VG Ansbach, Beschluss vom 22.02.2021 - AN 4 S 21.00269
Fundstelle
openJur 2021, 15726
  • Rkr:
Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage (AN 4 K 21.00270) gegen die Ziffern I.7.1, I.7.3 und I.7.5 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2021 (Amtsblatt Nr. 3c vom 16. Februar 2021) wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Antragsgegnerin trägt ¾ der Kosten des Verfahrens, der Antragsteller ¼.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ziffern I.7.1, I.7.2, I.7.3 und I.7.5 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2021.

Die Antragsgegnerin erließ am 16. Februar 2021 eine Allgemeinverfügung, bekanntgegeben im Sonderamtsblatt Nr. 3c vom 16. Februar 2021, in der unter anderem weitergehende Regelungen gemäß § 25 Abs. 2 der 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) getroffen wurden. Diese Allgemeinverfügung hat auszugsweise folgenden Inhalt:

I.

Festlegungen:

(...)

7. Einschränkung von Versammlungen im Sinne des Art. 8 des Grundgesetzes

7.1 Die Versammlung findet ausschließlich ortsfest statt.

7.2 Alle Tätigkeiten für die ein Abnehmen der Mund-Nasen-Bedeckung erforderlich ist oder bei denen der korrekte Sitz der Mund-Nasen-Bedeckung beeinträchtigt ist, sind untersagt (z. B. Essen, Trinken, Rauchen, Benutzung von Blasinstrumenten oder Trillerpfeifen).

7.3. Die Dauer der Versammlung ist auf höchstens 60 Minuten beschränkt.

(...)

7.5 Die Teilnehmerzahl bei Versammlungen unter freiem Himmel ist auf höchstens 200 Personen beschränkt.

(...)

II.

Ausnahmen:

Ausnahmen von den vorgenannten Beschränkungen können erteilt werden, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.

In den Gründen wird zum Sachverhalt unter anderem folgendes ausgeführt:

"Daneben sind durch die Landkreise bzw. kreisfreien Städte bei Bestehen einer deutlich über dem Landesdurchschnitt liegenden Sieben-Tages-Inzidenz gem. § 25 der 11. BayIfSMV weitergehende Anordnungen zu treffen.

Das RKI meldet für die Stadt ... zum Stand 16.02.2021 eine 7-Tage-Inzidenz von 83,3, für das Land ... dagegen (nur) eine Inzidenz von 57,9."

Zur Begründung wird ausgeführt:

"Die in Bezug auf Versammlungen unter Ziffer I.7. hiermit festgelegten Anordnungen sind allesamt unter besonderer Berücksichtigung der überragenden Bedeutung des Art. 8 GG sowie der einfachgestzlichen Ausprägung in § 28a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lfSG sowie § 25 der 11. BayIfSMV getroffen worden.

Das Spannungsfeld zwischen dem hohen Wert des Versammlungsrechts und dem Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit ist, auch und insbesondere während der Corona-Pandemie, sehr sensibel. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit hat in einer Demokratie zweifelsohne einen hohen Stellenwert. Die Grenzen sind allerdings dort zu ziehen, wo andere, d. h. deren gleichfalls verfassungsrechtlich normiertes Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, gefährdet werden. Nicht nur in der Gruppe der Versammlungsteilnehmer, sondern auch bei unbeteiligten Passanten gibt es Personen, die ein hohes Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf der Erkrankung haben.

Die Stadt ... hat sich gegen eine Untersagung und somit ausdrücklich für bloße Beschränkungen entschieden. Oberstes Ziel hierbei ist, die Versammlung als Grundrechtsausübung im Grundsatz zu gewährleisten. Die in der vorliegenden Allgemeinverfügung getroffenen Anordnungen sind geeignet, erforderlich und angemessen, um sowohl Versammlungsteilnehmer als auch - jedenfalls bei Versammlungen unter freiem Himmel - unbeteiligte Passanten zu schützen und Infektionsketten nachhaltig zu durchbrechen. Dies trägt wiederum zu einer Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems bei.

Die in der 11. BayIfSMV festgelegte Anordnung zur Verpflichtung zum Gebrauch einer Mund-NasenBedeckung ist insbesondere zum Schutz von Leib und Leben von einer Vielzahl von Menschen (Versammlungsteilnehmer, Dritte und die die Versammlung betreuende Polizeibeamte) notwendig.

Mit der Regelung in Ziff. I.7.2 soll vermieden werden, dass die angeordnete Maskenpflicht durch Tätigkeiten oder Verhalten, bei denen das Tragen einer Maske nicht möglich ist bzw. der korrekte Sitz der Maske beeinträchtigt ist, umgangen wird.

Die Anordnungen der Ziff. I.7.1, I.7.3 und I.7.4 sind an die Regelungen in früheren BaylfSMV angelehnt (vgl. bspw. § 7 S. 1 Nr. 3, 4, 5 der 5. BaylfSMV angelehnt) und in der aktuell dramatischen Situation wieder umso erforderlicher.

(...)

Die Beschränkung der Höchstteilnehmerzahl bei Versammlungen nach § 7 Abs. 1 der 11. BayIfSMV auf höchstens 200 Personen beruht auf der sich weiterhin auf hohem Niveau befindlichen Infektionszahlen und der damit einhergehenden starken Krankenhausauslastung. So gab es Stand 15.02.2021 in ... lediglich zwei freie Intensiv-Beatmungsplätze, in gesamt ... waren es 14 gemeldete Plätze.

Es besteht kein Zweifel, dass auch von Versammlungen Infektionsgefahren ausgehen und sie damit Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen haben können. Um Menschenansammlungen damit auf ein vertretbares und überschaubares Maß zu reduzieren, andererseits der überragenden Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungs- und Meinungskundgabefreiheit, ist eine Beschränkung der Teilnehmenden erforderlich. Nach § 7 der BayIfSMV besteht die Regelvermutung, dass jedenfalls bei einer Teilnehmerzahl von nicht mehr als 200 Personen an einer ortsfesten Versammlung die Infektionsgefahr auf ein infektionsschutzrechtlich vertretbares Maß beschränkt ist. Die Stadt ... weiß um ihre Bedeutung als Großstadt und damit als zentrale Versammlungsörtlichkeit. Eine höhere Teilnehmerzahl lässt die Versammlung allerdings auch bei besten Hygiene- und Schutzkonzepten samt entsprechender Ordneranzahl unübersichtlich werden, so dass es für die Versammlungsleitung und die Polizei vor Ort immer schwieriger wird, auf die Einhaltung der Auflagen hinzuwirken. Dies gilt erst recht von zu vermeidenden Gruppenbildungen im Vorfeld bzw. Nachgang zur Versammlung.

Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit der Versammlungsbehörde, bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte die Teilnehmerzahl weiter zu reduzieren.

Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass gemäß Ziffer II. dieser Allgemeinverfügung auf Antrag ohnehin Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist."

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 17. Februar 2021 beantragt, die Ziffern I.7.1, I.7.2, I.7.3 und I.7.5 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2021 aufzuheben und für ungültig zu erklären und sinngemäß beantragt,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.

Zur Antragsbegründung führte er aus, dass er in der Stadt ... wohnhaft sei und regelmäßig sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bei Versammlungen in ... wahrnehme. Die Antragsgegnerin habe mit der Allgemeinverfügung vom 16. Februar 2021 tiefgreifende Beschränkungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit verlängert. Die Sieben-Tage-Inzidenz habe am 15. Februar 2021 68,5 betragen, am 16. Februar 2021 83,3 (RKI) bzw. 57,9 (LGL Bayern) und am 17. Februar 2021 74,1. Damit liege die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz weit unter den teils über 300 höheren Inzidenzen zum Zeitpunkt des Erlasses der vorherigen deckungsgleichen bzw. bezüglich der Teilnehmerbeschränkung auf 200 sinngemäß identischen Allgemeinverfügungen der Antragsgegnerin vom 1., 9., 11. und 18. Dezember 2020 bzw. 11. und 23. Januar 2021. Inzidenzen wie derzeit habe es zuletzt zwischen dem 21. und 26. Oktober 2020 gegeben, jedoch habe es bis zum 1. Dezember 2020 keinerlei über die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung hinausgehenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit gegeben.

Für ein pauschales Verbot von Essen und Trinken auf Versammlungen (I.7.2) fehle die Rechtsgrundlage, da ein solches Verbot weder durch § 28a IfSG noch durch die 11. BayIfSMV gedeckt sei. Das Verbot sei nicht erforderlich, da auf Versammlungen ein Mindestabstand von 1,5 m gelte und durch das kurzzeitige Abnehmen einer Mund-Nasen-Bedeckung zum Trinken unter freiem Himmel niemand gefährdet werde. Es sei auch nicht verhältnismäßig. Trinken sei ein menschliches Grundbedürfnis und im Sommer bei hohen Temperaturen absolut notwendig. Bei den derzeitigen Minustemperaturen sei es ebenso zulässig, sich mit einem Schluck Tee zu wärmen. Ein diesbezügliches Verbot verstoße gegen die Menschenwürde. Das Verbot sei nicht geeignet. Der von der Antragsgegnerin in der Begründung unterbreitete Vorschlag, zum Trinken, Essen oder Rauchen die Versammlungsfläche kurz zu verlassen und dann zurückzukehren, würde zu vielen vermeidbaren Kontakten führen, da eine Person zweimal quer durch die Versammlung laufen müsse, was mit einer Unterschreitung des Mindestabstands einhergehe. Die Auflage sei damit kontraproduktiv.

Die pauschale Beschränkung der Teilnehmerzahl auf 200 (I.7.5) sei weder durch § 28a IfSG noch durch die 11. BayIfSMV gedeckt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 31. Januar 2021 (10 CS 21.323) klargestellt, dass es sich bei § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 der 11. BayIfSMV um die Privilegierung eines Regelfalls handele. Am 22. November 2020 habe in ... der sog. "Schweigemarsch" mit 750 bis 900 Personen trotz einer deutlich höheren Inzidenz von 248 stattgefunden. Eine Allgemeinverfügung sei damals nicht in Kraft gewesen. Es sei zu keinen Verstößen gegen die Infektionsschutzmaßnahmen gekommen. Trotz einer Sieben-Tage-Inzidenz von 299 sei selbst in der Allgemeinverfügung vom 11. Dezember 2020 keine pauschale Teilnehmerbeschränkung erfolgt. Erst am 18. Dezember 2020 bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 373 sei die pauschale Beschränkung eingeführt worden. Obwohl die Inzidenz nun um 300 niedriger sei, sei die pauschale Beschränkung auf Veranstaltungen an der frischen Luft verlängert worden. Es sei allgemein bekannt, dass Ansteckungen nahezu immer in geschlossenen Räumen stattfänden und das Infektionsrisiko an frischer Luft minimal sei. Versammlungen unter freiem Himmel stellten nicht ansatzweise eine gravierende Gefahr für Ansteckungen dar. Das Robert-Koch-Institut habe bestätigt, dass Ansteckungen an der frischen Luft äußerst unwahrscheinlich seien. Auch eine chinesische Studie komme zu diesem Schluss. Bis heute sei kein einziger nachgewiesener Fall einer Ansteckung in Deutschland auf einer Versammlung unter freiem Himmel bekannt. Einem "Diskussionspapier" von Mitarbeitern des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung und der Berliner Humboldt-Universität sei es nicht gelungen, auch nur eine einzige Infektion auf eine Demonstration im Jahr 2020 nachzuweisen. Die pauschale Beschränkung auf 200 Teilnehmer sei weder erforderlich noch verhältnismäßig. Wie die Demonstration am 22. November 2020 in ... zeige, sei selbst bei deutlich höheren Inzidenzwerten eine Kundgebung mit über 200 Teilnehmern im infektionsschutzrechtlich vertretbaren Rahmen durchführbar. Dies bestätigten auch die Versammlungen in ... in den letzten Wochen. Zwar enthalte die Allgemeinverfügung eine Ausnahme, würden jedoch Eingriffe in die Grundrechte durch eine bloße Allgemeinverfügung ohne parlamentarische Kontrolle verhängt, müssten sie minimalinvasiv sein. Es widerspräche dem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat fundamental, ein Grundrecht pauschal einzuschränken und nur in begründeten Ausnahmen zu gewähren. Vielmehr müsse von einem privilegierten Regelfall ausgegangen werden und in nicht privilegierten Fällen im Einzelfall geprüft werden, ob dieser ebenfalls vertretbar wäre. Die Antragsgegnerin hätte ohnehin jederzeit die Möglichkeit, im Falle der Nichtvertretbarkeit die Versammlung zu untersagen. Das Verwaltungsgericht München habe am 6. Februar 2021 die Auflage von maximal 300 Teilnehmern auf einer Versammlung in ... für den 7. Februar 2021 gekippt.

