LG Köln, Beschluss vom 13.05.2016 - 214 O 85/16
Fundstelle
openJur 2021, 15105
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag vom 05.04.2016, der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der

Anlage ASt 1

des Beschlusses vom 06.04.2016 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren, wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Eine Entscheidung über die Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 06.04.2016 erfolgt nach Rechtskraft dieses Beschlusses.

Gründe

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG liegen nicht vor.

Die Kammer sieht dabei von weiteren Ermittlungen ab, da nach dem bisherigen Vorbringen der Beteiligten nichts Sachdienliches mehr zu erwarten ist (vgl. Bumiller/Harders, FamFG Freiwillige Gerichtsbarkeit, 9. Aufl., § 12 Rn. 6). Im Einzelnen gilt folgendes:

Der Antragstellerin fehlt es an der Aktivlegitimation. Denn nach dem Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung der Geschäftsführerin Frau X der S GmbH vom 22. Dezember 2015 sollen der Antragstellerin "die ausschließlichen Rechte zur Auswertung dieser Tonaufnahmen im Internet in so genannten Filesharing-Netzwerken" übertragen worden sein.

1. Eine Übertragung von Nutzungsrechten mit dinglicher Wirkung ist insofern jedoch nicht von dem grundsätzlich betroffenen Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen gemäß § 19 a UrhG eigenständig abspaltbar.

Das behauptete ausschließliche Nutzungsrecht der Antragstellerin an den verfahrensgegenständlichen Musikwerken "L-G" und "L feat. K - T" zur öffentlichen Zugänglichmachung in Filesharing-Netzwerken bezieht sich nicht auf eine eigenständige Nutzungsart und vermag daher die Aktivlegitimation zur Geltendmachung der beanspruchten Rechte nicht zu begründen.

Unabhängig davon, dass die in der Antragsschrift auf Seite 9 vorgetragene vertragliche Vereinbarung im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, sondern lediglich die eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin der S GmbH zur Glaubhaftmachung der Rechteübertragung vorgelegt ist, handelt es sich bei dem ausschließlichen Recht der Antragstellerin zum öffentlichen Zugänglichmachen nach § 19 a UrhG im Internet über Peerto-Peer-Netzwerke (sog. Internet-Tauschbörsen, Filesharing), nicht um eine eigenständig abspaltbare Nutzungsform mit dinglicher Wirkung im Sinne von § 31 Abs. 1 S. 2 UrhG.

a) Eine dinglich wirkende Aufspaltung eines Nutzungsrechts ist nur möglich, wenn es sich nach der Verkehrsauffassung um übliche, technisch und wirtschaftlich eigenständige und damit klar abgrenzbare Nutzungsformen handelt (vergleiche BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004 - I ZR 49/03 - man spricht deutsch; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl. 2013, § 31, Rn. 29; Ahlberg, in: Ahlberg/ Götting, Beck'scher Online-Kommentar Urheberrecht, Stand: 01.02.2014, Einführung zum UrhG, Rn. 46; Wiebe, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 31 UrhG, Rn. 6).

Der Urheber ist zwar grundsätzlich an einer möglichst weitgehenden Aufspaltbarkeit der Nutzungsrechte interessiert, um an sämtlichen wirtschaftlichen Nutzungen seines Werkes angemessen beteiligt zu werden. Eine uneingeschränkte Atomisierung der Nutzungsrechte würde jedoch die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit beeinträchtigen, die wiederum im Interesse der Allgemeinheit zu beachten sind.

Deshalb lassen sich die Nutzungsrechte nicht beliebig, sondern nur begrenzt mit dinglicher Wirkung aufspalten. Nur durch diese Beschränkung der Aufspaltbarkeit kann hinreichende Sicherheit und Klarheit im Verkehr mit Nutzungsrechten und Vervielfältigungsstücken erzielt werden. Eine für den praktischen Gebrauch erforderliche trennscharfe Abgrenzung ist insofern nicht möglich, da die Übertragungsvereinbarung lediglich beispielhaft einige so genannte Filesharing Netzwerke aufzählt, dies aber nicht abschließend ist, sondern die Recht Übertragung auch für "alle anderen Filesharing Netzwerke (Tauschbörsen)" gelten soll. Damit bleibt jedoch offen, wie weit die Recht Übertragung reicht, ob etwa Dienste wie Dropbox oder andere Cloud Dienste ebenfalls erfasst sind.

b) Die Nutzung ist auch nicht wirtschaftlich eigenständig. Wirtschaftlich eigenständig ist eine Nutzungsart insbesondere dann, wenn sich durch sie ein neuer Markt entwickelt hat und neue Verbraucherkreise angesprochen werden (vgl. bereits RGZ 123, 312, 316 - Wilhelm Busch).

