AG Aachen, Urteil vom 23.02.2021 - 106 C 10/19
Fundstelle
openJur 2021, 13248
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld i. H. v. 750 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2019 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 172,50 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 48 Prozent und die Beklagte zu 52 Prozent.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor der Gläubiger Sicherheit i. H. v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz von der Beklagten aus einer podologischen Behandlung.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin war bei der Beklagten in podologischer Behandlung über den Zeitraum von 00.0000 bis 00.0000 wegen zwei eingewachsener Zehennägel. Es wurden sog. Ross-Faser-Orthonyxiespangen bzw. Nagelkorrekturspangen (im Folgenden Nagelspangen) angebracht, um eine Operation der eingewachsenen Zehennägel zu verhindern. Am 00.00.0000 begann die Beklagte entsprechende Behandlung, in dem sie beiden Zehennägel zurück schnitt und die Nagelspangen befestigte.

Die Beklagte rechnete gegenüber der Kläger für das Jahr 0000 einen Gesamtbetrag von 604 € ab. Während der Behandlungszeit konnte die Klägerin nicht ins Schwimmbad und Sport nur eingeschränkt betreiben. Ein Judotraining wie auch Ausflüge waren ihr nicht mehr möglich; beim Schulsport musste sie häufiger aufhören. Die Klägerin litt weiter unter Angstzuständen vor den Terminen. Geschlossene Schuhe konnte sie nicht tragen und wurde von der Mutter zu Behandlung hin- und wieder zurückgebracht. Die Klägerin begab sich nach einer Behandlung bei der Klägerin in eine Behandlung bei der Podologin Frau L.

Die Klägerin macht klageweise folgende Positionen geltend:

• 604 € Behandlungskosten bei Beklagter im Jahr 0000

• 172,50 € Kosten für die Korrektur der Fehlbehandlung bei Frau L und neue Klebespangen

• Mind. 1.000 € Schmerzensgeld

Die Klägerin behauptet, die Behandlung durch die Beklagte sei nicht fachgerecht erfolgt. So seien die Zehennägel bereits bei der ersten Behandlung im 00.0000 unnötigerweise und darüber hinaus auch noch seitlich zu tief eingeschnitten worden, die Beklagte habe dabei keine Handschuhe getragen und die Spangen seien während der Behandlungsdauer mehrfach verrutscht. Die Behandlung bei der Beklagten habe zu keiner Verbesserung geführt und sei mit Schmerzen verbunden gewesen. In der Folgebehandlung bei Frau L habe drei Monate gewartet werden müssen bis der zu weit zurückgeschnittene Zehennagel wieder entsprechend herausgewachsen sei. Auch habe die Beklagte in ihrer Behandlung die Nagelspange nicht individuell angepasst, was dazu geführt habe, dass die Nagelspangen sich nicht - wie in Behandlung bei Frau L - verschoben hätten. Tatsächlich hätten sich die Spangen verschoben gehabt. Die grob fehlerhafte Behandlung der Beklagten habe die Behandlung um etwa 14 Monate verzögert. Ersatzfähig als Schaden seien die Behandlungskosten im Jahr 0000, die Kosten für die Fehlbehandlung und neue Klebespangen sowie ein Schmerzensgeld von mindestens 1.000 €.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 1.000 €, nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 776,50 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass die Zehennägel nicht zu tief eingeschnitten und Hygienevorschriften eingehalten worden seien. Die Beklagte habe bei der Behandlung auch Handschuhe getragen. Die Klägerin als auch die Mutter hätten die Spangen ohne Desinfizieren /Händewaschen angefasst, obwohl die Mutter als ausgebildete Arzthelferin hätte wissen müssen, dass die Spangen nicht abgenommen oder versetzt werden dürfen, insbesondere nicht ohne Beachtung der erforderlichen Hygiene. Die Klägerin habe an den Nagelhautecken gerissen und an der Spange "geknibbelt". Die Mutter habe die Spangen permanent auf Festigkeit überprüft. Am 00.00.00, am 00.00.00, am 00.00.00 wären Entzündungen vorhanden gewesen. Beim Lösen der Spange wäre eine Abnahme nicht erforderlich, sondern es wäre ausreichend dies durch Klarlack zu befestigen. Ein Vortrag der Klägerseite zum Neuaufsetzen der Spange sei widersprüchlich, da die Rechnung vom 00.00.0000 ausweise, dass die Spangen angebracht worden seien. Sie bestreitet den Klägervortrag zur Weiterbehandlung bei Frau L mit Nichtwissen.

