Hessischer VGH, Beschluss vom 11.03.2021 - 8 B 262/21.N
Fundstelle
openJur 2021, 14353
  • Rkr:
Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 100.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Randnummer1Die Antragstellerin ist ein großes deutsches Einzelhandelsunternehmen mit Sortimentsschwerpunkt im Textilbereich. Sie betreibt u.a. in einem der größten Einkaufszentren (Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach in Hessen mit 91.000 m² Verkaufsfläche) ein Warenhaus. Mit ihrem Eilantrag begehrt sie die vorläufige Außervollzugsetzung des § 3a Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie (Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung vom 26. November 2020 - CoKoBeV, GVBl 2020, S. 826 ff. <837>), in Kraft getreten am 1. Dezember 2020 und zuletzt geändert durch Art. 3 der Achtundzwanzigsten Verordnung zur Anpassung der Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 4. März 2021 (GVBl 2021, S. 142 ff. <145>). Die Regelung hatte folgenden Wortlaut:

§ 3a

Schließung von Verkaufsstätten des Einzelhandels

(1) Die Verkaufsstellen des Einzelhandels sind zu schließen. Satz 1 gilt nicht für den Online-Handel sowie

1. den Lebensmitteleinzelhandel,

2. den Futtermittelhandel,

3. die Wochenmärkte,

4. den Direktverkauf vom Lebensmittelerzeuger,

5. die Reformhäuser,

6. die Feinkostgeschäfte,

7. die Geschäfte des Lebensmittelhandwerks,

8. die Getränkemärkte,

9. die Abhol- und Lieferdienste,

10. die Babyfachmärkte,

11. Apotheken,

12. Drogerien,

13. die Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker,

14. die Poststellen,

15. die Tankstellen, Tankstellenshops, Autohöfe und Autoraststätten,

16. Kioske, Tabak- und E-Zigarettenläden, den Zeitungsverkauf,

17. die Tierbedarfsmärkte einschließlich der Verkaufsstellen des Jagd- und Angelbedarfs,

18. Verkaufsstellen für Schnitt- und Topfblumen sowie für Blumengestecke und Grabschmuck,

19. Ersatzteilverkaufsstätten für Kraftfahrzeuge und Fahrräder.

Randnummer2Die Regelung hat aufgrund der achtundzwanzigsten Verordnung zur Anpassung der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus in der ab dem 8. März 2021 geltenden Fassung folgenden Wortlaut:

§ 3a

Schließung von Verkaufsstätten des Einzelhandels

(1) Die Verkaufsstätten des Einzelhandels sind zu schließen. Satz 1 gilt nicht für den Online-Handel sowie

1. ...

...

22. die Beratung und den Verkauf nach vorheriger Terminvereinbarung, sofern höchstens eine Person je angefangener Verkaufsfläche von 40 Quadratmetern eingelassen wird; Name, Anschrift und Telefonnummer der Kundinnen und Kunden sind ausschließlich zur Ermöglichung der Nachverfolgung von Infektionen von der Verkaufsstelle zu erfassen; diese haben die Daten für die Dauer eines Monats nach dem Einzelkundentermin geschützt vor Einsichtnahme durch Dritte für die zuständigen Behörden vorzuhalten und auf Anforderung an diese zu übermitteln sowie unverzüglich nach Ablauf der Frist sicher und datenschutzkonform zu löschen oder zu vernichten; die Bestimmungen der Art. 13, 15, 18 und 20 der Datenschutz- Grundverordnung zur Informationspflicht und zum Recht auf Auskunft zu personenbezogenen Daten finden keine Anwendung; die Kundinnen und Kunden sind über diese Beschränkungen zu informieren.

§ 10

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Dezember 2020 in Kraft. Sie tritt mit Ablauf des 28. März 2021 außer Kraft.

Randnummer3Die Verkaufsstellen des Einzelhandels wurden zum 16. Dezember 2020 geschlossen.

Randnummer4Zur Begründung führt die Antragstellerin im Wesentlichen an, infolge der pandemiebedingten Betriebseinschränkungen im Geschäftsjahr 2020 einen Verlust von ca. 48,87 Mio. Euro erlitten zu haben. Für diese Einbußen habe sie bislang keinerlei staatliche Unterstützungs- oder Ausgleichsleistungen erhalten. Überbrückungs- bzw. November-/Dezemberhilfen stünden ihr nicht zu. Ihr sei bisher kein Fall einer Infektion mit dem Coronavirus in ihren Verkaufsstellen bekannt geworden. Diverse Studien zeigten, dass das Ansteckungsrisiko im Einzelhandel sehr gering sei.