Für eine pauschale Beschränkung der Versammlungen auf 60 Minuten (I.7.3) bestehe keine Rechtsgrundlage. Infektionsgefahren an der frischen Luft bei Einhaltung der AHA-Regeln seien quasi nicht vorhanden. Ein solch pauschaler Grundrechtseingriff sei nicht verhältnismäßig. Bei vergleichbaren Inzidenzzahlen seien in ... am 24. und 31. Januar 2021 stationäre Kundgebung mit einer Dauer von 2,15 Stunden genehmigt worden. Die Antragsgegnerin habe die Regelung bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 364 erlassen und bei Inzidenz von 303, 299, 373, 226 und 235 verlängert. Eine Verlängerung bei deutlich gesunkenen Zahlen sei nicht angemessen. Die Antragsgegnerin habe jederzeit die Möglichkeit, eine Versammlung durch Auflagen zeitlich zu beschränken, wenn sie andernfalls infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar wäre. Die Allgemeinverfügung erwecke den Eindruck, dass aus "Bequemlichkeit" zunächst alles generell beschränkt und dann mit Hinweis auf eine in der Praxis nicht gegebene, aber rechtlich theoretisch existente Ausnahmemöglichkeit den Bürgern ein effektiver Rechtsschutz gegen Eingriffe in die Versammlungsfreiheit verwehrt werde. In einem gerichtlichen Eilverfahren sei eine Verpflichtung zu einer Ausnahme deutlich schwieriger zu erreichen als Rechtsschutz gegen Auflagen.

Analog zur Teilnehmerbeschränkung verhalte es sich bei der Möglichkeit einer nicht ortsfesten Versammlung (I.7.1). Der Schweigemarsch am 22. November 2020 in ... mit 750 bis 900 Personen sei nicht ortsfest gewesen, obwohl die Inzidenz mit 248 deutlich über der aktuellen gelegen habe. Eine Allgemeinverfügung sei zu diesem Zeitpunkt nicht in Kraft gewesen. Infektionsgefahren auf Versammlungen an frischer Luft seien minimal. Laut Bayerischem Verwaltungsgerichtshof sei eine absolute infektionsschutzrechtliche Unbedenklichkeit für eine infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit nicht erforderlich. Ein pauschales Verbot von nicht stationären Kundgebungen sei weder erforderlich, noch verhältnismäßig. Zwar sehe die Allgemeinverfügung eine Ausnahme vor, jedoch widerspräche es dem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat fundamental, ein Grundrecht pauschal einzuschränken und nur in begründeten Ausnahmen zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 18. Februar 2021,

der Antrag wird abgelehnt.

Zur Antragserwiderung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Beschränkungen in den Ziffern I.7.1 bis I.7.3 der Allgemeinverfügung vom 16. Februar 2021 seien erstmals mit Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Dezember 2020 eingeführt worden. Nach § 26 der damals geltenden 9. BayIfSMV habe die Antragsgegnerin, da in ihrem Gebiet der Sieben-Tage-Inzidenzwert von 300 überschritten worden sei (307,6), weitergehende Anordnungen, insbesondere angemessene Beschränkungen von Versammlungen im Sinne des BayVersG, treffen müssen. Diese Beschränkungen wurden in der Allgemeinverfügung vom 9. Dezember 2020 bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 344,7 beibehalten.

Die angefochtene Beschränkung in Ziffer I.7.5 der Allgemeinverfügung vom 16. Februar 2021 sei erstmals mit Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2020 eingeführt worden. Nach § 25 der damals geltenden 11. BayIfSMV habe die Antragsgegnerin, da in ihrem Gebiet ein gegenüber dem Landesdurchschnitt (212) deutlich erhöhter Sieben-Tage-Inzidenzwert von 373 bestanden habe, weitergehende Anordnung treffen müssen. Dabei habe sie die Vollzugshinweise des StMI vom 10. Dezember 2020 (Gz.: E4-1204-1-58) berücksichtigt, in denen als mögliche versammlungsrechtliche Auflagen u.a. eine Beschränkung der Teilnehmerzahl aufgeführt worden sei (Ziffer 1.2.4). Hintergrund sei gewesen, dass deutschlandweit Großversammlungen unter vielfacher Missachtung grundliegender Infektionsschutzmaßnahmen durchgeführt worden seien.

In der nachfolgenden Allgemeinverfügung vom 23. Januar 2021 seien die genannten Beschränkungen jeweils unverändert beibehalten worden, nachdem Versammlungen weiterhin die einzigen größeren und regelmäßig stattfindenden Menschenansammlungen im Gebiet der Antragsgegnerin gewesen und am 3. und 17. Januar 2021 eine Vielzahl von Versammlungen im Gebiet der Antragsgegnerin und den Nachbarstädten unter Missachtung der Infektionsschutzregeln durchgeführt worden seien. Zu diesem Zeitpunkt habe die Sieben-Tage-Inzidenz im Gebiet der Antragsgegnerin (141) den bayerischen Wert (115) um 23% überstiegen.

Zur Rechts- und Infektionslage bei Erlass der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung vom 16. Februar 2021 trug die Antragsgegnerin weiter vor, dass aufgrund der Einschätzung der Infektionsgefahr wegen der zwischenzeitlich auch in Bayern nachgewiesenen Virusmutationen und dem Ziel, die Sieben-Tage-Inzidenz auf einen Wert unter 35 zu senken, um die Beschränkungen in größerem Maße aufheben zu können, der Verordnungsgeber mit der Änderung der 11. BayIfSMV vom 12. Februar 2021 die Pflicht für weitergehende örtliche Regelungen weiterhin an die deutliche Überschreitung des Landesdurchschnitts gebunden habe. Die Sieben-Tage-Inzidenz im Gebiet der Antragsgegnerin liege seit dem 23. Januar 2021 um durchschnittlich 33% über dem Landesdurchschnitt und auch am 17. Februar 2021 habe sie noch um 35% über dem Landesdurchschnitt gelegen (Bayern: 55, Antragsgegnerin: 74). Außerdem seien im Gebiet der Antragsgegnerin knapp 100 Fälle mit den aktuell bekannten Virusmutanten (vorwiegend britische Variante) festgestellt worden. In den Kliniken im Gebiet der Antragsgegnerin seien zum Stand 15. Februar 2021 33 Intensivbetten mit COVID-19-Patienten belegt und nur noch zwei Intensivbetten für die Patientengruppe frei gewesen. Auf Normalstation seien 104 COVID-19-Patienten versorgt worden. Vertreter der Krankenhäuser hätten ausgeführt, dass der Rückgang an Neuinfektionen noch nicht im gleichen Maße bei den Krankenhausbehandlungen eingetreten sei und nur eine langsame Rückläufigkeit an Neuinfektionen und eine weiterhin intensive Belastung festzustellen sei.

