VG München, Beschluss vom 22.03.2021 - M 30 E 21.1308
Fundstelle
openJur 2021, 15068
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit einer Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) im Hinblick auf seine beabsichtigte Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht München als Prozessbeteiligter.

Der Antragsteller ist Kläger im Verfahren M 23 K 18.4819. Für Mittwoch, den ... ... 2021 um 14 Uhr ist diesbezüglich durch die 23. Kammer zur mündlichen Verhandlung im Sitzungssaal 1 des Gerichtsgebäudes des Verwaltungsgerichts München geladen. Mit der Ladung vom ... Februar 2021 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers wurde ein "Merkblatt zu Vorsichtsmaßnahmen bei mündlichen Verhandlungen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 ("Corona") (Stand 28.10.2020)" mitgesandt, das darauf hinweist, Zutritt zum Gericht sei nur mit einem Mund-Nasen-Schutz möglich. Ob der Mund-Nasen-Schutz während der mündlichen Verhandlung getragen werden dürfe oder solle, entscheide der Vorsitzende Richter.

Der Internetauftritt des Verwaltungsgerichts München verweist aktuell auf ein dort hinterlegtes Merkblatt mit Stand vom 3. März 2021. Danach sei der Zutritt nur mit einem "Mund-Nasen-Schutz ("medizinische Gesichtsmaske bzw. OP-Maske oder FFP2- Maske") möglich. Ob der Mund-Nasen-Schutz während der mündlichen Verhandlung getragen werden dürfe oder solle, entscheide der Vorsitzende Richter.

Mit Telefax vom 9. März 2021 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO gestellt. Zur Begründung führt der Antragsteller mit Schriftsätzen vom 9. März sowie 17. März 2021 aus, an der Verhandlung am ... ... 2021 im Verfahren M 23 K 18.4819 als Kläger teilnehmen zu wollen. Er werde dort jedoch mit Gewissheit keine MNB tragen. Soweit der Zutritt zum Gebäude und damit die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung für Menschen, die keine medizinische, OP- oder FFP2-Maske tragen, derzeit durch das im Internet befindliche Merkblatt untersagt sei, werde die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) abgeschnitten und ausgehöhlt. Dass bestimmte Personen von der Tragepflicht ausgenommen sein könnten, sei dem Merkblatt nicht zu entnehmen. Damit maße sich das Verwaltungsgericht München mehr an, als die 12. Bayerische Infektionsmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) in Form von ausdrücklichen Befreiungstatbeständen vorsehe. Etwaiges Hausrecht sei keine Rechtsgrundlage, schärfere Bestimmungen zu formulieren als der Landesgesetzgeber. Von Gerichtsgebäuden sei in der Verordnung nicht ansatzweise die Rede. Die Befreiungstatbestände der 12. BayIfSMV lägen hingegen beim Antragsteller vor. Am 4. Dezember 2020 habe er unter anderem dem Ministerpräsidenten eine eidesstattliche Versicherung zur Glaubhaftmachung der Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer MNB zugesandt. Hierin habe der Antragsteller erklärt, dass ihm das Tragen einer MNB aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar sei. Schon nach wenigen Minuten fühle er sich äußerst unwohl, leide dann an Atemnot und Beklemmungsgefühlen. Er bemerke Konzentrationsschwierigkeiten. Bei längerem Aufbehalten würden Kopfschmerzen hinzutreten und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Schwindelgefühle. Zudem verwies der Antragsteller auf das Urteil des Amtsgerichts Weimar vom 11.01.2021 - 6 OWiG 523 JS 202518/20 -, dem zufolge die Coronaverordnungen verfassungswidrig seien, ergo nichtig. Dies gelte auch für Bayern. Auch sei das Merkblatt insoweit inakzeptabel, als es verdeutlicht, einem Vorsitzenden Richter könne zustehen, sich über § 172 Abs. 2 GVG hinwegzusetzen. Mit Schriftsatz vom 17. März 2021 stellte der Antragsteller des Weiteren die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts infrage und verweist unter anderem auf einen Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden - 6 K 1016/15 - an den Europäischen Gerichtshof. Im Übrigen erwidert der Antragsteller auf die Ausführungen des Antragsgegners. Das Merkblatt vom 3. März 2021 suggeriere, dass es jeglichen Vorsitzenden obliege, über das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu entscheiden. Verantwortlich für das Merkblatt sei jedoch nicht der Vorsitzende der 23. Kammer, sondern der Antragsgegner. Dieser dürfe nicht den Eindruck erwecken, nach Art. 97 Abs. 1 GG dem Gesetz unterworfene Vorsitzende Richter dürften sich das Recht herausnehmen, Beteiligte, Bevollmächtigte und Zeugen zum Tragen einer MNB oder gar FFP2-Maske zu verpflichten zu können. Eine Verpflichtung zum Tragen einer das Gesicht in Teilen verdeckenden MNB oder Maske wäre ein eklatanter Verstoß gegen Bundesrecht in Form von § 172 Abs. 2 GVG.