Randnummer5In rechtlicher Hinsicht rügt die Antragstellerin das Fehlen einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für die Betriebsuntersagung. § 32 Satz 1 i.V.m. §§ 28, 28a IfSG seien nicht hinreichend bestimmt. Es fehlten eine Zweckbestimmung und nachvollziehbare Kriterien, die auf Tatbestandsseite den Grundrechtsschutz sicherten. Die Betriebsuntersagung, die in ihre Unternehmenssubstanz eingreife, sei mangels finanzieller Ausgleichsbestimmung mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar. Die Ermächtigungsgrundlage des §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 Nr. 13 und 14 IfSG sei folglich verfassungswidrig. Die bei ihr eintretenden wirtschaftlichen Belastungen, die sich mit zunehmender Dauer vertieften, würden bisher nicht durch staatliche Hilfsprogramme abgemildert. Solche genügten ohnehin nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gesetzliche Ausgleichsregelung, da sie den Betroffenen keine gesicherte Rechtsposition einräumten und Inhalt und Grenzen der Entschädigungspflicht ungeregelt ließen. Die Betriebsuntersagung sei unverhältnismäßig. Sie sei ungeeignet, weil Studien belegten, dass sie Infektions- und Todeszahlen nicht signifikant verringerten. Als milderes Mittel kämen Auflagen zu Hygienemaßnahmen in Betracht. Im Übrigen sei der Verordnungsgeber seiner Evaluierungspflicht nicht nachgekommen; er habe bislang keine Anstrengungen zur Verbesserung der Erkenntnislage ergriffen. Der mit der Betriebsuntersagung verbundene Eingriff in die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG erweise sich auch als unangemessen. Ihrem Verlust von deutschlandweit ca. 78 Mio. Euro im Jahr 2020 stehe kein bzw. ein äußerst geringer Wirkungsgrad für das Infektionsgeschehen gegenüber. Die Maßnahmen verstießen auch gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil Supermärkte ein breites Sortiment u.a. von Textilwaren anbieten dürften; der Anteil der Lebensmittel-Discounter am Bekleidungsmarkt betrage mittlerweile 7 % des Branchenumsatzes. Der Antragsgegner greife derzeit erheblich in das Wettbewerbsverhältnis der Unternehmen ein. Die Betriebsschließung sei nicht durch Gründe des Infektionsschutzes gerechtfertigt. Der Kauf eines Bekleidungsartikels im Supermarkt berge kein geringeres Infektionsrisiko. Die Ungleichbehandlung sei auch nicht sonst gerechtfertigt. Die bei ihr angebotene Bekleidung diene ebenfalls der Grundversorgung der Bevölkerung. Ein Gleichheitsverstoß ergebe sich zudem aus der Ungleichbehandlung mit kleinen und mittelständischen Einzelhandelsgeschäften, die staatliche Hilfen erhielten. Der Ausschluss von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Mio. Euro von den Hilfsleistungen sei nicht gerechtfertigt.

Randnummer6Die Antragstellerin beantragt,

die Regelung des § 3a Abs. 1 Satz 1 bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit sie der Öffnung des Warenkaufhauses der Antragstellerin in Hessen entgegensteht,

hilfsweise die vorstehend beantragte einstweilige Anordnung mit der Maßgabe zu erlassen, dass sie dann wirksam wird, wenn der Antragsgegner nicht innerhalb von einer Zustellung in einer zu den Gerichtsakten zu reichenden Erklärung gegenüber der Antragstellerin schriftlich zusichert, sie für die Folgen der angegriffenen Maßnahme angemessen zu entschädigen.

Randnummer7Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

die Anträge abzulehnen.

Randnummer8Er tritt dem Vorbringen der Antragstellerin im Einzelnen entgegen.

Randnummer9Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens (3 Bände) sowie des Hauptsacheverfahrens mit dem Aktenzeichen 8 C 264/21.N (2 Bände) Bezug genommen.

II.

Randnummer10Der zulässige Hauptantrag, den der Senat gemäß § 88 VwGO aufgrund des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 6. März 2021 dahingehend auffasst, dass die Antragstellerin sich nunmehr gegen die o.g. wiedergegebene aktuelle Fassung des § 3a Abs. 1 Satz 2 Ziffer 22 Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung wendet, hat keinen Erfolg.

Randnummer11Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO in der Besetzung von drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz VwGO i. V. m § 17 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (HeAGVwGO)).

Randnummer12Der Hauptantrag ist zulässig (dazu A.), jedoch nicht begründet. Die aktuelle Fassung der angegriffenen Verordnung lässt die vorläufige Außervollzugsetzung der angegriffenen Bestimmungen nicht dringend geboten erscheinen (dazu B.).

