VG Ansbach, Urteil vom 22.06.2020 - AN 18 K 17.30767
Fundstelle
openJur 2021, 16003
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der Kläger begehrt unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Februar 2017 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, hilfsweise die Feststellung, dass Abschiebungsverbote vorliegen.

Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, geboren ...1999 in ..., Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischen Glaubens. Der Kläger reiste nach eigenen Angaben am 11. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 2. Dezember 2015 einen Asylantrag.

Im Rahmen der Anhörung gemäß § 25 AsylG am 11. Januar 2017 gab der Kläger an, bis zu seiner Ausreise in der Provinz/Stadt Kabul, Stadtteil ..., ... Bezirk bei seiner Tante mütterlicherseits gelebt zu haben. Er habe Afghanistan im August 2015 verlassen und sei ca. zwei Monate unterwegs gewesen. Bis vor acht Jahren vor der Ausreise des Klägers hätten sie in ... ... gelebt. Die Taliban (Kotschis) hätten das Dorf angegriffen; sie hätten fliehen müssen. Der Kläger sei in diesem Moment bei seiner Tante gewesen, die ihn mitgenommen habe. Er wisse nicht, wo seine Eltern sind. Er sei zwei Jahre in eine Art Schule gegangen, könne lesen und schreiben. Als er klein gewesen sei, habe er Teppiche gewebt; dann habe er als Straßenverkäufer gearbeitet und Gemüse verkauft. Der Kläger gibt weiter an, dass in den ersten ein- bis zwei Jahren als sie ... verlassen hätten und nach ... gegangen seien, seine Tante und deren Mann noch sehr lieb zu ihm gewesen seien. Dann hätten sie den Kläger gezwungen arbeiten zu gehen, er habe Teppiche knüpfen müssen. Weitere zwei Jahre danach hätten sie den Kläger gezwungen als Straßenverkäufer zu arbeiten. Als der Kläger eines Tages nach Hause gekommen sei, habe dort ein ca. 50 Jahre alter Mann auf ihn gewartet. Der Mann seiner Tante habe ihm gesagt, dass er mit diesem Mann mit nach Syrien gehen solle und dort seinen Glauben verteidigen solle. Er habe mit diesem Mann mitgehen müssen. Er habe versucht vor dem Mann zu fliehen, dieser habe ihn aber erwischt. Er habe den Mann mit einem kleinen Messer am Bein verletzen und habe fliehen können. Er sei weggerannt und sei zu einer Hauptstraße gekommen, dort sei er in ein Auto eingestiegen. Der Mann seiner Tante habe ihn angerufen und habe gesagt, dass er ihn umbringen würde, wenn er ihn erwischen würde. Auf Nachfrage gab der Kläger an, er hätte als Kämpfer nach Syrien gehen sollen; hätte dort ihre Gebetstätte verteidigen sollen. Er habe den Mann zum ersten Mal gesehen, als er mit ihm gehen sollte; dieser habe nicht mit ihm gesprochen, sich auch nicht vorgestellt. Sein Onkel sei bezahlt worden. Außer der Drohung nach Syrien zu gehen, sei dem Kläger nichts passiert. Die gesamte Situation sei nicht gut gewesen, er sei immer wieder geschlagen worden. Er habe Angst vor dem Mann seiner Tante, der gedroht habe ihn umzubringen und er habe Angst vor dem anderen Mann. Der Mann seiner Tante und der andere Mann hätten ihn überall finden können. Außerdem habe er als Hazara nirgends anders hingekonnt. Der Mann seiner Tante habe ihn geschlagen. Dies habe ca. nach zwei Jahren angefangen, als sie in ... angekommen seien. Dem Mann seiner Tante hätte nicht gereicht, was er verdient habe. Für ihn bestehe von mehreren Seiten Gefahr, der Mann seiner Tante und der Mann, den er verletzt habe; wenn einer dieser beiden ihn erwische würde, würden sie ihn umbringen. Die Betreuerin ergänzte, dass der Kläger sehr darunter leide, dass er bis heute nichts über den Verbleib seiner Eltern wisse. Er sei stark geprägt von dem Angriff in Kindertagen. Aufgrund der Volkszugehörigkeit zu den Hazara sei er sehr stark von Verfolgungen im ganzen Land bedroht. Der Kläger ergänzte, dass er aufgrund seiner Abstammung vom Volk der Hazara und seines schiitischen Glaubens von Verfolgungen in ganz Afghanistan bedroht sei. Ihm persönlich sei nichts aufgrund dessen passiert, aber Vorfälle auf andere Personen seien bekannt.

Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 6. Februar 2017, Az. ..., dem Kläger zugestellt am 8. Februar 2017, wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3), es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4), der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. im Falle einer Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Ziffer 5), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 15. Februar 2017 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben.

Im Rahmen der Begründung wird auf die Angaben des Klägers im Rahmen der Vorprüfung verwiesen.

Der Kläger beantragt mit Schriftsatz vom 15. Februar 2017, den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 6. Februar 2017, Az.: ..., in den Ziffern 1 und 3 bis 6 aufzuheben und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verpflichten festzustellen, dass der Kläger international Schutzberechtigter gemäß § 3 AsylG i.V.m. der Genfer Flüchtlingskonvention ist, hilfsweise das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verpflichten festzustellen, dass der Kläger subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 4 AsylG ist, weiter hilfsweise das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verpflichten festzustellen, dass der Kläger humanitären Abschiebungsschutz gem. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG genießt.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 22. Februar 2017,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den angefochtenen Bescheid.

Mit Beschluss vom 22. Mai 2020 wurde der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Diese hat das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers mit Beschluss vom 10. Juni 2020 abgelehnt.

In der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2020 wurde der Kläger ergänzend zu seinem Asylvorbringen angehört. Insoweit und auch hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift verwiesen.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte, sowie hinsichtlich der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Afghanistan auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel Bezug genommen.

Gründe

Über die Klage zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Abs. 1 AsylG berufen ist, konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2020 entschieden werden, obwohl für die Beklagte niemand zum Termin erschienen ist. Auf die Möglichkeit, auch in Abwesenheit von Beteiligten verhandeln und entscheiden zu können, wurde in der Ladung hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die innerhalb der zweiwöchigen Frist, § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG, erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 6. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Kläger steht nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (dazu 1.), noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (dazu 2.), noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten zu (dazu 3.). Zudem erweisen sich sowohl die Ausreiseaufforderung samt Abschiebungsandrohung (dazu 4.) als auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot (dazu 5.) als rechtmäßig.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 Alt. 1 AsylG.

Flüchtling gem. § 3 Abs. 1 AsylG ist, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Erforderlich ist, dass die Verfolgung mit einem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 32 und B.v. 15.8.2017 - 1 B 120.17 - juris Rn. 8).

Als Verfolgung gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Eine Verletzung von Grundrechten stellt demgemäß nur dann eine Verfolgung dar, wenn sie von einer bestimmten Schwere ist (EuGH, U.v. 7.11.2013 - C-199/12 bis C-201/12 - juris Rn. 53).

Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass bei verständiger Würdigung die geschilderte Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Von dem Asylsuchenden kann verlangt werden, dass er zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 - 9 B 405.89 - juris Rn. 8). Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel die Glaubhaftmachung. Erforderlich hierfür ist ein schlüssiger und in sich stimmiger Vortrag. Dabei kommt in der Regel dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 26.1.2012 - 20 B 11.30468 - juris, m.w.N.).

Bezüglich des Klägers liegt unter Berücksichtigung oben genannter Anforderungen keine flüchtlingsrelevante Verfolgung vor.

In Bezug auf den klägerischen Vortrag ist schon fraglich, ob ein Verfolgungsgrund im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG gegeben ist. Auch eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG erscheint fraglich. Jedenfalls liegt keine flüchtlingsrelevante Verfolgung vor, da die vom Kläger geschilderten Umstände zum Teil nicht an einen Verfolgungsgrund im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG anknüpfen (vgl. zum Erfordernis § 3a Abs. 3 AsylG) und der Kläger im Übrigen auf internen Schutz (vgl. § 3e Abs. 1 AsylG) zu verweisen ist.

1.1 Soweit der Kläger vorträgt, dass der Mann seiner Tante ihn angerufen habe und gesagt habe, dass er ihn umbringen würde, wenn er ihn finden würde, bleibt selbst bei Wahrunterstellung fraglich, ob hier ein Verfolgungsgrund bzw. eine Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund vorliegt, da der Mann der Tante den Kläger nicht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe töten wollte, sondern vermutlich weil der Kläger nicht mit dem Mann nach Syrien gegangen ist. Weiter ist fraglich, ob dem Kläger, der im August 2015 Afghanistan verlassen hat, nach nunmehr fast fünf Jahren weiter mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von dem Mann seiner Tante die Tötung droht. Selbst wenn der Mann der Tante des Klägers Geld bekommen hat, wenn oder dass der Kläger nach Syrien geht, heißt dies nicht, dass dieser nach fast fünf Jahren diesen (weiterhin) töten will, weil der Kläger nicht nach Syrien gegangen ist und der Mann der Tante dadurch eventuell das Geld nicht bekommen hat. Hinzu kommt, dass dem Kläger gegenüber die Tötung lediglich einmal in einem Telefongespräch geäußert wurde und der Kläger seither nichts mehr von seiner Tante oder deren Mann etwas gehört hat.

Jedenfalls ist der Kläger auf internen Schutz, § 3e Abs. 1 AsylG, zu verweisen.

Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Der Kläger weiß zwar nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung nicht, wo seine Tante und deren Mann aktuell leben, also ob diese noch in der Provinz/Stadt Kabul, Stadtteil ..., ... Bezirk wohnen. Sollte sich der Kläger also nicht in Kabul niederlassen können, ist das Gericht jedenfalls der Überzeugung, dass dem Kläger in einer Großstadt wie Herat oder Mazar-e Sharif bzw. in den jeweiligen Provinzen keine Verfolgung droht. Nach § 3e Abs. 1 AsylG ist es ausreichend, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat. Von einer landesweiten gezielten Verfolgung des Klägers durch den Mann seiner Tante ist das Gericht nicht überzeugt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist in Bezug auf den Kläger auch geeignet und diesem zumutbar, sodass erwartet werden kann, dass er sich dort vernünftigerweise niederlässt. Insbesondere ist es dem Kläger, als arbeitsfähigem, gesundem und jungen Mann zumindest durch die Übernahme von Hilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten, möglich, sich sein Existenzminimum zu sichern (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 10 C 11.07 - juris Rn. 32).

Dem Kläger wird jedenfalls in oben genannten Großstädten keine Verfolgung drohen. Warum der Mann seiner Tante den Kläger überall in Afghanistan finden sollte, erschließt sich dem Gericht nicht. Dies stellt nur eine pauschale nicht substantiierte Behauptung des Klägers dar. In der Provinz Herat leben geschätzt 2.095.117 Menschen, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt und in der Provinz Balkh geschätzt 1.475.649 Menschen, davon geschätzt 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif (vgl. Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 99 ff., S. 58 ff.). Dass der Kläger in einer Stadt mit mehreren 100.000 Einwohnern bzw. in einer Provinz mit mehr als einer Millionen Einwohnern erkannt wird, kann das Gericht nicht feststellen. Zu berücksichtigen ist auch, dass in Afghanistan kein funktionierendes Meldewesen existiert, insbesondere kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten” oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Auch muss sich ein Neuankömmling bei Ankunft nicht in dem neuen Ort registrieren (vgl. Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 313 f.). Der Kläger wird daher jedenfalls in der Anonymität einer der genannten Großstädte ohne Verfolgung leben können. Hinzu kommt, dass der Kläger bereits im August 2015 Afghanistan verlassen hat und damit fast fünf Jahre seit den vom Kläger geschilderten Vorfall mit dem Mann seiner Tante vergangen sind. Es erschließt sich dem Gericht nicht, dass der Mann der Tante nach all dieser Zeit gezielt nach dem Kläger suchen sollte. Zumal der Kläger weder von seiner Tante noch von deren Mann seit diesem Telefongespräch etwas gehört hat. Eine landesweite gezielte Verfolgung durch diesen kommt keinesfalls in Betracht und wurde von dem Kläger auch nicht glaubhaft gemacht.

Die als inländische Fluchtalternative in Frage kommenden Städte Herat in der Provinz Herat und Mazar-e Sharif in der Provinz Balkh sind im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als inländische Fluchtalternative geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, liegt weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Zur Feststellung, ob eine solche Bedrohung gegeben ist, ist zum einen eine quantitative Ermittlung der verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl erforderlich. Darüber hinaus ist neben dieser quantitativen Ermittlung auch eine wertende Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22, 23). In diesem Zusammenhang geht die Rechtsprechung allerdings davon aus, dass - bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres - ein Risiko, verletzt oder getötet zu werden von 1:800 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22 f.) bzw. 1:1.000 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 11.10 - juris Rn. 20 f.) so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass sich eine im Übrigen unterbliebene wertende Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht mehr auszuwirken vermag. Bei einer geschätzten Einwohnerzahl für den Zeitraum 2019-2020 von 2.095.117 und 400 zivilen Opfer (144 Tote und 256 Verletzte) im Jahr 2019 in der Provinz Herat und einer Einwohnerzahl für den Zeitraum 2019-2020 von 1.475.649 und 277 zivile Opfer (108 Tote und 169 Verletzte) im Jahr 2019 in der Provinz Balkh, lag die Wahrscheinlichkeit, in den genannten Provinzen in diesem Zeitraum ein ziviles Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, bei 0,019% (Herat) und 0,019% (Balkh) (vgl. zu den Opfer- und Bevölkerungszahlen Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 99 ff., S. 58 ff., sowie UNAMA, Afghanistan - Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2019, Februar 2020, S. 94). Damit liegt in diesen Provinzen eine Gefahrendichte vor, die ganz erheblich unter dem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als indiziell für die Annahme der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer erheblichen individuellen Gefährdung anerkannten statistischen Auslösewertes des Tötungs- und Verletzungsrisikos liegt. Insoweit ist in der Rechtsprechung auch geklärt, dass eine annäherungsweise Ermittlung der entsprechenden, zueinander ins Verhältnis gesetzten Zahlen ausreichend ist (BayVGH, B.v. 17.1.2017 - 13a ZB 16.30182 - juris Rn. 6). Zudem ist auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Dunkelziffer bzw. Untererfassung der zivilen Opfer noch nicht die Annahme einer Situation außergewöhnlicher allgemeiner Gewalt gegeben (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2019 - 13a B 19.33359 - juris Rn. 29; HessVGH, U.v. 27.9.2019 - 7 A 1923/14.A - juris Rn. 117 m.w.N.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 63). Individuelle, gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers, aufgrund derer hier eine andere Einschätzung geboten wäre, sind jedenfalls bei einem Leben in einer Großstadt nicht ersichtlich (vgl. oben).

