FG München, Urteil vom 18.11.2020 - 3 K 1438/19
Fundstelle
openJur 2021, 15306
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Streitig ist, ob die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit der "Atlaslogie" eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung oder Unterrichtstätigkeit darstellt.

Die Klägerin ist ausgebildete Rettungsassistentin und erzielte in diesem Beruf bis September 2012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Nebenher absolvierte sie eine Ausbildung zur Atlaslogin und übte diese unternehmerische Tätigkeit zunächst ab dem Jahr 2009 nebenberuflich und ab dem 1. Oktober 2012 hauptberuflich aus.

Bei der Atlaslogie handelt es sich um ein Verfahren, bei dem körperliche Beschwerden mit Krankheitswert gemildert werden. Die Behandlung fokussiert sich auf den obersten Wirbel der Wirbelsäule. Bei der Behandlung erfolgt kein körperliches Einwirken im Sinne eines invasiven Eingriffs, vielmehr geschieht dies nach vorangegangenen ausführlichen Beratungsgesprächen durch sanfte Berührungen, die ohne jeglichen Druck ausgeübt werden. Die Atlaslogie darf ohne die Erlaubnis zum Ausüben der Heilkunde erbracht werden.

Nach dem von der Klägerin vorlegten "Ausbildungskonzept" zum Atlaslogen der von ihr absolvierten Ausbildung der in der Schweiz ansässigen Schule für Atlaslogie geht hervor, dass der zeitliche Umfang der Ausbildung 11 Wochenendblöcke zu 12 Ausbildungsstunden und einem Prüfungswochenende zu 15 Stunden betragen hat. Der erforderliche Zeitaufwand für die Kernausbildung zum Atlaslogen betrug insgesamt 522 Stunden, von denen sich 147 Stunden auf die Fachausbildung inklusive der Diplomprüfung und 375 Stunden auf Eigenarbeit beliefen. Der erforderlicher Gesamtzeitaufwand für die Ausbildung inklusive einer "Grundausbildung" betrug 690 Stunden, von denen sich 225 Stunden auf die effektive Schulausbildung inklusive der Diplomprüfung und 465 Stunden auf Selbstbearbeitung beliefen.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2015 teilte die damalige steuerliche Vertreterin der Klägerin dem Beklagten (im Folgenden: FA) mit, dass sich die Klägerin in den Jahren 2009 bis 2013 in der Obhut von Berufskollegen befanden hätte, die ihre Umsätze als steuerfrei nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) behandelt hätten. Die Steuererklärungen dieser Jahre seien entsprechend abgegeben und durch das FA unbeanstandet veranlagt worden. Nach Auffassung der steuerlichen Vertreterin habe diese Auslegung darauf beruht, dass ihre Mandantin ausgebildete Rettungsassistentin sei und mit entsprechenden Einnahmen/Gewinnen aus der selbständigen Tätigkeit als Rettungsassistentin auch tatsächlich umsatzsteuerbefreite Freiberuflerin gewesen sei. Nachdem sie ab dem Zeitpunkt ihrer vollberuflichen Selbständigkeit ab Oktober 2012 aber überhaupt nicht mehr als Rettungsassistentin tätig gewesen sei und ihre Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit ausschließlich durch die Atlaslogie erwirtschaftet habe, sei zu fragen, ob die ursprüngliche Ausbildung als Rettungsassistentin (umsatzsteuerbefreit, Freiberufler) auf die ausgeübte Tätigkeit als Atlaslogin abfärbe, ob der Beruf der Atlaslogin ein ähnlicher Heilberuf im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG sei und die erzielten Einnahmen umsatzsteuerbefreit seien sowie ob die Einnahmen einer selbständigen Atlaslogin Einnahmen aus freiberuflicher oder aus gewerblicher Tätigkeit seien. Des Weiteren teilte die steuerliche Vertreterin mit, dass eine staatliche Anerkennung der Ausbildung zur Atlaslogin und erfolgreich abgelegte staatliche Prüfung mangels entsprechendem deutschen Berufszulassungsgesetz nicht vorliege und auch eine Anfrage beim Bayerischen Landesamt für Steuern nur weitere Hinweise ergeben habe, die allesamt als Negativkriterien einzuordnen seien. So übernehme nur ein geringer Teil der Krankenkassen die Kosten für die Tätigkeit eines Atlaslogen, nur ganz wenige Privatpatienten würden an einen Atlaslogen überwiesen und in den Antworten auf ihre Anfragen bei verschiedenen Krankenkassen sei regelmäßig auf die Osteopathie abgestellt worden; offensichtlich sei auch dort die Atlaslogie noch nicht sehr verbreitet.

