LG Bamberg, Beschluss vom 09.08.2019 - 43 T 115/19
Fundstelle
openJur 2021, 17397
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 02.07.2019, Az. 15 XIV B 152/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

4. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Betroffene ist eigenen Angaben zufolge iranische Staatsangehörige. Sie reiste am 04.01.2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein, ohne in Besitz der hierfür erforderlichen Aufenthaltstitel zu sein. Ihr am ... gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid des BAMF vom ... als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung in die Slowakei angeordnet, weiter wurde festgestellt, dass die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Die Abschiebungsanordnung ist seit dem 11.03.2019 vollziehbar, da an diesem Tag ein durch die Betroffene gestellter Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vom Verwaltungsgericht Bayreuth abgelehnt wurde. Die Klage gegen den Bescheid des BAMF wurde mit Urteil vom 24.04.2019 abgewiesen.

Die Überstellung in die Slowakei war für den .. 2019 geplant. Aus diesem Grund wurde die Betroffene gemeinsam mit Ihrem Ehemann gegen 05:10 Uhr von vier Polizeibeamten der Polizeiinspektion Bamberg Stadt in ihrem Zimmer im dritten Stock des ... aufgesucht. Die Betroffene wurde von der bevorstehenden Abschiebung in Kenntnis gesetzt. Als die Betroffene aufgefordert wurde, ihre persönliche Habe zusammenzupacken, riss sie das am Fenster befindliche Insektengitter weg und versuchte, aus dem Fenster zu springen. Es gelang der Betroffenen hierbei, bereits mit dem Oberkörper den Raum zu verlassen, bevor sie durch einen Polizeibeamten an der Hose gepackt und zurück in das Zimmer gezogen werden konnte. Sie stemmte sich hierbei heftig in den Fensterrahmen und versuchte auch in der Folgezeit der Fixierung durch die Polizeibeamten zu entgehen, indem Sie mit den Beinen trat und versuchte, sich loszureißen. Zum Abtransport in die Dienststelle musste die Betroffene an Händen und Füßen fixiert werden, da sie sich auch hiergegen weiter wehrte.

Am ... beantragte die beteiligte Behörde beim Amtsgericht Bamberg die Anordnung der Sicherungshaft bis zum 13.08.2019. Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag vom ... Bezug genommen (Blatt 1 ff d. A.).

Die Betroffene wurde am 02.07.2019 durch das Amtsgericht Bamberg angehört (Blatt 10 ff d. A.). In der Anhörung erklärte sie, sie habe nicht versucht zu fliehen, sondern habe sich durch den Versuch, aus dem Fenster zu springen, das Leben nehmen wollen. Sie gab an, sonst ohne Anwalt nichts mehr zu sagen und auch Personalien nicht anzugeben. Mit Beschluss vom 02.07.2019 ordnete das Amtsgericht Bamberg die Abschiebungshaft bis zu deren Vollzug, längstens jedoch bis zu 13.08.2019 an. Zugleich wurde die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Das Amtsgericht bejahte den Haftgrund des Art. 28 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Nachfolgend: Dublin III Verordnung). Wegen der Einzelheiten wird Bezug auf den Beschluss genommen.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 19.07.2019 (Bl. 17 f d. A.) legte die Betroffene gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bamberg Beschwerde ein und beantragte Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt .... Begehrt wurde insoweit die Feststellung, dass die Betroffene durch den Beschluss in ihren Rechten verletzt worden sei. Nach Akteneinsicht wurde die Beschwerde mit Anwaltsschriftsatz vom 02.08.2019 (Bl. 23 f d. A.) begründet. Zur Begründung wird ausgeführt, dass ein Haftgrund nicht vorliege, da eine beabsichtigte Selbsttötung kein Abtauchen im Sinne der Dublin III Verordnung darstelle. Es sei davon auszugehen, dass das Einvernehmen gemäß § 72 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Verstoßes gegen § 113 StGB nicht vorläge. Weiter wird ausgeführt, die Angaben zur beantragten und angeordneten Haftdauer genügten nicht den Vorgaben des Bundesgerichtshofs. Weiter hätte das Amtsgericht unter Beachtung der Vorgaben des Bundesgerichtshofs aufgrund der Angaben der Betroffenen in ihrer Anhörung nicht abschließend ohne Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes entscheiden dürfen, da insoweit der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt sei. Die Betroffene ist der Ansicht, dass allenfalls eine kurze einstweilige Anordnung hinsichtlich der Haft hätte ergehen dürfen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Verfügung vom 05.08.2019 nicht abgeholfen (Bl. 28 d. A.) und die Beschwerde der Kammer zur Entscheidung vorgelegt, wo die Akte am 06.08.2019 einging. Die seitens der Kammer angeforderte Ausländerakte wurde am 07.08.2019 im Wege eines passwortgeschützten Download-Links zur Verfügung gestellt.

