

11.4

Der erkennende Senat kann in den von der Klägerin gestellten "AGB Teilleistung Kunde Brief" bzw. "AGB Teilleistung gewerbsmäßige Konsolidierung Brief" und "AGB Brief International" nicht die von dem Beklagten für eine Verneinung der Steuerbefreiung angeführten, auch in der Bundestag Drucksache 17/813, Seite 9, erwähnten, "verpackten" Sonderkonditionen feststellen, die nach Auffassung des Beklagten zu einer Verneinung der Steuerbefreiung der Teilleistungen als Sondervereinbarungen gemäß oder analog § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. a UStG führen sollen.

Hierzu wird zur Begründung auf die Ausführungen zu der Bedeutung der Verwendung von AGB im Zusammenhang mit der Universaldienstleistung DV-freigemachte Briefe unter Rn. 9.2 des Urteils verwiesen.

11.5

Dass die Briefsendungen aufgrund der Teilleistungsverträge vom Kunden unter anderem freizumachen, in den vereinbarten Einlieferungsstellen der Klägerin abzugeben und bestimmte Mindestmengen an Briefen einzureichen sind, führt nicht gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 1. Alt UStG zu einer Verneinung der Steuerbefreiung. Insoweit wird auf die Ausführungen zu der Bedeutung des Begriffs zu "abweichenden Qualitätsbedingungen" im Zusammenhang mit der Universaldienstleistungen DV-freigemachte Briefe unter Rn. 9.3 des Urteils verwiesen.

11.6

Die Steuerbefreiung entfällt auch nicht wegen des Rabattes, den die Klägerin den Kunden bei Abschluss von Teilleistungsverträgen gewährt.

Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alt. Fall 1 UStG, nach der keine steuerfreie Universaldienstleistung vorliegt, wenn eine Postdienstleistungen aufgrund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu günstigeren Preisen als den nach den allgemein für jedermann zugänglichen Tarifen erbracht wird, sind nicht gegeben.

Ebenso wie die DV-freigemachte Briefsendung wird für alle Nutzer, einschließlich Unternehmen, Massenversendern und Konsolidierern, das Produkt Teilleistung und das Produkt BzK angeboten. Zur weiteren Begründung der Steuerbefreiung bei von der Klägerin eingeräumten Preisnachlässen wird demzufolge auf die Ausführungen zu dem Produkt DV-freigemachte Briefe unter Rn. 9.4 des Urteils verwiesen.

11.7

Wie für DV-freigemachte Briefsendungen ist auch für das Produkt Teilleistung und das Produkt BzK wegen der Mindesteinlieferungsmenge von 50 Briefsendungen die Verneinung der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b S. 3 Buchst. b 2. Alt. Fall 2 UStG nicht einschlägig. Insoweit wird auf die Begründung unter Rn. 9.5 des Urteils verwiesen.

11.8

Die Klägerin hat auch über ihre Organgesellschaft B mit dem Beklagten der Form nach einen weiteren Teilleistungsvertrag über teilleistungsfähige Briefsendungen (Anl. 22 zum klägerischen Schriftsatz vom 31.10.2018) abgeschlossen.

Die von der Organgesellschaft B erbrachten Postdienstleistungen sind allerdings wegen des mit der Klägerin bestehenden Organschaftverhältnisses keine Teilleistungen. Wegen des Organschaftverhältnisses sind die Postdienstleistungen der Organgesellschaft ein unselbstständiger Bestandteil der Universaldienstleistung Briefsendung der Klägerin als Organträgerin an den Beklagten (BFH, Urteil vom 29. 10. 2008 - XI R 74/07, juris, Rn.27-31) und damit steuerfrei.

11.9

Als Ergebnis entfallen die Umsatzsteuer aufgrund des Teilleistungsvertrages der Klägerin mit C und die Umsatzsteuer aus dem Vertrag der B mit dem Beklagten in Höhe von insgesamt ... € sowie die Umsatzsteuer für das Produkt BzK in Höhe von ... €.Die Umsatzsteuer aus den übrigen, aufgrund des Urteils gemäß § 14c Abs.1 UStG zu versteuernden Teilleistungen hat die Klägerin erklärt und der Beklagte festgesetzt.

12.

Auch das Produkt Nachnahme Brief ist als Universaldienstleistung gemäß § 4 Nr. 11b UStG insgesamt steuerfrei.

