VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.03.2021 - 1 S 677/21
Fundstelle
openJur 2021, 14242
  • Rkr:

§ 1c Abs. 2 CoronaVO verstößt voraussichtlich gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Tenor

Auf den Antrag der Antragstellerin wird § 1c Abs. 2 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV 2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 07.03.2021 in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 19.03.2021 mit Wirkung vom 29.03.2021 vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 100.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit einem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO zuletzt gegen die Vorschrift des § 1c Abs. 2 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV 2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 07.03.2021 in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 19.03.2021.

Die Antragstellerin betreibt ein Möbelhaus in xxxxxxxx mit einer Ausstellungs-und Verkaufsfläche von xxxxxx m². Sie trägt vor, sie beschäftige xxxx Arbeitnehmer. Das Möbelhaus befinde sich nicht in Innenstadtlage. Die Anfahrt zum Möbelhaus sei fast ausschließlich mit dem PKW möglich, es sei schlecht mit öffentlichem Personennahverkehr zu erreichen. Seit der Wiedereröffnung nach dem ersten Lockdown am 04.05.2020 habe die Antragstellerin ein umfassendes Hygienekonzept umgesetzt und stets fortentwickelt. Die durchschnittliche Besuchszeit von Kunden liege bei zweieinhalb bis drei Stunden. Die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin sei in der Vergangenheit gut gewesen. Dies habe sich mit den Betriebsschließungen im Frühjahr 2020 geändert. Die Betriebsschließung ab dem 16.12.2020 sei für die Antragstellerin potentiell existenzbedrohend. Die für die Antragstellerin in Betracht kommende Überbrückungshilfe III reiche nicht aus, um die Fixkosten abzudecken und die existenzbedrohende Lage abzumildern. Der Antragstellerin entstehe durch Betriebsschließungen ein monatlicher Schaden von mindestens xxxxxxxx EUR, der durch die staatlichen Ausgleichsleistungen nicht annähernd kompensiert werde. Die seit dem 08.03.2021 bedingt mögliche Öffnung sei nicht befriedigend. Am 08.03. und 09.03.2021 habe die Antragstellerin im Rahmen des so genannten Terminshoppings öffnen können. Dabei habe sie ein Umsatz i.H.v. 40 bis 60 % der entsprechenden Tage des Vorjahres verzeichnen können. Die danach mögliche Öffnung wegen einer 7-Tage-Inzidenz im Zollernalbkreis unter 50 habe tägliche Umsätze in etwa in Höhe der entsprechenden Tage des Vorjahres gebracht. Die Kunden seien jedoch hochgradig verunsichert, da sie nicht wüssten, ob und wie lange das jeweilige Möbelhaus geöffnet sei.

Die angefochtene Vorschrift verletze die Antragstellerin in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit. Der Verordnungsgeber verfolge zwar den legitimen Zweck einer Reduzierung von Infektionsgefahren. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes sei es jedoch nicht geboten, der Antragstellerin eine vollständige Öffnung nur ab einer stabilen Inzidenz unter 50 zu ermöglichen. Es sei nicht erwiesen, dass der Einzelhandel ein spezifischer Treiber des Infektionsgeschehens sei. Der Antragsgegner habe keine ausreichenden Erwägungen angestellt, ob die beabsichtigten Ziele nicht auch anderweitig erreicht werden könnten. Die Verpflichtung zum Terminshopping sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Das Ziel könne genauso gut dadurch erreicht werden, dass die Kunden beim Betreten des Möbelhauses ihre Kontaktdaten angeben müssten. Eine vollständige Wiedereröffnung der Möbelhäuser könne zu einer Entspannung des Einkaufsgeschehens beitragen, weil die Kunden dann die von der Antragstellerin angebotenen Artikel nicht in den durchgehend engeren und dadurch riskanteren Bau- und Gartenmärkten erwerben würden. Die Orientierung an den Inzidenzwerten sei nicht sachgerecht. Diese gingen nicht Hand in Hand mit einer zu erwartenden Überlastung des Gesundheitswesens bzw. einer höheren Auslastung von Intensivbetten, sondern seien zunächst nur Folge von zahlreicheren Tests. Ein sinnvolleres Kriterium wäre die Auslastung der Intensivbetten. Zudem werde Art. 3 Abs. 1 GG durch die unterschiedlichen Flächenuntergrenzen und die Mischsortimentsklausel in § 1c Abs. 2 Sätze 5 und 6 CoronaVO verletzt. Eine Ungleichbehandlung liege auch im Verhältnis zu Friseursalons, Gärtnereien, Blumenläden, Gartenmärkten, Baumärkten und dem Buchhandel vor.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Bei einer 7-Tage-Inzidenz im Zollernalbkreis von unter 50 (Stand 08.03.2021) könne die Antragstellerin ihr Möbelhaus unter Einhaltung der einschlägigen Hygienevorgaben (ein Kunde pro 10 m² bzw. 20 m²) für den Publikumsverkehr öffnen und damit in deutlich weiterem Umfang, als es das eigene Hygienekonzept der Antragstellerin (maximal ein Kunde pro 50 m² Verkaufsfläche) vorsehe. Daher sei das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fraglich. Die den Einzelhandel betreffenden Regelungen der § 1c Abs. 2, § 20 Abs. 3, 5 CoronaVO beruhten auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage und seien verhältnismäßig. Angesichts des drohenden exponentiellen Wachstums der Infektionen insbesondere im Hinblick auf die Virusmutation B.1.1.7. könnten Öffnungsschritte nur vorsichtig ausfallen. Das abgestufte Vorgehen solle verhindern, dass es insbesondere in den Landkreisen und Regionen mit einem hohen Infektionsgeschehen eine Vielzahl physischer Kontakte gebe und so die weitere Ausbreitung des Infektionsgeschehen begünstigt werde. Als wesentlicher Indikator für die jeweiligen Öffnungsstufen seien die in § 28 Abs. 3 Sätze 5 und 6 IfSG normierten Schwellenwerte von 50 bzw. 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen herangezogen worden. Bei einer 7-Tage-Inzidenz von unter 50 könnten sich nach den geltenden Regelungen bis zu 2.790 Kunden in dem Geschäft der Antragstellerin aufhalten, bei einer Inzidenz zwischen 50 und 100 bis zu 1.375 Kunden. Beide Werte lägen über der Anzahl von lediglich 1.100 Kunden, die nach dem eigenen Hygienekonzept der Antragstellerin Zugang finden könnten. Das Erfordernis der Terminvereinbarung stelle sicher, dass die Kontaktdaten der Besucher vollständig erfasst würden, Kundenströme besser gesteuert und die Bildung langer Warteschlangen vermieden werden könnten. Zur Angemessenheit der Regelungen trügen auch die bisher schon bestehende Möglichkeit von Abhol- und Lieferdiensten sowie die staatlichen Unterstützungsleistungen bei. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Friseurbetrieben bestehe nicht. Es fehle bereits an der Vergleichbarkeit dieser Dienstleistungsbetriebe mit Einrichtungshäusern. Zudem gehörten Friseurbetrieben zur Grundversorgung der Bevölkerung. Auch eine Ungleichbehandlung im Verhältnisse zu Gartenmärkten und Buchhandel fehle. Die Priorisierung der Gartenmärkte und des Buchhandels beruhe auf einem bundeseinheitlichen Vorgehen. Die Öffnung von Blumenläden, Gartencentern und Gärtnereien sei sachlich gerechtfertigt, da die Infektionsgefahr in den naturgemäß weitläufigen Verkaufsflächen von Gartenmärkten, die sich zumeist im Außenbereich befänden, deutlich geringer seien als in Verkaufsräumen in Gebäuden. Der Buch- und Zeitschriftenhandel nehme eine besondere Funktion vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Presse- und Informationsfreiheit des Art. 5 GG, aber auch der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG und dem Grundrecht auf Bildung nach Art. 12 Abs. 1 GG - soweit es um Ausbildungs- und Studienliteratur gehe - ein. Die Privilegierung des Buchhandels diene der Sicherstellung der erweiterten Grundversorgung der Bevölkerung. Jenseits der kulturellen Grundversorgung der Bevölkerung mit Literatur habe er eine immens wichtige Rolle für die Meinungsbildung in der Bevölkerung. Auch Baumärkte dienten nicht nur der Versorgung der Bevölkerung mit Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs, die in weiten Teilen der Bevölkerung insbesondere zur Durchführung von Reparaturen im eigenen Haushalt benötigt würden, sondern in erheblichem Umfang auch der Versorgung von Handwerkern und Gewerbetreibenden, die dort Werkzeuge und Waren erwerben würden, die sie wiederum zur Erbringung ihrer Dienstleistungen gegenüber Kunden benötigten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO in der Besetzung mit drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Die Besetzungsregelung in § 4 AGVwGO ist auf Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht anwendbar (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.12.2008 - GRS 1/08 - ESVGH 59, 154).

