LG Bielefeld, Urteil vom 12.01.2021 - 21 KLs 9/20
Fundstelle
openJur 2021, 13688
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird abgelehnt.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschuldigten.

Angewandte Vorschriften: §§ 63,185, 241, 223, 224, 20, 21, 22, 23 StGB

Gründe

I.

A. Feststellungen zur Person

Der 24 Jahre alte, nicht vorbestrafte Beschuldigte wurde in B. geboren, ist ledig und hat keine Kinder. Zu seinen Eltern hat er kaum Kontakt. Neben einer Epilepsie (ICD-10: G40.9) leidet er an einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit deutlichen Verhaltensstörungen und mit einer massiven Störung der Impulskontrolle (ICD-10: F63.9). Der Beschuldigte ist medikamentös austherapiert, eine Betreuung für alle Bereiche angeordnet. Seit seinem vierten Lebensjahr ist er in verschiedenen Heimeinrichtungen untergebracht, seit 2010 in seiner aktuellen Einrichtung dem C. in D. (im Folgenden: Einrichtung). Nachdem er dort zunächst im "E. " lebte, bewohnt er seit 2015 ein Zimmer im Heilpädagogischen Intensivbereich, das lediglich mit einem Bett ausgestattet ist.

B. Feststellungen zur Sache

1) Vorgeschichte und Hintergrund der Taten

a) Aufgrund seiner Intelligenzminderung und der damit verbundenen Störungen gerät der Beschuldigte regelmäßig in Erregungszustände, in denen er sich entweder eigen- und/oder fremdaggressiv verhält. In diesen Zuständen versucht er insbesondere, nach Mitarbeitern der Einrichtung zu treten, zu schlagen und zu spucken. Daneben beleidigt er sie und versucht, sich selbst zu verletzen und Gegenstände zu zerstören. Das Mobiliar der Einrichtung wurde hierbei bereits mehrfach beschädigt, zu schwereren Verletzungen der Mitarbeiter, die im Umgang mit schwierigen Patienten geschult sind, kam es bisher nicht.

b) Aufgrund der Erregungszustände erteilte das Amtsgericht D. der Einrichtung mit Beschluss vom xx.06.2014 - mit Wirkung vom 16.xx.2014 bis zum 03.xx.2016 - die Genehmigung, die Gruppentür der Wohngruppe des Beschuldigten zu verschließen. Mit Beschluss vom 17.xx.2014 genehmigte es zusätzlich - befristet bis zum xx.12.2016 -, bei extremen Unruhezuständen die Zimmertür des Beschuldigten zeitweise zu verschließen und ihn Fünf-Punkt zu fixieren. Mit Beschluss vom 02.xx.2017 genehmigte es - befristet bis zum xx.02.2019 - die zeitweise Entziehung der Freiheit durch Handfixierung, Bauchgurt, Neun-Punkt-Fixierung sowie Zimmer- und Wohngruppentürverschluss. Die Genehmigung wurde mit Beschluss vom xx.06.2019 - befristet bis zum 06.xx.2021 - mit der Maßgabe verlängert, dass anstatt der Neun-Punkt- eine Sieben-Punkt-Fixierung und der Zimmereinschluss für die Dauer von maximal zwei Stunden genehmigt wurde. Die Einrichtung hat mittlerweile zwei externe Sicherheitskräfte für den Beschuldigten abgestellt.

c) Für die Pflegedokumentation nutzte die Einrichtung bis Mitte 2016 das Programm F. , im Anschluss das Programm G. . Für die Zeit vom 01.xx.2014 bis 02.xx.2016 finden sich in der Pflegedokumentation F. für den Beschuldigten 1.922 Einträge, die unter anderem Fixierungen, Verschlüsse und mehrere Verbringungen in den sog. Time-Out-Raum enthalten. In dem Protokoll FEM (Freiheitsentziehende Maßnahmen) des Programms G. finden sich für den Beschuldigten für die Zeit vom 31.xx.2016 bis 30.xx.2019 insgesamt 28.116 Einträge. 9.840 Einträge betreffen das Anlegen, 8.410 die Überprüfung und 9.866 das Lösen freiheitsentziehender Maßnahmen, bei denen es sich wiederum um Fixierungen, Zimmer- und Wohntürenverschlüsse sowie eine Verbringung in den Time-Out-Raum handelt. Freiheitsentziehende Maßnahmen wurden teilweise bereits bei geringen Anlässen angewandt.