Der Antragsteller beantragt,

Es wird beantragt, daß der Antragsgegner dazu verpflichtet wird, dem Antragsteller den Zugang zu einer für den ...2021 angesetzten Hauptverhandlung zum Gerichtsgebäude und Aufenthalt auf den Fluren im Inneren entweder ohne jede Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) zu gewähren, oder hilfsweise mit einer [einfachen] Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) i.S.d. Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) vom 5. März 2021, also in § 1 Abs. 1 Satz 3 und § 1 Abs. 2 erster Halbsatz Altern. 1 gemeint. Ihm darf hingegen nicht auferlegt werden, eine FFP2-Maske oder medizinische Maske im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 2 der VO zu tragen.

Es wird zudem beantragt, dass der Antragsteller verpflichtet wird, seine allgemein im Internet veröffentlichte Merkblatt-Verlautbarung vom 03.03.2021 gegenüber dem Antragsteller (als Kläger eines anderen Verfahrens) zu widerrufen, d. h. es darf ihm gegenüber nicht länger behauptet werden, dass ein Vorsitzender entscheiden würde, ob während der mündlichen Verhandlung eine MNB getragen werden (dürfe oder) solle. Hilfsweise ist dem Antragsteller mitzuteilen, dass er als Beteiligter (Kläger) seines Verfahrens am ...2021 im Sitzungssaal (während der mündlichen Verhandlung) selbst zu keinerlei Tragen einer MNB oder Maske - welcher Art auch immer - verpflichtet werden darf bzw. verpflichtet ist.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Mit Schriftsatz vom 16. März 2021 erwidert er, soweit sich der Antrag auf die Befreiung von der Maskenpflicht während der mündlichen Verhandlung beziehe, unterliege dies gemäß § 176 GVG der Sitzungspolizei des jeweiligen Vorsitzenden. Der Antrag sei diesbezüglich daher bereits unzulässig. Im Übrigen sei kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der derzeitigen Verwaltungspraxis - hierzu wird auf das Merkblatt vom 3. März 2021 Bezug genommen - sei der Zutritt derzeit nur mit MundNasen-Schutz (medizinische Gesichtsmaske bzw. OP-Maske oder FFP2-Maske) möglich. Ohne dies explizit im Merkblatt zu erwähnen, könne in begründeten (medizinischen) Ausnahmefällen und auf Antrag aus Verhältnismäßigkeitsgründen selbstverständlich hiervon abgesehen werden. Für eine solche Befreiung sei eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, die es der Gerichtsverwaltung aufgrund nachvollziehbarer und konkreter Angaben ermögliche, eine diesbezügliche Ausnahme zu prüfen. Da der Antragsteller bislang keine ärztlichen Bescheinigungen vorgelegt habe, bestehe für ihn weiterhin die Verpflichtung, im Foyer des Gerichts eine der oben genannten Masken zu tragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren M 23 K 18.4819 Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist abzulehnen. Er ist teilweise bereits unzulässig (1.). Der geltend gemachte Anordnungsanspruch besteht im Übrigen nicht (2.).

