OLG Hamburg, Urteil vom 28.02.2020 - 2 U 18/18
Fundstelle
openJur 2021, 14064
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.03.2018, Az. 304 O 77/16, abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, das im Grundbuch von Eißendorf Blatt .... Nr. ... verzeichnete Grundstück (Flurstück .... der Gemarkung Eißendorf mit einer Fläche von 974qm. Belegenheit ... in Hamburg) an die Klägerin aufzulassen, die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im vorbezeichneten Grundbuch zu bewilligen und auf ihre Kosten formgerecht den Vollzug der Eigentumsumschreibung auf die Klägerin beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Hamburg-Harburg zu beantragen bzw. beantragen zu lassen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten sind berechtigt, die Vollstreckung durch Leistung von Sicherheit in Höhe von 550.000,00 EUR oder - soweit wegen der Kosten vollstreckt wird - 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags abzuwenden, soweit nicht die Klägerin vorab Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten um die Erfüllung eines Vermächtnisses zugunsten der Klägerin gegen die in Erbengemeinschaft stehenden Beklagten.

I.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Nach Erlass des Urteils ließ die Klägerin am 23.05.2018 die Auflassung notariell beurkunden und übersandte sie durch Anwaltsschriftsatz vom gleichen Tag an den von der Beklagtenseite benannten Notar mit der Bitte, die Umschreibung des Eigentums herbeizuführen. Dieser erklärte mit Schreiben vom 04.06.2018, dass die in der Angebotsurkunde vom 20.11.2015 erteilte Vollmacht an den Angebotsempfänger dahingehend formuliert sei, dass die Auflassung nur im Rahmen der Vertragsannahme für beide Vertragsparteien erklärt werden kann.

Die Beklagten haben während des Berufungsverfahrens die weitere Zerlegung des aus der Realteilung des Grundstücks der Erblasserin hervorgegangenen vormaligen Flurstücks .... veranlasst und die am westlichen Rand zur Straße gelegenen Flurstücke an einen Bauträger lastenfrei verkauft.

Das Landgericht hatte die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Anspruch der Klägerin sei erfüllt, da die Beklagten mit dem notariellen Angebot vom 20.11.2015 die von ihnen geschuldeten Erklärungen abgegeben haben und die Annahme des Angebots allein bei der Klägerin liege. Die Bindung an die von den Beklagten vorgesehene Art der Erschließung des zu übertragenden Grundstücks stehe nicht im Widerspruch zu den im Vermächtnis getroffenen Anordnungen und bleibe auch nicht hinter ihnen zurück. Die von den Beklagten vorgesehene Erschließung unterliege der freien, nur durch allgemeine Rechtsmissbrauchskriterien begrenzten Entscheidung, die vorliegend nicht zu beanstanden sei.

Gegen dieses Urteil, das ihr am 03.04.2018 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit einem am 27.04.2018 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit einem am 04.07.2018 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Klägerin meint, das Landgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Verlegung der Zuwegung und Versorgungsleitungen auf die Ostseite des Grundstücks sie unzumutbar belasten und dem Vorhaben praktische und rechtliche Hindernisse entgegenstehen. In erster Linie aber umfasse das Vermächtnis mehrere Einzelansprüche, die teilbar seien und von denen allein die Übertragung des Eigentums Gegenstand des Verfahrens sei. Diese sei nicht notwendig oder untrennbar mit dem Anspruch auf Erschließungssicherung verbunden. Die Bedingungen, an welche das Angebot vom 20.11.2015 geknüpft sei, stellten eine Leistungsbestimmung i.S.v. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB dar. Aus Sicht der Klägerin sei diese unbillig, was aber im hiesigen Verfahren nicht entschieden werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.03.2018 abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, das im Grundbuch von Eißendorf Blatt ... Nr. ... verzeichnete Grundstück (Flurstück ... der Gemarkung Eißendorf mit einer Fläche von 974qm. Belegenheit ... in Hamburg) an die Klägerin aufzulassen, die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im vorbezeichneten Grundbuch zu bewilligen und auf ihre Kosten formgerecht den Vollzug der Eigentumsumschreibung auf die Klägerin beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Hamburg-Harburg zu beantragen bzw. beantragen zu lassen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung der erstinstanzlichen Argumentation. Die Erfüllung des Anspruchs setze eine vertragliche Einigung voraus, nicht lediglich die Auflassung. Das Vermächtnis sehe nur die Gesamtleistung der Eigentumsverschaffung samt Sicherstellung der Zuwegung vor, diese sei nicht teilbar.