Der Kläger kann darüber hinaus auch sicher und legal in oben genannte Provinzen reisen. Zwar enden Abschiebungen in der Regel in Kabul, wo es einen internationalen Flughafen gibt. Aber auch Mazar-e Sharif und Herat verfügen jeweils über einen internationalen Flughafen und können auch legal und sicher vom Kläger, jedenfalls von Kabul aus, erreicht werden, da innerstaatlich Flüge von Kabul nach Mazar-e Sharif und Herat gehen (vgl. Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 220 ff.). Diese Einschätzung wird auch nicht durch die aktuelle Covid-19 Pandemie in Frage gestellt. Selbst wenn aufgrund der aktuellen Pandemielage bei einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan der Flugverkehr eingeschränkt sein sollte, gibt es keine Anhaltspunkte, dass dies für unbestimmte Zeit gelten könnte (vgl. auch VG München, U.v. 21.4.2020 - M 16 K 17.41340).

Vom Kläger kann unter Berücksichtigung seiner individuellen Verhältnisse auch vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in den oben genannten Provinzen insbesondere in den Provinzhauptstädten niederlässt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass Afghanistan zu den ärmsten Ländern der Welt zählt und im Jahr 2018 Platz 168 von 189 beim Index der menschlichen Entwicklung belegte (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, 2.9.2019, S. 27). Der Bevölkerungsanteil derjenigen Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, stieg im Vergleich zu den Jahren 2011/2012 von 38,3% auf etwa 55% in den Jahren 2016/2017 an (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 20). Die Arbeitslosenquote wird in den verschiedenen Quellen unterschiedlich eingestuft (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, 2.9.2019, S. 28: 11,2% im Jahr 2017; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 20: 24% in den Jahren 2016/2017; Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 318: 1,9 Millionen Afghan/innen arbeitslos). Besonders Kabul ist durch eine große Anzahl von Binnenflüchtlingen (diese beliefen sich laut IOM im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018 auf 9.037 Personen, vgl. ACCORD, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mezar-e Sharif und Kabul, 7.12.2018, S. 15) und Rückkehrern (diese beliefen sich laut IOM im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018 auf 9.912 Personen, vgl. ACCORD, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mezar-e Sharif und Kabul, 7.12.2018, S. 22) überlaufen.

Trotz oben genannter Umstände ist das Gericht nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls der Überzeugung, dass es dem jungen, gesunden, arbeitsfähigen und ledigen Kläger bei einer Rückkehr insbesondere in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif gelingen wird, zumindest durch Hilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zunächst hat der Kläger in Afghanistan zwei Jahre eine Schule besucht, kann lesen und schreiben und hat in Afghanistan bereits Teppiche gewebt und als Straßenverkäufer gearbeitet. In Deutschland hat der Kläger zu Beginn einen Deutschkurs absolviert und zwei Jahre die Schule in einer Berufsintegrationsklasse besucht und diese mit dem Mittelschulabschluss abgeschlossen. Zudem absolviert der Kläger aktuell eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer bei der Fa. ... und hat hier bereits seine schriftliche Prüfung abgelegt und die praktische Prüfung wird zeitnah erfolgen. Aufgrund dieser schulischen und beruflichen Erfahrungen und erlangten Qualifizierungen ist das Gericht der Überzeugung, dass sich der Kläger gegenüber anderen Bewerbern auf dem Arbeitsmarkt in Afghanistan durchsetzen kann. Auch hat der Kläger durch seine eigenständige Flucht als junger Mann und sein eigenständiges Leben in Deutschland bewiesen, dass er über ein großes Maß an Selbstständigkeit verfügt.

Darüber hinaus kann der Kläger eine finanziell eventuell schwierige Anfangszeit zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt, was ihm zumindest helfen wird, anfängliche Schwierigkeiten zu überwinden. Es liegt an ihm, insoweit eine anfängliche Unterstützung durch eine freiwillige Rückkehr unter Inanspruchnahme von Start- und Reintegrationshilfen (z. B. im Rahmen des REAG/GARP- und des ERRIN-Programms) und damit zumindest einen vorübergehenden Ausgleich zu erhalten (vgl. REAG/GARP-Programm, Stand Januar 2020; ERRIN-Programmflyer 06/2018-05/2020 zu Afghanistan, Stand Mai 2019). Das "REAG/GARP-Programm 2020" umfasst für einen alleinstehenden Mann neben der Übernahme der Beförderungskosten, eine Reisebeihilfe in Höhe von 200 EUR sowie eine Starthilfe in Höhe von 1.000 EUR. Hinzu kommen die kumulativ zur Verfügung stehenden Leistungen nach dem Europäischen Reintegrationsprogramm "ERRIN". Diese beinhalten z.B. Services bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und karitativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche sowie Hilfestellungen bei der Existenzgründung. Die Unterstützung wird über eine vor Ort tätige Partnerorganisation in Form von Sachleistungen gewährt und kann bei einer freiwilligen Rückkehr Leistungen im Wert von bis zu 2.000 EUR umfassen. Weiter haben Deutschland und Afghanistan am 2. Oktober 2016 eine Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration abgegeben. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders bedürftige Flüchtlinge vor. Rückkehrer aus Deutschland werden außerdem über das BMZ-Rückkehrer Programm "Perspektive Heimat" bei der Reintegration vor Ort unterstützt, insbesondere bei der Existenzgründung, Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, 2.9.2019, S. 28 f. mit weiteren Einzelheiten). Aufgrund dieser Rückkehr- und Starthilfen und unter Berücksichtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Kläger in Afghanistan und auch in den genannten Provinzen ein Existenzminimum sichern wird.

