LG Duisburg, Urteil vom 03.12.2020 - 5 S 76/19
Fundstelle
openJur 2021, 16372
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 30 C 213/17
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Wesel vom 28.05.2019 zum Aktenzeichen 30 C 213/17 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen dahingehend abgeändert, dass der Kläger auf die Widerklage hin verurteilt wird, an die Beklagte 2.388,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.06.2018 zu zahlen.

Die Kosten erster Instanz hat der Kläger zu 75 %, die Beklagte zu 25 % zu tragen. Die Kosten zweiter Instanz hat der Kläger zu 90 %, die Beklagte zu 10 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

1.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nur hinsichtlich eines geringen Teils der Widerklage Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

a)

Dem Kläger steht der geltend gemachte Gebührenanspruch in Höhe von 883,58 Euro aus § 611 Abs. 1 BGB - der insoweit einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - unabhängig von der durch die Beklagte erklärten Aufrechnung nicht zu.

Voraussetzung für die Geltendmachung der Gebühren ist, dass der Kläger die behaupteten Tätigkeiten, die er in den Rechnungen 100/2015 vom 18.08.2015 über 1.249,50 € (Anlage K1, Bl. 7 f. GA), 104/2015 vom 03.09.2015 über 160,65 € (Anlage K2, Bl. 9 GA) und 33/2017 vom 18.04.2017 über 1.853,43 € (Anlage K4, Bl. 11 GA) abrechnet, auch tatsächlich erbracht hat. Dies hat er trotz Hinweises der Kammer vom 18.11.2019 bereits nicht hinreichend dargelegt, darüber hinaus hat er hierfür auch keinen Beweis angeboten.

Die Behauptung des Klägers zum Umfang der Tätigkeiten war auch beweisbedürftig.

Die Beklagte hat insbesondere den zeitlichen Umfang der durch den Kläger behaupteten Tätigkeiten bestritten. Soweit das Amtsgericht insoweit ausgeführt hat (s. S. 6 des Urteils, Bl. 277 R. oben), das einfache Bestreiten der Beklagten sei unzureichend, da diese selbst beurteilen könne, in welchem Umfang der Kläger seine Leistungen erbracht hat, ist dem nicht zu folgen. Zum einen erschließt sich bereits nicht, aus welchen Gründen die Beklagte in der Lage sein sollte zu beurteilen, welchen zeitlichen Umfang die Prüfung von Steuerbescheiden etc. in Anspruch genommen hat. Zum anderen erschließt sich auch nicht, warum das einfache Bestreiten im Übrigen unzulässig sein sollte. Der Kläger behauptet pauschal, er habe die Lohnkonten für 9 Arbeitnehmer geführt. Angesichts der Pauschalität dieses Vortrags reicht ein einfaches Bestreiten seitens der Beklagten aus. Der Einwand des Amtsgerichts hiergegen, die Beklagte müsse den entsprechenden Umfang selbst aus ihren Unterlagen ersehen könne, wäre dann relevant, wenn die Beklagte diesen Umstand - dann tatsächlich unzulässig - mit Nichtwissen bestreiten würde. Dies hat sie aber gerade nicht getan.

b)

Die Widerklage dagegen ist in der nach zulässiger Klagerücknahme vom 12.11.2020 noch geltend gemachten Höhe von 2.388,30 Euro begründet. Der Beklagten steht ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in dieser Höhe aus § 280 Abs. 1, 611 BGB zu.

Der Kläger hat seine aus dem Steuerberatervertrag nach § 611 Abs. 1BGB folgende Pflicht zur Erstellung eines fehlerfreien Jahresabschlusses schuldhaft verletzt, wodurch der Beklagten ein Schaden in Höhe von 2.388,30 Euro aufgrund der notwendigen Neuerstellung des Jahresabschlusses durch die Steuerberaterin E entstanden ist.

Der durch die Kammer beauftragte Sachverständige K hat insoweit nachvollziehbar ausgeführt, dass dem Kläger bei der Erstellung des streitgegenständlichen Jahresabschlusses gravierende - im schriftlichen Gutachten des Sachverständigen vom 15.07.2020 im Einzelnen aufgeführte und näher dargestellte - Fehler unterlaufen seien. Hierdurch seien in der Gewinn- und Verlustrechnung allein 17 Positionen von der Steuerberaterin E zu korrigieren gewesen. Aufgrund der umfangreichen Korrektur- und Umbuchungen sei die gesamte Neuerstellung des Jahresabschlusses 2014 und des Anhangs des Jahresabschlusses 2014 erforderlich gewesen. Grund hierfür sei, dass die Fehler nicht durch einzelne einfache Buchungen hätten korrigiert werden können. Vielmehr hätten die einzelnen Korrekturbuchungen, so zum Beispiel auch die gewinnerhöhende Berücksichtigung der Gemeinkosten in Höhe von 25.000,00 Euro innerhalb des Umlaufvermögens bei dem Konto 1055, im Sinne einer Kettenreaktion steuerliche Auswirkungen innerhalb der einzelnen Jahresabschlusspositionen und in der Gewinn- und Verlustrechnung.

