LG Münster, Urteil vom 04.11.2019 - 11 O 4/19
Fundstelle
openJur 2021, 13253
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Am 08.08.2016 bestellte die Klägerin bei der Beklagten zu 1) ein neues Kraftfahrzeug der Marke Porsche Macan S Diesel, dessen Herstellerin die Beklagte zu 2) ist, zu einem Kaufpreis von 71.320,55 €. Die Übergabe des Fahrzeugs erfolgte am 03.01.2017. Dieses Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs V6 ausgestattet, der von der Audi AG hergestellt wird. In dem Fahrzeug ist ein sog. "Thermofenster" eingerichtet.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten jeweils vom 14.11.2018 forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) zur Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Beklagte zu 2) zur Leistung von Schadensersatz auf. Zur Begründung führte sie aus, ihr Fahrzeug sei bereits im Zeitpunkt der Übergabe mit einer Software ausgestattet gewesen, die die Emissionskontrolle manipuliere. Hierbei handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung.

Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug weise drei Manipulationen auf, nämlich die Errichtung eines unzulässigen Thermofensters, die Nutzung einer Aufwärmstrategie und eine nicht ausreichende Dosierung von AdBlue beim SCR Katalysator. Sie hätte

das Fahrzeug nicht gekauft, wenn sie von diesen Umständen gewusst hätte.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie 71.320,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2018 zu zahlen Zugum-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Porsche Macan S Diesel, FIN: WP1ZZZ95ZHLB44979 und Zugum Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW.

2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihr Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Porsche Macan S Diesel (FIN: WP1ZZZ95ZHLB44979) durch die Beklagtenpartei resultieren.

3. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.

4. die Beklagtenparteien jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, sie von den durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 3.196,34 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten den Vortrag der Klägerin und vertreten die Ansicht, die Klägerin könne keine Ansprüche gegen sie geltend machen.

Das klägerische Fahrzeug weise keine unzulässigen Abschalteinrichtungen auf. Unabhängig davon habe auf ihrer Seite weder ein Täuschungs- noch ein Schädigungsvorsatz vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf Zahlung von 71.320,55 € Zugum-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu.

1.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB.

Die Beklagte zu 1) hat den von der Klägerin geleisteten Kaufpreis in Höhe von 71.320,55 € nicht ohne Rechtsgrund erlangt. Vielmehr war die Klägerin aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages zur Kaufpreiszahlung verpflichtet (§ 433 Abs. 2 BGB).

a)

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist dieser nicht § 134 BGB in Verbindung mit § 27 Abs. 1 EG-FGV (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung) nichtig. Danach dürfen neue Fahrzeuge, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung vorgeschrieben ist, im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.

Selbst wenn ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV vorläge, würde dieser nicht zur Nichtigkeit des im Jahr 2016 geschlossenen Kaufvertrags gemäß § 134 BGB führen.

Ist ein Rechtsgeschäft nur für einen Teil verboten, ist das verbotswidrige Geschäft in der Regel gültig (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1999 - X ZR 34/98, iuris Rdn. 18 m.w.Nachw., abgedruckt in BGHZ 143, 283 ff.). Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 EG-FGV und das in ihr enthaltene Verbot richten sich nur gegen den Veräußerer des Fahrzeugs. In Fällen, in denen das betreffende Verbot allein den einen Teil trifft, kommt die in § 134 BGB vorgesehene Rechtsfolge nur in Betracht, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert (BGH aaO). Dies ist hier nicht der Fall. Auch wenn der Kaufvertrag über das Fahrzeug im Fall einer ungültigen Übereinstimmungsbescheinigung wirksam bleibt und nicht rückabgewickelt wird, kann das Kraftfahrzeug-Bundesamt nach § 25 EG-FGV die erforderlichen Maßnahmen anordnen, um die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ sicherzustellen. Es gibt daher keinen Grund, von einer dem Fahrzeugkäufer bei generellabstrakter Betrachtung ungünstigen Nichtigkeit des Kaufvertrags auszugehen, die ihm die auf den Fall eines Fahrzeugmangels zugeschnitten Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB, insbesondere auch einen Schadensersatzanspruch, nehmen würde (OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 - 5 U 82/17 -, Rn. 9 - 11, juris).

b)

Eine Nichtigkeit ergibt sich auch nicht aus § 142 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Kaufvertrag nicht wirksam gem. § 123 BGB angefochten.

Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob die von der Klägerin gerügten Mechanismen (Thermofenster, Aufwärmstrategie beim V6-Motor, AdBlue-Dosierung beim SCR-Katalysator) insgesamt beim klägerischen Fahrzeug vorliegen und ob sie unzulässige Abschalteinrichtungen darstellen. Denn die Klägerin hat jedenfalls nicht schlüssig dargetan, dass die Beklagte zu 1) als Vertragshändlerin beim Abschluss des Kaufvertrages von etwaigen unzulässigen Manipulationen des Fahrzeugs i.S. einer Arglist gewusst oder damit gerechnet hätte. Es ist auch nicht ersichtlich, warum sich die Beklagte eine etwaige Täuschungshandlung der Verantwortlichen der Beklagten zu 2) zurechnen lassen müsste. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Hersteller eines Produkts nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers ist, der das Erzeugnis im eigenen Namen vertreibt (BGH, Urteil vom 25. 4. 2014, VIII ZR 46/13, Rn 31). Dass die Beklagte zu 1) als Vertragshändlerin der Beklagten zu 2) auftritt und dass daher ein gemeinsames Interesse daran besteht, das Vertrauen der Kunden in die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Porsche-Fahrzeuge zu fördern, reicht nicht aus, um die rechtliche und organisatorische Selbständigkeit der Beklagten von der Beklagten zu 2) aufzuheben und die Beklagte zu 2) auf diese Weise als "Dritte" i. S. des § 123 II BGB anzusehen, für deren Verhalten die Beklagte zu 1) einstehen müsste (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Juli 2019 - 11 U 2/19 -, Rn. 22 - 23, juris mwN).

2.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) auch kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aus § 346 Abs. 1 BGB zu.

Hinsichtlich des mit Anwaltsschreiben vom 14.11.2018 erklärten Rücktritts fehlt es an einem Rücktrittsgrund.

Dabei kann es dahinstehen, ob das klägerische Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen aufweist und deshalb mangelhaft ist.

Denn die Klägerin hat jedenfalls die gem. § 323 Abs. 1 BGB erforderliche Frist zur Nacherfüllung unstreitig nicht gesetzt.

Diese war auch nicht entbehrlich.

a)

Eine vorherige Fristsetzung ist nicht bereits nach § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich, weil eine Nacherfüllung im Sinne von § 275 BGB von vornherein unmöglich. Im Gegenteil kämen beide Alternativen der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1 BGB - Beseitigung des etwaigen Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache - vorliegend in Betracht (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 30 O 28/19 -, Rn. 27, juris). Namentlich das Aufspielen eines durch das KBA genehmigten Software-Updates hat die Beklagte zu 1) der Klägerin ausdrücklich angeboten. Dass, wie von der Klägerin behauptet, eine Nachbesserung aus rechtlichen Gründen unmöglich sei, weil die Typengenehmigung und die Betriebserlaubnis aufgrund der behaupteten Manipulationen erloschen seien, und demnächst mit einer Stilllegung der Fahrzeuge zu rechnen sei, hat die Klägerin mit Blick auf das streitgegenständliche Fahrzeug lediglich in den Raum gestellt. Hinreichend konkrete Anhaltspunkte hierfür hat sie nicht dargetan.

b)

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte zu 1) durch ihr Verhalten die nach den Umständen gebotene Nacherfüllung auch nicht ernsthaft und endgültig verweigert (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 281 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Demgegenüber kann in dem bloßen Bestreiten von Mängeln noch nicht ohne Weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung gesehen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner über das Bestreiten der Mängel hinaus bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehnt und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer (ordnungsgemäßen) Nacherfüllungsaufforderung werde umstimmen lassen (std. Rspr. , vgl die Nachweise bei LG Stuttgart, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 30 O 28/19 -, Rn. 28 - 29, juris). Vorliegend hat die Klägerin mit Schreiben vom 14.11.2019 den Rücktritt hinsichtlich einer nicht näher konkretisierten "Abschalteinrichtung" erklärt. Dass die Beklagte zu 1) daraufhin lediglich auf ein Software-Update hinsichtlich der Motorsoftware verwies, ist insofern nicht als endgültige Erfüllungsverweigerung anzusehen.

c)

Die Fristsetzung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Nacherfüllung fehlgeschlagen (§ 440 S. 1, 1. Var., S. 2 BGB) oder der Klägerin unzumutbar (§ 440 S. 1, 2. Var. BGB) war. Ein Fehlschlag der Nachbesserung ist gem. § 440 S. 2 BGB grundsätzlich erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch gegeben. Die Klägerin hat indes noch gar keine Nachbesserungsmaßnahme vornehmen lassen.

Auch liegt keine Unzumutbarkeit der Nacherfüllung vor. Soweit die Klägerin ausführt, sie habe das Vertrauen in die Beklagte zu 2) verloren, vermag dies nach Auffassung der Kammer keine nachhaltige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gegenüber der Beklagten zu 1) und damit ebenfalls keine Unzumutbarkeit der Nacherfüllung zu begründen. Ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu 2 als Herstellerin muss sich die Beklagte zu 1) als Vertragshändlerin nicht zurechnen lassen (siehe dazu oben.). Dementsprechend kann nicht ausschlaggebend sein, dass die Beklagte zu 1) die Nacherfüllung ggf. über die Beklagte zu 2) anbietet.