Die Klage ist der Beklagten am 00.00.0000 zugestellt worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. B. Für das Ergebnis des Gutachtens vom 00.00.0000 sowie die Erläuterung in der mündlichen Verhandlung vom 00.00.0000 wird auf Bl. 69 ff, 151 ff. d. A. Bezug genommen.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf materiellen Schadensersatz i. H. v. 172,50 € sowie Schmerzensgeld i. H. v. 750 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 630a Abs. 2, 611, 249, 253 Abs. 2 BGB. Einen weitergehenden Anspruch hat die Klägerin nicht.

a.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ein Behandlungsvertrag i. S. d. § 630a ff. BGB geschlossen worden, in dem die Klägerin durch ihre gesetzlichen Vertreter - den Eltern - nach §§ 106, 107, 161, 1626, 1629 BGB vertreten wurde. Bei einem podologischen Behandlungsvertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag, da kein Erfolg sondern nur die medizinische Behandlung geschuldet war (vgl. § 630a Abs. 1 BGB). Nach § 630a Abs. 2 BGB ist die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards geschuldet, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.

b.

Es liegt ein grober Behandlungsfehler der Beklagten durch Unterlassen der Anfertigung eines Abdrucks vor mit der Folge dass sie beweisen müsste, dass die die Anpassung der Spange ohne vorherigen Abdruck noch regelgerecht gewesen wäre. Hierzu bleibt die Beklagte beweisfällig.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für das Gericht zum einen fest, dass die Beklagte den Zustand der Zehen der Klägerin vor Durchführung der Behandlung fehlerhaft in keiner Weise dokumentiert hat. Dies folgt bereits aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B, dem sich das Gericht in eigener Überzeugungsbildung anschließt. Insofern ergibt sich aus dem schriftlichen Gutachten zunächst dass der Sachverständige nicht von einer fehlerhaften Behandlung ausging. Jedoch führte er in seiner weiteren mündlichen Erläuterung im Termin am 00.00.0000 aus, dass eine Dokumentation unzureichend sei und bei ordnungsgemäßer Dokumentation hätte beurteilt werden können, ob es sich um einen Standardfall handele oder nicht - bei dem ein Abdruck vorher hätte angefertigt werden müssen oder nicht. Es sei zwar gängiger Lehrmeinung, dass bei dieser Art der Spange ein Abdruck gefertigt werden müsse, jedoch halte er Abweichungen bei erfahrenen Podologen für zulässig, da solche Spangen alltägliche Tätigkeit sind. Die Anpassung ohne Abdruck sei auch bei einer minderjährigen Patientin möglich, wenn es sich um einen Standardfall handele. Ob ein Standardfall vorlag, könne er mangels Dokumentation nicht beurteilen. Außerdem hat der Sachverständige angegeben, dass es bei einer nicht ordnungsgemäß angepassten Spange dazu kommen könnte, dass der Nagel nicht richtig aufgerichtet wird und dass sich die Häkchen der Spange in die Haut einarbeiten. Die Angaben des Sachverständigen zum Dokumentationszustand sind plausibel, nachvollziehbar und entsprechen auch dem Zustand der Behandlungsunterlagen, die der Akte als Beweismittel in der separaten Beweismittelakte beigefügt sind. Als Oberarzt der Klinik für Dermatologie und Venerologie, Sektionsleiter Operative Dermatologie, Nagelchirurgie und spezielle Nagelchirurgie am Universitätsklinikum C ist er für die vorliegende Begutachtung besonders qualifiziert. Dem Gutachten wurden alle vorhandenen Unterlagen zugrunde gelegt. Aus den damit vollständig ermittelten Befund- und Anknüpfungstatsachen hat der Sachverständige unter vollständiger Würdigung der medizinischen Vorgaben in jeder Hinsicht nachvollziehbar und widerspruchsfreie Schlussfolgerungen gezogen.

