Thüringer VerfGH, Beschluss vom 03.03.2021 - 105/20
Fundstelle
openJur 2021, 13027
  • Rkr:
Tenor

Die Wahlprüfungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Wahlprüfungsbeschwerde gegen den Beschluss des Thüringer Landtags vom 16. Juli 2020 (LTDrucks 7/1290), mit dem dieser den Einspruch des Herrn J H gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Thüringer Landtag am 27. Oktober 2019 zurückgewiesen hat.

I.

Herr H hatte mit Schreiben vom 26. Dezember 2019 Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 7. Thüringer Landtag eingelegt. Das Einspruchsschreiben ist der Wahlprüfungsbeschwerde nicht beigefügt.

Diesen Wahleinspruch hat der Thüringer Landtag mit Beschluss vom 16. Juli 2020 als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führt der Beschluss aus, dem Einspruch seien keine Tatsachen zu entnehmen, aus denen sich - ihre Richtigkeit unterstellt - ein Wahlfehler ergebe.

II.

Am 5. Oktober 2020 hat die Beschwerdeführerin beim Thüringer Verfassungsgerichtshof "Rechtsmittel" gegen den Beschluss des Thüringer Landtags vom 16. Juli 2020 erhoben. Sie rügt eine Vielzahl "erkannter Unregelmäßigkeiten".

Der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 auf Bedenken an der Zulässigkeit ihrer Wahlprüfungsbeschwerde hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt. Mit Schreiben vom 9. November 2020 hat die Beschwerdeführerin Stellung genommen. Ihr "Bundesvorsitzender", Herr H, bestätige die Beschwerde "nun" mit seiner Unterschrift. Zudem sei die zweimonatige Beschwerdefrist laut der dem Beschluss des Landtags beigefügten Postzustellungsurkunde gewahrt worden. Es könne nicht sein, dass ein Landtag einen Beschluss fasse und diesen im Extremfall erst kurz vor Auslaufen der Frist versende.

III.

Der anhörungsberechtigte Thüringer Landtag hat von einer Stellungnahme im Verfahren abgesehen.

B.

Das bei verständiger Würdigung des Beschwerdevorbringens als Wahlprüfungsbeschwerde gegen den Beschluss des Thüringer Landtags vom 16. Juli 2020 (LTDrucks 7/1290) zu wertende "Rechtsmittel" der Beschwerdeführerin ist als unzulässig zu verwerfen, § 11 Nr. 8, § 13 Satz 1, § 48 des Gesetzes über den Thüringer Verfassungsgerichtshof (Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetz - ThürVerfGHG).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet nach § 19 Satz 1 ThürVerfGHG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss.

I.

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof ist gemäß Art. 80 Abs. 1 Nr. 8 i. V. m. Art. 49 Abs. 3 der Thüringer Verfassung (ThürVerf) und § 11 Nr. 8, § 48 ThürVerfGHG sowie § 64 des Thüringer Wahlgesetzes für den Landtag (Thüringer Landeswahlgesetz - ThürLWG) zur Entscheidung über die Beschwerde berufen.

2. Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG erhoben worden ist (a.). Zudem fehlt es der Beschwerdeführerin an der Beschwerdeberechtigung (b.) sowie am Beitritt von 100 Wahlberechtigten (c.). Schließlich mangelt es an der erforderlichen Personenidentität zwischen Beschwerde- und Einspruchsführer (d.).

a. Die Wahlprüfungsbeschwerde ist verfristet.

Nach § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Landtags über die Gültigkeit einer Wahl binnen einer Frist von zwei Monaten seit der Beschlussfassung des Landtags beim Verfassungsgerichtshof zu erheben. Dem genügt die gegen den Beschluss des Thüringer Landtags vom 16. Juli 2020 (LTDrucks 7/1290) am 5. Oktober 2020 erhobene Beschwerde nicht.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kommt es für den Beginn der Frist des § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG nicht auf das Datum der Zustellung des den Wahleinspruch zurückweisenden Landtagsbeschlusses an. Maßgeblich ist nach dem Wortlaut von § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG allein das Datum, unter dem der Landtag den angegriffenen Beschluss gefasst hat.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, es könne nicht sein, dass ein Landtag einen Beschluss fasse und diesen im Extremfall erst kurz vor Auslaufen der Frist versende, geht bereits deshalb fehl, weil der Beschluss vom 16. Juli 2020 (LTDrucks 7/1290) bereits am 3. August 2020 versandt wurde. Außerdem ist in der dem Beschluss beigegebenen Rechtsmittelbelehrung auf die Frist von zwei Monaten seit der Beschlussfassung des Landtags hingewiesen worden (vgl. § 62 Abs. 3 ThürLWG).

b. Die Beschwerde der "Partei Rad der Deutschen" ist auch deshalb unzulässig, weil Gruppen von Wahlberechtigten nicht berechtigt sind, eine Wahlprüfungsbeschwerde zu erheben. Dies gilt auch für politische Parteien und Gruppen von Kandidaten. Deshalb ist es unerheblich, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Partei im Sinne des § 2 Parteiengesetz handelt.

Gemäß § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG kann gegen einen Beschluss des Landtags über die Gültigkeit einer Wahl Beschwerde zum Verfassungsgerichtshof - nur - ein Abgeordneter erheben, dessen Mitgliedschaft bestritten wird, ein Wahlberechtigter, dessen Einspruch vom Landtag verworfen worden ist, wenn ihm mindestens 100 Wahlberechtigte beitreten, eine Fraktion oder eine Minderheit des Landtages, die wenigstens ein Zehntel der gesetzlichen Mitgliederzahl umfasst.