Randnummer13A. Der Antrag ist zulässig.

Randnummer14I. Der Antrag ist statthaft, weil die Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung in der Fassung vom 4. März 2021 als im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift i. S. d. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 15 HessAGVwGO statthafter Gegenstand einer Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht - in Hessen dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof - sein kann.

Randnummer15II. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie kann geltend machen, unmittelbar durch § 3a Abs. 1 Satz 2 Ziffer 22 CoKoBeV in ihrem Recht auf freie Berufsausübung als Inhaberin des Warenhauses in Sulzbach mit dem Schwerpunkt Textilhandel verletzt zu sein. Im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens findet grundsätzlich eine umfassende Prüfung statt. Bei Normen, die i. S. d. § 139 BGB teilbar sind, ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle allerdings auf den Teil des Normgefüges beschränkt, auf den sich die geltend gemachte Rechtsverletzung bezieht. Das hat zur Folge, dass ein darüberhinausgehender Normenkontrollantrag jedenfalls insoweit unzulässig ist, als er den Antragsteller nicht berührende Normteile erfasst, die schon aufgrund vorläufiger Prüfung offensichtlich und damit auch für den Antragsteller erkennbar unter Berücksichtigung der Ziele des Normgebers eigenständig lebensfähig und damit abtrennbar sind (vgl. hierzu Wysk/Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 47 Rn. 58). Letzteres ist hier der Fall. Auch einer um die angegriffene Bestimmung des § 3a Abs. 2 Ziffer 22 reduzierten CoKoBeV käme ein eigenständiger Regelungsgehalt zu.

Randnummer16

Randnummer17

B. Der Eilantrag hat in der Sache keinen Erfolg.Randnummer18

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Die angegriffene Regelung erweist sich aufgrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung weder als offensichtlich rechtswidrig (I.), noch erfordert eine - bei (unterstellt) offenen Erfolgsaussichten eines Normenkontrollhauptsacheverfahrens vorzunehmende - Folgenabwägung die Außervollzugsetzung der Regelung (II.).Randnummer19

I. Die angegriffene Regelung erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig.

1. Die Verordnung zur Beschränkung von sozialen Kontakten und des Betriebs von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der Corona-Pandemie (Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung (CoKoBeV)) vom 26. November 2020 in der Fassung vom 4. März 2021 wurde durch die 28. Verordnung zur Anpassung der Verordnungen geändert und im Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Hessen am 6. März 2021 bekannt gemacht (GVBl. 2021, S. 142 ff.) und ist am 8. März 2021 in Kraft getreten.Randnummer202. Die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ergibt, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich hinsichtlich § 3a Abs. 1 Satz 2 Ziffer 22 der CoKoBeV unbegründet sein dürfte.

Randnummer21a) Wie der Senat bereits in anderen Entscheidungen über Normenkontrolleilverfahren betreffend den ersten Lockdown gegen die Vierte Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus festgestellt hat, ist die Verordnungsermächtigung in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen - Infektionsschutzgesetz (IfSG) - in der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung, die sie durch das "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" vom 27. März 2020 (BGBl. 2020 I S. 587 ff.; BT-Drucks 19/18111) erhalten hat, jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht zu beanstanden. Die Verordnungsermächtigung verletzt insbesondere weder das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG noch den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und die Bestimmungen der Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung finden in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 eine hinreichende gesetzliche Grundlage (Hess. VGH, Beschlüsse vom 7. April 2020 - 8 B 892/20.N - und vom 8. April 2020 - 8 B 910/20.N, 8 B 913/20.N -, juris; zuletzt Hess. VGH vom 28. Oktober 2020 - 8 B 1831/20.N -).

Randnummer22b) Angesichts der nunmehr seit fast einem Jahr andauernden Pandemiesituation hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich mit dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen und der Einführung des § 28a IfSG, der die Vorschrift des § 28 Abs. 1 IfSG konkretisiert, ergänzende Regelungen vorgenommen.

Randnummer23Die angegriffene Regelung findet in §§ 32 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG ihre Verordnungsermächtigung, so dass die im Hinblick auf § 28 IfSG als Verordnungsermächtigung der Vorgängerfassung geführte Diskussion vorliegend ohne Belang ist.

Randnummer24Auch die derzeitige Verordnungsermächtigung verletzt insbesondere weder das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG noch den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und die Bestimmungen der Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung finden in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 eine hinreichende gesetzliche Grundlage (st. Rspr. des Senats; ebenso Bay. VGH, Beschluss vom 8. Dezember 2020 - Az.: 20 NE 20.2461 - juris Rn. 22ff.).