Das Gericht folgt auch nicht der Einschätzung, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt bzw. überholt sei (so insbesondere Friederike Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, 73 ff.). Auch unter Berücksichtigung der vorliegenden neuesten Erkenntnismittel hält das Gericht weiterhin an der obergerichtlichen, ständigen Rechtsprechung fest, dass für alleinstehende, erwerbsfähige und gesunde junge Männer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung besteht, auch wenn diese weder über ein soziales Netzwerk in Afghanistan verfügen - so trägt auch der Kläger selbst vor weder Familienangehörige noch sonstige Kontakte in Afghanistan zu haben - noch über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder nennenswertes Vermögen verfügen (aus neuerer Zeit etwa: BayVGH, U.v. 14.11.2019 - 13a B 19.33359 - juris; B.v. 23.10.2019 - 13a ZB 19.32670 - juris Rn. 6; B.v. 3.9.2019 - 13a ZB 19.33043 - juris Rn. 6; B.v. 25.2.2019 - 13a ZB 18.32487 - juris Rn. 5; B.v. 21.12.2018 - 13a ZB 17.31203 - juris Rn. 6; U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31960 - juris Rn. 34; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 55; OVG NRW, B.v. 17.9.2018 - 13 A 2914/18.A - juris Rn. 23; VGH BW, U.v. 11.4.2018 - A 11 S 924/17 - juris Rn. 336 ff.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015- 1 A 144/15.A - juris). Das Gericht schließt sich insbesondere dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. Oktober 2018 - A 11 S 316/17 an. Dieser hat sich auch unter Bezugnahme auf verschiedene Einschätzungen der Gutachterin Stahlmann (so z.B. im Asylmagazin 3/2017 und insbesondere im schriftlichen Gutachten an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 28. März 2018) mit der wirtschaftlichen Situation in Afghanistan auseinander gesetzt und kam - wie bereits die oben genannten Gerichte - zu dem Schluss, dass sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht ergebe, dass es insbesondere leistungsfähigen, erwachsenen Männern - soweit nicht besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können - selbst ohne bestehendes familiäres oder soziales Netzwerk unmöglich sei, bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland ihr Existenzminimum zu sichern (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris).

Auch aus den Erkenntnismitteln neueren Datums ergibt sich keine andere rechtliche Wertung, vgl. hierzu BayVGH, B.v. 17. Januar 2020 - 13a ZB 20.30107 - juris Rn. 13.

Auch der Bewertung von Frau Stahlmann, die ausgehend von einer von ihr erst kürzlich durchgeführten Studie zum Verbleib und den Erfahrungen abgeschobener Afghanen vertritt, dass es Rückkehrern aus Europa in Afghanistan per se nicht möglich sei, ein menschenwürdiges Leben zu führen, da ihnen dort eine unmenschliche Behandlung infolge von Gewalt, Arbeits- oder Wohnungslosigkeit drohe (vgl. Friederike Stahlmann, Asylmagazin 8-9/2019, 276 ff.), folgt das Gericht nicht. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass von den laut Frau Stahlmann 547 Männern, die zwischen Dezember 2016 und April 2019 aus Deutschland abgeschoben wurden, mit Stand Juli 2019 lediglich Informationen zu 55 Betroffenen dokumentiert werden konnten (Friederike Stahlmann, Asylmagazin 8-9/2019, 276/277), was gerade einmal ca. 10% ausmacht. Es kann gerade nicht darauf geschlossen werden, dass die nicht in die Untersuchung eingebundenen restlichen Rückkehrer vergleichbar schlechte Erfahrungen gemacht haben wie die interviewten Rückkehrer. Soweit dies in der Studie behauptet wird, beruht dies auf bloßen Mutmaßungen und eigenen Bewertungen ohne valide Tatsachengrundlage. Im Übrigen wären die geschilderten Einzelschicksale ohnehin ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Rückkehrer aus Europa und der Türkei zu setzen, nicht lediglich ins Verhältnis zu den aus Deutschland abgeschobenen Afghanen (vgl. NdsOVG, B.v. 12.12.2019 - 9 LA 452/19 - juris Rn. 15).

Auch aus der aktuellen Covid-19-Pandemie ergibt sich keine andere Bewertung des Gerichts. Bei Gesamtwürdigung der Verhältnisse des Klägers gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich Wirtschaft und Versorgungslage der Bevölkerung trotz internationaler humanitärer Hilfe und lokaler Hilfsbereitschaft im Zuge der Pandemie derart verschlechtern, dass der Kläger nicht mehr in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt in Afghanistan sicherzustellen (vgl. zur Situation in Afghanistan UNHCR, COVID-19 vom 14.4.2020; OCHA, Brief COVID-19 vom 15.5.2020). Selbst wenn bei einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan noch Ausgangssperren gelten sollten oder eine Quarantäne nach Einreise notwendig sein sollte (vgl. Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Kurzinformation der Staatendokumentation, COVID-19 Afghanistan, Stand: 9.4.2020), die Einfluss auf die Arbeitsmöglichkeit sowie die Möglichkeit der Weiterreise von Kabul aus haben könnten, gibt es bereits angesichts der wirtschaftlichen Zwänge in Afghanistan keinen Anlass dafür, dass diese für unbestimmte Zeit gelten könnten und es dem Kläger nicht möglich wäre, diesen Zeitraum zu überbrücken. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der neuerlichen Stellungnahme von Frau Stahlmann vom 27. März 2020 im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie (Friederike Stahlmann: Risiken der Verbreitung von SARS-CoV-2 und schweren Erkrankung an Covid-19 in Afghanistan, besondere Lage Abgeschobener, 27.3.2020, abrufbar unter www.ecoi.net). Soweit darin dargelegt wird, dass Rückkehrer aus Europa aus Sicht lokaler Ärzte als besonders vulnerabel gelten, ist dies bereits fachlich nicht unterlegt bzw. auch nicht ersichtlich, ob und über welches medizinische Wissen der Gesprächspartner von Frau Stahlmann verfügt. Abgesehen davon ist auch nicht erkennbar, dass die in der Stellungnahme beschriebenen Gefahren und wiedergegebenen Eindrücke repräsentativ und belastbar sowie auf dem Kläger übertragbar sind (vgl. dazu auch VG München, U.v. 21.4.2020 - M 16 K 17.41340). Zudem läge es auch - wie bereits ausführlich dargestellt - am Kläger eine ggf. auch gerade wegen der Covid-19-Pandemie finanziell schwere Anfangsphase abzufedern und insoweit eine anfängliche Unterstützung durch Inanspruchnahme von Start- und Reintegrationshilfen (REAG/GARP- und ERRIN-Programm) und damit einen vorübergehenden Ausgleich zu erhalten (vgl. ausführlich oben).