Ein Anfangszustand sowie eine Abdruck ist nicht dokumentiert, obwohl nach § 630 f Abs. 2 BGB dem Behandelnden entsprechende Dokumentationspflichten aufgelegt werden. Dies führt vorliegend zu einer Beweislastumkehr, d.h. die Beklagte muss beweisen, dass ein Standardfall vorliegt, bei dem die Anpassung der Spange ohne vorherigen Abdruck noch regelgerecht gewesen wäre (vgl. zur möglichen Beweislastumkehr bei Dokumentationsmängeln OLG Frankfurt, Urt. v. 14.03.1991, Az. 1 U 218/89, juris, m.w.N; ebenso OLG Köln, Urt. v. 07.05.1984, Az. 7 U 306/83, juris). Ist ein Behandlungsfehler generell geeignet, einen eingetretenen Schaden herbeizuführen, so erstreckt sich die Umkehr der Beweislast auch hierauf (vgl. BGH, Urt. v. 19.06.2012, Az. VI ZR 77/11, juris, Rdnr. 6).

Zum anderen steht für das Gericht nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass die Anpassung der Spange ohne vorherigen Abdruck noch regelgerecht gewesen wäre. Da der Sachverständige Dr. B keine Angaben ohne vorhandenen Anfangsdokumentation hierzu machen kann und weitere Beweismittel nicht vorhanden sind, bleibt die Beklagte für die Beweisfrage, ob eine Anpassung der Spange ohne vorherigen Abdruck noch regelgerecht gewesen wäre, beweisfällig.

c.

Als kausaler Schaden sind die Kosten der Weiterbehandlung, als auch das Schmerzensgeld erstattungsfähig. Nicht erstattungsfähig als Schaden ist die Vergütung der Beklagten für das Jahr 0000.

Zu ersetzen ist der durch die Pflichtverletzung entstandene Schaden. Dieser beurteilt sich grundsätzlich nach einem rechnerischen Vergleich der durch das schädigende Ereignis bewirkten Vermögenslage mit derjenigen, die ohne die Pflichtverletzung bestünde (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1241 [1244]; NJW 2001, 673 [674]; DB 2011, 1633 Rn. 16). Das erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (vgl. BGH WM 1998, 142, 1244; 2005, 999 [1000]; 2006, 927 [928]; 2008, 946 Rn. 24; DB 2011, 1633 Rn. 16; WM 2015, 790 Rn. 7). Hierbei ist grundsätzlich die gesamte Schadensentwicklung bis zur letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen in die Schadensberechnung einzubeziehen (vgl. BGHZ 133, 246 [252 f.] = WM 1996, 1504; BGH WM 2008, 946 Rn. 24; 2015, 1622 Rn. 32). Es geht bei dem Gesamtvermögensvergleich nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (vgl. BGH WM 2006, 927 [928]; 2008, 946 Rn. 24; DB 2011, 1633 Rn. 16). Im Einzelnen ist die Vermögenslage mit Pflichtverletzung (IST-Zustand) mit der Vermögenslage zu vergleichen, die bestanden hätte, wenn sich die Beklagte pflichtgemäß verhalten hätte (hypothetischer SOLL-Zustand).

Die aufgetretene Komplikationen und dadurch verursachte Behandlungsverzögerungen beruhen auf einem Behandlungsfehler der Beklagten. Ohne den Behandlungsfehler wären die Komplikationen nicht aufgetreten.

Im Einzelnen:

aa.

Die Kosten der weiteren Behandlung in Form der Behandlung zur Entzündungslinderung und der provisorischen Spange sind in Höhe der von der Klägerin geltend gemachten 172,50 € ersatzfähig. Diese sind Zusatzkosten, die bei ordnungsgemäßer Durchführung der Behandlung durch die Beklagte nicht angefallen wären (vgl. auch MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 630a Rn. 100).

Soweit die Beklagte mit Nichtwissen eine weitere Behandlung durch Frau L bestreitet, ist dies nicht genügend. Die Klägerin hat durch die Vorlage der Rechnungen vom 00.00.0000, 00.00.0000 und 00.00.0000 substantiiert vorgetragen und nachgewiesen, dass sie in weiterer Behandlung bei Frau L gewesen ist und diese insgesamt Kosten vom 172,50 € abrechnete (Rechnung vom 00.00.0000 über 119 €, vom 00.00.0000 über 37 € und 00.00.0000 über 16,50 €). Bei ordnungsgemäßer Behandlung durch die Beklagte wären diese Kosten einer Folgebehandlung vermieden worden.

bb.