Randnummer25Ebenfalls wurde der Begründungsanforderung des § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG genüge getan.

Randnummer26Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind mit Blick auf die andauernde Pandemielage wegen des neuartigen Coronavirus erfüllt (vgl. dazu ausführlich OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.11.2020 - 13 MN 411/20 - juris, Rn. 26-34), weshalb die zuständigen Stellen zum Erlass notwendiger Schutzmaßnahmen verpflichtet sind. Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sind nach § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG die Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandel. Auch eine epidemische Lage von nationaler Tragweite im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG wurde durch den Deutschen Bundestag festgestellt. Diese Feststellung hat der Bundestag am 25. März 2020 getroffen und mehrfach aktuell bestätigt.

Randnummer27c) Soweit die Antragstellerin vorträgt, die betreffenden Maßnahmen seien mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts nicht weiter vereinbar, weil diese bereits über einen längeren Zeitraum in Bezug auf dieselben Personen Grundrechtseingriffe bewirkten und sich hierzu auf die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 06.11.2020 - 1 S 3430/20 - juris) bezieht, so kann sie damit nicht durchdringen. In einer aktuellen Entscheidung führt der VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 18.02.2021 - 1 S 398/21 - juris Rn. 61) nunmehr hierzu aus:

Der Gesetzgeber hat mit dem am 19.11.2020 in Kraft getretenen § 28a IfSG unter anderem normiert, dass notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag insbesondere die Schließung oder Einschränkung von Betrieben sein können (Absatz 1 Nr. 14), und dass bei Entscheidungen über solche Schutzmaßnahmen soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen sind, soweit es mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 vereinbar ist (Absatz 6 Satz 2). Diese Regelungen sollen offenkundig bezwecken, die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich aus dem Parlamentsvorbehalt für die Beschränkung und Schließung von Betrieben ergeben können, einzuhalten, und dem Verordnungsgeber im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG Differenzierungen ermöglichen, die über rein infektionsschutzrechtliche Gründe hinausgehen. Die Vorschrift des § 28a IfSG mag daher im Grundsatz geeignet sein, eine tragfähige Rechtsgrundlage für eine auf bestimmte Bereiche beschränkte Schließung von Betrieben ("Teil-Lockdown") darzustellen. Ob die Norm in jeder Hinsicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, wird jedoch in einem Hauptsacheverfahren zu klären sein.

Randnummer28Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erkennt solche verfassungsrechtlichen Zweifel im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht (Bay. VGH, Beschluss vom 08.12.2020 - 20 NE 20.2461 - juris Rn. 22ff.; ebenso Thüringer OVG, Beschluss vom 25.02.2021 - 3 EN 88/21 - juris). Das Bundesverfassungsgericht geht im Übrigen auch nach Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 davon aus, dass Verfassungsbeschwerden gegen behördliche Eingriffe aus Gründen des Infektionsschutzes jedenfalls nicht erkennbar erfolgreich sind, stellt die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage also bislang nicht durchgreifend in Frage (BVerfG, Beschluss vom 5.12.2020 - 1 BvQ 145/20 - juris).

Randnummer29d) Der mit der angegriffenen Regelung in § 3a Abs. 1 Satz 2 Ziffer 22 CoKoBeV vorgenommene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Gewerbetreibenden ist bei summarischer Prüfung mit höherrangigem Recht - insbesondere mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG - noch vereinbar.

Randnummer30aa) Die mit der Verordnung angeordneten Schließungen für Betriebe, die nicht der Grundversorgung der Bevölkerung dienen, beinhaltet für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung, nämlich sämtliche Betreiber dieser Einrichtungen, einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit. Dieser ist jedoch durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 23.02.2021 - 20 NE 21.367 - juris Rn. 18ff.).

Randnummer31(1) Der Eingriff erfolgt zu einem legitimen Zweck, nämlich dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und insbesondere einer Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems.