Daraus zog die damalige steuerliche Vertreterin den Schluss, dass es sich bei der Atlaslogie um einen Gesundheitsfachberuf handeln dürfte, für den die Steuerbefreiung von der Umsatzsteuer nicht in Betracht komme. Da das FA den Sachverhalt aber bislang anders behandelt habe, werde dieses um Überprüfung und Klärung gebeten. Für den Fall, dass ihre Mandantin umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt habe, fügte die steuerliche Vertreterin vorsorglich Umsatzsteuererklärungen für 2011 bis 2013 bei.

Mit Datum jeweils 30. April 2015 ergingen durch das FA entsprechend den Umsatzsteuererklärungen der Klägerin Abrechnungen zur Umsatzsteuer für 2011, 2012 und 2013 sowie Bescheide über Zinsen zur Umsatzsteuer für 2011 und 2012. Daraus ergab sich für 2011 eine Umsatzsteuer von €, für 2012 eine Umsatzsteuer von € und für 2013 eine Umsatzsteuer von €. Die gegen die Umsatzsteuer-Abrechnungen verspätet eingelegten Einsprüche wurden von der Klägerin am 11. März 2019 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 26. Mai 2015 beantragte die Klägerin die Änderung der Umsatzsteuererklärungen für 2011 bis 2013, da sie der Meinung sei, dass es sich bei der Ausübung des Berufs der Atlaslogie um einen Heilberuf handle und die Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2013 somit auf jeweils 0 € festzusetzen sei.

Diesen Antrag lehnte das FA am 3. Juni 2015 ab.

Dagegen war der am 23. Juni 2015 beim FA eingegangene Einspruch gerichtet.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 legte die Klägerin gegen die Umsatzsteuer-Anmeldung für 2014, welche gleichfalls am 14. Dezember 2015 beim FA einging, Einspruch ein; als Umsatzsteuer errechnete sie hier den Betrag von €. Zur Begründung wurde auf die Einsprüche zu den Jahren 2011 bis 2013 hingewiesen.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2017 legte die Klägerin gegen die Umsatzsteuer-Anmeldung für 2015, welche am 13. Februar 2017 beim FA einging, Einspruch ein; als Umsatzsteuer errechnete sie hier den Betrag von €. Zur Begründung wurde auf die Einsprüche zu den Jahren 2011 bis 2014 hingewiesen.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2018 legte die Klägerin gegen die Umsatzsteuer-Anmeldung für 2016, welche am 16. Februar 2018 beim FA einging, Einspruch ein; als Umsatzsteuer errechnete sie hier den Betrag von €. Zur Begründung wurde auf die Einsprüche zu den Jahren 2011 bis 2015 hingewiesen.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 legte die Klägerin gegen die Umsatzsteuer-Anmeldung für 2017, welche am 13. Oktober 2018 beim FA einging, Einspruch ein; als Umsatzsteuer errechnete sie hier den Betrag von €. Zur Begründung wurde auf die Einsprüche zu den Jahren 2011 bis 2016 hingewiesen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2019 wies das FA die Einsprüche gegen die Zinsbescheide zur Umsatzsteuer 2011 und 2012, gegen den Bescheid vom 3. Juni 2015 und gegen die Umsatzsteuer-Anmeldungen 2014 bis 2017 als unbegründet zurück.

