OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.03.2021 - 2 B 241/21
Fundstelle
openJur 2021, 14483
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 L 1053/20
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.125,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller vom 10. Dezember 2020 - 9 K 3179/20 - gegen die Bauordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. November 2020 hinsichtlich der Nutzungsuntersagung wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen,

im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell ordnungsgemäß erfolgt und die erforderliche Interessenabwägung falle zum Nachteil der Antragsteller aus. Die angefochtene Bauordnungsverfügung, mit der den Antragstellern untersagt wurde, ihre im 2. Obergeschoss des Gebäudes B. L. 0a befindliche Wohnung zu einer anderen als der genehmigten Nutzungsart zu nutzen oder nutzen zu lassen, erweise sich bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Die nach eigenen Angaben der Antragsteller derzeit erfolgende Vermietung der Wohnung "an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste/Monteure/Geschäftsreisende" stelle eine genehmigungsbedürftige, aber ungenehmigte Nutzungsänderung zu der allein genehmigten Wohnnutzung dar. Es handele sich danach um eine Nutzung als Ferienwohnung im Sinne von § 13a Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Damit sei die Variationsbreite der erteilten Genehmigung zu (dauerhaften) Wohnzwecken verlassen. Eine solche Nutzungsänderung werfe zumindest auch neue bauplanungsrechtliche Fragen auf. Wie sich bereits aus § 13a BauNVO unzweifelhaft ergebe, sei die Nutzung als Ferienwohnung keine Wohnnutzung. Dass dies in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung anders gesehen werde, sei bauplanungsrechtlich irrelevant. Ausgehend hiervon sei die Nutzungsuntersagung ermessensgerecht erfolgt. Das sei bei einer formellen Illegalität regelmäßig der Fall. Auch die Störerauswahl sei nicht zu beanstanden. Ebenso sei eine auf die formelle Illegalität gestützte Nutzungsuntersagung grundsätzlich verhältnismäßig, selbst wenn die Nutzung an sich genehmigungsfähig sei. Etwas anderes gelte nur dann, wenn ein Bauantrag gestellt und auch nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig sei. Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor. Es fehle bereits an einem Bauantrag der Antragsteller. Deshalb könne es auch dahinstehen, dass die Antragsgegnerin die ausgeübte Nutzung als Beherbergungsbetrieb qualifiziere. Die Frage, ob ein Beherbergungsbetrieb oder eine Ferienwohnungsnutzung vorliege, könne allenfalls für die Frage der Genehmigungsfähigkeit eine Rolle spielen, die sich hier mangels Genehmigungsantrages indes nicht stelle.

Das Beschwerdevorbringen begründet keine abweichende Interessenabwägung. Die Antragsteller meinen zu Unrecht, es führe auf einen entscheidungserheblichen Unterschied, dass die Antragsgegnerin zu Unrecht von einem Beherbergungsbetrieb ausgegangen sei, obwohl nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Nutzung als Ferienwohnung vorliege. Denn beides ist von der vorliegenden Genehmigung zu reinen Wohnzwecken nicht gedeckt, sodass die hier allein maßgebliche formelle Illegalität der Nutzung, auf die die Antragsgegnerin ihre Ordnungsverfügung gestützt hat, von dieser Frage unberührt bleibt. Dass es der Antragsgegnerin allein um die Verhinderung einer von der Baugenehmigung nicht gedeckten Nutzung geht, kommt bereits im Tenor der Verfügung eindeutig zum Ausdruck. Im Übrigen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Verwaltungsvorgänge, insbesondere der Anhörung der Antragsteller vom 8. Juni 2020 eindeutig, dass die Antragsgegnerin auch die Möglichkeit einer gewerblichen Nutzung, zu der nach § 13a BauNVO eine Nutzung als Ferienwohnung zählt, wenn sie nicht (auch) als Beherbergungsbetrieb zu qualifizieren ist, in ihre Überlegungen einbezogen und die Nutzungsuntersagung auch für diesen Fall - zutreffend - aufgrund der formellen Illegalität für angezeigt gehalten hat. So wird die Nutzungsänderung in dem Anhörungsschreiben vom 8. Juni 2020 mit Klammerzusatz ausdrücklich als "(Beherbergung/Vermietung zu gewerblichen Zwecken)" apostrophiert. Auch in der Untersagungsverfügung vom 27. November 2020 ist mehrfach von einer gewerblichen Nutzung der Wohnung die Rede. In diesem Zusammenhang mag auch zu berücksichtigen sein, dass die Qualifikation einer Nutzung als Ferienwohnung gerade im Verhältnis zu einem Beherbergungsbetrieb angesichts einer Vielzahl von identischen Betriebsmerkmalen von fließenden Übergängen geprägt ist. Dies kommt nicht zuletzt in § 13a BauNVO deutlich zum Ausdruck.