Die Umstellung des Antrags der Antragstellerin von der zunächst beantragten Außervollzugsetzung von § 1d Abs. 2 Satz 1 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 30.11.2020 in der Fassung der Achten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 13.02.2021 auf die nunmehr begehrte Außervollzugsetzung von § 1c Abs. 2 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV 2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 07.03.2021 in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 19.03.2021 ist entsprechend § 91 VwGO zulässig. Denn sie ist sachdienlich. Zwar enthält die nunmehr angegriffene Norm - anders als die zunächst angegriffene - keine grundsätzliche Betriebsuntersagung des nicht "privilegierten" Einzelhandels mehr, sondern ermöglicht diesem unter gewissen Maßgaben die Öffnung. Jedoch ist der Streitstoff jedenfalls im Kern derselbe.

Dieser Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO hat Erfolg. Er ist zulässig (1.) und ganz überwiegend begründet (2.).

1. Der Antrag ist zulässig.

Ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, wenn ein in der Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO voraussichtlich zulässig ist (vgl. zu dieser Voraussetzung Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 47 Rn. 387) und die gesonderten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO erfüllt sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Die Statthaftigkeit eines Antrags in der Hauptsache folgt aus § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Dazu gehören Verordnungen - wie hier - der Landesregierung.

b) Die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt.

c) Die Antragstellerin ist antragsbefugt.

Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat jede natürliche oder juristische Person, die geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint (ausf. dazu Senat, Urt. v. 29.04.2014 - 1 S 1458/12 - VBlBW 2014, 462 m.w.N.). Danach liegt eine Antragsbefugnis vor. Es ist jedenfalls nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass die Antragstellerin in ihren Grundrechten auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), sowie im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt ist.

d) Für einen etwaigen Antrag in der Hauptsache und den nach § 47 Abs. 6 VwGO liegt ein Rechtsschutzinteresse vor. Denn die Antragstellerin könnte mit einem Erfolg dieser Anträge ihre Rechtsstellung jeweils verbessern. Dies gilt auch angesichts des Vorbringens des Antragsgegners, das Rechtsschutzbedürfnis sei fraglich, da die Antragstellerin bei einer 7-Tage-Inzidenz von unter 50 mit der angegriffenen Regelung und den Regelungen in § 20 Abs. 3 bis 5 CoronaVO mehr Öffnungsmöglichkeiten habe als nach dem eigenen Hygienekonzept. Denn zum einen liegt die 7-Tage-Inzidenz im Zollernalbkreis seit mehreren Tagen über 50. Zum anderen wirkt sich ein Erfolg des gestellten Antrags für die Antragstellerin unbeschadet ihres Hygienekonzepts günstig aus, da sie dann weniger Beschränkungen durch die Corona-Verordnung des Antragsgegners unterliegt.

2. Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist ganz überwiegend begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ist danach der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381; Beschl. v. 16.09.2015 - 4 VR 2/15 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2016 - 5 S 437/16 -, juris m.w.N.; Beschl. v. 13.03.2017 - 6 S 309/17 - juris). Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (BVerwG, Beschl. v. 18.05.1998 - 4 VR 2/98 - NVwZ 1998, 1065).

Ein gegen § 1c Abs. 2 CoronaVO gerichteter Normenkontrollantrag in der Hauptsache hätte überwiegende Erfolgsaussichten (a). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten (b).

a) Ein gegen § 1c Abs. 2 CoronaVO gerichteter Normenkontrollantrag in der Hauptsache hätte überwiegende Erfolgsaussichten.

Infektionsschutzrechtliche Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus können auf Ermächtigungsgrundlagen aus dem 5. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes gestützt und auch gegen sog. Nichtstörer gerichtet werden (aa). Die sich aus dieser einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ergebenden Voraussetzungen für eine Betriebsbeschränkung sind gegenwärtig voraussichtlich erfüllt (bb). Offen ist allerdings, ob die angefochtene Verordnungsvorschrift auf eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage aus dem Infektionsschutzgesetz gestützt ist, die den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts genügt (cc). Die angefochtene Verordnungsbestimmung begründet voraussichtlich keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG (dd) und Art. 14 Abs. 1 GG (ee). Jedoch dürfte ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen (ff).

(aa) Für die Regelung in § 1c Abs. 2 CoronaVO über die Untersagung und Beschränkung des Einzelhandels besteht eine Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 und Abs. 3 IfSG, die eine Betriebsuntersagung der hier normierten Art am Maßstab des einfachen Gesetzesrechts gemessen grundsätzlich tragen kann (st. Rspr., vgl. etwa Senat, Beschl. v. 18.01.2021 - 1 S 69/21 - juris).

Wenn - wie im Fall des Coronavirus unstreitig - eine übertragbare Krankheit festgestellt ist, können nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen - hierzu zählen im Anwendungsbereich des § 28a IfSG grundsätzlich auch die Untersagung oder Beschränkung des Einzelhandels (vgl. § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG) - zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit durch eine Verordnung der Landesregierung getroffen werden. Mit solchen repressiven Bekämpfungsmaßnahmen gehen zulässigerweise auch stets präventive Wirkungen einher, solche präventiven Folgen sind gerade bezweckt. Daher ist die Landesregierung insbesondere nicht auf Maßnahmen nach § 16 oder § 17 IfSG beschränkt. Dabei ermächtigt § 28 Abs.1 IfSG nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers zu Maßnahmen auch gegenüber Nichtstörern (vgl. ausf. zum Ganzen Senat, Beschl. v. 09.04.2020 - 1 S 925/20 - juris; Beschl. v. 23.04.2020 - 1 S 1003/20 -; je m.w.N.).

(bb) Die sich aus dieser einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 13 und Abs. 3 IfSG ergebenden Voraussetzungen für die in den angefochtenen Verordnungsbestimmungen geregelten Betriebsschließungen sind gegenwärtig voraussichtlich erfüllt. Insbesondere entsprechen die Verordnungsbestimmungen derzeit den sich aus § 28a Abs. 3 IfSG ergebenden Anforderungen (vgl. zu diesen Senat, Beschl. v. 05.02.2021 - 1 S 321/21 - juris).