Soweit die Klägerin Befürchtungen äußert, dass das beabsichtigte Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde, machen die Durchführung desselben ebenfalls nicht unzumutbar. Im Hinblick auf § 326 Abs. 5 BGB, wonach für einen sofortigen Rücktritt im Falle der Unbehebbarkeit des Mangels der Nachweis der Unmöglichkeit der Nacherfüllung erforderlich ist, sowie im Hinblick auf § 440 Satz 2 BGB, wonach ein Fehlschlagen der Nachbesserung voraussetzt, dass zwei Versuche erfolglos geblieben sind, vermag in diesem Zusammenhang der bloße subjektive Verdacht eines trotz Nachbesserung verbleibenden Nachteils nicht zu genügen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 30 O 28/19 -, Rn. 40, juris). Die Klägerin hat insofern insbesondere nicht substantiiert, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt des Rücktritts vom 14. November 2018 angesichts des angebotenen Software-Updates berechtigterweise vom Fortbestand des Mangels oder von Folgemängeln ausgehen musste. Insbesondere der Verweis auf die Berichterstattung zu negativen Auswirkungen bei anderen Fahrzeugen, regelmäßig sogar anderen Typs, war nicht ausreichend. Es war der Klägerin vielmehr - auch im Hinblick auf den Vorrang der Nacherfüllung und die Wertung des § 440 Satz 2 BGB - zuzumuten, zunächst an ihrem Fahrzeug das Software-Update vornehmen zu lassen und sodann dessen Erfolgslosigkeit aufgrund von nachteiligen Folgen konkret zu rügen (vgl. Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 1. März 2018 - 10 U 1561/17 -, Juris-RN 28 ff.; Landgericht Paderborn, Urteil vom 19. September 2016 - 2 O 55/16 -, Juris-RN 24; Landgericht Bamberg, Urteil vom 19. April 2017 - 12 O 505/16 -, Juris-RN 108).

3.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung, §§ 280 Abs. 1, 311, 241 Abs. 2 BGB.

Dabei kann es dahinstehen, ob diese auch bei Kfz-Kaufverträgen dem Grunde nach anwendbar ist. Denn als "Prospekt", der die Prospekthaftung begründen soll, kommt hier allenfalls die Übereinstimmungsbescheinigung infrage. Es ist jedoch nicht dargetan, dass die Klägerin diese jemals zu Gesicht bekommen oder überhaupt vor Vertragsschluss gekannt hat. In die Richtigkeit und Vollständigkeit von Prospektangaben, die der Kunde nicht kennt, kann er auch kein Vertrauen entwickelt haben.

Dass der Klägerin andere Prospekte vorgelegen haben sollen, hat sie nicht schlüssig dargelegt.

II.

Auch stehen der Klägerin keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) zu.

1.

Ein Anspruch aus Prospekthaftung besteht nicht. Auf die obigen Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

2.

Weiterhin hat die Klägerin auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 831 BGB.

Die Klägerin hat bereits nicht die erforderliche Verletzung eines absoluten Rechts- oder Rechtsgutes dargetan. Insbesondere fehlt es an einer Verletzung ihres Eigentums, da die von ihr gerügten angeblichen Abschalteinrichtungen bereits im Zeitpunkt der Übereignung des Fahrzeugs an sie vorhanden waren, sie, das Vorliegen eines Sachmangels unterstellt, also nie mangelfreies Eigentum erhalten hätte.

3.

Auch steht der Klägerin kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB zu.

Die insofern darlegungsbelastete Klägerin hat jedenfalls nicht schlüssig dargelegt, geschweige denn bewiesen, dass Organe der Beklagten zu 2) hinsichtlich der von ihr behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen einen Schädigungsvorsatz aufwiesen.

a)

Dies gilt zunächst hinsichtlich des in dem Fahrzeug unstreitig eingerichteten Thermofensters. Mit Blick hierauf wäre jedenfalls eine konkrete Darlegung erforderlich gewesen, warum Organe der Beklagten die Verwendung einer behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt eines sog. Thermofensters mindestens billigend in Kauf genommen haben sollen.