Unter dem 02.xx.2017 ist in G. die Verwendung von CS-Gas gegen den Beschuldigten durch einen Mitarbeiter der Einrichtung dokumentiert.

Seit Ende 2019 werden gegen ca. 150 Mitarbeiter der Einrichtung Ermittlungsverfahren wegen Freiheitsberaubungen und Körperverletzungen zum Nachteil verschiedener Bewohner geführt.

2) Tatgeschehen

a) Am Morgen des 02.xx.2019 wurde der Beschuldigte wegen eines starken Erregungszustandes auf einer Fixiermatte fixiert. Während die Zeugin H. bei ihm Sitzwache hielt, beschimpfte er diese als "Schlampe", "Fotze", "Hure" und "Kinderfickerin" und erklärte, sie mit Zement übergießen zu wollen.

b) Am frühen Nachmittag des 02.xx.2019 täuschte der Beschuldigte vor, in seinem Zimmer gestürzt zu sein. Als die Zeugin I. daraufhin sein Zimmer betrat, versuchte er, nach ihr zu greifen und zu treten. Die Zeugin verließ das Zimmer, der Beschuldigte polterte in seinem Zimmer herum. Die Zeugin betrat kurze Zeit später erneut das Zimmer des Beschuldigten, um ihm eine Bedarfsmedikation zu verabreichen. Hierbei versuchte er wiederum, die Zeugin zu treten und zu ergreifen, was ihm nicht gelang. Nach Verschluss der Zimmertür, beschimpfte der Beschuldigte die Zeugin mit den Worten "Schlampe" und "dreckige Huren".

Gegen 16:30 Uhr zerbrach der Beschuldigte seinen Medikamentenbecher aus Hartplastik und erklärte, ihn zurückgeben zu wollen. Als eine Mitarbeiterin die Versorgungsklappe an der Zimmertür des Beschuldigten zu diesem Zwecke öffnete, um den Becher entgegen zu nehmen, schnellte die Hand des Beschuldigten, in der er eine spitze Plastikscherbe hielt, in Höhe und Richtung des Halses der Mitarbeiterin hervor. Die Mitarbeiterin zog die Plexiglasscheibe der Versorgungsklappe herunter und hinderte den Beschuldigten so daran, die Hand weiter durch die Klappe zu schieben.

c) Am Abend bat der Beschuldigte die Zeugin I. darum, das Licht in seinem Zimmer auszuschalten. Die Zeugin öffnete hierzu die Zimmertür des Beschuldigten einen Spalt und schloss den Kasten, in dem sich der Lichtschalter befindet, auf. Hierbei trat der Beschuldigte gegen die Hand der Zeugin, fügte ihr aber weder Verletzungen noch Schmerzen zu. Nachdem die Zeugin die Zimmertür wieder verschlossen hatte, trat bzw. schlug der Beschuldigte unter anderem gegen Tür und Fenster.

Bei diesen Taten handelte der Beschuldigte zumindest im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit, nicht ausschließbar im Zustand der Schuldunfähigkeit.