Zur Begründung trägt das FA im Wesentlichen vor, dass neben den in § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ausdrücklich genannten Heilberufen auch andere Heil- und Gesundheitsfachberufe mit ihren Umsätzen unter die Steuerbefreiung fallen könnten. Dies gelte jedoch nur, wenn es sich um eine einem Katalogberuf ähnliche heilberufliche Tätigkeit handele und die sonstigen Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erfüllt seien. Bei der ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit müsse es sich auch nicht zwingend um eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handeln. Vielmehr werde eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit ausgeübt, wenn das typische Bild des Katalogberufs mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar sei. Dazu gehörten die Vergleichbarkeit der jeweils ausgeübten Tätigkeit nach den sie charakterisierenden Merkmalen, die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des zu vergleichenden Berufs knüpfe. Dies mache vergleichbare berufsrechtliche Regelungen über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung erforderlich (Abschnitt 4.14.4 Abs. 7 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses - UStAE). Demzufolge sei die Tätigkeit der Klägerin nicht der eines Heilpraktikers ähnlich. Es fehle an der für die Ausübung dieses Berufs notwendigen staatlichen Erlaubnis und der damit verbundenen Überwachung durch die Gesundheitsämter.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2019 ist die Klage vom 14. Juni 2019 gerichtet.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Atlaslogie zwar ohne die Erlaubnis zum Ausüben der Heilkunde erbracht werden dürfe, dennoch diene sie der Milderung von körperlichen Beschwerden und entspreche damit einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG. Der Atlaslogie läge ein schulmedizinisches Körperbild zugrunde, denn die Behandlung fokussiere sich, wie sich bereits aus dem Namen schließen ließe, auf den obersten Wirbel der Wirbelsäule, den Atlaswirbel. Da rund um diesen viele Nerven, insbesondere des vegetativen Nervensystems verliefen, käme es bereits bei geringfügigen Fehlstellungen des Atlaswirbels zu einem latenten Druck auf die Nervenbahnen, der zu verschiedenartigen Beschwerden führe. Durch gezielte Bewegungen ohne Druck oder sonstige Invasivität, könne der Atlasloge dem entgegenwirken. Damit weise die Atlaslogie starke Verbindungslinien zur sogenannten Neurostructural Integration Technique (NST) auf, die vom FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 4. Juni 2014 (Az.: 14 K 797/12, MwStR 2015, 269) als umsatzsteuerfreie Heilbehandlung qualifiziert worden sei. Die Klägerin habe auch hinreichende Kenntnisse erworben, um diese Tätigkeit korrekt und ohne Gefährdungen ausüben zu können. Hierfür lägen entsprechende Ausbildungsnachweise und ein Diplom zur "Diplom Atlaslogie" der A-GmbH aus der Schweiz vom 6. September 2009 vor. Ihre Ausbildung sei im Wesentlichen gleichwertig mit der eines Physiotherapeuten. Im Hinblick auf die Eigenschaft der in Rede stehenden Tätigkeit als Heilbehandlung sei es für die Umsatzsteuerfreiheit auch nicht ausschlaggebend, ob die Kosten hierfür von der Krankenkasse erstattet werden, denn diese übernähmen auch Kosten für eindeutige Heilbehandlungen teilweise nicht.

Neben der bisher bezeichneten Umsatzsteuerfreiheit bestehe bei der Klägerin für einzelne Tätigkeiten auch eine Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 UStG, denn sie lehre diese Methode auch Dritten; solche Leistungen seien als Unterricht entsprechend umsatzsteuerbefreit. Umsatzsteuerfrei sei jede Tätigkeit, bei denen Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler entwickelt werden. Ein direkter Bezug zu einem Beruf sei nicht notwendig. Die Dauer des Unterrichts sei dabei ebenso unerheblich wie die tatsächlichen Ziele der unterrichteten Person. Insgesamt sei ein Teil ihrer Tätigkeiten auf dem Gebiet der Atlaslogie umsatzsteuerfrei als ähnliche heilberufliche Tätigkeit gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, der andere Teil als Unterrichtsleistung gemäß § 4 Nr. 21 UStG.

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die Akten verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das FA zu verpflichten, die Umsatzsteuer für 2011, 2012 und 2013 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 3. Juni 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2019 auf jeweils 0 € festzusetzen,

die Umsatzsteuer für 2014, 2015, 2016 und 2017 unter Aufhebung der Steueranmeldungen vom 14. Dezember 2015 (2014), vom 13. Februar 2017 (2015), vom 16. Februar 2018 (2016) und vom 13. Oktober 2018 (2017) jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2019 auf 0 € herabzusetzen,

die Bescheide vom jeweils 30. April 2015 über die Zinsen zur Umsatzsteuer 2011 und 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2019 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das FA im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Nachdem der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2011 bis 2017 mit Beschluss des 3. Senats des FG München vom 25. Oktober 2019 abgelehnt wurde (3 V 2212/19), wurde die Klägerin mit richterlichem Hinweis vom 7. Januar 2020 darauf hingewiesen, dass das Gericht in dem Beschluss unter anderem festgestellt hatte, dass die dem Gericht vorliegenden Beweismittel bisher unzureichend seien.