12.1

Zu Unrecht ordnet der Beklagte die Briefsendung mit Nachnahmedienst mit dem Hinweis auf den Verweis auf Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG in § 4 Nr.11b S.1 UStG nicht als Universalpostdienstleistung ein. Zwar wird die Briefsendung mit Nachnahmedienst in Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG nicht ausdrücklich erwähnt. Das ist aber auch überflüssig.

Art. 3 Abs. 4 PostDRL 97/67/EG führt in Spiegelstrich 1 die Versendung von Postsendungen als Mindest-Universaldienstleistung auf. Hierunter fällt auch die Briefsendung mit Nachnahmedienst.

Denn Postsendungen sind gemäß Art. 2 Nr. 6 PostDRL 97/67/EG u.a. Briefsendungen. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 PUDLV ist die Beförderung von Briefen im Sinne des § 4 Nr. 2 PostG, der Briefsendungen als adressierte Mitteilungen definiert, Teil des nationalen Mindest-Universaldienstes.

Die Nachnahmesendung wird in § 1 Abs. 2 Nr. 3 PUDLV als Briefsendung, die erst nach Einziehung eines bestimmten Geldbetrages an den Empfänger ausgehändigt wird, definiert und als Sendeform eingeordnet, die unter die Briefbeförderung fällt.

Der Einordnung als Universaldienstleistung entspricht, dass die Höhe der Nachnahmegebühr und der Nachnahmeübermittlungsgebühr von der Bundesnetzagentur ebenso wie das Briefporto gemäß § 19 S. 1 PostG genehmigt werden müssen.

Die Briefsendung mit Nachnahmedienst ist entgegen dem Vortrag der Klägerin und des Beklagten nicht als einheitliche Leistung bestehend aus einer Haupt- und einer oder zwei Nebenleistungen, als komplexe Leistung oder als mehrere Einzelleistungen zu verstehen. Sie ist eine Leistung eigener Art, nämlich eine Universaldienstleistung, die sich nicht in eine Briefbeförderungsleistung, eine Forderungseinzugsleistung und eine Überweisungsleistung aufteilen lässt oder zu einer einheitlichen Leistung zusammenzufassen ist.

Ist eine Postdienstleistung wie die Briefsendung mit Nachnahmedienst als Universaldienstleistung qualifiziert, die gemäß § 4 Nr. 11b UStG als steuerbefreit zu behandeln ist, verdrängt § 4 Nr. 11b UStG als Befreiungsvorschrift den für den Forderungseinzug geltenden § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG und den für eine Überweisungsleistung im Zahlungsverkehr geltenden § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG als lex specialis.

12.2

Sowohl die Klägerin als auch der Beklagte haben die Universaldienstleistung Nachnahme Brief umsatzsteuerlich anders behandelt:

Die Beförderungsleistung (Porti) in Höhe von ... € wurde vom Beklagten entgegen seiner Rechtsauffassung versehentlich als steuerbefreit behandelt. Dabei kann es aufgrund des Urteils bleiben.

Das Nachnahmeentgelt für die Forderungseinziehung hat die Klägerin gegenüber ihren Kunden entgegen ihrer im vorliegenden Verfahren vertretenen Auffassung als steuerpflichtig behandelt. Insoweit schuldet sie gemäß § 14c Abs. 1 UStG die über das Nachnahmeentgelt unberechtigt einbehaltene, erklärte und vom Beklagten festgesetzte Umsatzsteuer unabhängig von der grundsätzlichen Steuerbefreiung des Produkts Nachnahme Brief. Vorsteuer ist bezüglich der Forderungseinziehung unstreitig nicht angefallen.

Das steuerfreie Nachnahmeübermittlungsentgelt (Netto ...€) hat der Beklagte mit ... € USt ebenso wie einen dazugehörigen Vorsteuerbetrag in Höhe von ... € zu Unrecht in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2016 angesetzt.

13.

Das Produkt Nachnahme Paketsendung bis 10 kg ist als einheitliche - komplexe - Leistung keine Universaldienstleistung und umsatzsteuerpflichtig.

13.1

Die Paketsendung mit Nachnahmedienst ist nicht in § 1 PUDLV als eine Sendungsform, die von der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 PUDLV als Universaldienstleistung bestimmten Beförderung von adressierten Paketen umfasst wird, benannt.

