BPatG, Beschluss vom 14.06.2005 - 24 W (pat) 107/04
Fundstelle
openJur 2011, 103400
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke WIESENFRISCHE ist für die Waren

"Wasch- und Bleichmittel und andere Mittel für die Wäschepflege; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Präparate zur Pflege, Behandlung und Verschönerung von Textilien; Seifen"

zur Eintragung in das Register angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einem Regierungsangestellten im gehobenen Dienst, hat die Anmeldung mit Beschluß vom 25. März 2004 zurückgewiesen, weil der angemeldeten Marke die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehle.

Zur Begründung führt der Prüfer aus, die angemeldete Wortfolge sei zwar lexikalisch nicht nachweisbar, bestehe aber aus einfachen Begriffen der deutschen Sprache, die durch sprachregelgerechte Aneinanderreihung eine aus sich heraus verständliche rein sachbezogene Aussage ergäben, daß die damit gekennzeichneten Produkte eine Wiesenfrische vermittelten, etwa in Hinblick auf Sauberkeit, Reinheit, Duft usw.. Dieses Verständnis dränge sich angesichts der Werbeüblichkeit solcher Begriffe auf. Von der Anmelderin genannte eingetragene Marken seien mit dem vorliegenden zusammengesetzten Begriff nicht vergleichbar. Außerdem könnten die Eintragungen aus rechtlichen Gründen nicht bindend sein.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, nach den Grundsätzen der nationalen und europäischen Rechtsprechung sei die angemeldete Kennzeichnung schutzfähig. Insbesondere handele es sich nicht um eine beschreibende Angabe. Der Begriff "WIESENFRISCHE" sei lexikalisch nicht nachweisbar und die angemeldete Kombination der Wörter in der deutschen Sprache ungebräuchlich. Selbst wenn der Verkehr die Wortfolge einer Analyse unterziehen würde, käme er nicht zu einem deutlichen und unmißverständlichen Aussagegehalt in bezug auf die Waren der Anmeldung. Im übrigen seien Wiesen gerade nicht sauber, leuchtend und rein, so daß die Wortfolge auch keinen derartigen sachbezogenen Sinngehalt vermitteln könne. Außerdem werde in der Werbung üblicherweise das Wort "FRISCHE" nicht in Verbindung mit dem Begriff "WIESEN" verwendet. Zu berücksichtigen sei weiterhin, daß die Eintragung vergleichbarer Marken wie "MOUNTAIN FRESH, TROPENFRISCH, ARCTIC FRESH, Fresh Breeze, Sunny Fresh etc." für identische Waren ein gewisses Indiz für die Schutzfähigkeit der Kennzeichnung im vorliegenden Fall darstelle. Die vom Senat übersandten Ergebnisse einer Internetrecherche und Entscheidungen seien im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil sie andere Begriffsbildungen und/oder Waren beträfen.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere auf eine Recherche des Senats, die der Anmelderin übersandt worden ist, Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 165 Abs 4 MarkenG statthaft und auch im übrigen zulässig, aber in der Sache nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats steht der Eintragung der angemeldeten Marke das absolute Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegen.

1. Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl ua EuGH GRUR 2002, 804, 806 - Nr 35 - "Philips"; GRUR 2003, 514, 517 - Nr 40 - "Linde ua"; GRUR 2004, 428, 431- Nr. 48 - "Henkel"; GRUR 2004, 1027, 1029 - Nr. 33, 42 - "DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT"). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl ua EuGH aaO - Nr 41 - "Linde ua "; aaO - Nr 50 - "Henkel"). Ferner ist dieses Eintragungshindernis im Licht des Allgemeininteresses auszulegen, das ihm zugrunde liegt (vgl. ua. EuGH aaO - Nr 77 - "Philips"; EuGH GRUR 2003, 604, 607 - Nr. 51 - "Libertel"; EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Nr 68 - "Postkantoor"; EuGH GRUR 2004, 680, 681 - Nr. 34 - "BIOMILD"). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH aaO - Nr 86 - "Postkantoor"). Allerdings ist der Anwendungsbereich der Bestimmung des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht auf Bezeichnungen beschränkt, welche konkret die Art oder Merkmale der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreiben. Vielmehr kann einer Bezeichnung die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl EuGH aaO - Nr 70 u 86 - "Postkantoor"; EuGH aaO - Nr. 19 - "BIOMILD"; EuGH aaO - Nr. 44 - "DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT"). Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit von werblichen Ausdrücken sind an die Unterscheidungskraft grundsätzlich dieselben Kriterien anzulegen wie bei anderen Markenkategorien. Jedoch kann sich im Zusammenhang mit der Anwendung dieser Kriterien zeigen, daß nicht jede Markenform in gleicher Weise wahrgenommen wird, und es daher schwieriger sein kann, die Unterscheidungskraft der Marken bestimmter Kategorien nachzuweisen. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft der betreffenden Marke festgestellt wird, daß sie eine Werbefunktion ausübt, die z. B. darin besteht, die Qualität oder Eigenschaften der betreffenden Ware anzupreisen, und daß diese Funktion im Vergleich zu der behaupteten Herkunftsfunktion nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist. Denn in einem solchen Fall muß bei der Entscheidung dem Umstand Rechnung getragen werden, daß die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren schließen (vgl. EuGH aaO - Nr. 34, 35, 36 - "DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT"). Dies ist hier der Fall.