Die Behandlungskosten der Beklagten für das Jahr 0000 sind nicht als Schaden ersatzfähig.

Der Auftraggeber eines Dienstleisters kann den vertraglichen Vergütungsanspruch nicht kraft Gesetzes wegen mangelhafter Dienstleistung kürzen, denn das Dienstvertragsrecht kennt keine Gewährleistung i. F. v. Minderung (vgl. BGH NJW 2004, 2817 zur Anwaltsvergütung). Das gilt auch dann wenn die Pflichtverletzung schuldhaft war (vgl. BGH a. a. O., OLG Düsseldorf MDR 2011, 1327, OLG Koblenz NJW-RR 2003, 274 jeweils zum Anwaltsvertrag). Der Patient ist daran gehindert, das Honorar einfach deshalb zu kürzen, weil der erhoffte Behandlungserfolg nicht eingetreten ist oder die von dem Behandelnden tatsächlich erbrachte Leistung weniger wert ist als die unter Beachtung der vertraglichen Vereinbarung und des § 630a Abs. 2 geschuldete Leistung. Es ist aber streitig, ob der Vergütungsanspruch dann entfällt, wenn die Pflichtverletzung als besonders schwerwiegend anzusehen ist bzw. sich die ärztliche Leistung für den Patienten als völlig unbrauchbar darstellt (bejahend LG Regensburg, Urteil vom 27.05.2014 - 4 O 910/11 = BeckRS 2014, 19594 m. w. N.; verneinend MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 630a Rn. 94).

Das Gericht schließt sich zwar der Entscheidung des LG Regensburg an, dass eine Vergütungspflicht bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen grundsätzlich entfällt. Denn auch außerhalb des medizinischen Behandlungsvertrags wird für andere Arten von Dienstverträgen ein Ausschluss der Gebührenforderung in Ausnahmefällen anerkannt (vgl. BGH NJW 2004, 2817 m. w. N.; BGH, NJW 1981, 1212 jeweils zum Anwaltsvertrag). So nimmt beim Anwaltsvertrag die ständige Rechtsprechung einen Ausschluss im Hinblick auf den Grundgedanken des § 654 BGB an, wenn der Anwalt über einen grob fahrlässigen Pflichtenverstoß hinaus einen nach § 356 StGB strafbaren Parteiverrat begangen hat (vgl. BGH NJW 2004, 2817 m. w. N.; BGH, NJW 1981, 1212). Die für den Anwaltsvertrag entwickelten Grundsätze sind vom Gedanken her auch auf den medizinischen Behandlungsvertrag anwendbar- jedoch ist auf die Besonderheiten des § 630a ff. BGB entsprechende Rücksicht zu nehmen, da diese einen eigenständigen Typus des Dienstvertrags darstellt. Für ein Entfallen der Vergütungspflicht spricht auch die Systematik zu § 628 Abs. 1 S. 2 BGB. So führt eine völlige Unbrauchbarkeit der Leistung in Ansehung des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB dazu, das die Vergütungspflicht ganz oder teilweise bei veranlasster Kündigung durch den anderen Teil entfällt.

Selbst wenn man wie das Gericht dazu kommen sollte, dass eine Vergütungspflicht bei besonders schwerer Pflichtverletzung oder völliger Unbrauchbarkeit entfallen kann, sind aber die Voraussetzungen hier nicht gegeben. Die Behandlung der Beklagten war nicht vollständig unbrauchbar. So hatte auch der Sachverständige Dr. B angegeben, dass die lange Behandlungsdauer nicht ungewöhnliches sei und Spangen zur Korrektur generell verwendet würden. Das Fertigen von Abdrücken sei zwar gängige Lehrmeinung, aber bei erfahrenen Podologen nicht stets erforderlich. Die Anpassung ohne Abdruck sei auch bei einer minderjährigen Patientin möglich, wenn es sich um einen Standardfall handele. Eine fehlerhaft angepasste Spange könne dazu führen, dass die Haut verletzt ("eingearbeitet") werde. Bei Entzündung des Nagelbetts wäre es eine Grauzone, wann ein Arzt hinzuziehen wäre - insofern dann wenn bereits eine beginnende Wundrose vorliegen würde, wäre es zwingend. Ansonsten würde die Nichthinzuziehung eines Arztes lediglich einen einfachen Behandlungsfehler darstellen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände, denen sich das Gericht in eigener Überzeugungsbildung anschließt, liegt zwar ein grober Behandlungsfehler durch die Unterlassung der erforderlichen Dokumentation vor, aber die Behandlung war nicht vollständig unbrauchbar. So wäre bei einem Standardfall keine Anfertigung eines Abdrucks erforderlich - wozu der Sachverständige aber mangels Dokumentation keine Angaben machen kann. Aber auch bei Berücksichtigung der Komplikationen stellt sich die Behandlung nicht als völlig unbrauchbar dar. So hat die Klägerin selbst ausgeführt, dass Sport "nur eingeschränkt" betrieben werden konnte. Eine Überschreitung der Grenze zur Unbrauchbarkeit stellt sich vor dem Hintergrund nicht dar, da dies impliziert das Bewegung teilweise - wenn auch eingeschränkt - im Behandlungszeitraum noch möglich und nicht gänzlich aufgehoben war.