Angesichts der ausdrücklichen Regelung bezüglich der Briefsendungen mit Nachnahmedienst in § 1 Abs. 2 Nr. 3 PUDLV als Universaldienstleistung im Sinne von § 1 Abs.1 PUDLV kann in der Nichterwähnung von Paketsendungen mit Nachnahmedienst in § 1 PUDLV nicht von einem gesetzgeberischen Versehen ausgegangen werden.

Zwar hat der EuGH mit Urteil vom 16.10.2019 (EuGH, Urteil vom 16.10.2 - C-4/18 und C-5/18, Winterhoff, juris) Briefzustelldienstleistungen (PZU), die ebenfalls nicht in der PUDLV aufgeführt werden, als Universaldienstleistungen und damit als steuerbefreite Leistungen gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwstSystRL eingeordnet. Der Senat bewertet diese Entscheidung allerdings wegen der besonderen Merkmale bei dem Briefzustelldienst und des Kontextes, in dem er erbracht wird (EuGH, Urteil vom 16.10.2 - C-4/18 und C-5/18, Winterhoff, juris, Rn. 54, 57 und 58), als Einzelfallentscheidung.

Auch hilft der Hinweis der Klägerin auf das Weiterentwicklungsgebot in Art. 5 Absatz 1 Spiegelstrich 4 der PostDRL nicht weiter. Pakete mit Nachnahmedienst sind gerichtsbekannt kein innovatives Postprodukt.

Neben Briefsendungen mit Nachnahmedienst werden Pakete mit Nachnahmedienst zudem in Art. 13 Absatz 3.3. Weltpostvertrag als bloß fakultativer Zusatzdienst benannt und zählen damit nicht zu den in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Weltpostvertrag bestimmten, qualitativ hoch stehenden Basispostdiensten, die den Universalpostdienst ausmachen. Dass der nationale Gesetzgeber Briefsendungen mit Nachnahmedienst dennoch in den nationalen Universalpostdienst aufgenommen hat, ist sein gutes Recht, aber kein Argument dafür, die Pakete mit Nachnahmedienst gleich zu bewerten.

Wenn Postunternehmen in gravierenden Ausnahmezuständen die Beförderung von Paketen mit Nachnahmedienst gemäß §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2 Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz (PTSG) aufrecht zu erhalten haben, kann dieser Umstand ebenfalls nicht für eine Einordnung der Leistung als Universaldienstleistung angeführt werden, da das PTSG u.a. den Postdienst im Ausnahmefall regelt, anlässlich dessen Dienstleistungen wie die Beförderung von Paketen mit Nachnahmedienst für das Gemeinwohl anders zu gewichten sind als zu Normalzeiten.

13.2

Ist das Paket mit Nachnahmedienst demnach zwar keine steuerbefreite Universaldienstleistung gemäß § 4 Nr. 11b UStG, ist in dem Produkt dennoch eine einheitliche, allerdings steuerpflichtige komplexe Leistung zu erkennen.

Diese setzt sich aus einer Paket-Beförderungsleistungskomponente, die einzeln betrachtet steuerfrei gemäß § 4 Nr. 11b UStG wäre, und dem gleichwertigen, als Einheit zu betrachtenden steuerpflichtigen Nachnahmedienst, bestehend aus der Komponente Forderungseinziehung (Nachnahmeentgelt), die für sich betrachtet gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerpflichtig wäre, und der gleichwertigen Komponente Überweisung (Nachnahmeübermittlungsentgelt), die für sich betrachtet gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei wäre, zusammen.

Dass der aus den gleichwertigen Komponenten Forderungseinziehung und Überweisung bestehende Nachnamedienst eine einheitliche Leistungskomponente des Produkts Nachnahme Paket ist, ergibt sich aus der Sicht des Leistungsempfängers/Absenders. Für den Absender besteht der Nachnahmedienst zwingend aus dem Forderungseinzug und der Überweisung des eingezogenen Forderungsbetrages, denn der letztendliche Erhalt des Forderungsbetrages ist für ihn ja gerade der Sinn einer Postsendung mit Nachnahmedienst.

Neben dem steuerpflichtigen Nachnahmedienst steht die Beförderungsleistungskomponente als gleichwertiger, in den Augen des Absenders untrennbarer Leistungsteil des Produkts Nachnahme Paket.