Daraufhin legte die Klägerin als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 30. März 2020 ein so bezeichnetes "Konvolut Ausbildungsunterlagen" vor und trägt weiter vor, dass die von der Klägerin absolvierte Ausbildung ähnlichen Ausbildungen der Katalogberufe wie Physiotherapeut oder Podologe mindestens gleichstehe.

Das FA führte daraufhin aus, dass die nachgewiesene Ausbildung zum Atlaslogen ähnlichen Ausbildungen der Katalogberufe wie Physiotherapeut oder Podologe nicht gleichstehe. So würden Physiotherapeuten eine dreijährige Ausbildung an einer staatlich anerkannten Schule durchlaufen und die Ausbildung sei durch Gesetz und Ausbildungs- und Prüfungsordnungen geregelt. Auch der Podologe würde eine bundeseinheitlich geregelte zweijährige Ausbildung an einer staatlich anerkannten Berufsfachschule absolvieren. Die Atlaslogie werde dagegen lediglich in Kursen ausgebildet, die 12 Wochenenden zu je 12 Stunden dauerten und eine gesetzliche Regelung dieser Ausbildung existiere nicht. Zudem werde keine staatliche Abschlussprüfung durchgeführt und die Berufsbezeichnung sei nicht geschützt. Im Übrigen ergäbe sich aus den Ausführungen im Qualitätsmanagement-Handbuch der Atlaslogie der Schluss, dass es sich bei dem Atlaslogen nicht um einen Heilberuf handele.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre sind weder zu ändern noch aufzuheben, die Tätigkeit der Klägerin als "Atlasloge" ist weder als Heilbehandlung noch als Unterrichtstätigkeit von der Umsatzsteuer befreit; auch die Zinsfestsetzung der Jahre 2011 und 2012 ist rechtmäßig.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.

a) Gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG sind steuerfrei die "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden". Diese nationale Vorschrift beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL), wonach "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden" von der Steuer befreit sind. Da diese unionsrechtliche Regelung die Definition der ärztlichen und arztähnlichen Berufe den Mitgliedstaaten überlässt, haben diese hier ein Ermessen zur Benennung derjenigen Berufsträger, die die Steuerfreiheit in Anspruch nehmen können (vgl. nur Oelmaier, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 14 Rz. 61, m.w.N.).

Allerdings ist diese Steuerbefreiung - wie alle anderen Regelungen in Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL - grundsätzlich eng auszulegen (Gerichtshof der Europäischen Union-EuGH-Urteile vom 14. März 2019 C-449/17, A & G Fahrschul-Akademie, ECLI:EU:C:2019:202, UR 2019, 294, Rz. 19 und vom 14. September 2000 C-384/98, D., ECLI:EU:C:2000:444, UR 2000, 432, Rz. 15, jeweils m.w.N.). Diese restriktive Auslegung muss jedoch mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gesamte Mehrwertsteuersystem beruht (EuGH-Urteil vom 18. November 2010 C-156/09, Verigen Transplantation Service International, ECLI:EU:C:2010:695, UR 2011, 215, Rz. 23 ff., m. w. N.).

Erkennbarer Normzweck des § 4 Nr. 14 UStG ist dabei allein die Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer (Bundesverfassungsgericht-BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155, Rz. 24).

b) Bei richtlinienkonformer Auslegung setzt § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG voraus, dass der Unternehmer tatsächlich eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL umfassen nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich der Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen hat, nur Tätigkeiten, die zum Zwecke der Vorbeugung, der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen für bestimmte Patienten ausgeführt werden (vgl. nur BFH-Beschluss vom 18. Februar 2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001, Rz. 23, m.w.N.).

