OLG Hamburg, Beschluss vom 09.11.2020 - 13 U 15/20 Kart
Fundstelle
openJur 2021, 14068
  • Rkr:
Tenor

        1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.08.2019, Aktenzeichen 408 HKO 1/19, wird gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf € 100.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhalts 1. Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass der Kläger seine Aktivlegitimation nicht hinreichend dargelegt habe. Das Landgericht habe schon fehlerhaft angenommen, dass streitgegenständlich Nahrungsergänzungsmittel bzw. diätetische Lebensmittel seien, während es sich tatsächlich um Lebensmittel des täglichen Verzehrs für eine kohlenhydratreduzierte Ernährung handele. Insoweit fehle damit auch jeder konkrete Vortrag, welche Mitglieder des Klägers welche Produkte in den Verkehr brächten und inwieweit zwischen Mitgliedern des Klägers und der Beklagten ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe.

Es fehle auch ein aktueller Nachweis zum Mitgliederbestand des Klägers; der Vortrag des Klägers, dass sich insoweit in seinem Mitgliederbestand seit dem 04.01.2016 nichts geändert habe, sei vom 3. Zivilsenat des HansOLG (3 U 130/16, Urteil vom 03.08.2017) zu Unrecht als ausreichend angesehen worden. Damit sei ein irgendwie geartetes Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb nicht dargelegt.

Verkannt habe das Landgericht auch, dass der Kläger sich rechtsmissbräuchlich verhalte, indem er die Beklagte in Anspruch nehme und gleichzeitig nicht gegen jedenfalls vier (vgl. S. 11 und 12 der Klagerwiderung vom 20.12.2019) eigene Mitglieder vorgehe, die ebenfalls spezielle Lebensmittel mit dem Begriff „low carb“ bewürben. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger insoweit im Sinne der Rechtsprechung des BGH (I ZR 56/89, Urteil vom 05.10.1989) planmäßig vorgehe.

Schließlich sei dem Kläger auch ein Verstoß gegen Art.101 AEUV anzulasten. Der Kläger sei Unternehmer im Sinne der Norm, was schon daraus folge, dass er mit seiner Abmahnung auch Umsatzsteuer geltend mache, folglich also auch Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG sein müsse.

Falsch sei auch die Annahme der Kammer, dass Art. 101 AEUV schon nicht anwendbar sei, da die Tätigkeit des Klägers nicht auf Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs abziele. Auch insoweit sei entscheidend, dass der Kläger offenbar gezielt eigene Mitglieder nicht belästige.

Schließlich habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass es zum Begriff „low carb“ eine nachgewiesene Verkehrsauffassung gebe, wonach der Begriff einen „niedrigeren Kohlenhydratanteil“ bei Lebensmitteln ausweise. Es handele sich nicht um eine nährwertbezogene Aussage, vielmehr um eine traditionelle Angabe, ähnlich wie „Digestif“ oder „Hustenbonbon“.

Weiter handele es sich um eine allgemeine Bezeichnung für eine Produktkategorie im Sinne der Erwägungsgrundes 5 der VO (EG) 1924/2006. Eine nährwert- und gesundheitsbezogene Aussage liege nur vor, wenn die Angabe Lenkungswirkung entfalten könne, was bei der Angabe des Namens einer Produktkategorie nicht der Fall sein könne, da mit diesem Namen eben alle zu der fraglichen Kategorie gehörenden Produkte bezeichnet würden (vgl. BGH I ZR 167/12, Urteil vom 09.10.2014).Es würden zahlreiche Produkte aus den unterschiedlichsten Bereichen des Lebensmittelsortiments mit der Angabe „low carb“ bezeichnet (vgl. AnlKonv. K 3).

Schließlich sei die Benennung als „low carb“ sogar obligatorisch, im Sinne der Art. 2 Abs. 2 Ziffer 1 der VO (EG) 1924/200; der Verbraucher müsse bei den fraglichen Lebensmitteln auf deren „anderes Energieversorgungspotential“ hingewiesen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.08.2019 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und verweist ergänzend auf die hiermit übereinstimmende Rechtsprechung des OLG Stuttgart (2 U 23/19, Urteil vom 12.12.2019).

Ergänzend bringt er vor, dass er nicht etwa gezielt nicht gegen Mitglieder vorgehe, vielmehr spreche er Abmahnungen ungeachtet der Mitgliedschaft aus; insofern werde auch nicht etwa die Verwendung des Begriffs „low carb“ durch Mitgliedsunternehmen planmäßig geduldet.