Die Beschränkung in Ziffer I.7.1 der Allgemeinverfügung vom 16. Februar 2021 folge der normativen Wertung in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 11. BayIfSMV, dass ortsfeste Versammlungen ein geringeres Infektionsrisiko darstellen. Die Anordnung könne sich auch auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (B.v. 24.1.2021 - 10 CS 21.249 - BecKRS 2021, 479 Rn. 21) und des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 21.11.2020 - 1 BvQ 135/20 - NVwZ 2021, 141) stützen. Versammlungsleitung, Ordner und Polizei könnte die Einhaltung der Infektionsschutzregeln, insbesondere der Abstands- und Maskenpflicht, bei sich fortbewegenden Versammlungen kaum kontrollieren, da der Zug bei größerer Teilnehmerzahl und engen Straßen nicht vollständig überblickbar sei, ständig Personen hinzukommen könnten und eine Abgrenzung von Teilnehmern und Nichtteilnehmern nicht immer möglich sei. Die Beschränkung auf eine ortsfeste Durchführung sei ein milderes Mittel gegenüber Kontrollen und Eingriffen durch die Polizei und damit verhältnismäßig.

Die Beschränkung in Ziffer I.7.2 diene dazu, dass der in § 7 Abs. 1 Satz 3 11. BayIfSMV normierten Maskenpflicht faktisch und effektiv nachgekommen werde und sei eine nicht stark eingreifende, flankierende Beschränkung der Versammlung. Auf Versammlungen hätten immer wieder Teilnehmer während der gesamten Versammlungsdauer an Zigaretten gezogen oder an Getränken genippt, um das dauerhafte Nichttragen einer Maske auch ohne entsprechendes Attest zu rechtfertigen. In den sozialen Netzwerken gebe es hierzu entsprechende Tipps. Das Gleiche gelte für das Bereithalten und Verwenden von Trillerpfeifen und Blasinstrumenten. Es sei verhältnismäßig, die Versammlungsfläche zum Rauchen oder Trinken kurz zu verlassen. Ein missbräuchliches Dauertrinken/-rauchen/-trillern könne von Versammlungsleitung, Ordnern und Polizei nicht kontrolliert werden, da dies eine Dauerbeobachtung jeder Person erfordern würde. Bei der Verwendung von Blasinstrumenten bestehe zudem durch die Ausweitung der ausgeblasenen Aerosole eine erhöhte Infektionsweite und -gefahr. Die diesbezüglichen Einschränkungen für die überschaubare Dauer einer Versammlung seien zumutbar.

Zur Beschränkung in Ziffer I.7.3 wurde ausgeführt, dass mit zunehmender Versammlungsdauer das Infektionsrisiko steige. Der Wechsel zwischen dazukommenden und weggehenden Teilnehmern sei bei einer kürzeren Dauer geringer. Bei einer 60minütigen Versammlung komme der Großteil der Teilnehmer bereits zu Versammlungsbeginn und erlangten damit auch Kenntnis von den zu Beginn verlesenen Auflagen, was im Hinblick auf die Infektionsschutzbestimmungen besonders wichtig sei.

Die Beschränkung in Ziffer I.7.5 greife die normative Wertung in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 11. BayIfSMV auf, dass Versammlungen mit höchstens 200 Teilnehmern ein entsprechend geringeres Infektionsrisiko darstellen und regle diese entsprechend dem Infektionsgeschehen im Gebiet der Antragsgegnerin generell-konkret. Ausnahmen von dieser Maßgabe könnten bei infektionsschutzrechtlicher Vertretbarkeit zugelassen werden.

Schließlich führte die Antragsgegnerin aus, dass präventive Versammlungsbeschränkungen gegen noch nicht bekannte Versammlungen als Allgemeinverfügung erlassen werden könnten. Versammlungsbeschränkende Maßnahmen richteten sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis, nämlich an alle Personen, die in einem beschränkten Zeitraum zu Versammlungen im Gebiet der Antragsgegnerin zusammenzukommen beabsichtigten. Die weitergehenden Regelungen zu Versammlungen seien zur Gewährleistung des Infektionsschutzes geeignet, erforderlich und angemessen. Versammlungen seien die einzigen und regelmäßig wiederkehrenden Menschenansammlungen, ein Anziehungspunkt für Menschen und damit ohne Beschränkungen ein potentieller Infektionsherd. Die Allgemeinverfügung sehe ein einheitliches Infektionsschutzkonzept vor. Aufgrund der aktuellen Regelungen der 11. BayIfSMV und der Infektionslage im Gebiet der Antragsgegnerin sei es auch angemessen, den Regel-Ausnahme-Grundsatz weiterhin in diesem Maße vorzusehen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist bezüglich der Ziffern I.7.1, I.7.3 und I.7.5 der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung begründet, bezüglich der Ziffer I.7.2 unbegründet.

1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage kraft Gesetzes - wie vorliegend gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3136) - entfällt, diese ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Ermessensentscheidung, bei der es zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abwägt. Wesentliches - aber nicht alleiniges - Kriterium für die Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Prüfung, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich Erfolg hat, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erweist sich der Verwaltungsakt hingegen als voraussichtlich rechtmäßig und das Hauptsacheverfahren damit als voraussichtlich erfolglos, überwiegt das öffentliche Vollziehungsinteresse, dem der Gesetzgeber in Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO generell den Vorrang eingeräumt hat, wenn nicht ausnahmsweise besondere Umstände des Einzelfalls eine abweichende Entscheidung rechtfertigen (vgl. zu allem BayVGH, B.v. 23.2.2012 - 14 CS 11.2837 - juris Rn. 38; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 146, 152 f., 158 f.). Bei offenen Erfolgsaussichten muss eine reine Interessenabwägung erfolgen (BVerwG, B.v. 29.4.1974 - IV C 21.74 - juris Rn. 8 f.; B.v. 17.5.2004 - 1 VR 1/04 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 12.12.2017 - 21 CS 17.1332 - juris Rn. 9; Gersdorf in BeckOK, VwGO, 56. Ed., Stand: 01.10.2019, § 80 Rn. 187, 191; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Vollziehungsinteresse bezüglich der Ziffern I.7.1, I.7.3 und I.7.5 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2021, da bei summarischer Prüfung die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage insoweit voraussichtlich Erfolg haben wird. Die Allgemeinverfügung ist insoweit voraussichtlich rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Bezüglich der Ziffer I.7.2 der Allgemeinverfügung wird die Anfechtungsklage hingegen voraussichtlich erfolglos bleiben, sodass insoweit mangels besonderer Umstände, die ein Abweichen vom in § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG normierten Vorrang des öffentlichen Vollziehungsinteresses rechtfertigen würden, letzteres überwiegt.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist derjenige der Entscheidung des Gerichts, da es sich bei der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, der für den Zeitraum vom 16. Februar 2021 bis 7. März 2021 Regelungswirkung entfalten soll (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 58).

a) Rechtsgrundlage für den Erlass der streitgegenständlichen Ziffern der Allgemeinverfügung durch die Antragsgegnerin sind § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG und § 25 Abs. 2 Satz 1 der 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 (BayMBl. Nr. 737), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Februar 2021 (BayMBl. Nr. 112).