Zwar können die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Werbeaussage einen Anhalt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten (vgl. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 f. "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 "Bar jeder Vernunft"). Die hier zu beurteilende angemeldete Kennzeichnung ist jedoch sprach- und werbeüblich gebildet und beschränkt sich auf eine rein sachbezogene Angabe dahingehend, daß durch die betreffenden Produkte das Gefühl der Frische erzeugt wird und daß die Waren einen Frischeeindruck bewirken, der - zB durch Duftstoffe - an Wiesen erinnert. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat und die ergänzende Internetrecherche des Senats belegt, weist die Werbung häufig in verkürzter, schlagwortartiger, emotional ansprechender Form auf die Beschaffenheit und Wirkung von Waren und Dienstleistungen hin, wobei auf vielen Warengebieten und insbesondere auch auf dem Sektor der Waren der Klasse 3 oft hervorgehoben wird, daß diese ein Gefühl der Frische erzeugen und daß es sich um natürliche, natürlich wirkende, naturverträgliche oder in der Natur vorkommende bzw. die Natur imitierende Substanzen handelt. Dies belegen etwa neben den von der Markenstelle genannten weitere Beispiele aus der Datenbank "Slogans.de", die der Anmelderin übersandt worden sind. In Verbindung mit einer Handcreme wird etwa von einem "wiesenfrischen Geruch" gesprochen. Eine solche Werbung bietet sich auch für die Waren der Anmeldung an, weil gerade auf dem Sektor der Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel für den Verkehr die Abwesenheit von belastenden chemischen Substanzen, ein angenehmer Duft, der zB an Kräuter, Blumen etc. erinnert und ein Gefühl der Frische sehr wichtig sind. Aus diesem Grund wird mit entsprechenden Begriffen für einschlägige Waren häufig geworben, so etwa mit "aprilfrisch, frühlingsfrisch, blütenfrisch, bergfrisch". Die Duftnote eines Weichspülers wird als "wiesenfrisch" bezeichnet (vgl. "Slogans.de" aaO.; Wortschatz Deutsch online-Lexikon der Universität Leipzig unter den entsprechenden Stichworten sowie Rechercheergebnisse der Markenstelle). Diese existierenden Wortbildungen lassen zwar verschiedene, im Zusammenhang mit den Waren der Anmeldung aber stets sachbezogene Auslegungen zu. Auch die hier zu beurteilende Wortzusammensetzung wird deshalb als ein solcher Werbebegriff aufgefaßt werden. Bei der Aussage "WIESENFRISCHE" handelt es sich daher in Zusammenhang mit den Waren der Anmeldung, die sämtlich dem Waschen, Putzen und der Reinigung dienen, um eine ohne weiteres erkennbare werbliche Anpreisung der Ware ohne betriebskennzeichnenden Charakter, der deshalb die Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"; vgl. HABM R0383/01-2 "NATURE FRESH"; HABM R0385/01-2 "EXOTIC FRESH", Zusammenfassung jeweils veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM).

2. Hiergegen kann die Anmelderin nicht einwenden, der angemeldete Begriff sei im deutschen Sprachgebrauch nicht nachweisbar, weise eine gewisse begriffliche Unschärfe und Interpretationsbedürftigkeit auf und eigne sich deshalb als betrieblicher Herkunftshinweis (vgl. hierzu BGH aaO "marktfrisch"; BGH GRUR 2003, 1050 "Cityservice"). Die Werbung bedient sich - wie oben dargestellt - häufig neuer plakativer Wortzusammensetzungen, die zwar die Waren nicht mit größter sprachlicher Exaktheit beschreiben, aber doch erkennbar bloße Anpreisungen und keine Hinweise auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb darstellen. In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, daß nach neuerer Rechtsprechung das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG bereits dann gegeben sein kann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise dem Zeichen von mehreren in Betracht kommenden Bedeutungen eine (eindeutige) Aussage mit sachbezogenem Charakter entnehmen (BGH GRUR 2005, 257, 258 "Bürogebäude").

3. Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis und Rechtsprechung berufen. Selbst aus inländischen Voreintragungen ähnlicher oder übereinstimmender Marken erwächst unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art 3 GG) grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl BGH GRUR 1997, 527, 528 "Autofelge"; BlPMZ 1998, 248, 249 "Today"; vgl. dazu auch EuGH GRUR 2004, 428, 431 f - Nr. 60 ff "Henkel"). Noch weniger erheblich sind ausländische Voreintragungen (vgl. EuGH aaO - Nr. 61 ff "Henkel").

Dr. Ströbele Dr. Hacker Guth Bb

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