2. Im Streitfall kann dahinstehen, ob die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit der Atlaslogie tatsächlich eine Heilbehandlung im vorgenannten Sinn darstellt, denn sie hat diese jedenfalls nicht im Rahmen der Ausübung einer den in § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Katalogberufen ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt.

a) Die Klägerin kann als ausgebildete Rettungsassistentin zwar grundsätzlich einen im Rahmen des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG anerkannten Heilhilfsberuf ausüben (i.d.S. auch Sterzinger, in Birkenfeld/Wäger, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 14a, Rz. 168, Stichwort: Rettungssanitäter), auch wenn diese Berufsbezeichnung zwischenzeitlich nicht mehr verliehen wird.

Gemäß § 30 Satz 1 des seit dem 1.1.2014 geltenden Notfallsanitätergesetzes (NotSanG) dürfen Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten, die eine Erlaubnis nach dem Rettungsassistentengesetz besitzen, diese Berufsbezeichnung weiterhin führen. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 NotSanG soll die Ausbildung zur Notfallsanitäterin oder zum Notfallsanitäter entsprechend dem allgemein anerkannten Stand rettungsdienstlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Durchführung und teamorientierten Mitwirkung insbesondere bei der notfallmedizinischen Versorgung und dem Transport von Patientinnen und Patienten vermitteln. Die Ausbildung soll die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter außerdem in die Lage versetzen, die Lebenssituation und die jeweilige Lebensphase der Erkrankten und Verletzten und sonstigen Beteiligten sowie deren Selbständigkeit und Selbstbestimmung in ihr Handeln mit einzubeziehen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 NotSanG).

b) Vorliegend wird die Klägerin in Bezug auf die hier streitigen Umsätze aber nicht als Rettungsassistentin oder Notfallsanitäterin, sondern als "Atlaslogin" tätig. Diese beiden Tätigkeitsbereiche haben nach Überzeugung des Gerichts - entgegen der Auffassung der Klägerin - keine derartige inhaltliche Verknüpfung zueinander, dass die Ausbildung als Rettungsassistentin auf den Beruf der Atlaslogie deshalb "durchschlage", allein weil beide Berufsgruppen gesundheitsnahe Tätigkeiten ausübten. Dagegen spricht schon das oben genannte gesetzlich vorgegebene Aufgabenfeld des heute so bezeichneten Notfallsanitäters der vorwiegenden medizinischen Versorgung von Notfällen, welches sich weitgehend von dem von der Klägerin geschilderten Aufgabenfeld eines Atlaslogen unterscheidet.

Da nur diejenigen Heilbehandlungen von der Umsatzsteuer befreit sind, auf die sich die Qualifikation des "Behandelnden" bezieht (vgl. nur Oelmaier, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 14, Rz. 65), spielt es, wie das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung zu Recht festgestellt hat, keine Rolle, dass die Klägerin ausgebildete Rettungsassistenten ist, da sie ausschließlich als Atlaslogin Umsätze erzielt hat. Diese Umsätze wurden jedenfalls nicht im Rahmen der Tätigkeit der Klägerin als Rettungsassistentin erzielt.

c) Die Klage bleibt deshalb ohne Erfolg, weil die Tätigkeit der Atlaslogie den in § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Heilberufen nicht ähnlich ist.

aa) Allgemein können neben den in § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG ausdrücklich genannten Heilberufen (Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut und Hebamme) auch andere Heil- und Gesundheitsfachberufe (Heilhilfsberufe) mit ihren Umsätzen unter die Steuerbefreiung fallen.

Dabei muss es sich bei der ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit nicht zwingend um eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handeln. Vielmehr wird eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit auch dann ausgeübt, wenn das typische Bild des Katalogberufs mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar ist. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der jeweils ausgeübten Tätigkeit nach den sie charakterisierenden Merkmalen, die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des zu vergleichenden Berufs knüpft.

Diese Anforderungen machen vor allem vergleichbare berufsrechtliche Regelungen über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung erforderlich (vgl. zu diesen Merkmalen allgemein BFH-Urteile vom 6. September 2006 XI R 64/05, BStBl II 2007, 177, Rz. 27 und vom 29. Januar 1998 V R 3/96, BStBl II 1998, 453, Rz. 17 ff., jeweils m.w.N.). Für die Frage, ob eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit vorliegt, ist das entscheidende Kriterium somit die Qualifikation des Behandelnden (so auch EuGH-Urteil vom 27. April 2006, C-443/04 und C-444/04, Solleveld und van den Houtvan Eijnsbergen, ECLI:EU:C:2006:257, UR 2006, 587, Rz. 44 f.; vgl. auch Sterzinger, in Birkenfeld/Wäger, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 14a, Rz. 157 und Oelmaier, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 14 Nr. 4 Rz. 84, jeweils m.w.N.).

bb) Vorliegend konnte die Klägerin eine derartige berufliche Qualifikation des "Atlaslogen" ähnlich zu den im Gesetz genannten Katalogberufen der Heilbehandlung oder zu den sonst anerkannten Heilhilfsberufen nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen.