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, nach § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen. Diese Beweiserleichterung erstreckt sich auf das Beweismaß und die Beweismittel; signifikanter Ausdruck hierfür ist die Anwendbarkeit von § 294 Abs. 1 ZPO, wonach zur Glaubhaftmachung des Sachverhalts alle Beweismittel, auch die Versicherung an Eides statt, zugelassen sind (vgl. zum Ganzen Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 123 Rn. 92a). Das erforderliche Maß der richterlichen Überzeugung ist damit auf eine nur überwiegende Wahrscheinlichkeit festgelegt (vgl. BVerfG, B.v. 29.7.2003 - 2 BvR 311/03 - NVwZ 2004, 95 - juris Rn. 16; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 51). Dabei besteht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dennoch eine Amtsermittlungspflicht des Gerichts, die es dem Gericht insbesondere ermöglicht, den Prozessbeteiligten die Vorlage von Unterlagen aufzuerlegen (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123 Rn. 95 ff.).

Der Antragsteller sieht sich aufgrund des "Merkblatts zu Vorsichtsmaßnahmen bei mündlichen Verhandlungen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 ("Corona") mit Stand 3. März 2021 davon bedroht, ohne MNB in Form einer FFP2-Maske, OP-Maske oder medizinischen Gesichtsmaske keinen Zutritt zum Gerichtsgebäude des Verwaltungsgerichts München zu erhalten (2.) sowie vom Vorsitzenden Richter während der mündlichen Verhandlung seines Verfahrens M 23 K 18.4819 eine solche Verpflichtung auferlegt zu bekommen (1.).

1. Soweit der Antragsteller außerhalb des Verfahrens M 23 K 18.4819, vielmehr in einem eigenständigen Verfahren gegen den Antragsgegner, vorbeugenden Rechtsschutz im Zusammenhang mit einer etwaigen Verpflichtung zum Tragen einer MNB während der mündlichen Verhandlung am ... ... 2021 um 14 Uhr im Sitzungssaal 1 des Verwaltungsgerichts München durch den Vorsitzenden Richter der 23. Kammer sucht, ist das Begehren bereits unzulässig.

Gemäß § 176 GVG steht dem Vorsitzenden Richter während der mündlichen Verhandlung zu, sitzungspolizeiliche Maßnahmen zu treffen. Sollte der Vorsitzende Richter in der Verhandlung am ... ... 2021 für die Dauer der Sitzung eine entsprechende Verpflichtung zum Tragen einer MNB anordnen, würde es sich um eine Maßnahme der sitzungspolizeilichen Gewalt handeln.

Zwar ist strittig, inwieweit sitzungspolizeiliche Maßnahmen einem selbständigen Rechtsschutz - über eine Gegenvorstellung hinaus - überhaupt zugänglich sind (vgl. BVerfG, B.v. 17.4.2015 - 1 BvR 3276/08 - beck-online; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Auflage 2021, § 176 Rn. 48; Barczak, Rechtsschutz gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen in NJ 9/2015 - S. 360 ff.). Ein - dem Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO isoliert unterliegendes - Verfahren gegen das Gericht wegen bzw. im Vorfeld von sitzungspolizeilichen Maßnahmen ist aber nicht zulässig. Vielmehr wäre etwaiger Rechtsschutz für die Verfahrensbeteiligten im Rahmen des jeweiligen Verfahrens zu suchen, nicht jedoch durch einen Spruchkörper des Gerichts gegen das Gericht oder den anordnenden Vorsitzenden Richter.

Soweit der Antragsteller der Auffassung ist, das Merkblatt des Antragsgegners dürfe nicht suggerieren, Vorsitzenden Richtern stünde ein Recht auf Anordnung zum Tragen einer MNB zu, weist das Gericht darauf hin, dass sitzungspolizeiliche Anordnungen von Vorsitzenden Richtern Ausfluss der §§ 169 ff. GVG darstellen und sich nicht auf das Merkblatt stützen können; das Merkblatt begründet keine Rechtsgrundlage.