1.2 Zu dem klägerischen Vortrag, dass dem Kläger von dem Mann, welcher den Kläger nach Syrien bringen sollte und welcher von dem Kläger am Bein verletzt wurde, etwas droht, ist bereits eine Verfolgungshandlung nicht glaubhaft gemacht. In der Anhörung gibt der Kläger einfach nur pauschal an, dass dieser Mann ihn umbringen würde, falls dieser den Kläger erwischen würde. Dieser Mann hat aber etwas Derartiges gegenüber dem Kläger nie geäußert. Der Kläger hat selbst angegeben, dass der Mann nicht mit ihm gesprochen hat. Auch auf entsprechende Nachfrage des Gerichts bestätigt der Kläger erneut, dass dieser Mann nichts zu ihm gesagt hat, auch nicht, als der Kläger weggerannt ist, jedenfalls wusste der Kläger hierzu nichts. Auch auf Nachfrage des Klägerbevollmächtigten gibt der Kläger an, das er nicht sagen könne, was ihm von diesem anderen Mann drohen würde. Nur weil der Kläger diesen Mann am Bein verletzt hat und geflohen ist, heißt das nicht automatisch, dass dieser ihn töten will oder den Kläger überhaupt verfolgt. Dies ist eine unbegründete Behauptung des Klägers. Auch wäre selbst bei Unterstellung einer Verfolgungshandlung kein Verfolgungsgrund bzw. eine Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund gegeben, da der Mann - wenn überhaupt - den Kläger nicht wegen eines bestimmten Verfolgungsgrundes töten wollen würde, sondern weil dieser ihn verletzt hat, vor ihm geflohen ist und nicht mit nach Syrien gekommen ist. Auch ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dieser Mann den Kläger fast fünf Jahre nach diesem Vorfall (noch) töten will oder diesen verfolgt. Darüber hinaus ist der Kläger auch hier auf die inländische Fluchtalternative zu verweisen, § 3e Abs. 1 AsylG, welche geeignet und diesem zumutbar ist (vgl. ausführlich oben). Von einer landesweiten gezielten Verfolgung des Klägers durch diesen Mann ist das Gericht nicht überzeugt, zumal ohnehin höchst zweifelhaft ist, ob dieser Mann überhaupt nach dem Kläger sucht.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorträgt, dass dieser Mann zu einer mafiösen Gruppe gehören würde und unbekannte Personen ihn suchen würden, kann dies weiterhin keine flüchtlingsrelevante Verfolgung begründen. Zunächst fehlt es auch hier jedenfalls an der Verfolgungshandlung, da der Kläger nicht angeben konnte, was diese Personen von ihm möchten und schildert lediglich, dass diese ihn suchen würden. Da es sich nach Äußerung des Klägers um unbekannte Personen handelt, ist es hier ebenso nur eine reine Mutmaßung des Klägers, dass es sich hier überhaupt um den Mann von damals handelt. Auf Nachfrage des Gerichts gibt der Kläger eben auch an, dass er nicht wisse zu welcher Gruppe der Mann, der von ihm verletzt wurde, gehört. Selbst wenn unbekannte Personen den Kläger suchen, ohne zu schildern, was sie von dem Kläger wollen, kann dies jedenfalls keine Verfolgungshandlung und auch keine flüchtlingsrelevante Verfolgung begründen. Hinzu kommt, dass es ca. zwei bis drei Jahre her ist, dass der Kläger dies von Freunden über Facebook gehört hat. Seither hat der Kläger jedenfalls nichts mehr gehört.

1.3 Zu dem weiteren Vortrag des Klägers im Rahmen der Anhörung, dass dieser als Kämpfer nach Syrien sollte, um dort seinen Glauben oder die Gebetstätte zu verteidigen, knüpft dies - selbst bei Wahrunterstellung - jedenfalls nicht an einen Verfolgungsgrund an, da nicht ersichtlich oder vorgetragen ist, dass der Kläger aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nach Syrien sollte. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Kläger selbst lediglich angibt, dass er als Kämpfer nach Syrien hätte gehen sollen, ohne einen in seiner Person liegenden Grund zu schildern. Vielmehr gibt der Kläger auf Nachfrage, warum gerade er nach Syrien hätte gehen sollen, an, dass sein Onkel dafür bezahlt worden sei. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger nicht aufgrund von in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen nach Syrien sollte. Auch auf entsprechende Nachfrage im Rahmen der Anhörung konnte der Kläger nicht einmal angeben, welche Religion in Syrien dominiert. Dies begründete der Kläger damit, dass ihm hierzu nichts gesagt wurde. Aus alledem kann keine Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund angenommen werden. Zudem ist es im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der volljährige Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan gegen seinen Willen nach Syrien geschickt werden würde bzw. eine Zwangsrekrutierung zu befürchten hätte. Hinzu kommt, dass der Kläger auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, was der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchtet, nicht angibt, sich davor zu fürchten nach Syrien geschickt zu werden. Demnach geht nicht einmal der Kläger selbst davon aus, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan nach Syrien geschickt werden würde bzw. zwangsrekrutiert werden würde.

1.4 Auch der weitere Vortrag im Rahmen der Anhörung, dass der Kläger immer geschlagen worden sei und dass der Mann seiner Tante ihn geschlagen hätte, weil ihm nicht reichte, was der Kläger verdient hat, führt nicht zu einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung. Zum einen bleibt der Kläger in diesem Vortrag völlig unsubstantiiert und zum anderen liegt auch dabei keine Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund vor. Im Übrigen gibt der Kläger in der Anhörung selbst an, dass ihm nichts außer der Androhung nach Syrien zu müssen passiert ist. Auch auf entsprechende Fragen in der mündlichen Verhandlung schildert der Kläger nichts in Bezug auf obigen Vortrag aus der Anhörung. Im Übrigen ist der Kläger bzgl. den Mann seiner Tante ohnehin auf die interne Fluchtalternative zu verweisen (vgl. oben).

1.5 Auch aus der Zugehörigkeit des Klägers zu der Volksgruppe der Hazara ergibt sich keine flüchtlingsrelevante Verfolgung in oben genanntem Sinne.

Zunächst hat der Kläger hierzu in der Anhörung vorgetragen, dass ihm persönlich aufgrund dessen nichts passiert sei und lediglich Vorfälle auf andere Personen bekannt seien. Damit liegt keine gegen den Kläger selbst gerichtete Maßnahme vor, die eine anlassgeprägte Einzelverfolgung begründen könnte.

Aber auch die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung liegen nicht vor.

Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer solchen Gruppenverfolgung setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr um nur vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 13; U.v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - juris Rn. 7).