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 IfSG genannten, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach § 28a Abs. 1 Nr. 10 IfSG können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19) für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag insbesondere Untersagungen von oder Erteilung von Auflagen für Versammlungen sein. Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 11. BayIfSMV muss die zuständige Kreisverwaltungsbehörde, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt ein gegenüber dem Landesdurchschnitt deutlich erhöhter Inzidenzwert an Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen besteht, im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung unbeschadet des § 27 weitergehende Anordnungen treffen.

b) Die Allgemeinverfügung ist formell rechtmäßig.

Die Antragsgegnerin ist gemäß § 65 Satz 1 Zuständigkeitsverordnung (ZustV) vom 16. Juni 2015 (GVBl. S. 184, BayRS 2015-1-1-V), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2020 (GVBl. S. 663) und durch Verordnung vom 22. Dezember 2020 (GVBl. S. 690) für den Vollzug des IfSG zuständig.

Die Wahl der Handlungsform der Allgemeinverfügung begegnet im Rahmen der summarischen Prüfung keinen grundlegenden rechtlichen Bedenken. Schutzmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können auch in Form der Allgemeinverfügung ergehen (BayVGH, B.v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 - juris Rn. 9; VG München, B.v. 2.10.2020 - M 26a S 20.4823 - juris Rn. 26; Lutz in ders., IfSG, 2. Aufl. 2020, § 28 Rn. 9). Bei den streitgegenständlichen Verfügungen der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2021 handelt es sich um Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen. Nach Art. 35 Satz 2 Var. 1 BayVwVfG ist eine Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Dies ist bei versammlungsbeschränkenden Maßnahmen der Fall, wenn sich die Maßnahmen vor dem Hintergrund eines bestimmten Ereignisses oder Anlasses an alle Personen wenden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums an einem bestimmten Ort oder innerhalb eines näher bezeichneten räumlichen Bereichs zu Versammlungen zusammenzukommen beabsichtigen (OVG Hamburg, B.v. 3.7.2017 - 4 Bs 142/17 - juris Rn. 22). Die streitgegenständlichen Ziffern der Verfügung der Antragsgegnerin vom 16. Februar 2021 richten sich anlässlich der aktuell herrschenden COVID-19-Pandemie an alle Personen, die zwischen dem 16. Februar 2021 und dem 7. März 2021, 24:00 Uhr, im Gebiet der Antragsgegnerin an einer Versammlung teilnehmen wollen.

c) Die Tatbestandsvoraussetzungen der § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 IfSG sind erfüllt.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG liegen dem Grunde nach angesichts der anhaltenden COVID-19-Pandemie vor. Das Virus SARS-CoV-2 ist ein Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nr. 1 IfSG, der zur Lungenkrankheit COVID-19, einer übertragbaren Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG, führen kann. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 - Vf. 6-VII-20 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 31.1.2021 - 10 CS 21.323 - Rn. 24) handelt es sich bei der COVID-19-Pandemie weltweit, in Europa und in Deutschland um eine dynamische und ernst zu nehmende Situation. Weltweit nimmt die Anzahl der Fälle weiter zu. In Deutschland kam es im vierten Quartal 2020 zu einem starken Anstieg der Fallzahlen, seit Jahresbeginn sind die Fallzahlen in Deutschland langsam rückläufig. Darüber hinaus ist auch die Zahl der auf Intensivstationen behandelten Personen und die Anzahl der Todesfälle stark angestiegen. Ziel der Anstrengungen ist es, einen nachhaltigen Rückgang der schweren Erkrankungen und Todesfälle in allen Altersgruppen zu erreichen. Nur wenn die Zahl der neu Infizierten insgesamt deutlich sinkt, können auch Risikogruppen zuverlässig geschützt werden. Effektive und sichere Impfstoffe stehen seit Ende 2020 zu Verfügung, aber noch nicht in ausreichenden Mengen. Die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten von SARS-CoV-2 (B.1.1.7, B.1.351 und B.1.1.28) ist besorgniserregend. Diese besorgniserregenden Varianten (VOC) wurden inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html; jsessionid=8E34453D717FDB4CDFA31BC540E901A5.internet082?nn=2386228, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 12.2.2021).

Auch die Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 IfSG sind erfüllt. Der Bundestag hat am 17. November 2020 festgestellt, dass die epidemische Lage von nationaler Tragweite, die der Deutsche Bundestag am 25. März 2020 aufgrund der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 für die Bundesrepublik Deutschland festgestellt hat, fortbesteht (BT-Drs. 19/24387 vom 17. November 2020).

d) Die Antragsgegnerin hat das ihr eingeräumte Auswahlermessen (aa) hinsichtlich der Ziffern I.7.1., I.7.3 und I.7.5 der Allgemeinverfügung fehlerhaft ausgeübt (bb). Bezüglich der Anordung in Ziffer I.7.2 sind keine Ermessensfehler erkennbar (cc).

aa) Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG vor, muss die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen treffen (gebundene Entscheidung). Die Behörde hat lediglich ein Auswahlermessen in Bezug auf Art und Umfang der zu treffenden Schutzmaßnahmen (Johann/Gabriel in BeckOK, Infektionsschutzrecht, 3. Ed., Stand: 01.01.2021, § 28 Rn. 20; Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. 2020, § 17 Rn. 67 f.). Bei den in § 28a Abs. 1 IfSG aufgezählten besonderen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 handelt es sich lediglich um Regelbeispiele.

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat in der 11. BayIfSMV für den Freistaat Bayern einheitliche Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie getroffen und sodann in § 25 Abs. 2 Satz 1 11. BayIfSMV geregelt, dass die zuständige Kreisverwaltungsbehörde weitergehende Anordnungen treffen muss, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt ein gegenüber dem Landesdurchschnitt deutlich erhöhter Inzidenzwert an Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen besteht. Damit wird bei einer deutlich über dem Landesdurchschnitt liegenden Sieben-Tage-Inzidenz eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt eine Handlungsverpflichtung ("muss") der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde zum Treffen weitergehender Anordnungen normiert. Bei diesen weitergehenden Anordnungen muss es sich um Maßnahmen im Sinne der § 28 Abs. 1, § 28a IfSG handeln, die in ihrer Intensität angepasst an die örtlichen Verhältnisse über die in der 11. BayIfSMV getroffenen Anordnungen hinausgehen. § 25 Abs. 2 11. BayIfSMV erhält damit in der Sache keine "Ermächtigung", sondern eine Abgrenzung für das Tätigwerden des Verordnungsgebers auf der einen und das Tätigwerden der Kreisverwaltungsbehörde auf der anderen Seite (BayVerfGH, E.v. 29.1.2021 - Vf. 96-VII-20 - juris Rn. 34).