Zur früheren Rechtslage vgl. insbesondere Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO - Kommentar, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 24, 41, § 4a Rn. 23.

Selbst eine unzutreffende rechtliche Begründung für eine objektiv zu Recht angenommene formelle Illegalität führte entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht auf einen Ermessensfehler. Dies gilt schon deshalb, weil dies die Tatbestandsebene und nicht die Rechtsfolgenseite der Entscheidung beträfe. Angesichts der von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen ständigen Rechtsprechung, wonach eine auf die formelle Illegalität gestützte Nutzungsuntersagung nur dann (ausnahmsweise) unverhältnismäßig sein kann, wenn für die geänderte Nutzung ein Bauantrag gestellt ist, der auch nach Auffassung der Bauaufsichtsbehörde (offensichtlich) genehmigungsfähig ist (Hervorhebung hier durch den Senat), gilt dies auch dann, wenn die Baugenehmigungsbehörde aufgrund einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung die Genehmigungsfähigkeit verneint. Wie indes bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, scheitert hier die Annahme eines Ausnahmefalles aber schon daran, dass die Antragsteller einen entsprechenden Bauantrag bis heute nicht gestellt haben. Die mit dem Schriftsatz vom 23. Februar 2021 mitgeteilte E-Mail-Korrespondenz ersetzt einen solchen Bauantrag jedenfalls nicht.

Mit Blick auf die Ausführungen in diesem Schriftsatz sei lediglich darauf hingewiesen, dass es den Antragstellern obliegt, vor Aufnahme der beabsichtigten Nutzung die Erteilung einer Baugenehmigung abzuwarten und hierfür einen formgerechten Bauantrag zu stellen (vgl. auch § 74 Abs. 7 BauO NRW). Die antizipierte Unterstellung, die Antragsgegnerin werde eine beantragte Baugenehmigung in rechtswidriger Weise ablehnen, rechtfertigt es nicht, die ungenehmigte, aber genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung aufzunehmen oder fortzuführen. Die Antragsteller sind dann gehalten, gegebenenfalls ihren - vermeintlichen - Genehmigungsanspruch gerichtlich durchzusetzen. In diesem Zusammenhang merkt der Senat indes an, dass aufgrund der vorläufigen Einschätzung des Verwaltungsgerichts jedenfalls nicht feststeht, dass die Einschätzung der Antragsgegnerin tatsächlich fehlerhaft wäre, mag für eine Nutzung (allein) als Ferienwohnung auch aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen manches sprechen. Dies bedeutete im Weiteren auch nicht automatisch, dass die von den Antragstellern illegal aufgenommene Nutzung tatsächlich genehmigungsfähig wäre. Diese Frage bleibt vielmehr der (umfassenden) Prüfung in einem förmlichen Genehmigungsverfahren vorbehalten. Dabei mag ggf. auch berücksichtigt werden können, dass die Antragsteller in ihrer - im Übrigen trotz der sofort vollziehbaren und gerichtlich bestätigten Nutzungsuntersagung jedenfalls am 23. März 2021 noch so aufrufbaren - Internetpräsentation die Wohnung offenbar selbst unter der Rubrik "Hotel" und nicht (nur) der Rubrik "Ferienwohnung" anbieten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 3 GKG und folgt der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Zitate0
Referenzen0
Schlagworte