Randnummer32(2) Die Maßnahme dürfte auch geeignet und notwendig sein, um dieses Ziel zu erreichen. Denn Einzelhandelsgeschäfte sind als Anziehungspunkte für viele Menschen attraktiv. Sie entwickeln eine Sogwirkung - in großen Städten gerade auch im ÖPNV - und sind grundsätzlich geeignet, zu den nach wie vor nach Angaben des RKI strikt zu vermeidenden Ansammlungen verschiedener Menschen auf relativ engem Raum zu führen. Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei der angegriffenen Verordnung nicht um eine Einzelmaßnahme, sondern um einen ganzen Regelungskomplex handelt, durch den der überwiegende Einzelhandel mit Ausnahme der Lebensmittelgeschäfte sowie Restaurants und Gaststätten (mit Ausnahme für Lieferung und Abholung) geschlossen wurde. Die Öffnung der Betriebe des Einzelhandels bietet Kontaktmöglichkeiten mit wechselnden Kunden, die sich in den Verkaufsstellen einfinden, die ohne diesen Anlass nicht zustande kämen. Zudem werden die Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg zu den Betrieben und die Attraktivität des öffentlichen Raums bei geschlossenen Betrieben reduziert. Vorstehendes gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Senat - folgte man der Argumentation der Antragstellerin, die CoKoBeV sei rechtswidrig - gehalten wäre, die Regelung des § 3a Abs. 1 Satz 2 Ziffer 22 CoKoBeV vorläufig für das ganze Land Hessen und nicht nur bezogen auf das Warenhaus der Antragstellerin in Sulzbach im Main-Taunus-Kreis außer Vollzug zu setzen. Dies dürfte eine erhebliche Sogwirkung auf die Bevölkerung der angrenzenden Länder ausüben, in denen die Ausübung des Einzelhandelsgewerbes nur unter Einschränkungen möglich ist, wie sich aus der Berichterstattung der Medien ergibt (so z.B. Beitrag in der Hessenschau vom 8. März 2021über den Ansturm hessischer Bürger in Rheinland-Pfalz, abrufbar in der Mediathek). Dabei steht außer Zweifel, dass Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen mit einer Vielzahl regelmäßig einander unbekannter Personen und längerer Verweildauer ein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko mit sich bringen. So sollen nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, dem nach § 4 IfSG als nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen eine besondere Rolle zukommt, Menschenansammlungen - besonders in Innenräumen - gemieden werden (Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019, Stand: 8. März 2021, S.2). Derzeit kommt es in zahlreichen Kreisen zu einer diffusen Ausbreitung und für einen großen Anteil der Fälle kann das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden (Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019, a.a.O.). Dies mildert den Erkenntniswert der zahlenmäßig festgestellten Infektionsumfelder ganz erheblich. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als sehr hoch ein. Momentan zeigt sich ein erneuter Anstieg der Fallzahlen und durch das Auftreten verschiedener Virusvarianten besteht ein erhöhtes Risiko einer erneuten stärkeren Zunahme der Fallzahlen. Aus diesem Grund wird dringend appelliert, dass sich die gesamte Bevölkerung weiterhin für den Infektionsschutz engagiert. Dabei haben die Zahlen der täglichen Neuinfektionen insbesondere seit Anfang Oktober eine deutliche Zunahme gezeigt. Hierbei entwickelte sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen (Quelle: Robert-Koch-Institut) von einem Höchstzuwachs von 33.777 (Stand: 18.12.2020) zu sinkenden Fallzahlen im Januar bis Mitte Februar. Momentan zeigt sich ein erneuter Anstieg der Fallzahlen (Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019, Stand: 08.03.2021, S.2). Aktuell liegt die Zahl der täglichen Neuinfektionen bei 9.146 (Stand: heute). Es ist insoweit nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber bei der verfassungsrechtlich gebotenen Evaluierung der in der Corona- Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung enthaltenen Schutzmaßnahmen von nicht mehr vertretbaren Tatsachen oder Annahmen ausgegangen wäre und die Grenzen der ihm zuzugestehenden Einschätzungsprärogative überschritten hätte. Jedenfalls sieht der Senat keine Anhaltspunkte für eine willkürliche oder nicht mit dem Ziel der (Wieder-) Erhaltung eines leistungsstarken Gesundheitssystems zu vereinbarenden Änderung der CoKoBeV, insbesondere in Anbetracht der momentan auftretenden Virusvarianten.