Die Antragsgegnerin stützt die Anordnungen in Ziffer I.7 der Allgemeinverfügung auf § 25 Abs. 2 Satz 1 11. BayIfSMV. Dies ergibt sich aus der Überschrift der Allgemeinverfügung ("weitergehende Regelungen gem. § 25 Abs. 2 der 11. BayIfSMV"), dem Sachverhalt ("Daneben sind durch die Landkreise bzw. kreisfreien Städte bei Bestehen einer deutlich über dem Landesdurchschnitt liegenden Sieben-Tages-Inzidenz gem. § 25 der 11. BayIfSMV weitergehende Anordnungen zu treffen") und der Begründung ("Die in Bezug auf Versammlungen unter Ziffer I.7. hiermit festgelegten Anordnungen sind allesamt unter besonderer Berücksichtigung der überragenden Bedeutung des Art. 8 GG sowie der einfachgestzlichen [sic] Ausprägung in § 28a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lfSG sowie § 25 der 11. BayIfSMV getroffen worden."). Von einem gegenüber dem Landesdurchschnitt deutlich erhöhten Inzidenzwert konnte bei Erlass der Allgemeinverfügung am 16. Februar 2021 angesichts eines Verhältnisses der Sieben-Tage-Inzidenzen von 83,3 (Antragsgegnerin) zu 57,9 (Bayern) ausgegangen werden (44% über dem Landesdurchschnitt). Folglich bestand eine Pflicht der Antragsgegnerin zum Erlass weitergehender Anordnungen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 22. Februar 2021 hat sich der Inzidenzwert der Antragsgegnerin (101,5) sogar noch weiter vom Landesdurchschnitt (58,4) entfernt (74% über dem Landesdurchschnitt).

Hinsichtlich Art und Umfang der zu treffenden weitergehenden Anordnungen, sprich der Maßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1, § 28a IfSG, ist der Antragsgegnerin ein Auswahlermessen eingeräumt. Dieses Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich bei den Anordnungen um "notwendige Schutzmaßnahmen" handeln muss, nämlich Maßnahmen, soweit und solange sie zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit erforderlich sind. Insgesamt sind dem Ermessen damit durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - juris Rn. 24; ThürOVG, B.v. 11.2.2021 - 3 EN 58/21 - juris Rn. 38; BayVGH, B.v. 13.8.2020 - 20 CS 20.1821 - juris Rn. 27).

Im Rahmen der Ermessensausübung muss auch der Bedeutung des Versammlungsgrundrechts des Art. 8 GG, in das die vorliegenden Anordnungen eingreifen, ausreichend Rechnung getragen werden. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind nur zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfG, B.v. 21.11.2020 - 1 BvQ 135720 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 31.1.2021 - 10 CS 21.323 Rn. 16). Die Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 dienen dabei dem Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen, zu dem der Staat gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch verpflichtet ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 - juris Rn. 14). Die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG müssen in einen gerechten Ausgleich gebracht werden.

Die streitgegenständlichen Anordnungen untersagen nicht direkt solche Versammlungen, die den normierten Beschränkungen nicht genügen, sprich die nicht ortsfest stattfinden, auf denen gegessen, getrunken usw. wird, die länger als 60 Minuten dauern oder an denen mehr als 200 Personen teilnehmen. Jedoch bedarf es zur Durchführung solcher Versammlungen der Erteilung einer Ausnahme durch die Antragsgegnerin gemäß Ziffer II. der Allgemeinverfügung. Diese soll zudem laut Begründung nur "auf Antrag" erteilt werden können (Seite 71 des Amtsblattes Nr. 3c vom 16. Februar 2021, erster Absatz). Damit wird für solche Versammlungen, welche die genannten Beschränkungen nicht einhalten, ein präventives Versammlungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt normiert.

In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass gemäß Art. 8 Abs. 1 GG die Durchführung von Versammlungen grundsätzlich ohne Anmeldung oder Erlaubnis gewährleistet ist. In Rechtsprechung und Literatur wird (bisher) die Ansicht vertreten, dass Versammlungen nicht unter einen generellen Erlaubnisvorbehalt gestellt werden können (BVerfG, U.v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 - juris Rn. 89; Depenheuer in Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 8 Rn. 167 f.; Gusy in von Mangoldt/Klein/Stark, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 8 Rn. 36; Hong in Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, 1. Aufl. 2015, B. Rn. 63). Im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie wurden in zahlreichen Bundesländern präventive/repressive Versammlungsverbote mit Erlaubnis-/Befreiungsvorbehalt eingeführt, so auch in § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 3. BayIfSMV (vgl. Übersicht bei Kersten/Rixen, Der Verfassungsstaat in der Corona-Krise, 1. Aufl. 2020, IV. 3. Fn. 138). Ob die damit verbundene Umkehr des in Art. 8 Abs. 1 GG vorgesehenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses bezüglich der Erlaubnisfreiheit von Versammlungen verfassungsgemäß ist, wurde zumeist offengelassen (so BVerfG, B.v. 17.4.2020 - BvQ 37/20 - juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 30.4.2020 - 10 CS 20.999 - juris Rn. 23; OVG Hamburg, B.v. 16.4.2020 - 5 Bs 58/20 - BeckRS 2020, 5951 Rn. 7; partiell eher bejahend: VGH BW, B.v. 15.4.2020 - VGH 1 S 1078/20 - BeckRS 2020, 5956 Rn. 14) oder gar nicht thematisiert (so BayVGH, B.v. 9.4.2020 - 20 CE 20.755 - juris Rn. 4, 6ff.). Demgegenüber hat das VG Hamburg die Verfassungswidrigkeit eines repressiven Versammlungsverbots mit Befreiungsvorbehalt angenommen (B.v. 16.4.2020 - 17 E 1648/20 - BeckRS 2020, 9930).

Darüber hinaus muss in die Ermessensausübung die besondere Schutzbedürftigkeit von Spontan- und Eilversammlungen eingestellt werden. Bereits die Anmelde- bzw. Anzeigepflicht für Versammlungen unter freiem Himmel wird nur dann für verhältnismäßig erachtet, wenn sie nicht ausnahmslos gilt, sondern Spontan- oder Eilversammlungen zulässt, und ein Verstoß gegen die Anmeldepflicht nicht automatisch das Verbot der Versammlung zur Folge hat (BVerfG, U.v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 - BVerfGE 128, 226 - juris Rn. 89; grundlegend B.v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - BVerfGE 69, 315 - "Brokdorf" - juris Rn. 73 ff.). Die Erlaubnispflicht greift aber stärker in das Versammlungsgrundrecht ein als die "bloße" Anmeldepflicht, sodass grundsätzlich auch strengere Maßstäbe bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit anzusetzen sind.

Die Kammer hält es nicht für grundsätzlich ausgeschlossen, dass unter bestimmten Umständen eine Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses durch Normierung einer Erlaubnispflicht für alle oder bestimmte Versammlungen verfassungsrechtlich zulässig sein kann. Wenn sich diese verfassungsrechtliche Zulässigkeit aber nicht quasi aufgrund der äußeren Umstände aufdrängt, bedarf es im Rahmen der Ermessensausübung einer hinreichenden Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter angemessener Auseinandersetzung mit der in Art. 8 Abs. 1 GG getroffenen Grundentscheidung für eine Erlaubnisfreiheit und der besonderen Schutzbedürftigkeit von Spontan- und Eilversammlungen.

bb) Diesen Anforderungen wird die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin, welche das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüft, zumindest in dem aus der Begründung erkennbaren Umfang hinsichtlich der Ziffer I.7.1, I.7.3 und I.7.5 (noch) nicht gerecht.

Die Antragsgegnerin lässt nicht erkennen, dass sie sich des Paradigmenwechsels weg von der Erlaubnisfreiheit mit Möglichkeit der Beschränkung oder Untersagung hin zur Erlaubnispflicht und den damit verbundenen Auswirkungen auf den im Versammlungsrecht regelmäßig aktuell werdenden gerichtlichen Eilrechtsschutz (Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO mit Erfordernis der Glaubhaftmachung des Bestehens eines Anspruchs auf eine Ausnahmegenehmigung statt Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO mit Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Versammlungsbeschränkung und direkter gerichtlicher Gestaltung) hinreichend bewusst ist. Es wird zwar im letzten Satz der Antragserwiderung ausgeführt, dass es aufgrund der aktuellen Regelungen der 11. BayIfSMV und der Infektionslage im Gebiet der Antragsgegnerin angemessen sei, den Regel-Ausnahme-Grundsatz weiterhin in diesem Maße vorzusehen. Dass aber die initiale Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses durch Einführung eines Erlaubnisvorbehalts in früheren Allgemeinverfügungen der Antragsgegnerin, welche durch die streitgegenständliche Allgemeinverfügung fortgeführt wird, rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig war, wird nicht ausgeführt. Bereits auf der Stufe vor der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der gewählten Kriterien Ortsfestigkeit, Versammlungsdauer und Teilnehmerzahl muss die Antragsgegnerin sich mit der Frage befassen, ob die Einführung eines Erlaubnisvorbehalts an sich zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 in ihrem Gebiet geeignet, erforderlich und angemessen ist. Insbesondere wurde nicht dargelegt, warum das bisherige versammlungsrechtliche Instrumentarium gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV i.V.m. Art. 15 BayVersG nicht ausreicht, um die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit von Versammlungen gleich effektiv sicherzustellen, zumal in Einzelfällen alle in Ziffer I.7 der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung genannten Beschränkungen grundsätzlich auch auf Grundlage dieser beiden Vorschriften verfügt werden können.

In diesem Rahmen bedarf es einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Infektionsgeschehen im Gebiet der Antragsgegnerin. Diese geht über die bloße Nennung der Inzidenzwerte in Bayern und im Gebiet der Antragsgegnerin hinaus und verlangt eine differenziertere Betrachtung, warum sich das aktuelle Infektionsgeschehen im Gebiet der Antragsgegnerin nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ (z.B. Clusterbildung, lokale Ausbruchsgeschehen, Rückverfolgbarkeit der Infektionen) derart von der überregionalen Situation unterscheidet, dass die konkret gewählten strengeren Schutzmaßnahmen erforderlich werden. Im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs in die grundrechtlich verbürgte Versammlungsfreiheit wäre hier insbesondere eine nochmalige Berücksichtigung der spezifischen Gefährdungen, die nicht nur aus dem relativen, sondern dem absoluten Abweichen des Inzidenzwertes vom bayernweiten Durchschnitt resultieren, erforderlich.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch das Auftreten und die Verbreitung der Virusmutationen im Gebiet der Antragsgegnerin. Bekannt sind derzeit die Virusvarianten B.1.1.7 (britische Mutation), B.1.351 (südafrikanische Mutation) und P.1 (brasilianische Mutation). Die britische Mutation ist nach derzeitigem Erkenntnisstand noch leichter übertragbar und weist eine höhere Reproduktionszahl auf, bei der südafrikanischen Mutation geht man ebenfalls von einer höheren Übertragbarkeit aus (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html; jsessionid=72FB161DB36B9EAD4DA7989458C5C677.internet121?nn=2386228, Stand: 17.2.2021). Die Antragsgegnerin hat zwar in der Antragserwiderung ausgeführt, dass in ihrem Gebiet 100 Fälle mit den aktuell bekannten Virusmutationen festgestellt worden seien, jedoch gilt hier das oben Gesagte zur qualitativen Betrachtung der Infektionslage entsprechend. Hinzu kommt, dass nicht einmal der Zeitraum angegeben wird, in dem die benannten 100 Fälle festgestellt wurden.

Insbesondere setzt sich die Antragsgegnerin nicht mit der Frage auseinander, ob für Spontan- und Eilversammlungen, für die sogar Ausnahmen von der weniger einschneidenden Anzeigepflicht gelten (vgl. Art. 14 Abs. 3 und 4 BayVersG), vorliegend auch im Rahmen der Normierung eines Erlaubnisvorbehalts Ausnahmen gelten müssten und falls nicht, welche Auswirkungen dies auf dennoch stattfindende Spontan- und Eilversammlungen haben darf. Dabei könnten ggf. auch Erfahrungen aus der Vergangenheit zu Versuchen der Umgehung der Anmeldepflicht berücksichtigt werden.