Im Termin am 20.02.2020 bezifferten die Parteien den Wert des bebauten Flurstücks 5059 mit ca. 500.000,00 EUR.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Auflassung und Eintragung als Eigentümerin aus §§ 2174, 2147, 2058 BGB.

a. Der Anspruch auf Eigentumsübertragung besteht, da die im Vermächtnis hierfür vorgesehene Bedingung der Realteilung des Grundstücks erfüllt ist, § 158 Abs. 1 BGB. Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Landgerichts, wonach die Beklagten den Anspruch bereits mit dem notariellen Angebot vom 20.11.2015 erfüllt haben. Die Erfüllung des Vermächtnisanspruchs aus § 2174 BGB erfordert bei einem Grundstück Auflassung und Eintragung (Staudinger/Otte (2019) BGB § 2174, Rn. 24). Da die Klägerin bislang nicht Eigentümerin des Grundstücks geworden ist, ist der Anspruch jedenfalls nicht erfüllt i.S.v. § 362 BGB. Denn der Leistungserfolg (Palandt/Grüneberg, § 362 BGB Rn. 3) ist nicht eingetreten. Dieser erfordert die Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch (BGH, BeckRS 2018, 22973, Rn 14).

b. Ob die Bedingungen des Angebots der Beklagten zur Zuwegung annehmbar oder willkürlich sind, ist aus Sicht des Gerichts für die allein streitgegenständliche Eigentumsübertragung nicht relevant. Die Klägerin macht in diesem Verfahren berechtigt eine Teilforderung aus dem Vermächtnis geltend. Für den Gläubiger fehlt eine dem § 266 BGB entsprechende Vorschrift. Er kann – in den Grenzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) – Teilforderungen, auch gerichtlich, geltend machen (MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl. 2019, § 266 Rn. 21). Ein den Beklagten drohender Nachteil aus der Teilforderung der Klägerin ist aber weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere liegt keine kostenerhöhende Schikane durch Aufspaltung der Forderung in mehrere Teilforderungen vor. Ist dies aber nicht der Fall, ist der Schuldner auch nicht berechtigt, eine vom Gläubiger geforderte Teilleistung zu verweigern (Staudinger/Bittner/Kolbe (2019) BGB § 266, Rn. 38).

Der Einwand der Beklagtenseite, die Erfüllung des Anspruchs setze eine vertragliche Einigung voraus, greift nicht durch, da die schuldrechtliche Grundlage der Übertragung gem. §§ 873, 925 BGB der Anspruch gem. § 2174 BGB aus dem Vermächtnis selbst ist (vgl. Kroiß/Ann/Mayer, BGB, Erbrecht, § 2174 Rn. 2).

c. Dem Anspruch der Klägerin steht auch kein Zurückbehaltungsrecht entgegen. Die Verpflichtung zur Auflassung eines Grundstücks kann zwar Verpflichtung zur Herausgabe eines Gegenstandes im Sinn von § 273 Abs. 2 BGB sein (BGH, BeckRS 1956, 31373261), es fehlt aber an einem entsprechenden Gegenanspruch der Beklagten gegen die Klägerin.

Die Beklagten haben sich nicht ausdrücklich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. In dem notariellen Angebot vom 20.11.2015 der Beklagten und der Bindung der Auflassung an den Abschluss der darin enthaltenen Vereinbarung über die Erschließung kann jedoch eine stillschweigende Ausübung gesehen werden, da die Beklagten damit der Klägerin eine Leistung Zug-um-Zug angeboten haben (vgl. Palandt/Grüneberg, § 273 Rn. 19). Es besteht aber kein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Abschluss der angebotenen Vereinbarung.

Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass die im Vermächtnis vorgesehene Verpflichtung der Beklagten, die „Zuwegung“ zu dem der Klägerin zu übertragenden Grundstück „sicherzustellen“ den Beklagten gem. §§ 2156, 315 Abs. 1 BGB aufgibt, die Art und Weise der Zuwegung und Erschließung nach billigem Ermessen zu treffen. Die Leistungsbestimmung erfolgt einseitig durch eine rechtsgeschäftliche, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der anderen Partei (MüKoBGB/Würdinger, 8. Aufl. 2019, BGB § 315 Rn. 35). Es besteht aber kein Anspruch der bestimmenden Partei darauf, dass die andere Partei diese Bestimmung im Wege einer vertraglichen Vereinbarung akzeptiert.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 3 Nr. 2, 1, 47, 48 GKG und § 6 ZPO. Ist ein Grundstück vermacht, so richtet sich der Wert des Anspruchs des Vermächtnisnehmers gegen den Erben auf Zustimmung zur Auflassung nach dem Verkehrswert des Grundstücks (OLG Nürnberg, NJW-RR 2012, 1105). Die Parteien haben den tenorierten Wert als realistisch angegeben.

Gründe, die es erfordern, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich.