AG Alsfeld, Urteil vom 18.12.2020 - 30 C 73/20 (72)
Fundstelle
openJur 2021, 15430
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, ober bei Meidung einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, eine Besichtigung des Einfamilienhauses, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad mit WC, Diele und zwei Kellerräumen nebst Garten nach Ankündigung eine Woche vor dem Besichtigungstermin an einem Wochentag in der Zeit zwischen 9.00 und 19.00 Uhr oder an einem Samstag in der Zeit zwischen 10.00 und 12.00 Uhr zum Zwecke der Feststellung des Zustandes des Hauses zu dulden und durch Öffnung sämtlicher Zimmertüren und der Haustür zu ermöglichen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 420,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Eines Tatbestands bedarf es nicht, §§ 313a Abs. 1 S. 1, 495a, 511 ZPO.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Duldung der Hausbesichtigung.

1. Der klägerische Anspruch hat seine Grundlage in § 13 Ziff. 1 des zwischen den Parteien am geschlossenen Mietvertrags. Hiernach hat der Mieter dem Vermieter bei Vorliegen eines sachlichen Grundes die Besichtigung zu der Mietsache zu ermöglichen. Darüber hinaus ergibt sich der klägerische Anspruch auch aus §§ 535, 241 Abs. 2, 242 BGB, wonach ein Mieter auch ohne besondere vertragliche Absprache verpflichtet ist, den Vermieter zwecks Besichtigung oder zwecks Durchführung notwendiger Arbeiten in die Wohnung zu lassen (BGH NJW 2014, 2566).

Voraussetzung eines Besichtigungs- und Betretungsrechts ist dabei stets das Vorliegen eines konkreten sachlichen Grundes (BGH NJW 2014, 2566). Der Vermieter ist zudem zur schonenden Rechtsausübung gehalten. Denn die Wohnung ist der verfassungsrechtlich geschützte Rückzugsraum, in dem der Mieter sich entfalten und gemäß seinen eigenen Vorstellungen sein Leben gestalten kann. Der Mieter hat das Recht, in seiner Wohnung in Ruhe gelassen zu werden, während der Vermieter das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht hat, ein Mindestmaß an Kontrolle und Einwirkungsmöglichkeit auf sein Eigentum zu haben (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 535 BGB Rn. 206).

2. Die Voraussetzungen des Besichtigungs- und Betretungsrechts liegen vor. Die unstreitige Hundehaltung durch die Beklagte begründet konkrete Anhaltspunkte für eine vertragswidrige Nutzung, die einen hinreichenden sachlichen Grund für ein Besichtigungs- und Betretungsrecht des Klägers darstellt (vgl. auch AG Rheine BeckRS 2003, 30920382; ferner zum Verdacht einer vertragswidrigen Nutzung als sachlichen Grund - wenn auch im konkreten Fall verneinend - AG Ibbenbüren, BeckRS 1998, 30988330; Bub/Treier, Hdb. Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. III. Rn. 2720).

a) Nach § 17 Ziff. 8 des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrags dürfen Kleintiere und Katzen unter bestimmten Voraussetzungen ohne Einwilligung durch die Beklagte gehalten werden, hingegen bedarf es für die Hundehaltung einer Genehmigung des Klägers. An der Wirksamkeit dieser Klausel bestehen keine Bedenken, da sie Kleintiere von dem Genehmigungsvorbehalt ausnimmt und die übrige Tierhaltung nicht generell verbietet, sondern unter ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stellt (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 535 BGB Rn. 561 ff.).

Ist demnach eine Erlaubnis zur Hundehaltung erforderlich, so muss diese grundsätzlich ausdrücklich erteilt werden. Duldet der Vermieter, dass der Mieter in seinen Räumen ein Haustier hält, kann dies noch nicht als Erlaubnis angesehen werden. Etwas anderes gilt, wenn der Vermieter seinen Unterlassungsanspruch verwirkt hat, was aber nur unter engen Voraussetzungen und einzelfallabhängig zu beurteilen ist. So kann eine Verwirkung dann in Betracht gezogen werden, wenn der Vermieter über einen gewissen Zeitraum hinweg eine vertragswidrige Haustierhaltung hinnimmt und zusätzlich über den bloßen Zeitablauf hinaus ein Verhalten vorliegt, aus dem der Mieter das Vertrauen herleiten konnte, der Vermieter werde sein Recht nicht (mehr) verfolgen (beck-online.Großkommentar/Schmidt, § 535 BGB Rn. 343 m. w. N.).