Dies ist im Hinblick auf die isolierte Nutzung in Peerto-Peer-Netzwerken nicht der Fall. Eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung kommt diesen aus Verkehrssicht nicht zu. Der Vorgang der Werkvermittlung erfolgt aus Sicht des Werknutzers sowohl in Tauschbörsen als auch in sonstigen Formen der Auswertung im Online-Vertrieb über kostenpflichtige oder kostenlose Downloadangebote funktionell gleichwertig durch Übermittlung und Speicherung von Dateien.

Neue Verbraucherkreise werden durch Filesharing nicht angesprochen. Der Vorgang der Werkvermittlung bleibt aus der Sicht des Endverbrauchers im Wesentlichen unverändert gegenüber anderen Downloadangeboten. Filesharing in sog. Tauschbörsen ist daher gegenüber anderen Online-Vertriebsformen, die Gegenstand des § 19 a UrhG sind, nicht hinreichend wirtschaftlich abgrenzbar und autonom.

c) Auch eine entsprechende Lizenzierungspraxis besteht nicht; ein wirtschaftliches Bedürfnis zur Lizenzierung für den Vertrieb in Filesharing-Netzwerken ist nicht erkennbar. Die fehlende wirtschaftliche Verwertungspraxis zeigt sich auch daran - wie der Kammer aus einer Vielzahl vergleichbar gelagerter Fälle unter Beteiligung internationaler Filmkonzerne und Musikproduzenten bekannt ist - dass dort regelmäßig vorgetragen wird, es würden ausdrücklich keine Lizenzen zum Angebot von Musikstücken oder Kinofilmen im Internet über Tauschbörsen zum Download erteilt.

Die Antragstellerin hat auch nicht vorgetragen und belegt, dass tatsächlich eine Lizenzierung an Tauschbörsennutzer zur wirtschaftlichen Verwertung von Musikstücken erfolgen würde. Dazu hat sie lediglich Gedankenspiele ausgeführt, dass die Antragstellerin "eine Art Abonnementsvertrags könnte, dass es den entgeltlichen Kunden dieses Dienstes wiederum im Rahmen einer einfachen Lizenz erlaubt, die Werke der Antragstellerin in Tauschbörsen herunterzuladen und zu verteilen". Dass sie dies täte oder auch nur vor hätte ist jedoch weder vorgetragen noch wahrscheinlich. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass gerade nicht beabsichtigt ist, dass die Antragstellerin die streitgegenständlichen Musikstücke in Filesharing-Netzwerken öffentlich zugänglich macht. Denn würde die Antragstellerin die Musikstücke als Inhaber eines Nutzungsrechtes und damit mit Zustimmung der S GmbH in Filesharing-Netzwerken öffentlich zugänglich machen, wofür bereits ausreichend ist, dass Dritten der Zugriff auf das sich in der Zugriffsphäre des Vorhaltungen befindende geschützte Werk eröffnet wird (vergleiche BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14 - Tauschbörsen I), würde der eigentliche Zweck der Einschaltung der Antragstellerin durch die S GmbH verfehlt werden. In diesem Falle wäre nämlich das Angebot mit Zustimmung des Rechteinhabers erfolgt, so dass sich kaum noch feststellen lassen dürfte, ob es sich bei den von der Antragstellerin ermittelten vermeintlichen Rechtsverletzer tatsächlich um Rechtsverletzer handelt oder um legale Nutzer.