Dass in einer solchen Konstellation die einheitliche komplexe Leistung steuerpflichtig ist, entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung (zuletzt BFH, Urteil v.13.06.2018 -XI R 2/16, juris, mwN,; s. auch Heidner in Bunjes, UStG, § 12 Rn. 8d mwN).

13.3

Es verbleibt deshalb bei der vom Beklagten erfolgten Umsatzbesteuerung sämtlicher Komponenten des Produkts Nachnahme Paket, wobei die Klägerin lediglich die Steuerbefreiung der Komponenten Porti Privatkunden sowie Nachnahmeübermittlungsentgelt Privat- und Geschäftskunden unter Korrektur des Vorsteuerabzugs in Zusammenhang mit dem Nachnahmeübermittlungsentgelt beantragt hat (... € USt bei ... € Vorsteuern).

14.

Das Produkt Sperrgut bis 10 kg/Rolle ist ebenfalls keine Universaldienstleistung und deshalb steuerpflichtig.

14.1

Das Produkt Sperrgut/Rolle betrifft nach Angaben der Klägerin Pakete, die durch ihre Abmessungen und oder ihre Verpackung einer besonderen betrieblichen Behandlung bedürfen. Als Sperrgut gelten nach Vortrag der Klägerin demzufolge Pakete, die bis zu 31 kg wiegen, in Quaderform größer als 120 × 60 × 60 cm oder als Rollen schwerer als 5 Kg sind oder weder quader- noch rollenförmig sind oder abstehende Teile oder lose Umschnürungen aufweisen oder keine formstabile Außenverpackung aus Wellpappe, Wollpappe oder Papier haben. Dabei haben Rollen ein Mindestmaß in der Länge von 15 cm bei einem Durchmesser von 5 cm und Höchstmaße in der Länge von 120 cm bei einem Durchmesser von 15 cm.

14.2

Für derartige Postsendungen gemäß § 1 Abs. 1 und 2 PUDLV, also auch für Pakete, regelt § 1 Abs. 3 Nr. 1 PUDLV, dass sie nicht zu den Universaldienstleistungen rechnen, weil sie einer besonderen betrieblichen Behandlung bedürfen.

Dass Postsendungen mit einer Beschaffenheit entsprechend der Beschreibung der Klägerin einer besonderen betrieblichen Behandlung bedürfen, liegt auf der Hand.

In ihren "Versandbedingungen ...", Stand 01/2016 (Anlage 39 zum klägerischen Schriftsatz vom 29.01.2021), wird die Notwendigkeit einer besonderen betrieblichen Behandlung für Sperrgut unter 4.2 ausdrücklich bestätigt. Dort ist zu lesen, dass als Sperrgut Pakete gelten, die aufgrund der Überschreitung der Standardmaße bzw. ihrer äußeren Beschaffenheit eine besondere betriebliche Behandlung (z.B. manuelle Bearbeitung, keine Stapelfähigkeit) erfordern.

14.3

Dem Senat stellt sich auch im Hinblick auf Artikel 3 Abs. 4 Spiegelstrich 2, Abs. 5 und Abs. 6 PostDRL 97/67/EG // 2008/6/EG nicht die Frage, ob § 1 Abs. 3 PUDLV wirksam ist, da er - wie auch die Klägerin - davon ausgeht, dass das Produkt Sperrgut/Rolle Paketsendungen, allerdings mit einem besonderen Service, beinhaltet.

14.4

Es verbleibt damit bei der für das Produkt Sperrgut/Rolle festgesetzten Umsatzsteuer in Höhe von ... € und den berücksichtigten Vorsteuern in Höhe von ... €.

15.

Hiernach berechnet sich die Umsatzsteuer 2016 wie folgt:

Umsatzsteuer 2016 gemäß dem

Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 23.10.2020 in Euro:

1. minus Umsatzsteuer DV-Freimachung ./.

2. minus Umsatzsteuer Handyporto ./.

3. minus Umsatzsteuer Teilleistungen ./.

4. minus Umsatzsteuer Brief zum Kilotarif ./.

5. minus Umsatzsteuer Nachnahme Brief ./.

6. plus Vorsteuern

zu 1. DV-Freimachung +

zu 5. Nachnahme Brief +

Umsatzsteuer 2016 laut Urteil:

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs.1 Satz 1 FGO.

Die Revision wird zugelassen gemäß § 115 Abs. 2 FGO.