Randnummer33(3) Die Regelung erscheint bei der im Eilverfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung auch angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne. So hat die Antragstellerin nach der am 8. März 2021 in Kraft getretenen Neuregelung der CoKoBeV sowohl die Möglichkeit, Ware zur Abholung bereitzustellen oder auszuliefern oder nunmehr nach vorheriger Terminvereinbarung Ware zu verkaufen, sofern höchstens eine Person je angefangener Verkaufsfläche von 40 m² eingelassen wird. Die Antragstellerin betreibt wie andere Unternehmen in ihrer Lage einen Online-Handel. Dass sie die anderen Möglichkeiten nicht nutzen will, weil sie sie etwa aufgrund der räumlichen Gestaltung ihrer Ladengeschäfte für nicht hinreichend praktikabel oder auskömmlich hält, ändert nichts daran, dass die Ausnahmeregelungen zur Verhältnismäßigkeit der "nur" auf den Präsenzbetrieb der Geschäfte gerichteten Schließungsanordnung beitragen. Der Verordnungsgeber ist aller Voraussicht nach von Rechts wegen nicht dazu verpflichtet, unternehmerische Entscheidungen, bestehende Ausnahmemöglichkeiten aus individuellen Gründen nicht in Anspruch zu nehmen, zum Anlass dazu zu nehmen, trotz der nach wie vor bestehenden großen Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen und, damit zusammenhängend, das Gesundheitssystem in Deutschland, schlagartig sämtliche Einzelhandelsbetriebe zu öffnen, um auf diese Weise sämtlichen individuellen betrieblichen Gestaltungswünschen wieder uneingeschränkt Rechnung zu tragen (wie vorstehend: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.02.2021, Az.: 1 S 398/21, juris-Abfrage Rn. 96). Des Weiteren bewirken die Regelungen zum Kurzarbeitergeld, dass ein beachtlicher Teil ihrer monatlichen Fixkosten derzeit von staatlicher Seite aufgefangen wird.

Randnummer34Es zeigt sich vorliegend bei summarischer Beurteilung auch kein gleich wirksames, die Normbetroffenen weniger belastendes (milderes) Mittel. Zwar können auch Hygienekonzepte zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der derzeitigen Phase der Pandemie, die weiterhin von einem starken diffusen Ausbruchsgeschehen geprägt ist und in der in vielen Fällen das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden kann, ist die Prognose des Verordnungsgebers, dass vordringlich auf Einhaltung von Abstand und Hygiene ausgerichtete Maßnahmen weiterhin nicht genügen, sondern die Kontakte der Bevölkerung insgesamt stärker unterbunden werden müssten, um das Infektionsgeschehen weiter einzudämmen, ausgehend von den Empfehlungen des RKI in seinem Lagebericht voraussichtlich nicht fehlerhaft. Die von der Antragstellerin angeführten Studien zu den Infektionsrisiken in Einzelhandelsgeschäften bzw. sonstigen Betrieben rechtfertigen deshalb kein anderes Ergebnis (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15.02.2021, Az.: 20 NE 21.406, juris-Abfrage Rn. 22).

Randnummer35Auf der anderen Seite rechtfertigt der Gesundheitsschutz, insbesondere das Ziel der Verlangsamung der Ausbreitung der hoch infektiösen Viruserkrankung, in der gegenwärtigen Situation einschneidende Maßnahmen wie sie der Antragsgegner vorliegend getroffen hat. Diese wurden vom Verordnungsgeber nunmehr bis zum 28. März 2021 befristet. Hinzu kommt, dass die angegriffene Regelung Teil eines aktuell sehr dynamischen Prozesses ist, bei dem die getroffenen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nahezu täglich neu überdacht und angepasst werden. So ist auch die Verordnung vom 26. November 2020 momentan bis zum 28. März 2021 befristet, um die Konsequenzen beurteilen und weitere Schritte erwägen und umsetzen zu können. Angesichts des überschaubaren Geltungszeitraums der Verordnung haben die Interessen der Antragstellerin gegenüber überwiegenden öffentlichen Interessen zurückzustehen. Denn die angeordnete Maßnahme ist zur Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, juris Rn. 119 m. w. N.; BVerfG, Beschluss vom 11. November 2020 - 1 BvR 2530/20 -, juris Rn. 12ff.), derzeit erneut notwendig.

Randnummer36bb) Die streitgegenständliche Regelung steht ferner auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das daraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen ebenso wie für ungleiche Begünstigungen. Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch sachliche Gründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18 -, juris Rn. 94).

Randnummer37Danach erscheint es seuchenrechtlich geboten und damit sachlich gerechtfertigt, Einzelhandelsbetriebe für den Publikumsverkehr nur in dem in § 3a Abs. 1 Satz 2 Ziffer 22 CoKoBeV vorgegebenen Rahmen geöffnet zu halten. Die vom Antragsgegner vorgenommene unterschiedliche Behandlung gegenüber anderen Betrieben erscheint nicht evident unsachlich. Für das Infektionsgeschehen von Relevanz ist die Einschränkung bzw. Verhinderung der relevanten sozialen Kontakte. Hierbei hat der Verordnungsgeber hinsichtlich der Betriebe differenziert, die der Grundversorgung mit Lebensmitteln und mit Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs der Bevölkerung dienen. Der Verordnungsgeber hat damit einen Wirtschaftsbereich ausgenommen, der für die Allgemeinheit wegen seiner Grundversorgungsfunktion für nicht verzichtbare, Grundbedürfnisse betreffende Produkte von besonderer Bedeutung ist. Der Betrieb der Antragstellerin mit dem Sortimentsschwerpunkt im Textilbereich fällt nicht hierunter. Die Privilegierung von anderen Betrieben erscheint von daher gesehen nicht willkürlich.