Der Antragsteller hat sich daher in Bezug auf die Frage einer Maskenpflicht in der mündlichen Verhandlung an den Vorsitzenden der 23. Kammer zu wenden. Eine förmliche Verweisung des Verfahrens an die 23. Kammer kommt schon aufgrund abweichender Verfahrensbeteiligter nicht in Betracht.

Auch vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG ist insoweit kein derartiger vorbeugender Rechtsschutz geboten. Der Antragsteller kann sein Begehren, während der mündlichen Verhandlung keine Maske zu tragen, sowohl im Vorfeld der Sitzung als auch während der Sitzung - auch angesichts eines Prozessbevollmächtigten im dortigen Verfahren - hinreichend geltend machen.

2. Zulässig ist hingegen das Begehren auf vorbeugenden Rechtsschutz im Verwaltungsrechtsweg in Bezug darauf, dass der Antragsteller am Mittwoch, ... ... 2021 kurz vor 14 Uhr tatsächlich zu befürchten hat, ohne das Tragen einer MNB nicht in das Gerichtsgebäude des Verwaltungsgerichts München eingelassen zu werden. Dem Antragsteller droht insoweit bereits hinreichend konkret eine Maßnahme im Rahmen der Ausübung des Hausrechts durch die Gerichtsverwaltung.

Ein Anspruch auf vorbeugenden Rechtsschutz ist jedoch unbegründet. Zum einen besteht nach Auffassung der vorliegend erkennenden Kammer die einem Verfahren nach § 123 VwGO vorrangige Möglichkeit einer die hausrechtliche Regelung überlagernden sitzungspolizeilichen Anordnung des Vorsitzenden Richters der 23. Kammer im konkreten Einzelfall (a)). Zum anderen wäre eine entsprechende Ausübung des Hausrechts nicht zu beanstanden (b)).

a) Dem Antragsteller ist - ggf. durch seinen Prozessbevollmächtigten im Verfahren M 23 K 18.4819 - die Möglichkeit eröffnet, eine sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden Richters der 23. Kammer zu beantragen, dem Antragsteller auch ohne MNB Zutritt zum Gerichtsgebäude zum Zwecke der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu gewähren.