Experten sprechen von einem "Thermofenster", wenn die Abgasreinigung abhängig von der Außentemperatur gesteuert wird. Grund sind Kohlenwasserstoffe und Ruß im Abgas. Wenn die unverbrannten Rückstände in den kalten Rohrleitungen kondensieren, setzen sie die abgasführenden Bauteile zu. Diese Erfahrung haben viele Hersteller gemacht: Unter Hinweis auf den gesetzlich zulässigen Bauteilschutz reduzieren sie die Abgasrückführung bei deutschen Durchschnittstemperaturen (Süddeutsche Zeitung, Das Thermofenster - legal oder nicht?, 22. Juli 2017). Eine von Bundesverkehrsminister Dobrindt eingesetzte "Untersuchungskommission" hat dazu festgestellt: "Alle Hersteller nutzen Abschalteinrichtungen". Die Automobilindustrie und ihr folgend der Bundesverkehrsminister gehen davon aus, ein "Thermofenster" sei zulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 29. August 2019 - 8 U 1449/19 -, Rn. 150, juris mwN).

Insoweit dürfte hier - anders als in den VW-Fällen mit einer Abschalteinrichtung, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet, und deren Unzulässigkeit somit offensichtlich ist,. - der Streit um Zulässigkeit und Größe eines "Thermofensters" eher einen Expertenstreit darstellen als eine vorsätzliche "unerlaubte Handlung" des Herstellers. Hinzu kommt, dass für einen etwaigen Vorsatz nicht auf einen heutigen Meinungsstand/eine heutige Rechtsprechung, sondern auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Fahrzeugs durch die Beklagte abgestellt werden muss (OLG München, Beschluss vom 29. August 2019 - 8 U 1449/19 -, Rn. 164, juris).

b)

Auch hinsichtlich der weiteren behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen (Lenkwinkeleinschlag/Aufwärmstrategie und SCR-Katalysator/AdBlue-Dosierung) mit Blick auf den von der Konzernschwester Audi hergestellten V6-Dieselmotor hat die Klägerin keinen Schädigungsvorsatz von Organen der Beklagten zu 2) schlüssig dargetan.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei einer juristischen Person eine Haftung aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nur dann in Betracht, wenn ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der juristischen Person im Sinne des § 31 BGB dem Kläger vorsätzlich sittenwidrig schädigen wollte (vergleiche für beide Haftungsvorschriften statt vieler nur BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, juris). Der Handelnde muss die Schädigung des Klägers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte erkennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, ebenda, juris Rn. 25).

Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte zu 2) den streitgegenständlichen Motor nicht selbst hergestellt, sondern Motor und Motorsteuerung von der Konzernschwester Audi erworben hat. Dass und zu welchem Zeitpunkt ein Vorstandsmitglied der Beklagten zu 2) Kenntnis von eventuellen Manipulationen an dem zugekauften Motor hatte, hat die Klägerin nicht dargetan. Soweit in den sog. VW-Fällen teilweise von einer sekundären Darlegungslast der dortigen Beklagten ausgegangen wird, ist dies jedenfalls nicht auf die hiesige Fallkonstellation übertragbar. Voraussetzung für die Annahme einer sekundären Darlegungslast ist, dass der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht kennt, während sie der anderen Partei bekannt sind und ihr nähere Angaben zuzumuten sind (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 - 13 U 142/18 -, Rn. 52, juris mwN). Eine solche Fallkonstellation liegt mit Blick auf die Beklagte zu 2), die die Motoren nicht hergestellt, sondern lediglich zugekauft hat, nicht vor. Etwaige Manipulationen waren - wie die Klägerin selbst vorträgt - bereits bei den zugekauften Fahrzeugteilen gegeben. Sie beruhten damit nach eigenem Vortrag der Klägerin nicht auf unternehmensinternen Entscheidungsprozessen der Beklagten zu 2). Dass die relevanten Umstände möglicherweise erkennbar waren und die Beklagte zu 2) sie hätten kennen können oder kennen müssen, reicht demgegenüber für die Feststellung des Vorsatzes nicht aus, sondern rechtfertigt nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2015 - V ZR 78/14, Rz. 25).

4.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.

Nach dem vorgenannten hat die Klägerin jedenfalls nicht schlüssig dargelegt, geschweige denn bewiesen, dass Organe der Beklagten zu 2) beim Inverkehrbringen des Fahrzeugs einen Täuschungsvorsatz hatten.

5.

Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte steht der Klägerin auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 Abs. 1 UWG zu.

§ 16 UWG dient zwar ohne Zweifel dem Schutz des Verbrauchers. Es ist jedoch jedenfalls weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Klägerin durch Werbung der Beklagten zum Kauf des Fahrzeugs veranlasst wurde. Dass bei den Vertragsverhandlungen Prospekte der Beklagten oder ähnliches vorlagen, ist - wie bereits ausgeführt - nicht ersichtlich.

6.

Auch lässt sich ein solcher Anspruch des Klägers nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 4 Nr. 11 UWG a.F. herleiten, denn die Vorschrift war bereits im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses außer Kraft. Sie entfaltet für den vorliegenden Rechtsstreit damit keine Rechtswirkungen.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf bis zu 80.000,00 € festgesetzt.

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