Randnummer38Sollte sich im Rahmen einer Klärung im Hauptsacheverfahren eine Sachwidrigkeit der Privilegierung beispielsweise im Hinblick auf andere Geschäftsbereiche ergeben, wäre fraglich, ob sich die Inhaber geschlossener Betriebe, die vergleichbare Leistungen erbringen, auf eine "Gleichbehandlung im Unrecht" berufen könnten (Bay. VGH, Beschluss vom 17.11.2020 - 20 NE 20.2603 - juris Rn. 32 m. w. N.)

Randnummer39Ferner kann sich eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung nicht daraus ergeben, dass andere Bundesländer abweichende Schutzmaßnahmen getroffen haben. Denn Voraussetzung einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind, wovon es bei Verordnungen durch verschiedene Bundesländer fehlt.

Randnummer40Im Übrigen teilt der Senat nicht die Einschätzung des OVG des Saarlandes (Beschluss vom 09.03.2021, Az.: 2 B 58/21), wonach es einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstelle, wenn Discounter und Supermärkte auch Waren in ihrem Sortiment anböten, die spezialisierte Einzelhändler lediglich im sogenannten Click and Meet-Verfahren verkaufen dürften. Es ist bereits fraglich (s. vorhergehende Seite), ob Einzelhandelsbetriebe, die nicht die Bedürfnisse der Bevölkerung an Grundversorgung befriedigen, anderen Einzelhandelsbetrieben wie denen der Textilbranche gleich zu stellen sind. Jedenfalls ist diese Differenzierung durch sachliche Gründe gerechtfertigt, da sie auf Gründen des Infektionsschutzes beruht. Der Antragsgegner durfte ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass aufgrund der durchgehenden Öffnung des Lebensmittelhandels zum Zweck der Grundversorgung der Verkauf von anderen Produkten in diesen Geschäften jedenfalls dann, wenn sie wie Textilien nur zum Randsortiment zählen, zu keinem zusätzlichen Anstieg der durch die Öffnung der Discounter und Supermärkte ohnehin geschaffenen Infektionsquellen führen würde. Eine vergleichbare Öffnung des Textileinzelhandels würde im Gegensatz dazu einen erheblichen Anstieg dieser Infektionsquellen nach sich ziehen.

Randnummer41cc) Da die Antragstellerin schon nicht mit einer Verletzung des spezielleren Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit durchdringen kann, so gilt dies auch für Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG.

Randnummer42II. Eine bei (unterstellt) offenem Ausgang des Verfahrens vorzunehmende Folgenabwägung käme zu keinem anderen Ergebnis.

Randnummer43Die Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Vollziehungsinteresse erfordert die Betrachtung der Folgen, die einträten, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt würde, das Verfahren in der Hauptsache hingegen Erfolg hätte. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die streitgegenständliche Regelung außer Vollzug gesetzt würde, dem Rechtsbehelf in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre. Bei dieser Abwägung ist in Rechnung zu stellen, ob der Antragstellerin unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Hauptsacheentscheidung nicht mehr in der Lage wäre. Droht im Falle der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten, die durch eine dem Antrag stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte, ist diesem Umstand ein hohes Gewicht beizumessen, dem nur der Schutz herausragend wichtiger Rechtsgüter entgegengesetzt werden kann. Bei dieser Interessenabwägung ist jeweils die Richtigkeit des Vorbringens desjenigen als wahr zu unterstellen, dessen Position gerade betrachtet wird, soweit das jeweilige Vorbringen ausreichend substantiiert und die Unrichtigkeit nicht ohne weiteres erkennbar ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 13. September 1991 - 4 M 125/91 -, zit. nach juris Rn. 13 f. m. w. N.).