Nach Maßgabe von § 53 ThürLWG kann im Wahlprüfungsverfahren des Landtags gemäß § 51 Nr. 1 ThürLWG unter anderem jeder Wahlberechtigte und jede Gruppe von Wahlberechtigten sowie jede an der Wahl beteiligte Partei Einspruch einlegen.

Aus der unterschiedlichen Regelung in § 53 ThürLWG und § 48 ThürVerfGHG geht klar hervor, dass das Beschwerderecht gegenüber dem Einspruchsrecht eingeschränkt sein soll. Das Gesetz räumt die Beschwerdemöglichkeit an den Thüringer Verfassungsgerichtshof nämlich nur dann ein, wenn eine nicht ganz unerhebliche Zahl von Wählern der Wahlprüfungsentscheidung des Thüringer Landtags widerspricht und so zeigt, dass der Angelegenheit eine gewisse Bedeutung zukommt. Deshalb sollen Gruppen nach § 48 ThürVerfGHG nicht beschwerdeberechtigt sein und insoweit auch nicht für ihre Mitglieder handeln können (ThürVerfGH, Beschluss vom 28. November 1996 - VerfGH 1/95 -, LVerfGE 5, 356 [370] = juris Rn. 84 m. w. N. zu den entsprechenden Regelungen im Bundesverfassungsgerichtsgesetz und dem Wahlprüfungsgesetz des Bundes).

Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt des ausreichenden Rechtsschutzes gegen Entscheidungen im Wahlprüfungsverfahren verfassungsrechtlich unbedenklich. Dadurch, dass nach § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG jedem einzelnen Wahlberechtigten, der Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl erhoben hat, gegen die Entscheidung des Thüringer Landtags gemäß Art. 80 Abs. 1 Nr. 8 ThürVerf, § 11 Nr. 8, § 48 ThürVerfGHG die Beschwerde zum Thüringer Verfassungsgerichtshof offensteht, ist gewährleistet, dass auch jede Wählergruppe ihr mit dem Einspruch verfolgtes sachliches Begehren beschwerdefähig halten kann, wenn nur eines ihrer Mitglieder den Einspruch auch im eigenen Namen erhebt und wenn weitere 100 Wahlberechtigte es dabei unterstützen. Die Geltendmachung einer Verletzung in eigenen subjektiven Rechten - etwa dem aktiven oder passiven Wahlrecht - wird für die Zulässigkeit des Einspruchs des einzelnen Wahlberechtigten nicht vorausgesetzt (ThürVerfGH, LVerfGE 5, 356 [370] = juris Rn. 85 m. w. N. zu den entsprechenden bundesrechtlichen Regelungen).

Die vorliegende Wahlprüfungsbeschwerde ist nicht von Herrn H, sondern von der "Partei Rad der Deutschen" erhoben worden. Dies folgt aus der Beschwerdeschrift vom 5. Oktober 2020 und ergibt sich auch aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 9. November 2020. Für die Annahme eines gegenteiligen Verständnisses fehlt der Beschwerdeschrift jeglicher Hinweis darauf, dass die Beschwerde nicht von der Beschwerdeführerin im eigenen Namen, sondern von dieser für Herrn H erhoben sein solle. Weder ist die Beschwerdeschrift von diesem Mitglied unterzeichnet noch ist ihr eine entsprechende Vollmacht beigefügt. Dass der "Bundesvorsitzende", Herr H, die Beschwerde mit Schreiben vom 5. November 2020 "nun" mit seiner Unterschrift "bestätigt", ist jedenfalls deshalb unerheblich, weil diese "Bestätigung" außerhalb der Frist des § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG erfolgte.

c. Die Wahlprüfungsbeschwerde ist auch deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil der Beschwerdeführerin nicht mindestens 100 Wahlberechtigte beigetreten sind.

Nach § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG kann ein Wahlberechtigter, dessen Einspruch vom Landtag verworfen worden ist, Beschwerde gegen den Beschluss des Landtags nur erheben, wenn ihm mindestens 100 Wahlberechtigte beitreten. Auch diesem Erfordernis ist nicht genügt.

Entgegen der Schilderung im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 5. November 2020, am 26. September 2020 seien der Beschwerde 138 Mitglieder des Thüringer Landesverbands beigetreten, sind keine Beitrittserklärungen eingegangen. Im Übrigen wären Beitrittserklärungen am 26. September 2020 ebenfalls verfristet, weil sie außerhalb der zweimonatigen Frist des § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG beim Thüringer Verfassungsgerichtshof eingegangen wären.

d. Schließlich mangelt es der Beschwerde auch an der erforderlichen Personenidentität zwischen Beschwerde- und Einspruchsführer.

Beschwerde zum Thüringer Verfassungsgerichtshof kann gemäß § 48 Abs. 1 ThürVerfGHG nur ein Wahlberechtigter erheben, dessen Wahleinspruch vom Landtag verworfen worden ist. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin nicht wahlberechtigt ist (vgl. Art. 46 Abs. 2 ThürVerf, § 13 ThürLWG), hatte nach den Ausführungen im angegriffenen Beschluss des Landtags vom 16. Juli 2020 (LTDrucks 7/1290) nicht sie, sondern Herr H den Wahleinspruch erhoben. Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde ausführt, Herr H habe den Wahleinspruch im Auftrag des Thüringer Landesverbands erhoben, ist dies angesichts der Ausführungen im angegriffenen Beschluss jedenfalls nicht hinreichend dargelegt. Das Einspruchsschreiben ist der Wahlprüfungsbeschwerde nicht beigefügt.

II.

Das Verfahren ist gemäß § 28 Abs. 1 ThürVerfGHG kostenfrei.

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