Zum Nachweis der Vergleichbarkeit hat die Klägerin neben mehreren Bestätigungen der Teilnahme an diversen Seminaren als eigentlichen Ausbildungsnachweis zunächst eine mit der Überschrift "DIPLOM ATLASLOGIE" betitelte Bestätigung einer in der Schweiz ansässigen "A-GMBH" über die "Teilnahme an dem Lehrgang Atlaslogie" und das "erfolgreiche Bestehen der praktischen und theoretischen Prüfung" vorgelegt.

Im Klageverfahren wurden dann von der Klägerin nach ihrer Auffassung ausreichende ergänzende Unterlagen zum Nachweis einer beruflichen Qualifikation ähnlich zu den im Gesetz genannten Katalogberufen der Heilbehandlung nachgereicht. So wurden dem Gericht das "Ausbildungskonzept", das "Qualitäts-Management Handbuch" und "Grundlageninformationen" des schweizerischen Verbands für Atlaslogie vorlegt, aus denen sich ergibt, welchen inhaltlichen und zeitlichen Umfang die Ausbildung der Klägerin zur Atlaslogin hatte.

Danach betrug die Gesamtausbildungszeit der Klägerin bei der von ihr in Anspruch genommen Ausbildung zur Atlaslogin inklusive einer "Grundausbildung" und der so bezeichneten Eigenarbeit 690 Stunden. Der tatsächliche Zeitanteil des erteilten Unterrichts der Ausbildung zum Atlaslogen (also ohne Selbstarbeit, Grundausbildung und Prüfung) belief sich auf 22 Tage mit jeweils 10 Unterrichtsstunden.

Schon der nach der Ausbildungsordnung vorgesehene Zeitaufwand für diese Ausbildung von lediglich 220 Unterrichtsstunden zeigt, dass hier nicht von einer Vergleichbarkeit der Ausbildung mit den Heilhilfsberufen des Physiotherapeuten oder Podologen ausgegangen werden kann. So absolvieren Physiotherapeuten eine dreijährige Ausbildung an einer staatlich anerkannten Schule und diese Ausbildung ist durch Gesetz und Ausbildungs- und Prüfungsordnungen geregelt. Auch für Podologen besteht eine bundeseinheitlich geregelte zweijährige Ausbildung an einer staatlich anerkannten Berufsfachschule.

Ein nebenberuflicher Aus- oder Weiterbildungslehrgang über lediglich 11 bis 12 Wochenenden in dem dargestellten Umfang ist zur Überzeugung des Gerichts weder nach der Art noch nach dem Umfang mit der mehrjährigen Ausbildung der sonstigen anerkannten Heilhilfsberufe des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG vergleichbar.

Gegen eine Vergleichbarkeit des Berufsbildes spricht zudem, dass hier weder eine staatliche Anerkennung der Tätigkeit als Atlasloge vorliegt, noch dass eine gesetzliche Grundlage zur Ausbildung zu dem Beruf des Atlaslogen besteht; damit fehlt es an einem weiteren wesentlichen Merkmal eines Heil- oder Heilhilfsberufes (BFH-Urteil vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BStBl II 1990, 804, Rz. 16; vgl. aber nachfolgend in Tz. II.2.c.cc zum BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155). Auch in der Schweiz - wo die Klägerin ihre Ausbildung zum Atlaslogen absolviert hat - existiert offensichtlich keine staatlich anerkannte Ausbildung, denn die Klägerin konnte lediglich die vorgenannten Ausbildungsnachweise vorlegen.

Bei der dargelegten Ausbildung zum "Atlaslogen" fehlt daher die erforderliche Ähnlichkeit zu anderen Heilberufen im Sinne von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG und von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL.

cc) Allerdings stellt das Vorliegen einer eigenen berufsrechtlichen Regelung für sich allein keinen eigenständigen Differenzierungsgrund dar, von dessen Vorliegen die Ähnlichkeit mit einer heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG abhängig gemacht werden kann, auch wenn eine berufsrechtliche Regelung geeignet sein mag, die berufliche Qualifikationshöhe einzuschätzen.