b) Dass eine ausdrückliche Erlaubnis seitens des Klägers hinsichtlich der Hundehaltung nicht erteilt wurde, steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Ob hinsichtlich drei der Hunde, von denen der Kläger wusste, dass jedenfalls diese bereits bei Einzug der Beklagten im vorhanden waren, eine Verwirkung und hinsichtlich des Therapiehundes ein Anspruch der Beklagten auf Gestattung gemäß § 242 BGB in Betracht kommt (vgl. etwa zu einem Blindenhund MünchKomm.BGB/Häublein, § 535 Rn. 109), kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls hinsichtlich des unstreitig von der Beklagten gehaltenen weiteren (fünften) Hundes liegt weder eine ausdrückliche Erlaubnis des Klägers zur Tierhaltung vor noch kann eine Verwirkung angenommen werden, sodass sich konkrete Anhaltspunkte für eine unzulässige Tierhaltung und damit vertragswidrige Nutzung des Mietobjekts ergeben. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, von den zwei weiteren Hunden erst im Jahr erfahren zu haben, woraufhin er mit Schreiben vom die Beklagte zur Entfernung dieser beiden Hunde aufgefordert hat. Damit hat er ausdrücklich zu verstehen gegeben, mit der weiteren Hundehaltung nicht einverstanden zu sein. Soweit die hinsichtlich der Erlaubnis bzw. Verwirkung beweisbelastete Beklagte behauptet, der Kläger habe wissen müssen, dass sie bereits mit fünf Hunden in das Mietobjekt eingezogen sei, da der Kläger durch regelmäßige Aufenthalte in seinem benachbarten Ferienhaus habe sehen können, dass die Tochter der Beklagten drei Mal täglich mit fünf Hunden spazieren gehe und sich auch regelmäßig fünf Hunde im Garten aufhalten, vermag dies nicht zur Überzeugung des Gerichts führen, der Kläger habe bereits seit von sämtlichen fünf Hunden positiv Kenntnis gehabt. Selbst wenn unterstellt würde, die Beklagte sei tatsächlich - was der Kläger bestreitet - mit fünf Hunden in das Mietobjekt gezogen und der Kläger habe dies gewusst, so hat er jedenfalls ca. 2,5 Jahre nach Einzug der Beklagten diese schriftlich zur Entfernung der weiteren Hunde aufgefordert, sodass angesichts des überschaubaren Zeitablaufs noch kein hinreichender Zeitmoment für eine Verwirkung gegeben ist. Ob die Beklagte möglicherweise einen Anspruch auch auf Haltung des fünften Hundes hat, kann gerade erst nach Besichtigung des Mietobjekts und der damit verbundenen Kenntniserlangung über alle abwägungsrelevanten Umstände - wie Zustand des Mietobjekts insbesondere vor dem Hintergrund der Tierhaltung, Größe, Art und Verhalten der Tiere (vgl. zu den einzelnen Abwägungskriterien BGH NZM 2008, 78) - festgestellt werden.

2. Das Besichtigungsrecht entfällt auch nicht deshalb, weil der Kläger bereits Ende des Jahres das Mietobjekt besichtigt hätte. Zum einen fand die Besichtigung des Klägers anlässlich eines Wasserschadens, nicht anlässlich der Tierhaltung statt. Zum anderen hat auch die Beklagte nicht behauptet, der Kläger habe die gesamte Wohnung besichtigt. Sie hat vielmehr in ihrer informatorischen Anhörung angegeben, der Kläger sei an den Zimmern, deren Zimmertüren geöffnet waren, vorbeigelaufen und habe im Vorbeigehen in die Zimmer reingeschaut. Dies stellt keine Besichtigung zur Feststellung einer etwaigen vertragswidrigen Tierhaltung dar.

Zur Überzeugung des Gerichts konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger nachfolgend weitere Male das Mietobjekt besichtigt hätte. Der Kläger hat angegeben, zuletzt anlässlich des Wasserschadens Ende in dem Haus und zuvor, nämlich im April, wegen eines defekten Lichtschalters im Wohnzimmer des Hauses gewesen zu sein. Die Beklagte hat angegeben, der Kläger sei das letzte Mal wegen des Wasserschadens im Haus gewesen; ob er danach nochmal vor Ort gewesen sei, vermochte sie nicht zu erinnern. Auf dieser Grundlage kann eine weitere Besichtigung des Hauses, die ein Betretungs- und Besichtigungsrecht ausschließen könnte, nicht angenommen werden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 2 GKG. Da der Kläger nur ein einmaliges Besichtigungsrecht ohne Vornahme von Arbeiten geltend macht und damit die Beeinträchtigung des Mietgebrauchs gering ist, setzt das Gericht diesen entsprechend einer monatlichen Nettokaltmiete auf 420,00 Euro fest (vgl. auch AG Rheine BeckRS 2003, 30920382).

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