Die Betroffene befindet sich nach wie vor in der JVA Eichstätt, da die für den .. 08.2019 geplante Abschiebung nicht durchgeführt wurde.

II.

Die zwar als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde nach §§ 62, 58 Abs. 1 FamFG eingelegte, jedoch im Wege der Auslegung als "originäre" zu behandelnde Beschwerde der Betroffenen, ist statthaft und zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht Bamberg hat zu Recht unter Berücksichtigung der verfahrensrechtlichen Anforderungen gemäß §§ 416 Abs. 1, 417 Abs. 1, 2, 420 Abs. 1, Satz 1, 421, 422 Abs. 2 Satz 1 FamFG die Freiheitsentziehung in Bezug auf die Betroffene für Zwecke der Überstellungs - bzw. Sicherungshaft bis spätestens .. 2018 angeordnet. Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen der maßgeblichen Rechtsgrundlage für die Inhaftnahme, Artikel 28 Abs. 2 der Dublin III Verordnung, liegen vor, dem gegenüber bestehen keine gravierenden formellen Fehler. Mit ihrer Beschwerde dringt die Betroffene nicht durch.

1. Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom ... war zulässig. Er erfüllte die Voraussetzungen des § 417 FamFG, insbesondere genügte er auch den Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG.

In dem Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2, Satz 2 Nr. 4 FamFG unter anderem die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung dargelegt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH darf die Darlegung knapp gehalten sein, muss aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen. Sie muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht (Zusammenfassend beispielsweise BGH, Beschluss vom 20.10.2016, Az.: V ZB 167/14, Rd. 6 m. w. N.). Die beteiligte Behörde hat hier ausgeführt, dass sich die Dauer der Sicherungshaft an der voraussichtlichen Dauer zur Organisation der Abschiebung der Betroffenen orientiert. Sie führt weiter aus, dass die Identität der Betroffenen hinreichend geklärt sei. Die Überstellung werde von der Polizeiinspektion Schubwesen organisiert und erfolge mit einem durch das BAMF auszustellenden EU-Laissez-Passer. Es müsse hierbei die Ankündigungsfrist über das BAMF nach Vorgaben der slowakischen Behörden von mindestens fünf Werktagen Vorlaufzeit berücksichtigt werden. Für die Abschiebung sei aufgrund des vorangegangenen Widerstandes eine Sicherheitsbegleitung notwendig, eine erneute unbegleitete Maßnahme sei aufgrund des Sachverhaltes vom 02.07.2019 aussichtslos. Die Organisation dieser Sicherheitsbegleitung mache die Haftdauer bis zum .. 08.2019 notwendig, da hier zunächst eine Anfrage über die Bundespolizei erfolgen müsse. Erst nach deren Antwort und im Falle einer Absage könne die Sicherheitsbegleitung durch die bayerischen Polizeibegleiter-Luft wahrgenommen werden, was aber erneut im Vorfeld der Flugbuchung konkrete Planungen voraussetze. Diese Darstellung zu der voraussichtlich erforderlichen Haftdauer genügt den Darlegungsanforderungen, zumal hier eine Dauer von "nur" sechs Wochen in Rede stand. § 62 Abs. 1, Satz 2 Aufenthaltsgesetz wurde gewahrt.

Der Haftantrag vom ... enthält auch hinreichende Angaben gemäß § 427 Abs. 2 Nr. 5 FamFG zur Verlassenspflicht der Betroffenen sowie zu den Voraussetzungen und der Durchführbarkeit der Abschiebung und Überstellung in die Slowakei. Die beteiligte Behörde hat hierzu im einzelnen Ausführungen gemacht, die im wesentlichen der Darstellung unter I. entsprechen, und dem Amtsgericht ihre Ausländerakte vollständig vorgelegt.

Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft gemäß § 72 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz für den Tatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte am Tag der missglückten Abschiebung sei laut Rücksprache mit Herrn D. von der Polizeiinspektion Bamberg eingeholt.

2. Der Haftantrag der beteiligten Behörde vom 02.07.2019 ist auch begründet. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Haft zur Sicherung der Rücküberstellung liegen vor. Der Haftgrund des Artikels 28 Abs. 2 Dublin III Verordnung war gegeben. Dies ist die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Inhaftierung der Betroffenen, wobei ein (ergänzender) Rückgriff auf die in § 62 Abs. 3, Satz 1 Aufenthaltsgesetz geregelten Haftgründe nicht statthaft ist (vgl. BGH, Beschluss vom 07.07.2016, Az.: V ZB 21/16; BGH, Beschluss vom 25.02.2016, Az.: V ZB 127/15).