3) Nachtatgeschehen

In der Nacht vom 20. auf den 21.xx.2020 hat der Mitarbeiter K. der Einrichtung den unbekleideten Beschuldigten mit Händen aus seinem Zimmer durch die Notausgangstür teilweise nach draußen gezogen, nachdem der Beschuldigte zuvor beabsichtigt hatte, gegen die Notausgangstür zu treten. Als der Beschuldigte in sein Zimmer zurückgekehrt war, beschimpfte er den Mitarbeiter K. und versuchte, ihn zu bespucken. Der Mitarbeiter schlug daraufhin dem Beschuldigten mehrfach in den Oberkörper und trat auf den zu Boden gegangen Beschuldigten ein. Der Beschuldigte zog sich dabei jedenfalls ein Hämatom am Oberkörper zu.

II.

Aufgrund der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise ist die Kammer davon überzeugt, dass sich der Sachverhalt wie festgestellt ereignet hat.

1) Die Feststellungen zur Person des Beschuldigten beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister, den im Wege des Selbstleseverfahrens einbezogenen Einträgen in der Pflegedokumentation sowie den Angaben der Zeugin I. .

2)

a) Das festgestellte Krankheitsbild des Beschuldigten ergibt sich aus dem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. Dankwarth, ebenso die Auswirkungen der Erkrankung auf die Schuldfähigkeit des Beschuldigten. Die festgestellten Auswirkungen des Krankheitsbildes auf das Verhalten des Beschuldigten werden ergänzend bestätigt durch die Einvernahme der Zeugen I. , H. , L. , M. und N. . Die Zeugen haben übereinstimmend und glaubhaft bekundet, der Beschuldigte gerate - insbesondere wenn seinem Willen nicht entsprochen werde - in Erregungszustände, die mit selbst- und/oder fremdaggressiven Verhalten verbunden seien.

b) Die von dem Sachverständigen angeführten Anknüpfungs- und Befundtatsachen sind von ihm glaubhaft und sachkundig fundiert im Rahmen des mündlich erstatteten Sachverständigengutachtens dargelegt worden. Aus ihnen ergibt sich zur Überzeugung der Kammer, dass der Beschuldigte unter anderem an einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit deutlichen Verhaltensstörungen und mit Störung der Impulskontrolle leidet. Aufgrund dieser war seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Taten jedenfalls erheblich gemindert, nicht ausschließbar sogar aufgehoben. Er ist austherapiert und wird mit der Wahrscheinlichkeit höheren Grades, auch in Zukunft ein den Taten entsprechendes Tatverhalten an den Tag legen. Hierbei kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch zu schwereren körperlichen Verletzungen kommen wird. Zu welchen Taten es kommen wird, ist jedoch letztlich nicht vorherzusehen.

3) Die Feststellungen zur Sache beruhen auf den Angaben der Zeugen I. , H. , O. , M. und N. sowie auf den im Selbstleseverfahren eingeführten Ermittlungsberichten "G. -Protokoll FEM (Freiheitsentziehende Maßnahmen)" vom 02.xx.2020, "Auswertung G. Beiheft 1 Fallakte xx X. " vom 17.xx.2020, "Auswertung Asservate Beiheft 2 Fallakte xx: A." vom 22.xx.2020, "Auswertung F. Beiheft 3 Fallakte xx A. " vom 21.xx.2020, auf den Ausführungen unter Ziff. 3 und 4. des "Sachstandsberichts 49. KW" vom xx.xx.2020 und dem "Anhörungsvermerk FA xx A. " jeweils von der Ermittlungskommission "P. " der Kreispolizeibehörde Q. sowie auf dem Tenor und den Ausführungen zu Ziff. I und II. der Anordnung nach § 15 Abs. 2 WTG des Landrates des Kreises Q. (xx.xx.0 Ur) vom xx.xx.2020 und dem Prüfbericht über die Anlassprüfung am xx.10.xxxx zur Umsetzung der Ordnungsverfügung vom 14.xx.2020.

a) Die Zeugin H. hat die Tat vom Morgen des 02.xx.2019, die Zeugin I. die Taten am Nachmittag und am Abend des xx.12.2019 wie festgestellt glaubhaft geschildert.