Randnummer44Nach Auffassung des Senats muss hier das grundrechtlich geschützte Interesse des Einzelhandels an einer unbeschränkten Öffnung der Verkaufsstellen zurückstehen. Insoweit überwiegt - wie bereits ausgeführt - das auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gestützte öffentliche Interesse am Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung vor der weiteren Ausbreitung der hochansteckenden Viruskrankheit und insbesondere am Schutz der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens in Deutschland und des in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Arztpraxen tätigen Personals vor einer akuten Überlastung. Die Gewährleistung der trotz der derzeit herrschenden Corona-Pandemie bestmöglichen Krankenversorgung stellt ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar, für dessen Schutz der Staat von Verfassungswegen auch im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zu sorgen hat (vgl. ebenso BVerfG, Beschl. vom 11. November 2020 - 1 BvR 2530/20 - juris, Rn. 12ff.; Hess. VGH, Beschluss vom 3. April 2020 - 2 B 925/20 - m. w. N.). Dabei ist aktuell ein erneuter Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung zu beobachten und es wird daher dringend appelliert, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2020, Stand: 08.03.2021). Bei einer Abwägung der Interessen ist zudem zu berücksichtigen, dass die bestehenden Hilfsprogramme durch zusätzliche außerordentliche Wirtschaftshilfen ergänzt wurden (insgesamt: bundesfinanzministerium.de - Corona-Hilfen; aktuell: www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de). Dass die Antragstellerin hiervon in keiner Weise profitiert, ist nicht plausibel. Insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des VGH Baden-Württemberg in dem bereits erwähnten Beschluss vom 18. Februar 2021 - 1 S 398/21 - an, wo es heißt:

"Ob der Einwand der Antragstellerin zutrifft, sie könne in ihrem Einzelfall von anderen Maßnahmen, insbesondere von der Überbrückungshilfe III wegen der Anfang Februar von der Bundesregierung noch genannten Begrenzung der Antragsberechtigung für diese Überbrückungshilfe auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 750 Mio. EUR nicht profitieren, kann der Senat auch bei Zugrundelegung dieser Begrenzung angesichts der teils undifferenzierten Angaben der Antragstellerin zur Konzernstruktur und zum Umsatz im vorliegenden Eilverfahren auch unter Berücksichtigung der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht nachvollziehen. Gegen einen gänzlichen Ausschluss der Antragstellerin spricht unabhängig von diesem Darlegungsdefizit die sinngemäße Verlautbarung des Bundeswirtschaftsministers vom 16.02.2021, die genannte Begrenzung wegfallen zu lassen und einen "Härtefall-Fonds" einrichten zu wollen (vgl. https://www.deutschlandfunk.de/wirtschaftsgipfel-altmaier-kuendigt-nachbesserungen-bei.2932.de.html?drn:news_id=1228350)."

Randnummer45Bei einer Abwägung der dem Antragsteller drohenden Nachteile als Folgen eines zeitlich eng befristeten Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) mit dem staatlichen Auftrag der Bereitstellung eines effektiven Gesundheitssystems zur Gewährleistung des Grundrechts behandlungsbedürftiger, teilweise lebensbedrohlich erkrankender Personen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG setzt sich der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit durch (so im Ergebnis auch BVerfG, Beschluss vom 10. April 2020 - 1 BvQ 28/20 - juris; Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Beschluss vom 6. Januar 2021 - P.St. 2768 - juris Rn. 125).

Randnummer46C. Der Hilfsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Er ist sowohl unzulässig als auch unbegründet. Auch in dieser Hinsicht folgt der Senat der Rechtsauffassung des VGH Baden-Württemberg im Beschluss vom 18. Februar 2021 (a.a.O. Rn. 114 f.), soweit dieser ausführt:

"Der vom Antragsteller gestellte Antrag genügt jedenfalls den sich im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO analog § 82 VwGO ergebenden Mindestanforderungen nicht (...). Denn der Antrag ist wegen der auf eine "angemessene Entschädigung" zielenden Maßgabe nicht hinreichend bestimmt. Die Voraussetzungen, unter denen auf Geldleistungen gerichtete Leistungsanträge ausnahmsweise unbeziffert bleiben können, sind ersichtlich nicht erfüllt, da die Umstände, die einer Bezifferung entgegenstehenden könnten, vornehmlich in der Sphäre der Antragstellerin liegen."

Randnummer47Es handelt sich auch nicht um ein vorläufiges Rechtsschutzbegehren, das mit einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgt werden könnte (Bay. VGH, Beschluss vom 15.02.2021, Az.: 20 NE 21.406, juris-Abfrage Rn. 39).

Randnummer48Der Antrag ist zudem aus den vorstehend genannten Gründen unbegründet.

Randnummer49D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Randnummer50Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei geht der Senat bei großflächigen Warenhäusern von 100.000,- Euro je Verkaufsstätte aus und verzichtet angesichts der mit dem Antrag verfolgten Vorwegnahme der Hauptsache auf eine Reduzierung (vgl. dazu Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen [abgedruckt in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, Anhang zu § 164 Rdnr. 14]).

Randnummer51Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).