Nach Artikel 28 Abs. 2 in Dublin III Verordnung können betroffene zur Sicherstellung von Überstellungsverfahren bei Bestehen einer erheblichen Fluchtgefahr in Haft genommen werden, sofern die Haft verhältnismäßig ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen. Nach Artikel 2 lit. n) der Dublin III Verordnung ist von einer Fluchtgefahr in diesem Sinne auszugehen, wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich der Betroffene, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Die im Rahmen dieser Einzelfallprüfung maßgeblichen gesetzlichen Kriterien ergeben sich aus § 2 Abs. 14 Aufenthaltsgesetz, vgl. § 2 Abs. 15, Satz 1 Aufenthaltsgesetz.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Anforderungen war vorliegend eine Fluchtgefahr nach Artikel 28 Abs. 2 Dublin III Verordnung zu bejahen.

Gemäß § 2 Abs. 14 Nr. 6 Aufenthaltsgesetz kann ein Anhaltspunkt für die Annahme einer Fluchtgefahr darin liegen, dass der Ausländer, um sich der bevorstehenden Abschiebung zu entziehen, sonstige konkrete Vorbereitungshandlungen von vergleichbarem Gewicht vorgenommen hat, die nicht durch Anwendung unmittelbaren Zwangs überwunden werden können.

Das von der Regierung von Oberfranken - ZAB - im Antrag vom 02.07.2019 hierzu aufgeführte Verhalten der Betroffenen bei dem Versuch, sie und ihren Ehemann abzuschieben, erfüllt den Tatbestand des § 2 Abs. 14, Nr. 6 Aufenthaltsgesetz. Die Betroffene leistete, nachdem ihr konkret erläutert wurde, dass ihre Abschiebung kurz bevorsteht, physischen Widerstand, der aus Sicht der Kammer eindeutig darauf abzielte, die drohende Abschiebung zu vereiteln. Der BGH hat mit Beschluss vom 15.09.2016 - V ZB 29/16 eine auf Verhinderung der bevorstehenden Rückführung gerichtete Vorbereitungshandlung des Betroffenen darin gesehen, dass er sich beim Betreten des hierfür benötigten Flugzeuges sofort direkt an den Flugkapitän und das Flugbegleitpersonal gewandt und diesem gegenüber zu verstehen gegeben hat, dass er nicht nach Bulgarien fliegen wolle, weil er sich dort bedroht oder gefährdet sehe. Denn hierfür sei nicht erforderlich, dass das zu einer Nichtbeförderung führende Verhalten des Ausländers darin bestehe, dass er physischen Widerstand leistet oder androht. Es genüge jedes Verhalten des Ausländers, das darauf zielt, von der Beförderung durch den Luftfahrzeugführer ausgeschlossen zu werden (BGH a. a. O.).

Das Verhalten der Betroffenen, dass im Hinblick auf das Maß des physischen Widerstandes deutlich über diesen Sachverhalt hinausgeht, hatte auch entsprechenden Erfolg, da die geplante Abschiebung abgebrochen wurde. Auf dieser Grundlage mussten die Polizeibeamten davon ausgehen, die Betroffene werde sich mit sämtlichen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die drohende Abschiebung wehren, auch mit solchen, die nicht mit durch Anwendung unmittelbaren Zwangs überwunden werden können. Schließlich nahm die Betroffene in Kauf, bei ihrem Versuch, die Abschiebung zu vereiteln, nicht unerheblich verletzt zu werden.

Nach § 2 Abs. 14 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz kann ein konkreter Anhaltspunkt weiter darin liegen, dass der Ausländer ausdrücklich erklärt, er wolle sich der Abschiebung entziehen. Hier lag zwar keine verbale Erklärung der Betroffenen vor. Es macht jedoch keinen Unterschied, ob der Betroffene mit Worten erklärt, dass er sich der Abschiebung entziehen will, oder ob er durch Gewaltanwendung unmissverständlich zu verstehen gibt, dass er für eine Abschiebung nicht zur Verfügung stehen will (BGH, Beschluss vom 20.07.2017 - V ZB 5/17).

Im konkreten Fall hat die Betroffene körperliche Gewalt gegen die Polizeibeamten, die zu ihrer Abschiebung eingesetzt wurden, angewendet, woraufhin sie fixiert und die Maßnahme abgebrochen werden musste.