Für die Volksgruppe der Hazara, welcher der Kläger nach seinem Vortrag angehört, besteht derzeit keine solche Gruppenverfolgung, da insbesondere nicht von einer Verfolgung der gesamten Volksgruppe ausgegangen werden kann. In Afghanistan stellen die Hazara mit einem Anteil von etwa 9 bis 10% der Gesamtbevölkerung eine Minderheit mit zumeist schiitischem Glauben dar (vgl. Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 276). Zwar wird weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung der Hazara durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, körperliche Misshandlung und Inhaftierung berichtet (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 106). Es fehlt aber an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 68, 76 ff.). Seit dem Ende der Taliban-Herrschaft hat sich die Lage der Hazara grundsätzlich verbessert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, 2.9.2019, S. 10). So bekleiden Hazara zwischenzeitlich mitunter prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, obgleich sie in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert sind (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, 2.9.2019, S. 10). Selbst wenn von einer gewissen Diskriminierung der Hazara am Arbeitsmarkt gesprochen wird, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 277). Im Durchschnitt sind die Hazara beispielsweise mit etwa 10% in der afghanischen Armee und der afghanischen Polizei repräsentiert (vgl. Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 278). Zwar sind immer wieder Anschläge auf schiitische Einrichtungen zu verzeichnen, so etwa am 15. August 2018 auf eine hauptsächlich von Schiiten genutzte Bildungseinrichtung in Kabul sowie am 18. August 2018 auf eine schiitische Moschee in der Provinz Paktia (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, 2.9.2019, S. 10). Selbst vor diesem Hintergrund kann jedoch keine über eine nur latente oder potenziell bestehende Gefährdungslage hinausgehende Bedrohung angenommen werden, die die Feststellung zuließe, dass grundsätzlich die gesamte Volksgruppe der Hazara mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von Anschlägen getroffen würde. Zu berücksichtigen ist auch, dass in vielen Fällen nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich teilweise schlicht um kriminelles Unrecht handelt, welches sich letztlich zufällig (auch) zum Nachteil von Hazara auswirkt oder diese aufgrund erhöhter Reisetätigkeit bzw. des überwiegenden Wohnens in den Stadtzentren betroffen sind (ebenso OVG NRW, U.v. 18.6.2019 - 13 A 3741/18.A - juris Rn. 167; VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 139). Eine vorwiegend ethnische Anknüpfung ist nicht belegt.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan bereits mehrfach obergerichtlich entschieden und verneint wurde (aus neuerer Zeit etwa: NdsOVG, U.v. 29.1.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 83 ff.; VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 77 ff.; U.v. 5.12.2017 - A 11 S 1144/17 - juris Rn. 86 ff.; BayVGH, B.v. 14.8.2017 - 13a ZB 17.30807 - ju-ris Rn. 17 ff.; B.v 20.1.2017 - 13a ZB 16.30996 - juris Rn. 11 f.; B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris Rn. 6). Dieser obergerichtlichen Rechtsprechung schließt sich auch das erkennende Gericht an, zumal sich auch unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismittel keine andere rechtliche Bewertung ergibt.

1.6 Des Weiteren ergibt sich keine flüchtlingsrelevante Verfolgung aus dem schiitischen Glauben des Klägers.

Auch hier ist dem Kläger nach seinen Angaben in der Anhörung persönlich aufgrund dessen nichts passiert, so dass eine anlassgeprägte Einzelverfolgung ausscheidet.

Ebenso scheidet eine Gruppenverfolgung aufgrund der schiitischen Religionszugehörigkeit aus. Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 bis 19% geschätzt. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen, obwohl Berichte zu lokalen Diskriminierungen existieren. Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen sind seit 2001 gestiegen. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, beträgt die Quote schiitischer Muslime 25 bis 30%; auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten. Beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (vgl. zum Ganzen Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 264 f.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, 2.9.2019, S. 11). Seit Anfang 2016 werden immer wieder Anschläge gegen schiitische religiöse Einrichtungen wie z.B. Moscheen ausgeführt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand Juli 2019, 2.9.2019, S. 11). Die Angriffe gegen religiöse Ziele haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen. So wurden landesweit 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 29.6.2018, letzte Information eingefügt am 4.6.2019, S. 72). Nach dieser Auskunftslage kann auch für Personen mit schiitischer Religionszugehörigkeit im Allgemeinen keine Situation außergewöhnlicher allgemeiner Gewalt festgestellt werden (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2019 - 13a B 19.33508 - juris Rn. 32). Das Gericht ist daher auch aufgrund dieser Auskunftslage der Überzeugung, dass keine für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte vorliegt (vgl. insbesondere aus neuerer Zeit VG Würzburg, U.v. 4.3.2020 - W 9 K 19.31811 - juris Rn. 35 f.; VG Cottbus, U.v. 21.2.2020 - 6 K 608/17.A - juris Rn. 59; VG Kassel, U.v. 8.8.2019 - 7 K 1442/17.KS.A - juris Rn. 48 ff.; VG Trier, U.v. 6.11.2017 - 6 K 10901/16.TR - juris Rn. 41).

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG, da keine stichhaltigen Gründe für die Annahme eines ihm in seinem Herkunftsland drohenden ernsthaften Schadens vorgebracht wurden oder sonst ersichtlich sind.

2.1 Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger ein ernsthafter Schaden durch die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG, besonders da die im Einzelfall individuell drohende Todesstrafe aufgrund eines gerichtlichen Urteils maßgeblich ist, nicht also bei "extralegalen Hinrichtungen" (vgl. Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 4 Rn. 4).

2.2 Auch droht dem Kläger kein ernsthafter Schaden durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.

Eine Behandlung wird als "unmenschlich" angesehen, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. "Erniedrigend" ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, die geeignet sind, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen (EGMR (Große Kammer), U.v. 21.1.2011 − 30696/0 - NVwZ 2011, 413/414, Rn. 220). Entscheidend ist auch hier der Wahrscheinlichkeitsmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - juris Rn. 22). Aufgrund des in § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG enthaltenen Verweises auf § 3c AsylG muss die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung außerdem von einem der dort genannten Akteure ausgehen (BVerwG, B.v. 13.2.2019 - 1 B 2.19 - juris Rn. 6; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 29).

Es ist fraglich, ob für die Person des Klägers, der Afghanistan bereits im August 2015 verlassen hat, eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, begründet ist. Sollte dem Kläger seitens des Mannes seiner Tante weiterhin die Tötung oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen, muss sich der Kläger auch hier jedenfalls auf die interne Fluchtalternative verweisen lassen, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. ausführlich oben). Hinsichtlich dieses anderen Mannes, den der Kläger verletzt hat, konnte der Kläger nicht glaubhaft machen, dass ihm hier überhaupt etwas droht (vgl. oben). Auch die unbekannten Personen haben nicht angegeben, was sie von dem Kläger wollen. Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ist hier nicht beachtlich wahrscheinlich. Auch hier würde dem Kläger ohnehin ebenso die interne Fluchtalternative offenstehen, da eine landesweite gezielte Verfolgung nach Überzeugung des Gerichts nicht gegeben ist. Insbesondere ist auch eine Zwangsrekrutierung nicht beachtlich wahrscheinlich. Zu dem Übrigen klägerischen Vortrag wird auf oben verwiesen.

Auch aus der Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Hazara oder zum schiitischen Glauben - wie bereits ausführlich vom Gericht gewürdigt - folgt keine Gefahr einer landesweiten (Gruppen-)Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Daher kann aus diesem Grund auch kein ernsthafter Schaden durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen.

Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation in Afghanistan in Betracht. Selbst wenn eine solche anzunehmen wäre, könnte dies dennoch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes vermitteln, da es insoweit an einem erforderlichen Akteur i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG fehlen würde, von dem die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Klägers ausgehen müsste (vgl. hierzu oben). Die humanitären Verhältnisse in Afghanistan beruhen gerade auf einer Vielzahl von Faktoren, zu de-en die allgemeine wirtschaftliche Lage, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen ebenso wie die Sicherheitslage gehören. Es ist jedenfalls nicht feststellbar, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung tragen. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176; OVG NRW, U.v. 18.6.2019 - 13 A 3741/18.A - juris Rn. 71).

