OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.03.2021 - 7 B 1132/20
Fundstelle
openJur 2021, 14504
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 L 299/20
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500.- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Gründe für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung haben die Antragsteller nicht dargetan.

Der Einwand der Antragsteller, die Festsetzungen des Bebauungsplans zur hinteren Baugrenze und zur Firstrichtung begründeten nach dem Willen des Plangebers ein Austauschverhältnis, so dass sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diese Festsetzungen aus eigener Rechtsposition verteidigen könnten, greift nicht durch. Ob derartige Festsetzungen auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vom Willen der Gemeinde als Plangeber ab.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.8.2018 - 4 C 7.17 -, BRS 86 Nr. 113 = BauR 2019, 70.

Dass der Plangeber hier den in Rede stehenden Festsetzungen nachbarschützende Wirkung zugedacht haben könnte, ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts weder den textlichen Festsetzungen des Plans noch der Begründung des Bebauungsplans zu entnehmen. Dies hat das Verwaltungsgericht im einzelnen ausgeführt und wird durch das Beschwerdevorbringen der Antragsteller nicht in Frage gestellt. Soweit die Antragsteller sich auf das vorzitierte "Wannsee"-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts,

vgl. BVerwG, a.a.O.,

berufen und geltend machen, es liege ein nachbarliches Austauschverhältnis und infolgedessen ein Gebietsgewährleistungsanspruch auch hinsichtlich der hier betroffenen Festsetzungen vor, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kommt eine nachbarschützende Wirkung von Planfestsetzungen der in Rede stehenden Art unabhängig von den konkreten subjektiven Vorstellungen des Planungsträgers allenfalls für Pläne in Betracht, die vor 1960, d. h. in einer Zeit aufgestellt wurden, in der man ganz allgemein an einen nachbarlichen Drittschutz im öffentlichen Baurecht noch nicht gedacht hatte.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.3.2021 - 7 B 1812/20 -, juris, m. w. N.

Das trifft hier nicht zu. Der Bebauungsplan Nr. 293 der Antragsgegnerin wurde erst 1992 aufgestellt, als die Grundsätze des nachbarlichen Drittschutzes im Baurecht in der veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit vielen Jahren ausformuliert waren.

Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16.8.1983 - 4 B 94.83 -, BRS 40 Nr. 190 = BauR 1983, 560, m. w. N.

Auf die von den Antragstellern und dem Verwaltungsgericht unterschiedlich beurteilte Frage, ob das Grundstück der Antragsteller und das Vorhabengrundstück in demselben oder in zwei verschiedenen Baugebieten liegen, kommt es infolgedessen nicht an.

Auch das weitere Vorbringen der Antragsteller zu den erteilten Befreiungen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts ist geklärt, dass bei der Erteilung einer Befreiung von einer - wie hier - nicht drittschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans der Nachbar über den Anspruch auf Würdigung nachbarlicher Interessen hinaus keinen umfassenden Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde hat. Ein Abwehranspruch des Nachbarn besteht nur dann, wenn die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung über die von dem Bauherrn beantragte Befreiung nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen des Nachbarn genommen hat. Alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung zwar möglicherweise objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte dadurch nicht berührt werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.7.1998 - 4 B 64.98 -, BRS 60 Nr. 183 = BauR 1998, 1206; OVG NRW, Beschluss vom 19.3.2021 - 7 B 1812/20 -, juris, m. w. N.

Ein danach allein in den Blick zu nehmender Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Antragsteller ist nicht hinreichend dargelegt und im Übrigen auch nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere für die von den Antragstellern geltend gemachte Verschattung ihres Grundstückes. Der in der von ihnen erstinstanzlich vorgelegten Simulation dargestellte Schattenwurf durch das streitige Bauvorhaben hält sich ersichtlich im Rahmen dessen, was im Bereich innerstädtischer Bebauung ohne weiteres hinzunehmen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie auch im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.