Welchen Geltungsbereich die sitzungspolizeiliche Gewalt des Vorsitzenden Richters im Spannungsfeld mit der Ausübung des Hausrechts durch den Gerichtspräsidenten hat, ist im Detail nicht unumstritten. Das Hausrecht findet nach allgemeiner Meinung jedenfalls seine Grenze an der Sitzungspolizei (BGH, U.v. 13.4.1972 - 4 StR 71/72 - beck-online; BayVGH, B.v. 7.8.2008 - 3 ZB 07.2938 - beck-online Rn. 8). Innerhalb des Sitzungssaales geht die Sitzungspolizei, die Ausfluss der unabhängigen richterlichen Gewalt ist, dem Hausrecht der Justizverwaltung vor. In räumlicher Hinsicht umfasst die Sitzungspolizei dabei neben dem eigentlichen Sitzungssaal auch die unmittelbar angrenzenden Räumlichkeiten im Gerichtsgebäude (BVerfG, B.v. 11.5.1994 - 1 BvR 733/94 - beck-online; aber str., vgl. Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Auflage 2021). Die Sitzung umfasst über die "Verhandlung" i.S.v. § 169 GVG hinaus auch die Zeitspannen davor und danach, in denen mit der Sache zusammenhängende Angelegenheiten (zB Sicherungsmaßnahmen und Bereitstellung von Beweismitteln oder Kommunikationstechnik) abgewickelt werden sowie die Verfahrensbeteiligten und Zuhörer üblicherweise den Sitzungssaal betreten oder verlassen, einschließlich der Sitzungspausen (BVerfG, B.v. 14.7.1994 - 1 BvR 1595/92 u. 1 BvR 1606/92). Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit die anerkannte Auslegung, dass der Begriff der Sitzung weiter ist als der der Verhandlung und zeitlich mit dem Öffnen des Zugangs zum Sitzungssaal beginnt, Beratungs- und Sitzungspausen einschließt und mit dem Verlassen des Saales durch das Gericht endet, verfassungsrechtlich nicht beanstandet (vgl. BVerfG, B.v. 11.5.1994 - 1 BvR 733/94 - beck-online, m.w.N.). Vom Zweck der Norm her sei es auch zumindest vertretbar und insofern von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, sie auf die Räumlichkeiten zu beziehen, in denen oder von denen aus Störungen der Sitzung erfolgen können, und sie daher auf die an den Sitzungssaal angrenzenden Vorräume und die Zugänge zum Saal zu erstrecken. Sitzungspolizeiliche Maßnahmen können sich somit auf den gesamten Bereich der Sitzung, das heißt alle für die Verhandlung erforderlichen Räumlichkeiten mit Einschluss des Beratungszimmers des Gerichts und der unmittelbar daran grenzenden Räume wie Flure und Korridore erstrecken; der Bereich, in dem üblicherweise Zeugen auf ihre Vernehmung warten, ist so eng mit dem Geschehen im Sitzungssaal verbunden, dass die Aufrechterhaltung der Ordnung - auch zur Wahrung der Einheitlichkeit - sinnvollerweise nur von dem Vorsitzenden wahrgenommen werden kann (BGH, B.v. 11.2.1998 - 3 StE 7/94-1 - beck-online, m.w.N.). Dies kann so weit gehen, dass auch der allgemeine Gerichtseingang, soweit dort besondere Kontrollmaßnahmen durch die Wachtmeisterei vonnöten sind, die über die allgemeine Hausordnung hinausgehen, von der Sitzungspolizei umfasst sind (vgl. Gunnar Duttge/Ehsan Kangarani in Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Auflage 2017, § 176 GVG Rn. 2). Aufgrund dieser Reichweite kann in Ausübung des Hausrechts niemand aus dem Gebäude gewiesen und niemandem der Zutritt verweigert werden, wenn dem sitzungspolizeiliche Anordnungen entgegenstehen. Soweit aber die Sitzungspolizei nicht Vorrang beansprucht, besteht das Hausrecht uneingeschränkt. Dabei ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts darauf abzustellen, ob konkrete sitzungspolizeiliche Anordnungen das Hausrecht überlagern. Das Hausrecht findet seine Grenze an der Sitzungspolizei (so auch BayVGH, B.v. 7.8.2008 - 3 ZB 07.2938 - beck-online, im Übrigen womöglich a.A.), jedoch außerhalb des Sitzungssaals in der jeweiligen konkreten Ausprägung und nicht bereits am abstrakten Geltungsbereich. Ein Verständnis derart, dass für eine allgemeine Hausrechtsausübung gegenüber Verfahrensbeteiligten und Zuhörern per se kein Geltungsbereich innerhalb der möglichen Reichweite der Sitzungspolizei besteht, geht aus Sicht der erkennenden Kammer hingegen zu weit. (Erst) die Wahrnehmung sitzungspolizeilicher Befugnisse verdrängt das Hausrecht (vgl. BVerfG, B.v. 6.2.2007 - 1 BvR 218/07 - beck-online). Insoweit hatte das Bundesverfassungsgericht auch keine Bedenken gegen Maßnahmen in einem Gerichtsgebäude (Verbot des Tragens von Motorradwesten) des Gerichtspräsidenten auf der Grundlage des Hausrechs (vgl. BVerfG, B.v. 14.3.2012 - 2 BvR 2405/11 - beck-online Rn. 24).

Insbesondere aufgrund der vorliegenden besonderen Nähe der Sitzungssäle 1 bis 3 im Gerichtsgebäude zum Eingangsbereich des Verwaltungsgerichts München können sich somit sitzungspolizeiliche Maßnahmen bis dorthin erstrecken. Dem Vorsitzenden der 23. Kammer stünde im Rahmen seiner Sitzungspolizei offen, dem Antragsteller auch entgegen der hausrechtlichen Ausübungspraxis Zutritt zur Sitzung zu verschaffen.