2.3 Auch die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus in Folge einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommt nicht in Betracht, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

Eine ernsthafte individuelle Bedrohung liegt vor, wenn im Rahmen eines Konflikts der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dabei wird der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, umso geringer sein, je mehr der Kläger darlegen kann, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 30.1.2014 - C-285/12 - juris Rn. 30, 31; U.v. 17.2.2009 - C-465/07 - juris Rn. 35, 43; VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 193). Solche Umstände können sich beispielsweise aus dem Beruf des Schutzsuchenden - etwa als Arzt oder Journalist - sowie aus dessen religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33; VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 193).

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass in der Person des Klägers derartige gefahrerhöhende Umstände vorliegen. Eine gezielte Verfolgung durch den Mann seiner Tante oder den anderen Mann steht zur Überzeugung des Gerichts nicht fest (vgl. ausführlich oben). Hinzu kommt, dass der Kläger bereits im August 2015 aus Afghanistan ausgereist ist, weshalb auch aufgrund dieses langen Zeitraums besondere gefahrerhöhende Umstände nicht angenommen werden können. Auch die Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Hazara begründet keinen gefahrerhöhenden Umstand (vgl. oben). Die bloße schiitische Religionszugehörigkeit stellt ebenso keinen individuellen gefahrerhöhenden Umstand dar (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2019 - 13a B 19.33508 - juris Rn. 44.).

Liegen - wie hier - keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 19, 20; U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33). Zur Feststellung, ob das erforderliche hohe Niveau vorliegt, ist zum einen eine quantitative Ermittlung der verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl erforderlich. Darüber hinaus ist neben dieser quantitativen Ermittlung auch eine wertende Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22, 23). In diesem Zusammenhang geht die Rechtsprechung allerdings davon aus, dass - bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres - ein Risiko, verletzt oder getötet zu werden von 1:800 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22 f.) bzw. 1:1.000 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 11.10 - juris Rn. 20 f.) so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass sich eine im Übrigen unterbliebene wertende Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht mehr auszuwirken vermag. Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist dabei der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 13). Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 100; U.v 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 202).

Entscheidend ist in dem hier vorliegenden Fall auf Kabul abzustellen, da der Kläger dort bis zu seiner Ausreise gewohnt hat und da der Kläger - wie er in der mündlichen Verhandlung überzeugend angegeben hat - seit dem damaligen Vorfall keinen Kontakt mehr zu seiner Tante, keine Familienangehörigen oder sonstige Kontakte in Afghanistan hat und die derzeit aus Deutschland durchgeführten Abschiebeflüge nach Kabul erfolgen.

In Kabul besteht derzeit keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger dort eine ernsthafte individuelle Bedrohung i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG wiederfährt. Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 1.563 zivile Opfer (261 Tote und 1.302 Verletzte) in der Provinz Kabul, was einem Rückgang von 16% gegenüber 2018 entspricht. Bei einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20 ergibt sich hier ein Opferrisiko von 0,031% und damit ein Risiko, welches erheblich unterhalb des Risikobereichs von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%) liegt, der nach der Rechtsprechung derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt liegt, dass selbst bei einer übrigen unterbliebenen wertungsmäßigen Gesamtbetrachtung nicht mehr von einer individuellen Bedrohungslage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgegangen werden kann (vgl. zu den Opfer- und Bevölkerungszahlen Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 35 ff., sowie UNAMA, Afghanistan - Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2019, Februar 2020, S. 94). Darauf, dass eine annäherungsweise Ermittlung der Zahlen ausreichend ist, wurde bereits oben hingewiesen. Zudem weist insbesondere der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 14.11.2019 - 13a B 19.33359 - darauf hin, dass auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Dunkelziffer bzw. Untererfassung der zivilen Opfer bei einem sich in diesem Bereich bewegenden Gefahrengrad (dort 1:2.354 = 0,042%) noch nicht die Annahme einer Situation außergewöhnlicher allgemeiner Gewalt gegeben ist (vgl. auch HessVGH, U.v. 27.9.2019 - 7 A 1923/14.A - juris Rn. 117 m.w.N.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 63).

Es ergibt sich auch keine andere Wertung falls der Kläger zu seinem Geburtsort ... ... (Provinz Wardak), wo der Kläger bis vor acht Jahren vor seiner Ausreise gelebt hat, zurückkehrt. Auch dort besteht derzeit keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger eine ernsthafte individuelle Bedrohung i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG wiederfährt. Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 184 zivile Opfer (108 Tote und 76 Verletzte) in der Provinz Wardak, was einem Rückgang von 18% gegenüber 2018 entspricht. Bei einer geschätzten Einwohnerzahl von 648.866 Personen in 2019-20 ergibt sich hier ein Opferrisiko von 0,028% und damit ein Risiko, welches erheblich unterhalb des oben genannten Risikobereichs liegt, der nach der Rechtsprechung derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt liegt, dass selbst bei einer übrigen unterbliebenen wertungsmäßigen Gesamtbetrachtung nicht mehr von einer individuellen Bedrohungslage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgegangen werden kann (vgl. zu den Opfer- und Bevölkerungszahlen Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.5.2020, S. 203 ff., sowie UNAMA, Afghanistan - Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2019, Februar 2020, S. 94).

Sollte der Kläger nicht in oben genannte Provinzen gehen wollen oder können (vgl. bzgl. Kabul oben) wäre hilfsweise auf die Provinzen Herat und Balkh abzustellen. Hierzu wird gänzlich auf obige Ausführungen verwiesen.

Im Ergebnis schließt sich das Gericht vollumfänglich der obergerichtlichen Rechtsprechung an, wobei insbesondere der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weiterhin davon ausgeht, dass für keine Region Afghanistans die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegen (vgl. U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31960 - juris Rn. 43 ff.; B. v. 25.2.2019 - 13a ZB 18.32203; B. v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 6; B. v. 3.11.2017 - 13a ZB 17.31228 - juris Rn. 9; B. v. 11.4.2017 - 13a ZB 17.30294 - juris Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Dies zuletzt bestätigt im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17.1.2020 - 13a ZB 20.30107 - juris Rn. 15, dass im Ergebnis unverändert davon auszugehen ist, dass in Afghanistan derzeit im Allgemeinen weiterhin keine Gefahrenlage gegeben ist, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG führte. Im Rahmen einer solchen umfassenden Beurteilung aller gefahrbegründenden Umstände würde sich bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände letztlich durchgreifend auswirken, dass sich das konfliktbedingte Schädigungsrisiko mit 1:2.458 (bei einer zugunsten des Klägers konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von nur etwa 27 Mio. Menschen) deutlich unter 1:800 und damit auf einem nicht hinreichend hohen Niveau befindet. Unabhängig davon erschließt sich dem Senat auch nicht, welche entscheidende Relevanz der Lebenssituation der Binnenvertriebenen und Rückkehrer bei der Ermittlung der Gefahrenlage infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinn des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zukommen sollte.