cc.

Die Höhe des Schmerzensgeldes schätzt das Gericht nach § 287 Abs. 1 ZPO auf 750 €. Der Anspruch auf Schmerzensgeld soll dem Verletzten einen angemessenen Ausgleich für erlittene immaterielle Beeinträchtigungen und Genugtuung für das bieten, was ihm der Schädiger zugefügt hat. Das Schmerzensgeld muss dabei der Höhe nach unter umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände festgesetzt werden und in einem angemessenen Verhältnis zur Art und Dauer der Verletzung stehen (BGH NJW 1995, 781). Dabei war sowohl das Alter der Klägerin als auch der Umfang der erlittenen Einschränkungen zu berücksichtigen.

Insofern sind hier folgende Aspekte zu berücksichtigen, die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 00.00.0000 substantiiert vorgetragen und durch die Beklagte nicht mehr bestritten wurden (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO). Während der Behandlungszeit konnte die Klägerin nicht ins Schwimmbad und Sport nur eingeschränkt betreiben. Ein Judotraining wie auch Ausflüge waren ihr nicht mehr möglich; beim Schulsport musste sie häufiger aufhören. Die Klägerin litt weiter unter Angstzuständen vor den Terminen. Geschlossene Schuhe konnte sie nicht tragen und wurde von der Mutter zu Behandlung hin- und wieder zurückgebracht. Die unstreitigen Einschränkungen der persönlichen Lebenssphäre der Klägerin sprechen dafür, dass die Komplikationen schon ein erhebliches Maß erreichten. Eine Verbesserung der Lage konnte durch die Behandlung bei Frau L aber dann relativ schnell erreicht werden. Auch die Dauer der Behandlungszeit und der Umstand, dass ein grober Behandlungsfehler vorliegt führen dazu, dass das Gericht ein Schmerzensgeld von 750 € für angemessen aber auch ausreichend erachtet. So ist nicht ersichtlich, dass Dauerschäden bei der noch jungen Klägerin verbleiben, da die Behandlung durch Frau L zufriedenstellend abgeschlossen werden konnte.

d.

Ein Mitverschulden i.s.d. § 254 Abs. 1 BGB muss sich die Klägerin, insbesondere der Mutter, nicht anrechnen lassen. So ist schon nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass ein Verhalten der Kläger zum Schadensentstehung beigetragen hat. Die von der Beklagten pauschal vorgetragenen Einwände im Schriftsatz vom 00.00.0000 zum "Knibbeln" bzw. Anfassen/Prüfung der Spange (vgl. Bl. 42 d. A.) sind schon nicht substantiiert. Insofern hätte sie darlegen müssen, welche Stellung die Spangen vor und nach jeder Behandlung hatten, um hieraus den Rückschluss zu ziehen, dass diese von der Klägerin oder der Mutter verrückt wurden.

Auch der Sachverständige Dr. B konnte anhand der ihm vorliegenden Unterlagen nicht angeben, ob Manipulationen stattgefunden haben oder nicht.

2.

Der Anspruch der Kläger auf die Zinsen folgt aus §§ 288, 291 ZPO seit dem Tag nach Rechtshängigkeit - mithin hier dem 00.00.0000.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 1, 711 ZPO.

Streitwert: 1776,50 €

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht G, Bweg XX, XXXXX G, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Aachen zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht G durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.