(1) Mit den Regelungen des § 28a Abs. 3 IfSG hat der Bundesgesetzgeber die Grundentscheidung getroffen, dass bei dem Erlass von Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie grundsätzlich ein differenziertes, gestuftes Vorgehen geboten ist, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren soll (vgl. Senat, Beschl. v. 05.02.2021, a.a.O.; NdsOVG, Beschl. v. 18.01.2021 - 13 MN 11/21 - juris; BayVGH, Beschl. v. 14.12.2020 - 20 NE 20.2907 - juris). Das wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt (vgl. BT-Drs. 19/23944 vom 03.11.2020, S. 34 f. zu § 28a Abs. 2 des Entwurfs, und ausf. dazu zuletzt Senat, Beschl. v. 25.02.2021, 1 S 519/21 - juris). Dieses Ziel des Gesetzgebers kommt in der Grundnorm des Satzes 2 des § 28a Abs. 3 IfSG in besonderem Maße zum Ausdruck. Daraus folgt auch, dass der Verordnungsgeber, wenn er eine Schutzmaßnahme dem Grunde nach für erforderlich hält, auch zu prüfen und darzulegen (§ 28 Abs. 5 Satz 1 IfSG) hat, ob diese gerade landesweit angeordnet werden muss oder ob insoweit differenziertere Regelungen in Betracht kommen (Senat, Beschl. v. 05.02.2021, a.a.O.). Hat der Verordnungsgeber zu einem früheren Zeitpunkt bereits landesweite Regelungen getroffen, ist er zudem - wie stets - auch von Verfassungs wegen dazu verpflichtet, fortlaufend und differenziert zu prüfen, ob diese und die dadurch bewirkten konkreten Grundrechtseingriffe auch weiterhin gerechtfertigt oder aufzuheben sind (stRspr., vgl. nur Senat, Beschl. v. 15.10.2020 - 1 S 3156/20 - juris, v. 18.05.2020 - 1 S 1386/20 -, m.w.N., und v. 05.02.2021, a.a.O.).

Gleichzeitig hat der Bundesgesetzgeber die zur Entscheidung berufenen öffentlichen Stellen, insbesondere die zum Erlass von Verordnungen ermächtigten Landesregierungen (vgl. § 28 Abs. 5 Satz 1, § 32 IfSG), dazu verpflichtet, zu berücksichtigen, ob landesweit (Satz 10) oder gar bundesweit (Satz 9) der Schwellenwert von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen überschritten ist, und, falls es nach einer Überschreitung zu einer Unterschreitung kommt, seit wann letzteres der Fall ist (s. Satz 11: "solange"). Dabei darf im Falle einer bundesweiten Überschreitung des Wertes von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern binnen sieben Tagen der Verordnungsgeber bei der Entscheidung, ob er bundesweit abgestimmte Maßnahmen durch landesweit einheitliche oder regional differenzierende Regelungen umsetzt, die Wertung des Bundesgesetzgebers berücksichtigen, dass "mögliche infektiologische Wechselwirkungen und Verstärkungen zwischen einzelnen Regionen" (BT-Drs. 19/23944, a.a.O.) möglichst ausgeschlossen werden sollen (s. näher dazu Senat, Beschl. v. 18.02.2021 - 1 S 398/21 - juris).

(2) An diesen gesetzlichen Vorgaben gemessen, ergeben sich aus § 28a Abs. 3 IfSG aller Voraussicht nach derzeit keine durchgreifenden Bedenken gegen die angefochtenen Verordnungsbestimmungen (ebenso zuletzt zum Stand 25.02.2021 Senat, Beschl. v. 25.02.2021, a.a.O.).

Der Anwendungsbereich des § 28a Abs. 3 Satz 9 IfSG ist aktuell eröffnet. Denn der Schwellenwert von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen ist zurzeit bundesweit (vgl. zum Begriff "landesweit" Senat, Beschl. v. 05.02.2021, a.a.O.) überschritten. Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz betrug zuletzt (22.03.2021) 107 (vgl. Robert-Koch-Institut [RKI], Lagebericht vom 22.03.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-22-de.pdf?__blob=publicationFile).

Der Antragsgegner hat infolgedessen gegenwärtig nach § 28a Abs. 3 Satz 9 IfSG weiterhin "bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben". Die Entscheidung des Antragsgegners in der angefochtenen Verordnungsbestimmung, den nicht "privilegierten" Einzelhandel nur unter bestimmten Maßgaben zu öffnen, ist auch Teil einer solchen "bundesweiten Abstimmung" im Sinne von Satz 9. Bei der der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 03.03.2020 wurde beschlossen, dass die Länder unter bestimmten, näher definierten Voraussetzungen (7-Tage-Inzidenz, Kundenbegrenzung, vorherige Terminbuchung, Hygienekonzepte) eine landesweite oder regionale Öffnung des Einzelhandels vorsehen können (s. Nr. 6 und 7, https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1872054/66dba48b5b63d8817615d11edaaed849/2021-03-03-mpk-data.pdf?download=1). Die Corona-Verordnung des Antragsgegners vom 07.03.2021 dient der Umsetzung dieses "Stufenplans" (S. 3 der Begründung zur 6. Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) vom 7. März 2021, https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Coronainfos/210307_6.CoronaVO_Begruendung_.pdf).

Die in den angefochtenen Vorschriften getroffene Entscheidung des Antragsgegners, den nicht "privilegierten" Einzelhandel nur unter den am 03.03.2021 beschlossenen Maßgaben zu öffnen, stellt damit keine landesspezifische Entscheidung dar, sondern ist Teil der vom Bundesgesetzgeber bei bundesweiter Überschreitung des Schwellenwerts von 50 ausdrücklich gewünschten "bundesweit möglichst einheitlichen Strategie" (vgl. erneut BT-Drs. 19/23944 vom 03.11.2020, S. 34 f. zu § 28a Abs. 2 des Entwurfs). Bei der Umsetzung einer solchen bundesweit einheitlichen Strategie in Landesrecht durfte der Antragsgegner berücksichtigen, dass "mögliche infektiologische Wechselwirkungen und Verstärkungen zwischen einzelnen Regionen" möglichst ausgeschlossen werden sollen (vgl. erneut BT-Drs. 19/23944, a.a.O.). Hiervon ausgehend bietet § 28a Abs. 3 Satz 9 IfSG dem Antragsgegner zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Anlass, bei der Schließung von Schankwirtschaften regional differenzierende Regelungen zu schaffen.

Aus § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG folgt im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Senatsentscheidung schon deshalb nichts anderes, weil der dort normierte, auf den Landesdurchschnitt bezogene Inzidenzschwellenwert von 50 in Baden-Württemberg seit geraumer Zeit wieder überschritten wird. Er beträgt zurzeit 103,0 (vgl. Landesgesundheitsamt, Lagebericht COVID-19 vom 22.03.2021, https://www.gesundheitsamt-bw.de/lga/DE/Fachinformationen/Infodienste_Newsletter/InfektNews/Lagebericht%20COVID19/COVID_Lagebericht_LGA_210322.pdf).