Das Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung gibt für sich genommen noch keinen ausreichenden Anhalt dafür, eine Ähnlichkeit mit einem in § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG genannten Beruf zu verneinen und die Berufstätigkeit von der umsatzsteuerlichen Begünstigung auszunehmen. Für den umsatzsteuerlichen Belastungsgrund einer entgeltlichen unternehmerischen Leistung ist die berufliche Qualifikation des Unternehmers nicht allein ausschlaggebend. Der Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG zeichnet auch keinen berufsrechtlichen Lenkungszweck vor, der die Steuerbefreiung für Heil- und Heilhilfsberufe von ihrer beruflichen Qualifikation abhängig machen würde (BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155, Rz. 24; vgl. auch BFH-Urteil vom 12. August 2004 V R 18/02, BStBl II 2005, 227, Rz. 43, m.w.N.).

Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beruhte allerdings auf dem Sachverhalt, dass die dort streitigen Leistungen von Heileurythmisten in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert wurden (Rz. 27 des vorgenannten Beschlusses des BVerfG). Insoweit gehen Rechtsprechung und Literatur in der Regel vom Vorliegen eines entsprechenden Befähigungsnachweises bei einer Zulassung des jeweiligen Unternehmers oder der regelmäßigen Zulassung seiner Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Sozialversicherung aus, wobei es nicht auf die Kostenübernahme durch einzelne Krankenkassen ankommt (BFH-Urteile vom 12. August 2004 V R 18/02, BStBl II 2005, 227, Rz. 44 und 54 und vom 11. November 2004 V R 34/02, BStBl II 2005, 316; vgl. auch Oelmaier, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 14, Rz. 84; Sterzinger, in Birkenfeld/Wäger, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 14a Rz. 157 und 160 und Wagner, in Schwarz/Widmann/Radeisen, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 14 Rz. 125).

Ist weder der jeweilige Unternehmer selbst noch seine Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen zugelassen, kann ein Indiz für das Vorliegen eines beruflichen Befähigungsnachweises auch die Aufnahme von Leistungen der betreffenden Art in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen (§ 92 SGB V) sein (BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 34/02, BStBl II 2005, 316, Rz. 30 ff.).

Im Streitfall liegt aber weder eine Kostentragung der Sozialversicherungsträger für Maßnahmen der Atlaslogie durch die Klägerin oder generell für die Atlaslogie vor, noch besteht eine Aufnahme dieser Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Aus diesem Grund kann hier auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 29. Oktober 1999 (a.a.O.) nicht von steuerfreien Heilbehandlungen der Klägerin ausgegangen werden.

dd) Etwas anders ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem von der Klägerin genannten Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4. Juni 2014 (14 K 797/12, MwStR 2015, 269) zur Neurostructural Integration Technique (NST). Diesem Urteil lag ein anderer Sachverhalt zugrunde, denn die dortige Klägerin hatte eine abgeschlossene Ausbildung zur Heilpraktikerin (Heilberuf) und zur Physiotherapeutin (Heilhilfsberuf) und übte die NST-Behandlung im Rahmen dieser Tätigkeit aus (Rz. 82 der Urteilsbegründung).

3. Eine Umsatzsteuerfreiheit für die Leistungen der Klägerin, bzw. Teile davon, ergibt sich auch nicht aus § 4 Nr. 21 UStG.

a) Gemäß § 4 Nr. 21 UStG sind die (a) unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie als Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten sowie (b) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen, steuerfrei. Die unionsrechtlichen Grundlagen dieser Regelung findet sich in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL.

b) Soweit die Prozessvertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung (erstmals) vorgetragen hat, dass sie Unterricht in Atlaslogie erteilt habe, weil sie den behandelten Personen in den ausführlichen Beratungsgesprächen konkrete Informationen über die richtigen Stellungen des Bewegungsapparates z.B. beim Sitzen geben und entsprechende "Hausaufgaben" zur Stärkung des Bewegungsapparates aufgeben würde, sind weder die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 4 Nr. 21 Buchst. a noch nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG erfüllt. Denn die Klägerin betreibt weder eine private Schule oder eine andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung im Sinn von § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG noch erbringt sie als selbstständige Lehrerin Unterrichtsleistungen an Schulen im Sinn von § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG.

