LG Hamburg, Beschluss vom 30.10.2020 - 301 T 314/20
Fundstelle
openJur 2021, 14545
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 24. August 2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 12. August 2020 wird jener Beschluss aufgehoben.

Gründe

Der Beteiligte zu 2) wendet sich als ehemalige Berufsbetreuer der Betroffenen gegen seine Entlassung als Betreuer durch Beschluss des Betreuungsgerichts.

Gemäß § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Die mangelnde Eignung, die einen vom Gesetz besonders hervorgehobenen wichtigen Grund für die Entlassung darstellt, bezieht sich auf die physischen und psychischen Eigenschaften des Betreuers (BayObLG, Beschluss vom 21. März 1996, 3Z BR 362/95, juris). Dieser muss zur Führung seines Amts tauglich sein. Für die Entlassung aus dem Betreueramt genügt jeder in der Person oder dem Verhalten des Betreuers liegende Grund, der ihn als nicht (mehr) geeignet im Sinne von § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt (BayObLG FamRZ 1996, 509; BayObLG FamRZ 1998, 1257, 1258; BayObLG FamRZ 2005, 931; OLGR Köln 2006, 858f.), etwa wenn er den ihm zugewiesenen Aufgabenkreis nur unzulänglich und unter Gefährdung der Interessen des Betreuten bewältigen kann, wenn er den nötigen Einsatz vermissen lässt, zur Rechnungslegung nicht in der Lage oder willens ist oder wenn er für längere Zeit erkrankt oder abwesend ist (BayObLG, Beschluss vom 21. März 1996, a.a.O.; Roth in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1908b BGB Rn. 4a). Dabei verlangt das Gesetz - vorbehaltlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wonach eine Entlassung aus dem Betreueramt nur in Betracht kommt, wenn minder schwere Mittel im Sinne des § 1837 BGB nicht (mehr) ausreichen, um eine etwaige Gefährdung des Wohls des Betreuten zu beseitigen - nicht den Nachweis mangelnder Eignung, sondern lässt es im Hinblick auf die weitreichenden Befugnisse eines Betreuers und seine Vertrauensposition genügen, wenn konkrete Tatsachen Anlass zu berechtigten Zweifeln an seiner Eignung geben (BayObLG FamRZ 2003, 786; BayObLG FamRZ 2004, 977; BayObLG FamRZ 2005, 931 m.w.N.; OLGR Köln 2006, 858 ff.; OLG München BtPrax 2007, 77 ff.).

Gemessen an diesen Maßstäben liegen hier hinreichend konkrete Tatsachen, die eine Entlassung des Beteiligten zu 2) aus dem Betreueramt rechtfertigen könnten, nicht vor. Greifbare Fehler des Beschwerdeführers sind nicht ersichtlich. Gerügt worden war u.a., dass der Beteiligte zu 2) sich über eine fachärztliche Stellungnahme hinweggesetzt habe, es im Laufe der Betreuung an der nötigen Distanz hat fehlen lassen und letztlich zu engagiert aufgetreten sei.

Diese Vorwürfe können hier keine Entlassung aus wichtigem Grund rechtfertigen.

Weil der Beschwerdeführer zu Ablauf und Inhalt des (fachlichen) Konflikts mit dem behandelnden Arzt (plausibel) Abweichendes berichtet hat, sollen diese Umstände außer Betracht bleiben. Grundsätzlich haben es die Beteiligten des Betreuungsverfahrens, aber auch Ärzte und Gutachter allerdings ohnehin hinzunehmen, dass die Tätigkeit eines Berufsbetreuers auf sehr unterschiedliche Art und Weise ausgeübt werden kann. In welcher Intensität und Häufigkeit ein Betreuer etwa ungefragt dem Gericht (von ausdrücklichen Anfragen des Gerichts natürlich abgesehen) berichtet oder ärztliche Bekundungen hinterfragt, kann solange keine Bedeutung für seine Eignung haben, wie dieses Verhalten auf das Wohl des Betroffenen erkennbar ohne nachteiligen Einfluss bleibt. Wegen der großen Komplexität der hier vorliegenden Betreuung, die sich zudem in sehr kurzer Zeit wegen der zugrunde liegenden Erkrankung der Betroffenen, ihrer Herkunft, ihrem jungen Alter und ihrer extrem prekären sozialen und familiären Situation ausgesprochen dynamisch entwickelt hat und bei der auch die fachlichen Stellungnahmen der Akteure mehrfach gewechselt haben, sind fachlich begründete Streitigkeiten, die die äußere Form wahren, im Sinne einer möglichst sachgerechten Behandlung der Betreuungsangelegenheiten auch vom Gericht hinzunehmen. Keinesfalls ist § 1908b BGB dazu geeignet, anstrengende oder fordernde Betreuer gegen willfährige auszutauschen. Es entspricht im Übrigen eher dem Eindruck der Kammer, dass es Betreuer (wie auch Bevollmächtigte) mitunter schwer haben, in den Kliniken hinreichend wahrgenommen zu werden.

Der Vorsitzende hat sich zudem einen eigenen Eindruck von dem Beschwerdeführer verschaffen können, der ebenfalls Zweifel an der Eignung des Beteiligten zu 2), der seit vier Jahren als Betreuer arbeitet und zurzeit 29 Betreuungen führt, nicht im Ansatz zu Tage gefördert hat.

Vorliegend kommt hinzu, dass die Eignung der neu eingesetzten Beteiligten zu 1) zwar nicht abschließend beurteilt werden kann (eine Kontaktaufnahme ist allerdings gescheitert), die aktuelle Entwicklung rund um die gesundheitliche Genesung der Betroffenen aber Bedenken daran aufkommen lässt.

Die Betroffene, die sich wechselhaft äußert, hat sich bei einer persönlichen Anhörung durch die Betreuungsrichterin am 29. Oktober 2020 mit einer Betreuung durch den Beteiligten zu 2), der ihre Sprache spricht, einverstanden erklärt.

Die Ausführungshandlungen obliegen dem Amtsgericht.

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