Der Antragsteller kann daher in Bezug auf die sich ihm stellende Gefahr, nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können, mit einem Begehren an den Vorsitzenden Richter der 23. Kammer herantreten, um Zugang zur mündlichen Verhandlung zu erhalten. Dies geht einem Begehren auf vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO vor.

b) Folgte man der hier vertretenen Auffassung zur Reichweite sitzungspolizeilicher Maßnahmen und Verhältnis zum Hausrecht nicht, steht dem Antragsteller dennoch kein Anordnungsanspruch zu.

Eine Ausübung des Hausrechts durch den Gerichtspräsidenten bzw. der Gerichtsverwaltung, Personen aufgrund der derzeitigen durch SARS-CoV-2 ausgelösten Lageeinschätzung den Zutritt zum Gerichtsgebäude grundsätzlich nur mit FFP2-Maske, OP-Maske oder medizinischer Maske zu gewähren, ist nicht zu beanstanden ((1)). Insbesondere besteht die Möglichkeit entsprechender Befreiungen, deren Einschränkung auf das Vorliegen eines qualifizierten Attests durchaus rechtmäßig ist. Dass diese Voraussetzungen beim Antragsteller vorliegen, ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht ((2)).

(1) Die Ausübung des gewohnheitsrechtlichen Hausrechts, die die Befugnis umfasst, Ordnungsmaßnahmen zu treffen, um die Verwirklichung des Widmungszwecks zu gewährleisten, Störungen des Dienstbetriebes abzuwenden und dabei insbesondere auch über den Aufenthalt von Personen in den Räumen des öffentlichen Gebäudes zu bestimmen, muss grundsätzlich willkürfrei und von Sachgründen getragen erfolgen. Konkrete Maßnahmen stehen im pflichtgemäßen Ermessen des Hausrechtsinhabers. Hinsichtlich der Hausrechtsausübung in Gerichtsgebäuden gilt, dass Maßnahmen, die den Zugang zu einer Gerichtsverhandlung nur unwesentlich erschweren und dabei eine Auswahl der Zuhörerschaft nach bestimmten persönlichen Merkmalen vermeiden, dann zulässig sind, wenn für sie ein verständlicher Anlass besteht (BVerfG, B.v. 14.3.2012 - 2 BvR 2405/11 - beck-online Rn 24 m.w.N.). Es bleibt dem pflichtgemäßen Ermessen des das Hausrecht ausübenden Gerichtspräsidenten überlassen, worin solche Maßnahmen im Einzelfall bestehen (BVerfG, ebd.).

Durch das im Internet veröffentliche Merkblatt hat der Hausrechtsinhaber vorliegend hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, in welcher Weise er dieses aufgrund der derzeitigen Lage ausübt.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist der Gerichtspräsident dabei nicht auf die Vorgaben der (12.) Infektionsschutzmaßnahmenverordnung beschränkt, sondern kann durchaus auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage darüber hinausgehen, solange er sich im allgemeinen Rahmen von Willkürfreiheit und Sachlichkeitsgebot bewegt (vgl. VG München, B.v. 4.9.2020 - M 30 S7 20.3600 - Rn. 34 n.v.; B.v. 3.3.2021 - M 30 E 21.1138 n.v.) und vorliegend vor dem Hintergrund der Regelungen im GVG (z.B. Grundsatz der Öffentlichkeit, § 169 GVG) und Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG abwägt.

In der derzeitigen Situation das Tragen einer FFP2-Maske oder OP-Maske bzw. sog. medizinischen Maske in öffentlichen Gebäuden zu verlangen, ist nicht willkürlich. Eine solche Maskenpflicht ist von sachlichen Erwägungen getragen. Sie trägt jedenfalls zu einer gewissen Reduzierung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus bei. Damit ist insbesondere die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gerichts verbunden, die ansonsten bei entstehenden Erkrankungen und damit möglicherweise verbundenen umfassenderen Quarantänemaßnahmen beeinträchtigt würde.