(cc) Offen ist allerdings, ob die angefochtene Vorschrift des § 1c Abs. 2 CoronaVO mit § 28a Abs. 1 IfSG auf eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage aus dem Infektionsschutzgesetz gestützt ist, die den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts genügt (s. dazu ausführlich Senat, Beschl. v. 19.02.2021 - 1 S 502/21 - und v. 18.02.2021 - 1 S 398/21 - jeweils juris). Ob die Norm in jeder Hinsicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, wird jedoch in einem Hauptsacheverfahren zu klären sein (bejahend BayVGH, Beschl. v. 08.12.2020 - 20 NE 20.2461 -). Ein Verstoß gegen das Zitiergebot liegt hingegen nicht vor. Die Verordnungsermächtigung des § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2, 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG verstößt nicht gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Insbesondere fallen berufsregelnde Gesetze nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unter das Zitiergebot (vgl. auch hierzu bereits Senat, Beschl. v. 09.04.2020 und v. 23.04.2020, je a.a.O.).

(dd) Die angefochtene Vorschrift begründet voraussichtlich keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Antragstellerin auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Mit der Regelung in § 1c Abs. 2 CoronaVO verfolgt der Antragsgegner einen legitimen Zweck (1). Das dazu gewählte Mittel erweist sich aller Voraussicht nach als geeignet (2), erforderlich (3) und angemessen (4).

(1) Mit der angefochtenen Bestimmung verfolgt der Verordnungsgeber einen legitimen Zweck.

Der Verordnungsgeber ist Ende November 2020 zu der - unter anderem durch die Erhebungen des Robert-Koch-Instituts bestätigten - Einschätzung gelangt, dass mit den seit 01.11.2020 zunächst angeordneten Maßnahmen des sog. "Lockdowns light" zwar das exponentielle Wachstum des pandemiebedingten Infektionsgeschehens zunächst gestoppt, hingegen das Ziel einer Umkehrung der damals besorgniserregenden Entwicklung des Infektionsgeschehens nicht erreicht werden konnte, sondern dass im Gegenteil ausgehend von einem schon sehr hohen Niveau wieder der Beginn eines erneuten exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen festzustellen war. Der Verordnungsgeber hatte sich vor diesem Hintergrund dazu entschlossen, das "unmittelbare Ziel" zu verfolgen, "die Anzahl physischer Kontakte in der Bevölkerung umgehend und flächendeckend auf ein absolut erforderliches Mindestmaß zu reduzieren. Nur durch eine umgehende, drastische Beschränkung von Kontakten lässt sich die erneute exponentielle Dynamik des Infektionsgeschehens nicht nur brechen, sondern auch nachhaltig umkehren" (Begründung der Zweiten Änderungsverordnung, https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/Corona-infos/201215_Begruendung_zur_2.AenderungsVO_zur _5. CoronaVO.pdf).

Diesem Ziel dienten die Maßnahmen, die der Verordnungsgeber in der Verordnung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 11.12.2020 und der Zweiten Änderungsverordnung vom 15.12.2020 sowie der Dritten Änderungsverordnung vom 08.01.2021 eingeführt hat. Damit soll zu der im Rahmen eines Gesamtkonzepts zusammen mit anderen Maßnahmen erstrebten möglichst umfassenden Kontaktreduzierung beigetragen werden. "Unmittelbares Ziel der Maßnahmen der §§ 1b bis 1h CoronaVO" ist ausweislich der Verordnungsbegründung "nach wie vor, die Anzahl physischer Kontakte in der Bevölkerung umgehend und flächendeckend auf ein absolut erforderliches Mindestmaß zu reduzieren. Nur durch eine umgehende, drastische Beschränkung von Kontakten lässt sich die erneute exponentielle Dynamik des Infektionsgeschehens nicht nur brechen, sondern auch nachhaltig umkehren" (Begründung der Dritten Änderungsverordnung, abrufbar unter https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/ Corona-infos/210110_Begruendung_zur_3.AenderungsVO_ zur_5.CoronaVO.pdf; s. allgemein zu den vom Verordnungsgeber verfolgten Zielen auch bereits Begründung der Zweiten Änderungsverordnung vom 15.12.2020, a.a.O.).

Dieses Ziel verfolgt der Verordnungsgeber weiterhin, jedoch änderte er mit der 6. CoronaVO vom 07.03.2021 seine Strategie insoweit, als er aufgrund steigender Impfquoten, Möglichkeiten zu Schnell- und Selbsttestungen, verbesserten Schutzkonzepten und besseren Möglichkeiten zur Kontaktverfolgung sein Gesamtkonzept zur Bekämpfung des Coronavirus neu ausrichtete, obwohl der der Schwellenwert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner nach § 28a Absatz 3 Satz 5 IfSG als Orientierungsmarke für Lockerungen überschritten wird. Ziel ist weiterhin, "durch eine stets zeitlich zu befristende und regelmäßig auf die Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfende Reduzierung öffentlicher und privater Kontakte das Virus so unter Kontrolle zu halten, dass die Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems gewährleistet werden kann" (S. 9 der Begründung zur 6. CoronaVO vom 07.03.2021, a.a.O.).

Diese Ziele sind im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes legitim. Ziel der Regelung ist im Kern der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit jedes Einzelnen wie auch der Bevölkerung insgesamt, wofür den Staat gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine umfassende Schutzpflicht trifft (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.10.1977 - 1 BvQ 5/77 - juris Rn. 13 f.; st. Rspr. auch des Senats, vgl. nur Beschl. v. 18.01.2021, a.a.O.).

(2) Die angefochtene Vorschrift stellt ein geeignetes Mittel dar, um die genannten legitimen Ziele zu erreichen.

Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann (vgl. nur Senat, Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O., m.w.N.). Diese Voraussetzung erfüllt die angefochtene Vorschrift. Sie ist insbesondere dazu geeignet, Infektionsketten zu unterbrechen, ein erneutes exponentielles Wachstum zu verhindern und die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verlangsamen.

Die Eignung der angefochtenen Bestimmung wird auch nicht durch das Vorbringen der Antragstellerin - die freilich für die weiterreichende Betriebsuntersagung der zuvor angefochtenen Vorschrift des § 1d Abs. 1 Satz 1 CoraonVO i.d.F. v. 13.02.2021 die Eignung bejahte - in Frage gestellt, dass Ausbruchsgeschehen im Einzelhandel im Pandemiegeschehen keine herausragende Rolle gespielt hätten und insoweit eine verlässliche Datengrundlage fehle. Denn die mit der angegriffenen Maßnahme bewirkte Reduzierung von Kontakten kann der Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus entgegenwirken. Da die Ursache von Infektionen mit dem Coronavirus derzeit in der Vielzahl der Fälle nach wie vor nicht festzustellen ist, sind umfassend angelegte Maßnahmen zur Reduzierung von Kontakten - zumal in geschlossenen Räumen - geeignet im oben genannten Sinne. Der Antragsgegner hat den ihm bei der Beurteilung der Eignung einer Maßnahme zustehenden Beurteilungsspielraum (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 - 2 BvL 43/92 u.a. - BVerfGE 90, 145, 172 f., und Senat, Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O., jeweils m.w.N.) angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens sowie der wissenschaftlichen Fachdiskussion aller Voraussicht nach nicht überschritten (vgl. hierzu bereits Senat, Beschl. v. 18.01.2021, a.a.O.). Für die Geeignetheit der Beschränkungen des Einzelhandels zur Eindämmung der Pandemie ist folglich nicht erforderlich, dass es sich bei diesem bekanntermaßen um einen "Hotspot" handelt. Dass sich die Infektionen auf viele Lebensbereiche erstrecken und sich ihrer Ursache nach als diffus erweisen, ist dabei auch der Eigenart des Infektionsgeschehens geschuldet und derzeit nicht ein Versäumnis des Antragsgegners, das Infektionsgeschehen räumlich wie inhaltlich zu identifizieren. Denn Clustersituationen in anonymen Menschengruppen mit einer Vielzahl anonymer Zufallsbegegnungen (z. B. ÖPNV, Kino, Theater, Einzelhandel) sind viel schwerer zu erfassen als in nicht-anonymen Menschengruppen (z.B. Familienfeiern, Schulklassen, Kitas). Daher ist der Antragsgegner in seinen Maßnahmen nicht darauf beschränkt, nur Aktivitäten zu beschränken, die in der Vergangenheit bereits als typische "Treiber der Pandemie" identifiziert wurden (so zutr. OVG NRW, Beschl. v.19.03.2021 - 13 B 252/21.NE - juris Rn. 40 ff.).