Die Kammer verkennt nicht, dass das Vorliegen der Voraussetzungen einer der Nummern 1 - 6 des § 2 Abs. 14 Aufenthaltsgesetz nur ein Indiz für die Annahme einer erheblichen Fluchtgefahr sein kann, und das es immer eine Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls bedarf (BGH, Beschluss vom 16.02.2017 - V ZB 115/16).

Eben diese Gesamtbetrachtung führt hier aber nicht zu einem anderen Ergebnis, bestätigt vielmehr die Annahme einer erheblichen Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 28 Abs. 2 der Dublin III Verordnung.

Ferner ist § 2 Abs. 15, Satz 2 Aufenthaltsgesetz erfüllt; die Betroffene hatte den für die Prüfung ihres Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaat Slowakei vor Abschluss des dort laufenden Verfahrens verlassen, aus ihrem Verhalten im Übrigen ergibt sich unzweideutig, dass sie nicht dazu bereit ist, in diesen Mitgliedstaat zurückzukehren.

Mildere Mittel, Artikel 28 Abs. 2 der Dublin III Verordnung, waren nicht ersichtlich. Eine Meldeauflage oder eine Verfügung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten waren nicht geeignet, eine Entziehung zu vermeiden, nachdem die Betroffene durch ihr Verhalten deutlich zu erkennen gegeben hat, bei einer bevorstehenden Abschiebung nicht kooperieren zu wollen. Es steht konkret zu befürchten, dass die Betroffene, würde sie entlassen werden, sich der Überstellung in die Slowakei entziehen würde. Zudem ist kein Umstand erkennbar, der gegen die Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung spricht, insbesondere ist auch die Haftdauer von 6 Wochen nicht unverhältnismäßig lang; sie steht mit den Vorgaben nach Artikel 28 Abs. 3 der Dublin III Verordnung in Einklang und war erforderlich.

Das im Übrigen eine vollziehbare Abschiebungsanordnung des BAMF vorliegt, hatte die beteiligte Behörde im Einzelnen in ihrem Haftantrag ausgeführt.

3. Weiter führt die fehlende Hinzuziehung eines Anwalts im Rahmen der Anhörung der Betroffenen nicht zu einer Aufhebung der Haftanordnung. Zwar ist grundsätzlich die Frage eines Betroffenen nach einem Anwalt im Rahmen einer Anhörung in einer Freiheitsentziehungssache nach § 420 Abs. 1 FamFG im Zweifel als Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenskostenhilfe auszulegen (BGH, Beschluss vom 20.05.2016 - V ZB 140/15). Selbst wenn man die Aussage der Betroffenen im Rahmen der Anhörung, sie sage ohne Anwalt nichts mehr, in diesem Sinne auslegen würde, würde einer fehlenden Entscheidung des Amtsgerichts über einem solchen Antrag nicht zur Aufhebung der Haftanordnung führen. Unterlässt das Gericht eine Entscheidung über einem solchen Antrag, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung, wenn Verfahrenskostenhilfe im Zeitpunkt der Antragstellung nicht zu bewilligen gewesen wäre (BGH a. a. O.). Denn gemäß § 76 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 ZPO setzt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe neben der Bedürftigkeit des Betroffenen voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Vorliegend bot die Rechtsverteidigung der Betroffenen aber keine Aussicht auf Erfolg, vgl. die obigen Ausführungen.

Die Grundlagen der gemäß § 420 Abs. 1 FamFG vorgeschriebenen Anhörung sind auch dann nicht berührt, wenn die Frage der Betroffenen nach einem Anwalt als Bitte zu verstehen gewesen wäre, ihr die Kontaktaufnahme mit einem Wahlanwalt zu ermöglichen. Zwar garantiert der Grundsatz des fairen Verfahrens einem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und ihm das Recht zubilligt, diesen Bevollmächtigten zu der Anhörung hinzuzuziehen (BGH, NVwZ-RR 2014, 864). Hier lässt sich jedoch bereits nicht feststellen, dass die Betroffene in der Lage gewesen wäre, einen Wahlanwalt zu finden, der bereits gewesen wäre, an der Anhörung teilzunehmen. Dass sie bereits im Zeitpunkt der Anhörung anwaltlich vertreten war, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Betroffene über die finanziellen Mittel verfügte, einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung zu beauftragen. Hiergegen spricht der im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, der eine Bedürftigkeit der Betroffenen voraussetzt.

Ein durchgreifender Verfahrensfehler liegt somit im Ergebnis ebenfalls nicht vor.

Die Beschwerde war zurückzuweisen.