Indes sei der durch die Steuerberaterin E bei der Gebührenberechnung angesetzte Gebührenrahmensatz unangemessen hoch. Angemessen seien ein Gebührenrahmensatz von 15/10 und damit Gebühren in Höhe von 2.338,30 Euro.

c)

Der demnach bestehende Anspruch der Beklagten auf Ersatz des Schadens in Höhe von 2.388,30 Euro scheitert auch nicht daran, dass die Beklagte dem Kläger die Möglichkeit der Nachbesserung hätte einräumen müssen. Zwar wird ein solches Nachbesserungsrecht - anders als im Dienstvertragsrecht sonst üblich - jedenfalls teilweise dann angenommen, wenn eine geschuldete Einzelleistung im Rahmen des Dienstvertrags werkvertraglichen Charakter hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.01.1998, Az. 13 U 8/97, Rn. 8, zit. nach juris). Ein solches Nachbesserungsrecht steht dem zur Dienstleistung Verpflichteten aber jedenfalls dann nicht zu, wenn sein Auftraggeber das Mandat bereits beendet hatte und der Fehler erst von einem neu beauftragten Steuerberater entdeckt worden ist (BGH, Urteil vom 11.05.2006, Az. IX ZR 63/05). Sinn und Zweck des § 627 BGB, der die besondere Vertrauensstellung desjenigen im Blick hat, der Dienste höherer Art zu erbringen hat, würde nämlich dann nicht erreicht, wenn man dem wirksam gekündigten Steuerberater nach der Feststellung der Fehlerhaftigkeit der Beratung noch einmal das Recht einräumen müsste, diese Fehler zu beheben. Hieran ändert auch die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe die Fehler im Jahresabschluss bereits gekannt, nichts. Für diese Behauptung ist der Kläger - entsprechen den insoweit zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts - beweisbelastet. Denn das durch das Oberlandesgericht Düsseldorf angenommene Nachbesserungsrecht stellt eine Ausnahme zu dem im Dienstrecht üblicherweise nicht bestehenden Nachbesserungsrecht dar. Gemäß den allgemeinen Beweislastregeln hat derjenige, der sich auf eine derartige Ausnahme beruft, ihre tatsächlichen Voraussetzungen zu beweisen, hier also auch, dass die Beklagte bereits Kenntnis sämtlicher Fehler im Jahresabschluss 2014 besaß. Einen derartigen Beweis hat der Kläger auch durch die durch ihn vorgelegten E-Mails nicht erbracht. Tatsächlich spricht die E-Mail des Klägers vom 28.10.2015 (Anlage K 11, Bl. 228 d. A.) die nach der Kündigung versandt wurde, eher gegen eine Kenntnis der Beklagten. Denn der Kläger erklärt in dieser E-Mail: "Sollten inhaltliche Fehler in den Jahresabschlüssen vorliegen, bitte ich darum, mir diese konkret zu benennen (...)." Dies indiziert zwar, dass eine etwaige Fehlerhaftigkeit bereits unter den Parteien diskutiert wurde, lässt es zugleich aber naheliegend erscheinen, dass der Beklagten die konkreten Fehler gerade nicht bekannt waren, sondern erst durch die Steuerberaterin E offengelegt und anschließend korrigiert wurden.

2.

Die Zinsentscheidung beruht auf § 291 BGB.

Zinsen auf die Widerklage konnten bereits deshalb nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen werden, weil das Amtsgericht Zinsen nur in dieser Höhe ausgeurteilt hat und die Entscheidung durch die Beklagte - die hierdurch im Gegensatz zum Kläger beschwert ist- nicht, insbesondere nicht im Wege der Anschlussberufung, angegriffen worden ist. Da die Kammer über den erstinstanzlich mit der Widerklage geltend gemachten höheren Zinsanspruch vor diesem Hintergrund mangels fortbestehender Rechtshängigkeit dieses Anspruchs nicht zu entscheiden hatte, war auch die Abweisung der Widerklage im Übrigen nicht auszusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten erster Instanz auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, hinsichtlich der Kosten zweiter Instanz auf § 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO (ermittelt nach der Mehrkostenmethode). Die Abänderung der Kostenentscheidung erster Instanz zulasten des Klägers war auch ohne Einlegung der Anschlussberufung der Beklagten zulässig, da das Verbot der Schlechterstellung bezüglich der Kostengrundentscheidung, die von Amts wegen zu treffen ist, nicht gilt (Zöller/Heßler, ZPO, 32. Auflage 2018, § 524 Rn. 35; vgl. auch BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf/Jaspersen, ZPO, 38. Edition, Stand: 01.09.2020, § 97 Rn. 22).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Der Streitwert wird für die zweite Instanz auf 3.406,80 Euro (883,58 Euro + 2.523,22 Euro) festgesetzt.

Der gegenüber der ersten Instanz reduzierte Streitwert beruht auf dem Umstand, dass die Kammer über den Betrag, der den in erster Instanz auf die Widerklage hin ausgeurteilten Betrag von 2.523,22 Euro übersteigt, mangels Anschlussberufung der Beklagten nicht zu entscheiden hatte.