Voraussichtlich unbegründet ist auch das Vorbringen der Antragstellerin, die Anknüpfung der Regelungen an die 7-Tage-Inzidenz sei nicht sachgerecht. Der Gesetzgeber hat in § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG ausdrücklich normiert, dass "Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen...insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen" ist, und dabei auf die Schwellenwerte von 35 und 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen abgestellt (§ 28a Abs. 3 Sätze 5 bis 12 IfSG). Dass diese Regelungen verfassungswidrig, z.B. willkürlich seien, legt die Antragstellerin nicht dar und drängt sich dem Senat jedenfalls nicht auf. Insbesondere vermag der Senat im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass eine hohe 7-Tage-Inzidenz keinerlei Bezug zur Überlastung des Gesundheitssystems und der Auslastung der Intensivbetten - die die Antragstellerin für sachgerechtere Kriterien hält - hat.

(3) Die Regelung in § 1c Abs. 2 CoronaVO (und die in § 20 Abs. 3 bis 5 CoronaVO) ist zur Erreichung der von dem Verordnungsgeber verfolgten Ziele auch aller Voraussicht nach im Rechtssinne erforderlich.

Ein Gesetz ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können, wobei dem Gesetzgeber auch insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.06.1984 - 1 BvR 1494/78 - juris Rn. 54 ff., und v. 09.03.1994 - 2 BvL 43/92 - juris Rn. 122, jeweils m.w.N.).

Der Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Anordnung steht vorliegend ebenfalls nicht der sinngemäße Einwand entgegen, dass die vom Einzelhandel ausgehende Ansteckungsgefahr gegenüber anderen Infektionsumfeldern nach den derzeit verfügbaren Daten möglicherweise eine untergeordnete Rolle spielt. Nach den bekannten, durch das RKI ausgewerteten Daten kann aktuell oft kein konkretes Infektionsumfeld ermittelt werden. Die Fallzahlen und der R-Wert deuten nach wie vor auf eine anhaltende Zirkulation in der Bevölkerung hin. Es liegt derzeit nach wie vor ein zumeist diffuses Infektionsgeschehen vor, ohne dass Infektionsketten noch eindeutig nachvollziehbar sind (vgl. Lagebericht RKI, a.a.O., S. 2). Folglich waren und sind Infektionsumfelder in vielen Fällen nicht eindeutig zuordenbar, weshalb sich auch empirische Nachweise, welche Bereiche tatsächlich hohe Infektionsgefahren bergen und somit "Treiber der Pandemie" wären, nicht belastbar erbringen lassen. Damit sind - wie dargelegt - auch zielgenauere Eingriffe gegenwärtig in vielen Fällen nicht möglich.

Die Erforderlichkeit wird auch nicht durch das Vorbringen der Antragstellerin infrage gestellt, die Verpflichtung zur Terminvereinbarung sei verfassungsrechtlich nicht geboten und das mit diesem Erfordernis verfolgte Ziel könne genauso gut durch die Angabe von Kontaktdaten beim Betreten des Möbelhauses erreicht werden. Wie der Antragsgegner zutreffend dargelegt hat, kann die Verpflichtung zur vorherigen Terminvereinbarung die Kontaktdatenerfassung zuverlässiger gewährleisten und zur Entzerrung von Kundenströmen beitragen. Es handelt sich daher um ein im Vergleich zur Angabe von Kontakten beim Betreten des Einzelhandelsgeschäfts wirksameres Mittel.

(4) Die angefochtenen Vorschriften dürften auch verhältnismäßig im engeren Sinne sein.

Der Antragsgegner verfolgt mit den oben beschriebenen Zielen den Schutz von hochrangigen, ihrerseits den Schutz der Verfassung genießenden wichtigen Rechtsgütern. Die Vorschrift dient, wie gezeigt, dazu, - auch konkrete - Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell großen Zahl von Menschen abzuwehren. Die angefochtene Norm bezweckt zugleich, die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland durch die Verlangsamung des Infektionsgeschehens sicherzustellen. Der Antragsgegner kommt damit der ihn aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich treffenden Schutzpflicht nach.

Der Senat misst den von dem Antragsgegner verfolgten Eingriffszwecken ein sehr hohes Gewicht bei. Er geht insbesondere davon aus, dass die Gefahren, deren Abwehr die angefochtenen Vorschriften dienen, derzeit nach wie vor in hohem Maße bestehen. Das RKI führt in seiner aktuellen "Risikobewertung zu COVID-19" (Stand 15.03.2021) unter anderem aus (Hervorhebung im Original):

"Es handelt sich weltweit, in Europa und in Deutschland um eine ernst zu nehmende Situation. Insgesamt nimmt die Anzahl der Fälle weltweit zu, die Fallzahlen entwickeln sich aber von Staat zu Staat unterschiedlich: Manche Staaten erleben nach vorübergehendem Rückgang einen dritten Anstieg der Fallzahlen, in anderen Ländern gehen die Fallzahlen momentan zurück. In vielen Staaten wurde mit der Impfung der Bevölkerung begonnen, werden die hohen Altersgruppen priorisiert.

Ziel der Anstrengungen in Deutschland ist es, einen nachhaltigen Rückgang der Fallzahlen, insbesondere der schweren Erkrankungen und Todesfälle zu erreichen. Nur wenn die Zahl der neu Infizierten insgesamt deutlich sinkt, können auch Risikogruppen wie ältere Personen und Menschen mit Grunderkrankungen zuverlässig geschützt werden.

Nach einem Rückgang ab Ende Dezember steigen die 7-Tage-Inzidenz und Fallzahlen im Bundesgebiet seit Februar wieder an und beschleunigt sich aktuell, dies betrifft alle Altersgruppen unter 65 Jahren. Ein besonders rascher Anstieg wird bei Kindern und Jugendlichen beobachtet.

Auch der Rückgang der COVID-19-Fallzahlen auf Intensivstationen setzt sich nicht weiter fort, sondern die ITS-Belegung mit COVID-19-Fällen stagniert aktuell oder steigt leicht an.

Schwere Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, betreffen dabei auch Menschen unter 60 Jahren.

In den meisten Kreisen handelt es sich um ein diffuses Geschehen, sodass oft keine konkrete Infektionsquelle ermittelt werden kann und man von einer anhaltenden Zirkulation in der Bevölkerung (Community Transmission) ausgehen muss. Neben der Fallfindung und der Nachverfolgung der Kontaktpersonen sind daher die individuellen infektionshygienischen Schutzmaßnahmen von herausragender Bedeutung (Kontaktreduktion, AHA + L und bei Krankheitssymptomen zuhause bleiben).