4. Die Klägerin kann sich für die Steuerbefreiung für Unterrichtsleistungen auch nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen.

a) Ein Steuerpflichtiger kann sich zwar grundsätzlich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen (vgl. z. B. EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, ECLI:EU:C:2007:344, UR 2007, 592; BFH-Urteil vom 27. September 2007 V R 75/03, BStBl II 2008, 323).

Steuerfrei ist danach der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu dieser Vorschrift kommt es darauf an, dass Unterrichtseinheiten vorliegen, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht" beziehen (vgl. EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz, ECLI:EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz. 38).

b) Im Streitfall scheitert die Steuerfreiheit bereits daran, dass die in der mündlichen Verhandlung geschilderten Tätigkeiten keine Unterrichtseinheiten der Klägerin im oben genannten Sinne darstellen.

Bei den genannten Beratungen und "Hausaufgaben" handelt es sich bei einer Gesamtbetrachtung vielmehr um einen Kernbestandteil der Tätigkeit der Klägerin als Atlaslogin. Schon nach dem von der Klägerin vorgetragenen Berufsbild des Atlaslogen und des dargelegten Ablaufs der Behandlungstermine stellt die Beratung einen zeitlich und inhaltlich beachtlichen und unverzichtbaren Teil einer jeden Behandlung dar. Eine solche einheitliche Leistung darf aber nicht willkürlich in ihre Bestandteile aufgeteilt werden.

Selbst wenn man im Streitfall zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass hier überhaupt verschiedene Leistungen der Klägerin vorliegen sollten, dann ist nach der Rechtsprechung des EuGH bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst (vgl. nur EuGH-Urteil vom 18. Januar 2018 C-463/16, Stadion Amsterdam, ECLI:EU:C:2018:22, UR 2018, 200, Rz. 21). Eine einheitliche Leistung liegt dann vor, wenn zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (EuGH-Urteile vom 18. Januar 2018 C-463/16, Stadion Amsterdam, ECLI:EU:C:2018:22, UR 2018, 200, Rz. 22 und vom 10. März 2011 C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, Bog u. a., ECLI:EU:C:2011:135, UR 2011, 272, Rz. 53). Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH-Urteil vom 18. Januar 2018 C-463/16, Stadion Amsterdam, ECLI:EU:C:2018:22, UR 2018, 200, Rz. 23). So ist es im Streitfall, die von der Klägerin als Unterricht bezeichnete Beratung nebst "Hausaugabenerteilung" im Rahmen der Behandlung stellt nach Überzeugung des Gerichts einen untrennbaren Bestandteil ihrer Kerntätigkeit der Atlaslogie dar.

c) Auch im Übrigen sind die Anforderungen der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung an das Vorliegen von Unterricht im Sinne der Steuerbefreiungstatbestände hoch. Danach verweist der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts für die Zwecke der Mehrwertsteuerregelung allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen (vgl. nur EuGH-Urteile vom 14. März 2019 C-449/17, A & G Fahrschul-Akademie, ECLI:EU:C:2019:202, UR 2019, 294, Rz. 26 und vom 7. Oktober 2019 C-47/19, Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst, ECLI:EU:C:2019:840, UR 2019, 892). Unter Anlegen dieses Maßstabs auf die vermeintliche Unterrichtstätigkeit der Klägerin fehlt es bereits an der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen, denn die Klägerin vermittelt allenfalls Kenntnisse im Bereich des menschlichen Bewegungsapparates.

5. Die Klage bleibt auch hinsichtlich der angefochtene Zinsfestsetzungen zur Umsatzsteuer 2011 und 2012 ohne Erfolg. Da der Zinsbescheid lediglich ein Folgebescheid des Umsatzsteuerbescheids ist (Loose in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und zur Finanzgerichtsordnung, Rz 75 zu § 233a AO) und vorliegend keine substantiierten Einwendungen gegen die Zinsfestsetzungen selber vorgebracht wurden, sind die mit Bescheiden vom 30. April 2015 festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer 2011 und 2012 rechtmäßig.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

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