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletze (vgl. z.B. EGMR, U.v. 11.7.2017 - S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 - Rn. 53). Auch aus dem dem Gericht vorliegenden zusätzlichen Erkenntnismaterial mit neuerem Datum lässt sich nichts dafür entnehmen, dass hier zwischenzeitlich eine andere Einschätzung zur Sicherheitslage geboten wäre.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes und zwar weder auf Grundlage von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (dazu 3.1) noch auf Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (dazu 3.2).

3.1 Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen Verletzung der EMRK besteht weder mit Blick auf die Sicherheitslage in Afghanistan - hierzu wird vollumfänglich auf obige Ausführungen verwiesen - noch aufgrund der dortigen schlechten humanitären Bedingungen.

Die humanitäre Lage und die Lebensbedingungen, die der Kläger in Afghanistan insgesamt bzw. in den Provinzen Kabul, Herat, Balkh oder Wardak zu erwarten hat, sind nicht derart schlecht, dass davon ausgegangen werden müsste, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Zwar können auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat grundsätzlich eine unmenschliche Behandlung des Klägers im Sinne des Art. 3 EMRK begründen. Hierfür ist aber ein außergewöhnlicher Fall notwendig, in dem die gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind. Dafür reicht es noch nicht aus, wenn im Fall einer Ausweisung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde (EGMR, U.v. 27.5.2008 - 26565/05 - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23). Ein solcher Ausnahmefall kann allenfalls dann vorliegen, wenn zu solchen schlechten humanitären Bedingungen ganz außerordentliche individuelle Gründe hinzutreten und humanitäre Gründe zwingend gegen eine Abschiebung sprechen (siehe BVerwG, B.v. 13.2.2019 - 1 B 2.19 - juris Rn. 10 unter Verweis insbesondere auf EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 und 11449/07 - Rn. 278). Auch hier gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - juris Rn. 22; B.v. 13.2.2019 - 1 B 2.19 - juris Rn. 6). Für die Prüfung der humanitären Verhältnisse ist dabei grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen, wobei zunächst die Umstände an dem Ort maßgeblich sind, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 26).

Ein solcher Ausnahmefall besteht vorliegend nicht. Auch diesbezüglich kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte. Insbesondere ist das Gericht auch nach dem Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung der Überzeugung, dass es dem Kläger als arbeitsfähigen, gesunden und jungen Mann, der in Deutschland den Mittelschulabschluss erworben hat und eine Ausbildung als Maschinen- und Anlagenführer bereits im letzten Jahr absolviert und daher berufliche Erfahrungen und Qualifikationen besitzt und auch bereits in Afghanistan beruflich tätig gewesen ist, zumindest durch die Übernahme von Hilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten, möglich sein wird, sich sein Existenzminimum zu sichern.

Auch aus der aktuellen Covid-19-Pandemie ergibt sich keine andere Bewertung (vgl. hierzu ausführlich oben).

Die hohen Anforderungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind daher nicht erfüllt.

3.2 Auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt in Bezug auf den Kläger nicht vor und zwar weder aufgrund des Gesundheitszustands des Klägers noch wegen der allgemein vorherrschenden Lebensbedingungen in Afghanistan.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei gelten § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 AufenthG entsprechend (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen wird nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, angenommen (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Erhebliche konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG).

Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger nicht erfüllt.

Dem Kläger droht keine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen. Derartige Umstände sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Auch aus allgemein vorherrschenden schlechten Lebensbedingungen in Afghanistan lässt sich ein Abschiebungsverbot nicht begründen.

Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die gesamte Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG grundsätzlich nur bei Anordnungen zur vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten - insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage - kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser im Abschiebungszielstaat herrschenden Lebensbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Wann die vorherrschenden allgemeinen Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der ex-tremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung des Ausländers in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Dazu müssen diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr drohen. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 14.11.2019 - 13a B 19.33359 - juris Rn. 47; BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 23.10 - juris Rn. 21 f.; B.v. 14.11.2007 - 10 B 47.07 u.a. - juris Rn. 3; vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31918 - juris Rn. 40 m.w.N; VGH BW, U.v. 26.6.2019 - A 11 S 2108/18 - juris Rn. 131 ff.; OVG NW, U.v. 18.6.2019 - 13 A 3930/18 - juris Rn. 313 ff.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 188 ff.)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Abschiebungsverbot im Fall des Klägers nicht gegeben. Es sind keine Umstände ersichtlich, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr nach Afghanistan einer solchen extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Insbesondere würde der Kläger nicht mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden. Das Gericht ist der Überzeugung, dass sich der Kläger sein Existenzminimum sichern wird (vgl. oben). Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ist nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten.

Es ergibt sich auch keine andere rechtliche Wertung aus der aktuellen Covid-19-Pandemie. Zunächst handelt es sich um eine Gefahrenlage, welche nicht nur dem Kläger, sondern unterschiedslos allen Bewohnern Afghanistans droht. Derartige Gefahren sind gem. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG grundsätzlich nur bei Anordnungen zur vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser im Abschiebungszielstaat herrschenden Lebensbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre (vgl. ausführlich oben).

Es sind weder Anhaltspunkte vorgetragen noch ersichtlich, dass der junge und gesunde Kläger in Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit so schwer an dem Virus erkranken könnte, dass er - auch aufgrund mangelhafter medizinischer Versorgung - in eine existentielle Gesundheitsgefahr bzw. extreme Gefahrenlage geraten könnte. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Kläger zu dem gefährdeten Personenkreis (hohes Alter, Vorerkrankungen) gehört. Der Kläger zählt insbesondere nicht zur Altersgruppe der 40- bis 69-Jährigen, die in Afghanistan mehr als die Hälfte der durch COVID-19 bedingten Todesfälle ausmachen (vgl. dazu OCHA, Afghanistan: Covid-19 Multi-Sectoral Response, Operational Situation Report, 10.6.2020, S. 1). Eine besondere Vulnerabilität des Klägers in Bezug auf eine Ansteckung mit dem Corona-Virus kann schließlich nicht deshalb angenommen werden, weil dieser zur Gruppe der Rückkehrer aus Europa zählt. Die gegenteilige Stellungnahme Stahlmanns hat das Gericht bereits oben ausführlich gewürdigt.

4. Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung (Ziffer 5 des Bescheides) bestehen keine Bedenken, vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Nach § 38 Abs. 1 AsylG war dem Kläger eine Ausreisefrist von 30 Tagen zu setzen.

5. Auch das auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6 des Bescheides) ist rechtmäßig. Auch unter Berücksichtigung des nunmehr geltenden § 11 Abs. 1 AufenthG, wonach das Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht mehr aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung eintritt, sondern es hierfür vielmehr einer behördlichen Entscheidung bedarf (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 71), bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ziffer 6 des Bescheides. Die nunmehr geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von bestimmter Dauer wird in unionsrechtskonformer Auslegung regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG gesehen (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 72). Eine solche hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid wirksam getroffen und in Ausübung des ihr nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingeräumten Ermessens eine Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung vorgesehen. Ermessensfehler, auf deren Überprüfung das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO beschränkt ist, sind nicht ersichtlich.

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.