Zahlreiche Häufungen werden vor allem in Privathaushalten, in Kitas und zunehmend Schulen sowie dem beruflichen Umfeld einschließlich der Kontakte unter der Belegschaft beobachtet. Die Zahl von COVID-19-bedingten Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern nimmt unter anderem aufgrund der fortschreitenden Durchimpfung weiter ab.

Für die Senkung der Neuinfektionen, den Schutz der Risikogruppen und die Minimierung von schweren Erkrankungen ist die Impfung der Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Effektive und sichere Impfstoffe sind seit Ende 2020 zugelassen. Da sie noch nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen, werden die Impfdosen aktuell vorrangig den besonders gefährdeten Gruppen angeboten.

Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und erst wenige Therapieansätze haben sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen.

Die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten von SARS-CoV-2 (B.1.1.7, B.1.351 und P1) ist besorgniserregend. Diese besorgniserregenden Varianten (VOC) werden auch in Deutschland nachgewiesen, der Anteil der Variante B 1.1.7 nimmt - mit regionalen Unterschieden - rasch zu. Aufgrund der vorliegenden Daten hinsichtlich einer erhöhten Übertragbarkeit der Varianten und potenziell schwererer Krankheitsverläufe trägt dies zu einer schnellen Zunahme der Fallzahlen und der Verschlechterung der Lage bei. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen sehr gut vor einer Erkrankung durch die in Deutschland hauptsächlich zirkulierende Variante B.1.1.7, und sie schützen auch vor schweren Erkrankungen durch die anderen Varianten.

Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern." (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html;jsessionid=A4757948E59D99E7173F75D162473240.internet071?nn=2386228, zuletzt abgerufen am 22.03.2021).

Diese Einschätzung des RKI beruht - ebenso wie der oben genannte Lagebericht - auf einer Auswertung der zurzeit vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse und ist inhaltlich nachvollziehbar. Sie gibt dem Senat Anlass, die vom Antragsgegner mit § 1c Abs. 2 CoronaVO verfolgten Zwecke mit einem sehr hohen Gewicht in die gebotene Abwägung einzustellen. Dies rechtfertigt es gegenwärtig zweifellos, weiterhin auch normative und mit Grundrechtseingriffen verbundene Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen. Dazu können grundsätzlich auch Betriebsuntersagungen gehören.

Die dem entgegenstehenden - grundrechtlich geschützten - Belange der Antragstellerin und insgesamt des nicht "privilegierten" Einzelhandels, die für die Beurteilung der Zumutbarkeit der angefochtenen Bestimmung und des mit ihr bewirkten Grundrechtseingriffs zu berücksichtigen sind, weisen ein sehr beachtliches Gewicht auf. Die von den Schließungen und Beschränkungen betroffenen Einrichtungen werden dadurch in vielen Fällen spürbare wirtschaftliche Einbußen erleiden, die sie ohne Kompensationsmaßnahmen teilweise auch existentiell treffen können. Diese Beeinträchtigungen sind der Antragstellerin und den übrigen betroffenen Betrieben bei der gebotenen Abwägung zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch zumutbar. Ihren Belangen gegenüber stehen die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener, für die der Staat nach Art. 2 Abs. 2 GG eine Schutzpflicht hat, und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands.

Zur Abmilderung des Eingriffs tragen die staatliche Hilfsleistungen bei, von denen auch die Antragstellerin profitieren kann. In der Abwägung ist zudem zu berücksichtigen, dass das Infektionsgeschehen durch ein zumeist nach wie vor diffuses Geschehen geprägt (vgl. RKI, Lagebericht vom 22.03.2021, a.a.O., S. 1 f.) und insbesondere im Land zuletzt wieder ein deutlich sichtbarer Anstieg der Neuinfektionszahlen zu beobachten ist (vgl. LGA, Lagebericht vom 22.03.2021, a.a.O.). Schließlich sieht der Verordnungsgeber im Rahmen seiner aktuellen Strategie (s.o.) gerade für den Einzelhandel - dem vor dem 08.03.2021 bereits die Möglichkeiten der Abholangebote, der Lieferdienste und des Online-Handels offen standen (vgl. dazu nur Senat, Beschl. v. 18.02.2021 - 1 S 398/21 - juris) - Öffnungsschritte vor. Auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin geforderte weitergehende Öffnung des Einzelhandels kann sich der Antragsgegner grundsätzlich für ein stufenweises Vorgehen entscheiden, um im Rahmen einer engmaschigen Kontrolle zu beobachten, wie sich einzelne Öffnungsschritte auf das Infektionsgeschehen auswirken (vgl. dazu, dass insbesondere eine schlagartige Öffnung sämtlicher Einzelhandelsbetriebe derzeit noch nicht von Rechts wegen geboten ist, Senat, Beschl. v. 18.02.2021, a.a.O.). So hat der Verordnungsgeber zunächst mit Wirkung vom 22.02.2021 den Präsenzbetrieb von Kitas und Einrichtungen der Kinderbetreuung sowie (im Wechselunterricht) von Grundschulen wieder zugelassen und damit - aus für die Allgemeinheit besonders bedeutsamen sozialen und gesellschaftlichen Gründen (vgl. § 28a Abs. 6 Satz 2 und 3 IfSG) - eine Vielzahl von Sozialkontakten und Infektionsgefahren in Kauf genommen. Sodann hat er - trotz eines unterdessen zu verzeichnenden Anstiegs der Infektionszahlen - mit der streitgegenständlichen Verordnung zum 08.03.2021 weitere Lockerungen in Umsetzung der oben skizzierten bundesweiten Absprachen vom 03.03.2021 umgesetzt. Mit dem jüngsten Beschluss der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder vom 22.03.2021 sollen die in Aussicht genommenen Lockerungsschritte aufgrund des erneut dynamischen Wachstums der Infektionszahlen zunächst ausgesetzt, und besonders für Kreise mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 100 die Maßnahmen nochmals verschärft werden (https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1879672/2854753dbc7549432db7f0bba94e8c0f/2021-03-22-mpk-data.pdf?download=1). Der Verordnungsgeber ist jedoch gehalten, bei einem Abflauen des Infektionsgeschehens fortlaufend zu prüfen, wann die in Aussicht gestellten Lockerungsschritte umgesetzt werden können.

Im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgebots im engeren Sinne ist folglich nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber derzeit davon absieht, weitere Öffnungsschritte im Einzelhandel zu unternehmen, die ebenfalls zu einem großen Anstieg von Sozialkontakten und Infektionsgefahren führen würden.

(ee) In den Beschränkungen durch § 1c Abs. 2 CoronaVO (und durch § 20 Abs. 3 bis 5 CoronaVO) liegt voraussichtlich gegenwärtig noch kein Eingriff in das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG in seiner Ausgestaltung als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dieses Recht vermittelt lediglich einen Bestandsschutz. Es schützt nicht bloße Gewinn- und Umsatzchancen sowie tatsächliche Gegebenheiten (vgl. BVerfG, Urt. v. 06.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246-396, juris Rn. 372; im Einzelnen Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Februar 2020, Art. 14 Rn. 204 ff. m.w.N.). Selbst wenn die angefochtene Vorschrift als Inhalts- und Schrankenbestimmung einzuordnen wäre, würde sie sich derzeit aus den oben genannten Gründen voraussichtlich als verhältnismäßig erweisen.