b) Die Zeugen M. und N. haben den Vorfall in der Nacht vom 20. auf den 21.xx.2020 übereinstimmend wie festgestellt geschildert, sowie bestätigt, dass gegenüber dem Beschuldigten auch bei geringeren Anlässen bereits freiheitsentziehende Maßnahmen durchgeführt wurden. Die Feststellungen zum Umfang der freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Zeit vom 01.xx.2014 bis zum 13.xx.2019, der Anwendung von CS-Gas gegen den Beschuldigten am 02.xx.2017 sowie der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ca. 150 Mitarbeiter der Einrichtung beruhen auf der Aussage des Zeugen O. sowie den Ermittlungsberichten der "P. ".

Anhaltspunkte für Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen sowie der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen haben sich jeweils nicht ergeben. Sie haben den jeweiligen Sachverhalt detailliert und ohne Belastungstendenz zum Nachteil des Beschuldigten widerspruchsfrei und in sich schlüssig geschildert.

III.

Die Voraussetzungen einer Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 StGB liegen nicht vor. Der Unterbringung nach § 63 StGB steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) entgegen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, ordnet das Gericht nach § 63 Satz 1 StGB die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Nach § 62 StGB darf eine Maßregel der Besserung und Sicherung nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

1) Durch die Taten am 02.12.xxxx hat der Beschuldigte den Straftatbestand der Bedrohung (§ 241 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit dem der Beleidigung (§ 185 StGB) sowie den der versuchten gefährlichen Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit dem der Beleidigung (§ 185 StGB) sowie den der versuchten Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 2, 22, 23 Abs. 1 StGB) erfüllt. Er hat dabei zumindest im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit, nicht ausschließbar im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt. Angesichts seines Krankheitsbildes sind von ihm auch künftig weitere vergleichbare Handlungen zu erwarten, die erheblich im Sinne des § 63 StGB sind und keine bloßen Belästigungen oder Lästigkeiten darstellen.

2) Die unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist allerdings eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (BGH Beschluss vom 22.07.2020 - 1 StR 166/20, Rn. 8, zit. n. juris).

a) Hat der Beschuldigte die krankheitstypischen und krankheitsbedingten Anlasstaten - wie hier - im Rahmen einer Unterbringung in einer Betreuungseinrichtung begangen und sind Tatopfer die Angehörigen des Pflegepersonals, dem seine ihn und die Allgemeinheit schützende Betreuung obliegt, ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt ist (OLG B. , Beschluss vom 30.04.2019 - III-1 Ws 156/19, 1 Ws 156/19, Rn. 7, zit. n. juris). In der Regel bleibt für die Maßnahme nach § 63 StGB als Rechtsfolge in diesen Fällen kein Raum (BGH Urteil vom 22.01.1998 - 4 StR 354/97, Rn. 9, zit. n. juris). Verhaltensweisen eines schwierigen Bewohners in einer Unterbringungseinrichtung, gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten geschulten Personal sind bei wertender Betrachtung nicht mit Handlungen, die ein schuldunfähiger oder vermindert schuldfähiger Täter im Leben in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder ihm nahestehenden Personen begeht, vergleichbar. Sie verlangen regelmäßig schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH, Beschluss vom 15.01.2020 - 1 StR 604/19, Rn. 12, 13 m.w.N. und Urteil vom 22.01.1998 - 4 StR 354/97, Rn. 10, vgl. auch BGH, Urteil vom 21.07.2020 - 1 StR 192/20, Rn. 13, jeweils zit. n. juris).