Die ausdrückliche Beschränkung der Rechte auf die Verwertung in dezentralen Netzwerken dient vielmehr ersichtlich dazu, die bereits erfolgte oder geplante Lizenzierung der "Onlinerechte” an die kommerziellen Verwerter nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Es erscheint demnach nicht gerechtfertigt, den Vertrieb über Internet-Tauschbörsen als wirtschaftlichtechnisch einheitlich und selbständig und somit als eigenständige Nutzungsart zu qualifizieren. Eine für den praktischen Gebrauch erforderliche trennscharfe Abgrenzung ist insofern nicht möglich. Letztlich meint die Antragstellerin danach unterscheiden zu können, ob eine rechtlich unzulässige Nutzung vorliegt, nämlich so genannte Tauschbörsen zu nutzen, in denen ohne die Zustimmung der Rechteinhaber urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich zugänglich gemacht werden, oder ob es sich um rechtmäßige Nutzungen handelt. Eine dingliche Aufspaltung des Nutzungsrechts des öffentlichen Zugänglichmachens gemäß § 19 a UrhG ist nach diesem Kriterium jedoch ausgeschlossen, da dieses Kriterium stets eine rechtliche Bewertung in jedem Einzelfall voraussetzte und somit eben keine klar abgrenzbare Nutzungsform gegeben ist.

d) Schließlich ist auch kein besonderes Bedürfnis gegeben, eine derartige Aufspaltung des Rechtes des öffentlichen Zugänglichmachens gemäß § 19 a UrhG vorzunehmen. Es stünde dem (eigentlichen) Rechteinhaber, im vorliegenden Fall der S GmbH, frei, die Rechtsverletzungen selbst im Internet zu verfolgen und dazu sich gegebenenfalls der tatsächlichen Hilfe der Antragstellerin zu bedienen. Die Übertragung von ausschließlichen Nutzungsrechten ist dazu nicht erforderlich.

2. Auch die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft sind nicht gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf jemand ein fremdes Recht im eigenen Namen im Prozess geltend machen, wenn ihm der Berechtigte eine entsprechende Ermächtigung erteilt hat und wenn er an der Durchsetzung des Rechts ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (sog. gewillkürte Prozessstandschaft, vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2011 - VII ZR 162/09, mit weiteren Nachweisen). Es fehlt der Antragstellerin ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse, das fremde Recht geltend zu machen. Ein solches Interesse ist nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten beeinflusst (vergleiche etwa Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 51 Rn. 34). Die eigene Rechtslage der Antragstellerin ist jedoch nicht betroffen, und zwar auch nicht, soweit sie als Dienstleister der S GmbH tätig ist. Sie könnte ihre Aufgabe, den Eintritt des durch urheberrechtsverletzende Nutzung insbesondere in Filesharing-Netzwerken entstehenden Schadens zu verhindern bzw. die Verletzer zu ermitteln genauso ausüben. Lediglich im Gestattungsverfahren gemäß § 101 Abs. 9 UrhG könnte sie nicht anstelle der S GmbH selbst als Antragstellerin auftreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 101 Abs. 9 S. 5 UrhG.

1.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Die Beschwerde muss spätestens innerhalb von zwei Wochen nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Landgericht Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

Statt der Beschwerde ist gegen den Beschluss auch das Rechtsmittel der Sprungrechtsbeschwerde eröffnet. Die Sprungrechtsbeschwerde findet auf Antrag unter Übergehung der Beschwerdeinstanz statt, wenn die Beteiligten hierin einwilligen und das Rechtsbeschwerdegericht die Sprungrechtsbeschwerde zulässt. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt innerhalb einer Frist von einem Monat bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe zu beantragen. Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach dessen Erlass. Der Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde gilt als Verzicht auf das Rechtsmittel der Beschwerde.

2.

Die in diesem Verfahren getroffene Anordnung setzt lediglich die Feststellung voraus, dass über einen Internet-Anschluss, dem eine bestimmte IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnet war, eine offensichtliche Rechtsverletzung begangen wurde, nicht aber die Feststellung, dass diese Rechtsverletzung von einer bestimmten Person begangen wurde (OLG Köln, Beschl. v. 05.05.2009 - 6 W 39/09).

Weiterführende Informationen finden sich unter http://www.lgkoeln.nrw.de/infos/090_wissenswerte/urhG__101_Abs_9/index.php.