(ff) Hingegen dürfte in der angefochtenen Vorschrift des § 1c Abs. 2 CoronaVO ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegen.

(1) Wenn sich der Verordnungsgeber dafür entscheidet, bestimmte Betriebe und Dienstleistungen zu verbieten, ist er bei der Ausgestaltung der hierzu getroffenen Regelungen an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Dieser gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.07.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. - BVerfGE 98, 365, 385; Beschl. v. 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68 f.; Urt. v. 19.02.2013 - 1 BvL 1/11 u.a. - BVerfGE 133, 59, 86). Der allgemeine Gleichheitssatz enthält nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keinen für jeden Regelungsbereich in gleicher Weise geltenden Maßstab. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG, Beschl. v. 21.07.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. - BVerfGE 126, 400, 416; Beschl. v. 18.07.2012 - 1 BvL 16/11 - BVerfGE 132, 179, 188). Der jeweils aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend. Jedoch ist der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger. Ein solcher besteht von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen (Art. 80 Abs. 1 GG). Der Verordnungsgeber darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden. In diesem Rahmen muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (BVerfG, Beschl. v. 23.07.1963 - 1 BvR 265/62 - BVerfGE 16, 332, 338 f.; Beschl. v. 12.10.1976 - 1 BvR 197/73 - BVerf-GE 42, 374, 387 f.; Beschl. v. 23.06.1981 - 2 BvR 1067/80 - BVerfGE 58, 68, 79; Beschl. v. 26.02.1985 - 2 BvL 17/83 - BVerfGE 69, 150, 160; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 80 Abs. 1 GG Rn. 73). Der Verordnungsgeber soll das Gesetz konkretisieren und "zu Ende denken", weiter gehen seine Befugnisse jedoch nicht. Er muss daher den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind. Gesetzlich vorgegebene Ziele darf er weder ignorieren noch korrigieren (Nierhaus, in: BK, Art. 80 Abs. 1 GG Rn. 330, 336 [Stand: November 1998]).

Anordnungen von Betriebsschließungen und Beschränkungen von Betrieben haben sich mithin an den Zwecken der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28a IfSG auszurichten, wenn sie Ungleichbehandlungen vornehmen. § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG bestimmt, dass bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen sind, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vereinbar ist. Gem. § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG können einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) nicht zwingend erforderlich ist. Dabei sind über infektiologische Gesichtspunkte hinaus wegen der Bedeutung für das Gemeinwohl Regelungen für Betriebe, die Grundbedürfnisse befriedigen, im Hinblick auf den Gleichheitssatz voraussichtlich ebenso wenig zu beanstanden wie vorrangige Öffnungen von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschl. v. 18.05.2020 - 1 S 1386/20 -; Beschl. v. 18.05.2020 - 1 S 1357/20 -; Beschl. v. 05.11.2020 - 1 S 3405/20 -; Beschl. v. 08.01.2021 - 1 S 4272/20 -).

(2) Die Zulassung des Betriebs von Friseurgeschäften ist im Verhältnis zu der beschränkten Öffnung des nicht privilegierten Einzelhandels voraussichtlich kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Dienstleistungsbetrieb eines Friseurs mit einem Einzelhandelbetrieb vergleichbar ist. Jedenfalls liegt ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung aller Voraussicht nach darin, dass Friseurdienstleistungen nach typisierender Betrachtungsweise noch der Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Sie werden von einem Großteil der Bevölkerung regelmäßig in Anspruch genommen, dienen der grundlegenden Körperpflege und sind in der Regel nicht über längere Zeit aufschiebbar (so schon Senat, Beschl. v. 14.12.2020 - 1 S 3808/20 - n.v.; OVG NRW, Beschl. v. 26.11.2020 - 13 B 1636/20.NE - juris;). Hinzu kommt, dass ihnen - anders als Betrieben des Einzelhandels - Möglichkeiten wie der für den Einzelhandel bereits vor dem 08.03.2021 zulässige Liefer- und Abholdienst oder ein Onlinehandel nicht offenstehen (Senat, Beschl. v. 01.03.2021 - 1 S 555/21 -).

(3) Die Entscheidung des Antragsgegners, Einzelhandelsbetriebe, die der Befriedigung von Grundbedürfnissen der Bevölkerung dienen, von der Untersagung nach § 1c Abs. 2 Satz 1 CoronaVO auszunehmen und nicht den Regelungen nach § 20 Abs. 3 bis 5 CoronaVO zu unterstellen, ist voraussichtlich ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Privilegierung des den Grundbedürfnissen der Bevölkerung dienenden Einzelhandels, der für das tägliche Leben nicht verzichtbare Produkte verkauft, ist - wie vom Senat mehrfach entschieden, insbesondere im Beschluss vom 18.02.2021, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird - durch gewichtige Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt.

Dabei dürfte es voraussichtlich nicht zu beanstanden sein, hierzu gemäß § 1c Abs. 2 Nr. 11 CoronaVO auch Bau- und Raiffeisenmärkte zu zählen. Der Senat teilt die Auffassung des Antragsgegners, dass diese Märkte im Hinblick auf die Durchführung von Reparaturen im eigenen Haushalt der Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs und der Versorgung von Handwerkern und Gewerbetreibenden für ebensolche Zwecke dienen.

Die insoweit für den nicht "privilegierten" Einzelhandel eingeschränkteren Bedingungen einer reduzierteren Kundenzahl und einer vorherigen Terminbuchung finden voraussichtlich einen noch hinreichend tragfähigen Sachgrund in dem auf eine schrittweise und kontrollierte Öffnung des gesamten Einzelhandels hin angelegten Regelungskonzept des Antragsgegners. Dieses will einerseits angesichts der bei Erlass der Verordnung noch stabilen Inzidenzzahlen und dem nach dem langen Lockdown aufgestauten Versorgungsbedarf für die sonstigen Handelsgeschäfte eine erste Öffnungsperspektive realisieren, diese aber zugleich infektiologisch in besonderer Weise absichern, um die Auswirkungen der Öffnung auf das Infektionsgeschehen zu minimieren und rechtzeitig gegensteuern zu können. Andererseits soll das auf eine schrittweise und kontrollierte Öffnung aller Handelsgeschäfte zielende Regelungskonzept nicht aus Gründen der Gleichbehandlung zu einer Verschärfung der Zugangsbedingungen für diejenigen Ladengeschäfte führen, die bislang von der Schließung ausgenommen waren (so zutr. OVG NRW, Beschl. v. 19.03.2021, a.a.O. Rn. 100).

(4) An einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG fehlt es voraussichtlich auch im Verhältnis zu Gärtnereien, Blumenläden und Gartenmärkten, die seit dem 01.03.2021 wieder öffnen durften. Der Senat hält auch nach erneuter Prüfung an seinen Ausführungen hierzu im Beschluss vom 01.03.2021 (a.a.O.) fest:

"Es bedarf keiner Entscheidung, ob Betriebsbeschränkungen in diesen beiden Bereichen wesentlich gleiche Sachverhalte betreffen und ob sie gegebenenfalls infektionsschutzbezogene Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht aufweisen, dass eine Ungleichbehandlung bereits aus diesem Grund gerechtfertigt ist. Ausgehend davon, dass sich der Verordnungsgeber, wie oben gezeigt, bei dem derzeitigen Stand des Pandemiegeschehens dafür entscheiden durfte, die bestehenden Beschränkungen nicht schlagartig, sondern stufenweise zu lockern, um die Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen engmaschig zu beobachten, hatte er gemäß § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit zu berücksichtigen. Er konnte sich dabei ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dazu entscheiden, die ersten Schritte zur Lockerung im Bereich des Einzelhandels in der Gartenbaubranche zu unternehmen, die im Vergleich zu dem übrigen Einzelhandel zunächst geringere Kundenströme und zumindest zu einem beachtlichen Teil Kundenkontakte im Freien betrifft."

(5) Hingegen liegt voraussichtlich eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des nicht "privilegierten" Einzelhandels im Verhältnis zum Buchhandel vor. Dieser ist gemäß § 1c Abs. 2 Satz 4 Nr. 8 CoronaVO von der Untersagung nach § 1c Abs. 2 Satz 1 CoronaVO ausgenommen. Er unterliegt weder der Verpflichtung zur Vergabe von Einzelterminen nach § 1c Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 CoronaVO noch der Verkaufsflächenbegrenzung auf einen Kunden pro angefangene 40 m² Verkaufsfläche nach § 1c Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 CoronaVO noch den Regelungen nach § 20 Abs. 3 bis 5 CoronaVO über Öffnungen, Beschränkungen und Schließungen des Einzelhandels abhängig von der Schwellenwerten von 35, 50 und 100 in der 7-Tage-Inzidenz. Für diese Ungleichbehandlung fehlt eine Rechtfertigung.

Gründe des Infektionsschutzes können die Ungleichbehandlung nicht tragen. Solche Gründe werden von dem Antragsgegner nicht vorgetragen, sie sind für den Senat auch nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen in Buchhandlungen vergleichbare Infektionsgefahren wie im sonstigen Einzelhandel, da der Aufenthalt der Kunden in geschlossenen Räumen stattfindet, der Aufenthalt nicht typischerweise auf eine sehr kurze Aufenthaltsdauer gerichtet ist und auch nicht von vornherein sehr geringfügige Kundenströme zu erwarten sind.

Dem Buchhandel kommt keine die Ungleichbehandlung rechtfertigende Grundversorgungsfunktion zu. Der Zeitungs- und Zeitschriftenverkauf hat dabei von vornherein außer Betracht zu bleiben. Denn eine Ausnahme für den Zeitungs- und Zeitschriftenverkauf war bereits zuvor durchgängig in der Corona-Verordnung des Antragsgegners enthalten. Die in einer Demokratie und im Hinblick auf die Wahrnehmung der Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG wichtige Möglichkeit für die Bevölkerung, Zeitungen und Zeitschriften zu erwerben, sich somit gesellschaftlich, politisch, kulturell und sonstwie zu informieren und auf diese Weise an der Meinungsbildung teilnehmen zu können, war mithin bereits vor der Öffnung des Buchhandels gegeben. Auch die Möglichkeit des Erwerbs von Büchern vermag die Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch für die vom Antragsgegner geltend gemachten Belange der Wissenschaftsfreiheit, des Erwerbs von Ausbildungsliteratur und der kulturellen Grundversorgung. Es ist nicht erkennbar, dass diese Funktionen nur erfüllt werden könnten, wenn keine Pflicht zur Terminvereinbarung nach § 1c Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 CoronaVO besteht und nach § 13 Abs. 2 CoronaVO ein Kunde je 10 bzw. 20 m² Verkaufsfläche zulässig ist und nicht bloß ein Kunde je 40 m² Verkaufsfläche nach § 1c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 CoronaVO. Dem Umstand, dass die Öffnung des Buchhandels Gegenstand einer bundesweiten Abstimmung ist, kommt dabei keine Bedeutung zu. Die im Beschluss vom 03.03.2021 vorgenommene "Zurechnung" des Buchhandels zum "Einzelhandel des täglichen Bedarfs" - auf deren Wiedergabe sich insoweit die Verordnungsbegründung des Antragsgegners beschränkt - entbindet nicht von der Einhaltung des Art. 3 Abs. 1 GG (ebenso SaarlOVG, Beschl. v. 09.03.2021 - 2 B 58/21 - juris; OVG NRW, Beschl. v. 19.03.2021, a.a.O.; ähnlich bereits Senat, Beschl. v. 30.04.2020 - 1 S 1101/20 - juris Rn. 59, zur damaligen 800m²-Grenze).

Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung ergibt sich auch nicht daraus, dass nach § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen sind, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 vereinbar ist. Über die oben genannten Gesichtspunkte hinaus, die die Ungleichbehandlung nicht tragen können, sind solche Auswirkungen vom Antragsgegner bereits nicht benannt.

b)Aufgrund der überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache besteht ein deutliches Überwiegen der von der Antragstellerin geltend gemachten Belange gegenüber den von dem Antragsgegner vorgetragenen gegenläufigen Interessen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung erscheint daher dringend geboten. Zwar sind die Interessen des Antragsgegners von sehr hohem Gewicht. Denn die infektionsschutzrechtlichen Regelungen dienen, wie schon dargelegt, dem Schutz von Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und der damit verbundenen Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands. Aber hieraus folgt nicht, dass die Antragstellerin Beschränkungen des Betriebs ihres Geschäfts durch eine voraussichtlich gleichheitswidrige Regelung hinnehmen müsste.

Aufgrund dieses Überwiegens der Belange der Antragstellerin ist die angegriffene Regelung des § 1c Abs. 2 CoronaVO vorläufig außer Kraft zu setzen. Dieses vorläufige Außer-Kraft-Setzen erfolgt jedoch - anders als von der Antragstellerin beantragt - nicht mit sofortiger Wirkung, sondern erst mit Ablauf des 28.03.2021, zu dem derzeit auch die Beschränkungen des § 1c Abs. 2 CoronaVO enden. Insoweit bleibt ihr Antrag zum Teil erfolglos.

Denn dem Antragsgegner stehen verschiedene Möglichkeiten offen, den voraussichtlichen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu beseitigen. Der allgemeine Gleichheitssatz ist grundsätzlich kein Instrument, das es Beteiligten erlaubt, die anderen eingeräumte, sie selbst nicht betreffende Vergünstigung zu bekämpfen und so auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen (BVerfG, Urt. v. 20.04.2004 - 1 BvR 905/00 - BVerfGE 110, 274, 303; Urt. v. 17.12.2014 - 1 BvL 21/12 - BVerfGE 138, 136, 172 f.). Folglich kann die Landesregierung insbesondere entweder den Buchhandel aus dem Katalog des privilegierten Einzelhandels des § 1c Abs. 2 CoronaVO wieder herausnehmen oder die Beschränkungen des § 1c Abs. 2 CoronaVO für sonstige Einzelhandelsbetriebe aufheben.

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass mit einer Außervollzugsetzung von § 1c Abs. 2 CoronaVO die Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 CoronaVO keinen Anwendungsbereich mehr hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Der Streitwert ist gemäß diesen Vorschriften nach der sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Da sich die Antragstellerin gegen die Untersagung ihres Betriebs wendet, nimmt der Senat die Festsetzung des Streitwerts in Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vor. Danach ist für eine Gewerbeuntersagung der Streitwert nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns, mindestens auf 15.000,-- EUR festzusetzen. Für großflächige Möbelhäuser nimmt der Senat aufgrund des typischerweise erheblichen Geschäftsvolumens regelmäßig einen Streitwert von 100.000,-- EUR an. Dieser ist wegen der Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu reduzieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.