Der in der Begründung der Allgemeinverfügung enthaltene Verweis darauf, dass die Anordnungen in Ziffern I.7.1 und I.7.3 an die Regelungen in § 7 Satz 1 Nr. 3 und 4 5. BayIfSMV angelehnt seien und der in der Antragserwiderung enthaltene Hinweis, dass die Beschränkung der Teilnehmerzahl im Vollzugshinweis des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 10. Dezember 2020 als mögliche versammlungsrechtliche Auflage genannt werde, ersetzt nicht die eigenen Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin. Sie zeigen allenfalls, dass das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege sowie das Bayerische Staatsministerium des Innern von der Rechtmäßigkeit solcher Anordnungen ausgehen. Ob das Gesundheitsministerium die Einführung eines Erlaubnisvorbehalts und die konkrete Beschränkung von Versammlungen auf 60 Minuten immer noch für rechtmäßig erachtet, ist angesichts der Tatsache, dass die entsprechenden Regelungen zuletzt in § 5 und § 7 der 5. BayIfSMV vom 29. Mai 2020 enthalten waren und in später erlassenen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen nicht wiederholt wurden, zumindest zweifelhaft.

cc) Die Antragsgegnerin hat das ihr eingeräumte Auswahlermessen bei Erlass der Anordnung in Ziffer I.7.2 der Allgemeinverfügung fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere ist diese Anordnung verhältnismäßig.

Ziffer I.7.2 der Allgemeinverfügung verbietet alle Tätigkeiten, für die ein Abnehmen der Mund-Nasen-Bedeckung erforderlich ist oder bei denen der korrekte Sitz der Mund-Nasen-Bedeckung beeinträchtigt ist. Diese Anordnung soll einer Umgehung der in § 7 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 11. BayIfSMV normierten Maskenpflicht für Teilnehmer von Versammlungen vorbeugen.

Der mit dieser Anordnung verbundene Eingriff in die Versammlungsfreiheit ist weniger gravierend als derjenige durch die Ziffern I.7.1, I.7.3 und I.7.5 der Allgemeinverfügung. Während die Wahl der Versammlungsform eines Aufzuges, die Versammlungsdauer und die Teilnehmerzahl wesentliche Merkmale einer Versammlung sind, die insbesondere Einfluss auf die Außenwirkung der Versammlung und die Wahrnehmung des Versammlungsthemas durch Dritte haben, sind die untersagten Tätigkeiten (z.B. Essen, Trinken, Rauchen, Benutzen von Blasinstrumenten und Trillerpfeifen) regelmäßig von untergeordneter Bedeutung für eine Versammlung. Die Anordnungen in den Ziffern I.7.1, I.7.3 und I.7.5 führen dazu, dass bei Überschreitung der Beschränkungen eine vorherige Ausnahme der Antragsgegnerin zur Durchführung der Versammlung erteilt werden muss. Dieser Effekt tritt durch die Anordnung in Ziffer I.7.2 nicht in gleichem Maße ein, denn während in der Anmeldung einer Versammlung bei sich fortbewegenden Versammlungen der beabsichtigte Streckenverlauf und die Versammlungsdauer zwingend anzugeben sind (vgl. Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 und 5 BayVersG) und die Antragsgegnerin die freiwillige Angabe der erwarteten Teilnehmerzahl auf ihrer Homepage empfiehlt (vgl. ...*), sodass die Antragsgegnerin bereits vor Beginn der Versammlung die Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung prüfen und bei Verneinung entsprechende Maßnahmen bis hin zum Versammlungsverbot ergreifen kann, sind geplante Tätigkeiten der Versammlungsteilnehmer (z.B. Essen, Trinken) bei der Versammlungsanmeldung nicht anzugeben und werden daher zumindest im Vorfeld der Versammlung nicht zu einem Einschreiten der Versammlungsbehörde führen. Aufgrund der geringeren Eingriffsintensität sind bei der Ermessensausübung weniger strenge Maßstäbe anzulegen als bei den anderen streitgegenständlichen Ziffern.

Die insoweit von der Antragsgegnerin getroffenen Ermessenserwägungen, soweit sie aus der Begründung der Allgemeinverfügung und der ergänzenden Begründung in der Antragserwiderung (§ 114 Satz 2 VwGO) ersichtlich werden, sind nicht zu beanstanden. Die Untersagung von Tätigkeiten, für die ein Abnehmen der Mund-Nasen-Bedeckung erforderlich ist oder bei denen der korrekte Sitz der Mund-Nasen-Bedeckung beeinträchtigt ist, ist geeignet, die effektive Einhaltung der in § 7 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 11. BayIfSMV normierten Maskenpflicht auf Versammlungen zu gewährleisten, da bei einem Untersagen der genannten Tätigkeiten die Möglichkeiten für eine absichtliche Umgehung der Maskenpflicht (z.B. durch ständiges Essen, Trinken oder Rauchen) reduziert werden, aber auch bei fehlender Umgehungsabsicht weniger Gründe für ein Abnehmen der Mund-Nasen-Bedeckung bestehen. Sie ist auch erforderlich, da mildere gleich wirksame Mittel zur Verhinderung einer Umgehung der Maskenpflicht nicht erkennbar sind. Wie die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung ausführt, ist ein ständiges Beobachten der Teilnehmer durch die Versammlungsleitung, die Ordner oder die Polizei nicht möglich.

Schließlich ist die Untersagung auch angemessen. Sollte es einem Versammlungsteilnehmer unmöglich sein, mit dem Essen, Trinken oder Rauchen bis nach dem Ende der Versammlung zu warten, steht ihm die Möglichkeit offen, zu diesem Zweck die Versammlungsfläche dauerhaft oder kurzzeitig zu verlassen. Der Einwand des Antragstellers, dass diese Möglichkeit zwangsläufig mit einer Unterschreitung der Mindestabstände verbunden sei, überzeugt nicht. Versammlungsteilnehmer wollen die Versammlungsfläche vielleicht auch aus anderen Gründen verlassen (z.B. um zur Toilette zu gehen oder die Versammlung zu verlassen). Dies muss ihnen auch ohne Unterschreitung der Mindestabstände möglich sein (z.B. durch Freilassen entsprechender Gänge zwischen den Teilnehmerblöcken). Während der Geltungsdauer der Allgemeinverfügung bis zum 7. März 2021 sind auch keine hochsommerlichen Temperaturen zu erwarten, die einen zeitweisen Verzicht auf Trinken zu einer potentiellen Gesundheitsgefahr werden ließen.

e) Besondere Umstände, die ein Abweichen von dem grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses bezüglich der Ziffer I.7.2 der Allgemeinverfügung rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich. Mithin fällt die Interessenabwägung insoweit zulasten des Antragstellers aus.

3. Die Kosten waren wie tenoriert nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuteilen, da der Antragsteller mit seinem Begehren nur teilweise (hinsichtlich drei von vier in der Hauptsache angefochtenen Ziffern der Allgemeinverfügung) Erfolg hat.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.