b) Bei den verfahrensgegenständlichen Anlasstaten handelt es sich ausnahmslos um solche gegenüber Mitarbeitern der Einrichtung, die im Umgang mit schwierigen Patienten besonders geschult sind. Die Kammer ist zwar davon überzeugt, dass der Beschuldigte auch in Zukunft in Erregungszustände geraten wird, in denen er sich sowohl selbst- als auch fremdaggressiv verhalten wird. So wird es in Zukunft weiterhin zu Tritten und Schlägen sowie Beleidigungen der Mitarbeiter kommen. Allerdings ist dieses Verhalten gerade bei der Arbeit mit geistig Behinderten an der Tagesordnung. Die Taten mögen daher die Prognose rechtfertigen, der Beschuldigte werde weiterhin mit den Mitarbeitern aneinandergeraten und diese treten, schlagen oder sogar würgen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es dabei zu erheblichen Verletzungen kommen werde oder dass der Beschuldigte mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit höheren Grades - anders als in der Vergangenheit - künftig auch außerhalb der Einrichtung krankheitsbedingt erhebliche Straftaten im Sinne des § 63 StGB begehen werde, die geeignet wären, den Rechtsfrieden nachhaltig zu beeinträchtigen, sind indes nicht ersichtlich.

Zudem war vorliegend zu berücksichtigen, dass Mitarbeiter der Einrichtung gegenüber dem Beschuldigten in erheblichem Maße von freiheitsentziehenden Maßnahmen Gebrauch gemacht sowie ihn an seiner Gesundheit geschädigt haben; sogar das Einschreiten der Heimaufsicht war erforderlich. Zur Überzeugung der Kammer haben die Mitarbeiter hierdurch erhebliche Konfliktsituationen erzeugt, die zumindest mit dazu beigetragen haben, dass sich die Erregungszustände des Beschuldigten verstärkt haben.

c) In der hier in Rede stehenden Fallgestaltung käme eine Unterbringung daher nur in Betracht wenn davon ausgegangen werden könnte, dass der Beschuldigte in einer forensischen Klinik sicherer oder in einer für ihn weniger belastenden Weise untergebracht ist (BGH Urteil vom 22.01.1998 - 4 StR 354/97, Rn. 11, zit. n. juris). Dafür spricht indes hier nichts.

aa) Auch wenn der Beschuldigte nicht in einem psychiatrischen Krankenhaus, sondern im heilpädagogischen Intensivbereich der Einrichtung untergebracht ist, beschränkt sich durch die genehmigten freiheitsentziehenden Maßnahmen und die "praktische Dauerfixierung" zumindest der Hände in der derzeitigen Unterbringung die von dem Beschuldigten für das Personal ausgehende Gefahr auf das geringstmögliche Maß. Dass die Genehmigung der freiheitsentziehenden Maßnahmen durch das Betreuungsgericht aufgehoben oder nicht verlängert werden könnte, ist ebenso wenig ersichtlich wie die Beendigung einer der derzeitigen Unterbringung entsprechenden Unterbringung.

bb) Nach Auffassung der Kammer ist die Unterbringung in einer forensischen Klinik auch nicht weniger belastend. Der Beschuldigte ist austherapiert, das Konfliktpotential aufgrund der erheblichen freiheitsentziehenden Wirkung der Anordnung nach § 63 StGB nicht verringert.

cc) Auch der Umstand, dass ein Teil des Personals überfordert erscheint und zwischen ihm und dem Beschuldigten mittlerweile ein angespanntes Verhältnis besteht, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Dieser Umstand kann nicht dazu führen, einen überdurchschnittlich schwierigen Bewohner, der in dem für den Maßregelvollzug zuständigen Krankenhaus für Ärzte und Pflegepersonal nicht weniger belastend sein wird, strafrechtlich unterzubringen. Sinn und Zweck des Maßregelvollzugs ist es nicht, allgemeine Einrichtungen von besonders schwierigen - möglicherweise gerade als Folge der langandauernden Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen zunehmend zu schwereren Aggressionsausbrüchen neigenden - Kranken zu entlasten, um so personelle, sachliche oder organisatorische Defizite, die eine Gefährdung des Pflegepersonals zur Folge haben, auszugleichen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 12, zit. n. juris) .

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 467 Abs. 1, 414 Abs. 1 StPO.

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