Hinsichtlich der Aktivlegitimation sei entscheidend, dass ihm mehrere aus der Lebensmittelbranche stammende Unternehmen angehörten, denn entscheidend sei, dass diese Mitgliedsunternehmen und die Beklagte dem selben Branchenbereich zuzurechnen seien. Im Übrigen trage die Beklagte selbst vor, dass es sich bei den streitbefangenen Produkten um allgemeine Lebensmittel des täglichen Verzehrs und nicht um Nahrungsergänzungsmittel handele.

Schließlich weist er darauf hin, dass die Verwendung des Begriffes „low carb“ auch gegen Art. 9 Abs. 1 S. 2 LGVO verstoße, da es an einem Vergleich mit Lebensmitteln derselben Kategorie und zudem an der Angabe des Unterschieds in der Menge des fraglichen Nährstoffes fehle.

Auf den Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO vom 03.09.2020 hat die Beklagte daran festgehalten, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter vorliegen müsse, was ein irgendwie geartetes Konkurrenzmoment voraussetze, das eben nicht gegeben sei, wenn vollständig ungleichartige Waren vertrieben würden. Damit genüge es nicht, dass zu den Mitgliedern des Klägers die Unternehmen Norma und Vitalia gehören würden, es fehle jede konkrete Darlegung zu deren Angebotspalette, indem der Senat auf das Angebot dieser Firmen abstelle, verletze er den zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz.

Dass dem Kläger nur eine kleine Zahl von Lebensmittelunternehmen angehöre, lasse es im Übrigen naheliegend erscheinen, dass hier eine Absprache vorliege, gegen diese nicht - insbesondere nicht wegen Verwendung des Begriffes „low carb“ - vorzugehen. Hier liege also offenbar ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vor, dass passive Verhalten des Klägers gegenüber seinen Mitgliedern lasse nur diesen Schluss zu.

Schließlich hält die Beklagte daran fest, dass der Begriff „low carb“ nicht als „mit wenig Kohlenhydraten“ zu verstehen sei, sondern auf eine kohlenhydratreduzierte Ernährung abstelle. Festzuhalten sei auch daran, dass der streitigen Bezeichnung vorliegend die sog. Lenkungswirkung fehle und es sich zudem um eine obligatorische Angabe handele.

II.

Das Rechtsmittel der Beklagten hat nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

Wegen der Begründung im Einzelnen wird zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 03.09.2020 verwiesen. Der Inhalt des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.09.2020 führt nicht zu einer abweichenden Würdigung und gibt lediglich Anlass zu den folgenden knappen Ergänzungen.

1.) An der Aktivlegitimation des Klägers bestehen weiterhin keine Zweifel.

Wie das OLG Stuttgart (2 U 23/19, S. 7/8) in der im Hinweisbeschluss in Bezug genommenen Entscheidung geht auch der Senat davon aus, dass insoweit entscheidend darauf abzustellen ist, dass dem Kläger Unternehmen des - wie für „Norma“ und „Vitalia“ allgemeinkundig ist - Lebensmittelhandels angehören, denn hierbei handelt es sich um dieselbe Branche, in der nach eigenem Vortrag auch die Beklagte bei dem Vertrieb der streitgegenständlichen Produkte tätig ist: Sie selbst bringt vor, dass es sich um eine Kategorie von Lebensmitteln handele (S. 14 der Berufungsbegründung).

2.) Dass der Kläger aus sachfremden Motiven heraus den streitgegenständlichen Anspruch geltend gemacht hätte und damit rechtsmissbräuchlich handele, da er planmäßig nicht gegen eigene Mitglieder vorgehe, die den Begriff „low carb“ ebenfalls verwendeten, hat die Beklagte schon nicht schlüssig dargelegt; insoweit verbleibt es bei den Ausführungen im Hinweisbeschluss.

3.) Es besteht auch keinerlei Zweifel, dass es sich bei „low carb“ um eine nährwertbezogene Angabe im Sinne des Art. 8 Abs. 1 HCVO handelt - der Senat schließt sich den (schon im Hinweisbeschluss zitierten) vollständig überzeugenden Ausführungen des OLG Stuttgart (aaO., S. 11 - 14) an.

Da - unstreitig - diese nährwertbezogene Angabe im Anhang zur HCVO nicht aufgeführt ist, liegt in ihrer Verwendung eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne der §§ 3, 3a UWG.

Es handelt sich auch nicht um eine traditionelle Bezeichnung im Sinne von Erwägungsgrund 5 der HCVO, auch insoweit ist den vollständig überzeugenden Ausführungen des OLG Stuttgart (aaO., S. 14/15) nichts hinzuzufügen.

4.) Soweit die Beklagte weiterhin einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV sieht, ist den Ausführungen im Hinweisbeschluss nichts hinzuzufügen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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