Bei der Ausübung des Hausrechts in Gerichtsgebäuden sind im Rahmen des Sachlichkeitsgebots jedoch die Gewährleistungsanforderungen aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, insbesondere mit Niederschlag in den Regelungen der §§ 169 ff. GVG zu beachten. Dass das Erfordernis einer MNB allgemein den Zugang zu einer mündlichen Verhandlung unverhältnismäßig erschwert, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Insbesondere hat der Antragsgegner in der Antragserwiderung hinreichend zum Ausdruck gebracht, in begründeten Fällen eine Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer MNB zu gewähren. Dass sich diese Befreiungsmöglichkeit dem Merkblatt nicht entnehmen lässt, ist im vorliegenden Verfahren nicht mehr von Belang, nachdem der Antragsteller von dieser Möglichkeit im Verfahren Kenntnis erlangt hat.

(2) Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, von der allgemeinen Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske, OP-Maske oder medizinischen Maske in den Fluren und Gängen des Verwaltungsgerichts München vom Gerichtspräsidenten befreit zu werden.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich der sog. Befreiungstatbestand dabei nicht aus der 12. BayIfSMV, da sie vorliegend nicht einschlägig ist. Vielmehr ist wiederum auf die Ausübung des Hausrechts abzustellen.

Dass der Hausrechtsinhaber für eine Befreiung ein qualifiziertes ärztliches Attest mit konkreten und nachvollziehbaren Angaben verlangt, bewegt sich im Rahmen zulässiger Hausrechtsausübung (vgl. bereits VG München B.v. 3.3.2021 - M 30 E 21.1138 n.v.). Der Hausrechtsinhaber verlangt nicht mehr, aber auch nicht weniger, als in der Rechtsprechung nachvollziehbar als geboten erachtet wird. Das Gericht hat sich insoweit der bestehenden (obergerichtlichen) Rechtsprechung angeschlossen (VG München, B.v. 3.3.2021 - M 30 E 21.1138 n.v.), die zur Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung mit nachvollziehbaren Befundtatsachen sowie einer Diagnose bejaht (zur 7. BayIfSMV: BayVGH, B.v. 10.12.2020 - 20 CE 20.2868 - juris Rn. 12; B.v. 26.10.2020 - 20 CE 20.2185 - juris Rn. 18 f.). Aus dem Attest muss sich regelmäßig jedenfalls nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Grund der Verpflichtung zum Tragen einer Alltagsmaske alsbald zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren; soweit relevante Vorerkrankungen vorliegen, sind diese konkret zu bezeichnen; darüber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist (zur Befreiung von der Maskenpflicht bei Schülern: OVG NW, B.v. 19.02.2021 - 13 B 2080/20 Rn. 6). Der Beurteiler hat dabei keine eigene medizinische Fachaussage über eine Befreiung von einer Maskenpflicht zu treffen (vgl. VG Ansbach, B.v. 9.2.2021 - AN 4 E 21.186 - BeckRS 2021, 2141 Rn. 54). Im Fall einer Attestierung soll diese vielmehr den Adressaten in die Lage versetzen, auf Grund der vom Arzt getroffenen medizinischen Aussagen eine rechtliche Beurteilung über die Voraussetzung der Befreiung zu treffen (BayVGH, B.v. 8.12.20 - 20 CE 20.2875 - juris Rn. 12). Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Befreiung letzten Endes gerade nicht im Belieben des attestierenden Mediziners steht (VG Ansbach, ebd.).

Diesen Anforderungen ist der Antragsteller nicht gerecht geworden. Er hat kein ärztliches Attest vorgelegt. Soweit er eine eidesstattliche Erklärung vom 4. Dezember 2020 u.a. an den Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern im Verfahren vorgelegt haben will, ist diese offensichtlich nicht ausreichend. Es fehlt an jeglicher ärztlicher und medizinischer Untermauerung der vom Antragsteller geschilderten Beschwerden. Insbesondere vermag das Gericht vorliegend nicht zu erkennen, dass die geringe Zeitspanne, bis der Antragsteller vom Gerichtseingang bis zum Sitzungssaal 1 gelangt, eine unverhältnismäßige gesundheitliche Beeinträchtigung des Antragstellers darstellen.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 30. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.